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Fremdverliebt und was nun?



Ich stecke gerade in einem richtigen Dilemma. Ich bin glücklich mit meinem Freund zusammen. Ich weiß und fühle, dass er der Richtige für mich ist. Doch trotzdem bin ich nicht in ihn verliebt, sondern in einen anderen. Was mache ich nun damit?


Und das ist leider nicht das erste Mal. In unseren bisher fast acht Jahren Beziehung gab es immer mal wieder jemand anderen, für den ich geschwärmt habe, den ich attraktiv fand und zu dem ich mich hingezogen gefühlt habe. Dabei war es vor allem das körperliche Verlangen, ich wollte mal jemand anderen haben als meinen Freund. Schließlich ist er meine erster richtiger Freund. Vor ihm kam bisher keiner. Mir fehlen Vergleichsmöglichkeiten. Ich weiß nicht, wie es ist, jemand anderen zu küssen, mit jemand anderen zu kuscheln oder gar mit wem anders Sex zu haben.

Dabei ist das doch etwas, wovon viele träumen. Mit dem einen Freund alle möglichen ersten Male haben. Den Mann fürs Leben finden und nur noch mit ihm zusammen sein. Für mich ist das auch total romantisch. Ein Leben lang habe ich mich nach so einer Beziehung gesehnt. So oft habe ich mich wegen unerwiderter Gefühle in den Schlaf geweint, habe mich ständig verliebt und wieder entliebt. Nie war es etwas Ernstes, ich kam darüber hinweg und ging meinen Weg. Doch ich war so unzufrieden und unglücklich damit. Warum finden immer alle anderen jemanden und ich bleibe allein? Unvorstellbar, dass ich jemals jemanden finden würde, der mich so liebt wie ich bin. Immer redete ich mir ein, dass ich es nicht anders verdiene, dass ich nicht liebenswert genug bin und mich niemand deswegen lieben würde. Selbsterfüllende Prophezeiung eben. Ich war damals auch so schüchtern, dass ich selten den ersten Schritt machte und wenn doch, ging es nach hinten los. Ich bekam Absagen und mein schlechtes Selbstbild bestätigte sich wieder einmal.

Und dann habe ich eben diesen Einen getroffen, mit dem es sofort gepasst hatte. Es war wie ein Traum. Wir lernten uns kennen und merkten sofort, dass wir auf einer Wellenlänge sind. Schnell kamen wir zusammen, noch bevor wir uns persönlich kennenlernen konnten. Übers Internet fanden wir zusammen. Und auch als wir uns das erste Mal gegenüber standen, hat die Chemie sofort gepasst. Ich war so verliebt in ihn und so verrückt nach ihm. Doch unsere Fernbeziehung machte es unserer Liebe schwer. Dachte den ganzen Tag nur an ihn und vermisste ihn so höllisch. Jedes Treffen war wie eine Befreiung und jede Trennung fühlte sich wie ein kleiner Tod an.

Doch nach einem Jahr zogen wir endlich zusammen, unser Liebesglück schien endlich vollkommen zu sein. Leider falsch gedacht. Ich nahm die rosarote Brille ab und entdeckte immer mehr Macken, Fehler und Schwächen an meinem Freund. Es krachte immer mal wieder, wir fanden uns in kleinen Krisen wider. Passen wir wirklich zusammen? Auf einmal sah ich ihn eben nicht mehr so, wie ich ihn gern hätte, sondern so wie er war. Nicht der Prinz auf dem weißen Roß, sondern der Mensch, der er war mit all seinen Fehlern und Abgründen. Wir kamen beide nicht so gut damit zurecht, sprachen über Trennung, zweifelten daran, ob es wirklich weiter geht. Doch wir entschieden uns füreinander, konnten uns ein Leben ohne den anderen nicht mehr vorstellen. Und in der Zeit des Zusammenlebens entwickelte sich aus meinen Verliebtheitsgefühlen wahre Liebe. Klar, es war nicht einfach, aber unsere Gefühle wuchsen mit der Zeit, wurden eben tiefer. Ich lernte ihn zu lieben, so wie er ist. Die Gefühle wurden ruhiger, aber eben dafür tiefer. Ich fühlte mich immer geborgener und sicherer in seiner Nähe, er wurde meine zweite bessere Hälfte. Eine so tiefe Vertrautheit wie zwischen uns habe ich bisher noch nie erlebt. Und auch wenn wir beide immer noch Differenzen haben und uns mal streiten, weiß ich: Mit ihm möchte ich mein Leben verbringen, mit ihm will ich eine Familie haben und alt werden. Mit niemand anderen kann ich mir das vorstellen.

Und doch kommen immer wieder Zweifel auf, so wie auch momentan. Wenn alles so schön ist, warum fühle ich dann gerade so? Wieso bin ich dann in jemand anderen verliebt? Das kann doch nicht richtig sein. Warum bin ich denn gerade in diesen anderen Mann verliebt? Ich glaube, wenn ich das herausfinde, werde ich auch etwas über meine Beziehung herausfinden und was mir darin fehlt. Oftmals ist diese Fremdverliebtsein auch ein Hinweis dafür, was in der aktuellen Beziehung fehlt.

Also warum bin ich in diesen anderen verliebt?

Er ist so anders als mein Freund. Im Gegensatz zu ihm ist er viel offener und redseliger. Mit ihm kann man über Gott und die Welt sprechen. Er hat so viel zu erzählen, so viel Spannendes, dass ich ihm stundenlang zuhören könnte. Oftmals wir uns noch nicht so lange kennen und erst seit kurzem wirklich viel miteinander zu tun haben, scheinen wir auf einer Wellenlänge zu sein. Ähnliche Ansichten und Meinungen schweißen zusammen. Selten konnte ich mal bei jemanden so schnell in die Tiefe gehen. Ich habe das Gefühl, dass es nichts gibt, worüber wir nicht reden können. Zwar gibt es einige andere männliche Freunde, bei denen ich so sein kann wie ich bin und mit denen ich über vieles reden kann, aber mit ihm ist doch anders. Plus: Er zieht mich äußerlich schon an. All meine anderen männlichen Freunde lassen mich in der Hinsicht kalt. Deswegen kann ich wahrscheinlich auch so gelassen bei ihnen sein. Und noch wichtiger: Er fragt mich auch ziemlich viel, zeigt offen, dass er neugierig ist. Das sind zwei Dinge, die ich tatsächlich an meinem Freund vermisse.

Er ist sehr verschlossen, mir gegenüber zwar nicht mehr, aber nach wie vor ein introvertierter Mensch. Früher fand ich das noch sehr anziehend, ich sehnte mich nach jemanden, dem ich alles anvertrauen kann und der mir gut zuhört. Das trifft bei meinem Partner vollkommen zu. Doch mit der Zeit wurde es für mich anstrengend, ihm zum Reden zu bringen. Ich sehnte mich danach, richtig viel mit ihm zu reden. Nicht die ganze Zeit nur selbst zu reden, sondern richtige Gespräche zu führen. Das funktionierte mehr oder weniger gut. Doch so oft ich es auch ansprach, es änderte sich nichts. Mein Freund ist und bleibt introvertiert und wird niemals viel reden. Punkt. Das muss ich einfach akzeptieren. Ich selbst kann nichts tun, man kann andere nicht verändern, nur sie können sich selbst ändern. Und da es eben seiner Persönlichkeit entspricht, wird es wohl auch so bleiben. Doch ich wünschte mir, ich könnte so gut mit ihm reden, wie ich es mit dem anderen Mann kann.

Zuhören kann mein Freund schon, aber was mich eben auch stört ist, dass er selten etwas fragt. Ich bin es, die meistens fragt, wie es ihm geht und was er erlebt hat. Darauf antwortet er auch, aber es kommt selten mal eine Gegenfrage seinerseits. Das interpretiere ich dann als Desinteresse, obwohl er es selbst nicht so sieht. Er denkt einfach nicht daran, meint es wahrscheinlich nicht böse. Doch ich fasse es eben meist negativ auf, frage ihn dann, ob er denn nicht wissen möchte, wie es mir ergangen ist. Mir fehlt manchmal seine Zuwendung, seine Aufmerksamkeit, er ist oftmals mit anderen Dingen beschäftigt. Dabei fühle ich mich schon vernachlässigt und wünsche mir, er würde sich mir mehr zuwenden.

So doof wie es klingt, aber manchmal empfinde ich meinen Freund als langweilig. Klar, ich weiß so gut wie alles über ihn und glaube es zumindest. Zum anderen kommt hinzu, dass er selten mal ausgeht oder mit anderen etwas macht. Er ist ein typischer Stubenhocker und erlebt eher weniger etwas. Wie soll er da auch viel erzählen können? Das ist eine Sache, die tatsächlich zwischen uns steht. Ich möchte rausgehen, etwas erleben, Abenteuer bewältigen, stelle mich Herausforderungen und will mich weiterentwickeln. Doch mein Freund bleibt lieber in seiner Komfortzone, schottet sich ab und scheint sich nicht weiterentwickeln zu wollen. Manchmal habe ich das Gefühl, ich würde viel weiter voran kommen, während er auf der Stelle bleibt. Kann so eine Beziehung funktionieren oder wäre das nicht ein Grund, sich zu trennen? Es kommt darauf an, wie sehr es mich stört. Manchmal schon sehr, aber auch da denke ich mir: Er ist eben so, und ich akzeptiere ihn deswegen auch.

Ich kann darüber hinaus sehr schwer erklären, was mich an dem anderen so fesselt. Ich denke, es ist auch, weil ich ihn noch nicht zu gut kenne. Alles ist so neu, er ist mir so unbekannt und doch fühlt es sich zwischen uns vertraut an. Das Neue lockt mich an, ist reizvoll. Ich liebe es auf Entdeckungsreise zu gehen und unbekannte Gebiete, Menschen und Dinge zu erkunden. Alles, was wir bereden, scheint aufregend zu sein. Ich sauge alle möglichen Informationen und Details auf. Meinen Freund dagegen scheine ich in- und auswendig zu kennen, ist auch normal in einer Langzeitbeziehung. Es fehlt das Spannende und das Neue, was ich dann eher im außen als in der Beziehung suche. Und ich sehne mich auch danach, Erfahrungen mit anderen Männern zu machen. Weil es mir davor nicht möglich war. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich müsste herausfinden, wie es ist, mit wem anders. Damit ich weiß, dass mein Freund auch wirklich der Richtige für mich ist. Wie soll ich es sonst wissen, es wäre doch nur vielleicht eine Einbildung, die ich derzeit habe.

Zum anderen empfinde ich den anderen Mann als anders, als die anderen, die ich bisher kennengelernt habe. In der Hinsicht ähnelt er meinem Freund, aber es ist auf eine andere Art und Weise anders. Natürlich ist jeder individuell, aber er ist so viel erwachsener, tiefsinniger und hat so ganz andere Ansichten als die gewöhnlichen Männer ins einem Alter. Mich fesselt, dass er sich so engagiert und seinen Werten und Träumen folgt. Das entspricht auch meiner Lebenseinstellung und schließt sich mit der meines Freundes aus. Während mich die Gemeinsamkeiten mit ihm verbinden, merke ich, wie sich meine Differenzen zu meinen Freund mich von ihm distanzieren lassen.

Ich merke, dass gerade die Dinge, die mich an meinem Freund stören oder die ich bei ihm vermisse, entscheidend bei dem Neuen sind. Es ist also wirklich so, dass nicht alles in meiner Beziehung rund läuft. Doch vieles, kann ich nicht ändern. Ich muss akzeptieren, dass mein Freund ruhiger ist und niemals so redselig wie andere. Und das Aufregende und Neue kann ich schwer wieder in die Beziehung bringen, es sei denn wir erleben krasse Dinge und ich erlebe mal ganz andere Seiten von ihm. Ich könnte höchstens meinen Freund darauf ansprechen, aufmerksamer zu werden und mich öfter etwas zu fragen. Und was die Weiterentwicklung betrifft, akzeptiere ich entweder die Einstellung meines Freundes oder ich versuche ihn dahingehend zu beeinflussen. Wenn alles nichts hilft und mich das absolut stört, muss ich die Konsequenz ziehen.

Ich frage mich also: Wie soll es nun weiter gehen? Was kann ich tun?

Zunächst einmal stellt sich die Frage: Zusammenbleiben oder nicht?

Fest steht für mich, dass mir mein Freund wichtiger ist und immer sein wird, egal in wen ich und wie sehr ich verliebt bin. Meine Beziehung bewahre ich wie einen Schatz und werde mich immer für sie entscheiden. Ich liebe meinen Freund sehr und will mit ihm zusammenbleiben. Ich werde wegen irgendeinem Kerl niemals meinen Freund aufgeben, Verliebtheit hin oder her. Das, was wir haben, ist etwas ganz besonderes. Ich kenne mich zu gut und weiß, dass ich mich aus unsinnigen Gründen oder grundlos verlieben kann. Und deswegen werde ich meine Beziehung auch nicht beenden.

Ich dachte immer, dass es falsch sei, in wen anders verliebt zu sein, wenn man doch in einer Beziehung ist. Aber ich habe dann auch darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es okay ist. Ich liebe meinen Freund trotz aller Fehler sehr und es hat sich durch den anderen Mann auch nichts daran geändert. Meine Gefühle für ihn haben nichts mit meiner Liebe zu meinem Partner zu tun. Und ich denke, es ist in Ordnung so zu fühlen. Ich hatte mich sonst nur verurteilt und mich schuldig gefühlt gegenüber meinem Freund. Doch ich kann nichts dagegen tun, diese Gefühle sind da und ich will sie akzeptieren.

Deswegen werde ich auf alle Fälle, diese Gefühle beibehalten und nicht unterdrücken. Das wäre gegen mich selbst. Ich möchte mich und meine Gefühle annehmen und mir selbst treu bleiben. Diese Gefühle dürfen gefühlt werden. Doch sie auszuleben wäre doch eine ganz andere Sache.

Nun könnte ich einfach die Gefühle so lassen und mich darauf konzentrieren, mich wieder zu entlieben. Das habe ich versucht, aber gleichermaßen will ich dem anderen auch näher kommen. Da eine Trennung nicht in Frage kommt, kämen eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten in Frage: Meinen Freund zu betrügen oder eine offene Beziehung einzugehen. Ersteres möchte ich meinem Freund nicht antun, ich käme damit auch nicht zurecht. Doch das Thema „Offene Beziehung“ hatten wir schon öfter einmal und ich kenne die Einstellung meines Freundes. Er ist strikt dagegen, will mich mit niemanden teilen. Und ich bin mir auch unsicher, wie ich damit klar kommen würde. So wie es aussieht, stehe ich also auch gerade sehr auf der Stelle und schau, wie sich das entwickelt. Sollten die Gefühle doch stärker werden, werde ich definitiv mit meinem Freund darüber sprechen. Das alles mit mir auszutragen kann, ist nicht richtig.

Jedenfalls möchte allen mitteilen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden: Ihr seid nicht allein! Bitte verurteilt euch nicht für eure Gefühle, sondern genießt sie. Und es ist okay in wen anders verliebt zu sein, dafür könnt ihr nichts. Es muss nicht unbedingt bedeuten, dass eure Beziehung nicht funktioniert. Es ist mehr ein Hinweis, dass ihr mal genauer schauen solltet, wo es noch Schwächen gibt. Nehmt es auch als guten Anreiz, etwas an der Beziehung zu verändern.


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