Einen Monat ist es her, seitdem ich eine eigene Selbsthilfegruppe gegründet habe. Was? Eine Selbsthilfegruppe?! Wieso denn das, werdet ihr euch fragen. Und wie läuft es momentan? Das alles erfahrt ihr im folgenden Beitrag.
In
mir war schon immer der Wunsch, etwas Eigenes zu schaffen. Das ist
eben so eine Menschensache. Dem Leben einen Sinn geben, mit dem, was
man macht. Ich weiß nicht woher dieser Wunsch kommt. Wahrscheinlich
weil ich weiß, dass mein Leben endlich ist und ich etwas
hinterlassen möchte, was mich eventuell überdauern könnte. Ich
möchte nicht nur auf der Welt sein und mein Leben leben. Ich möchte
Spuren auf dieser Welt und bei anderen Menschen hinterlassen.
Und
so machte ich mich auf die Suche, nach dieser einen Sache, mit der
ich etwas in der Welt bewegen konnte. Ja, ich wollte etwas zur Welt
beitragen, ich wollte die Welt in irgendeiner Art und Weise
verbessern. Das klingt schon sehr verrückt, ein Einzelner kann doch
nicht viel machen oder?
Das
finde ich absolut falsch. Sehr wohl steckt in jedem von uns das
Potenzial, seine Welt und seine Mitmenschen zu beeinflussen.
Schließlich orientieren wir uns auch als Kinder sehr an unsere
Mitmenschen, die für uns Vorbilder sein können. Und genauso klappt
das auch bei erwachsenen Menschen. Es lebt ja nicht jeder für sich
allein. Schon indem wir miteinander kommunizieren und interagieren,
beeinflussen wir uns. Und wenn wir mit gutem Beispiel voran gehen,
bin ich mir sicher, beeinflussen wir auch andere Menschen damit.
Nicht mal unbedingt bewusst, aber die Leute nehmen einen wahr, das
reicht ja schon.
Jedenfalls
bin ich einfach eine Idealistin, ich will die Welt besser machen und
möchte anderen Menschen helfen. Ich habe ein gewisses Helfersyndrom
entwickelt, liegt sicherlich auch an meiner Persönlichkeit und
Vergangenheit. Damals als ich noch mit meinem Stiefvater lebt
zusammen lebte, der ein Alkoholiker war. Ich glaube, daher kommt das.
Er tat mir leid und wir saßen so oft zusammen, ich hörte mir seine
Sorgen und Ängste an, fühlte mich wie ein Kummerkasten und wollte
ihm unbedingt durch Ratschläge helfen. Im Endeffekt hat es nichts
gebracht, da er im normalen Zustand sich sowieso nicht mehr an etwas
erinnern konnte.
Doch
auch später in meiner Jugend war ich immer die Schulter zum
Ausheulen für meine Mitmenschen und besonders meine Freunde. Ich
habe immer noch einige Freunde, die so einiges durchgemacht haben und
emotional echt zu kämpfen haben. Und ich selbst bin auch vom Leben
gestraft. Jedenfalls mag ich es einfach, für andere da zu sein,
ihnen zuzuhören, mitzufühlen, mich in sie hineinzuversetzen und
Ratschläge zu geben.
Und
nun kam das alles zusammen. Einerseits die Sache mit der Welt
verbessern und anderen zu helfen. Ich habe mir den Kopf darüber
zerbrochen, was ich alles tun kann. Dutzende an Ideen entstanden, die
ich aber selbst verworfen hatte. Anderen Mensch Deutsch beibringen
(was ich übrigens tatsächlich auch ehrenamtlich mache),
hilfebedürftigen Menschen beistehen, etwas mit Senioren machen und
und und. Aber so richtig vorstellen konnte ich mir bei all den Sachen
nicht so viel. Es war nicht das, was ich machen wollte.
Und
irgendwann kam ich auf die Idee eine Selbsthilfegruppe zu gründen.
Und zwar eine für Menschen mit extremer Schüchternheit und sozialer
Phobie. Eine soziale Phobie betrifft Menschen, die Angst davor haben
von anderen Menschen beurteilt und kritisiert zu werden. Sie fürchten
sich davor, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren, wollen keine
Fehler machen. Sie sind extrem gehemmt im Umgang mit anderen, meiden
soziale Situationen und kommen schlecht mit neuen Leuten in Kontakt.
Sie sind ständig gehemmt, haben eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung,
über die sie ständig denken.
Auch
ich hatte mal mit einer sozialen Phobie zu kämpfen. Damals bekam ich
vor Gruppen kaum ein Wort heraus, wollte nicht mal in der
Öffentlichkeit essen oder telefonieren und fürchtete mich sogar
davor, im Supermarkt einzukaufen. Es war eine schwere Zeit für mich.
Ich habe sehr darunter gelitten, hatte kaum Freunde und fühlte mich
extrem minderwertig. Hinzu kam, dass sich das sogar auf meine
schulischen Leistungen negativ auswirkte. Schließlich zählte auch
mündliche Mitarbeit und ich musste auch Vorträge halten und
diskutieren. Eine Höllenqual.
Doch
wie durch eine glückliche Fügung öffnete ich mich zunehmend,
freundete mich mehr mit anderen an, hatte dann einen festen
Freundeskreis. Ich wurde selbstbewusster, spielte sogar in einer
Theater-AG und machte auch in Liebesdingen den ersten Schritt. Bis
heute bin ich sehr stolz darauf. Und dann entschied ich mich sogar
Germanistik zu studieren, ein Fach, wo man einfach viel reden und
vortragen musste, doch auch das habe ich gut bewältigt.
Um
dem Ganzen die Krone aufzusetzen bin ich gerade in der Ausbildung zur
Redakteurin. Auch hier muss ich mich täglich überwinden, neue Leute
kennenlernen, auf sie zugehen, Interviews führen und telefonieren.
All Dinge, von denen ich glaubte, ich könnte sie niemals tun. Aber
es ist nicht so schlimm wie befürchtet. Ich bin froh, dass ich meine
Angst so weit im Griff habe. Inzwischen merkt man mir die
Schüchternheit selten an.
Aber
es gibt immer mal Situationen, in denen sie mich packt. Wenn ich vor
mehreren mir nicht vertrauten Menschen reden soll, wenn ich
telefoniere und jemand zu hört. Und ich merke noch immer eine
gewisse Gehemmtheit selbst vor Kollegen, mit denen ich nicht so
vertraut bin. Ein ruhiger Mensch werde ich immer bleiben, die
Schüchternheit wird niemals vergehen.
Ich
wollte aber mit all dem Wissen und den Erfahrungen anderen
Gleichgesinnten helfen. Und zwar in Form dieser Selbsthilfegruppe.
Ich hatte einige Jahre zuvor bereits einen Blog zum Thema
Schüchternheit geführt, aber dann doch wieder aufgegeben, weil mir
irgendwann auch die Ideen ausgingen. Der Blog ist noch immer online,
ihr könnt ihn gerne besuchen:
Schreiben
ist eine meiner Leidenschaften und ich hatte gehofft, damit jemanden
zu erreichen, aber der Blog hat leider kaum jemanden erreicht.
Deswegen
habe ich überlegt, wie ich wirklich Menschen erreichen kann und
andere persönlich zu treffen und miteinander zu reden, bringt ja
doch viel mehr als nur zu schreiben.
Und dann kam ich auf die Idee eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Dort sind die Gleichgesinnten unter sich und brauchen keine Hilfe von außen. Der Vorteil ist, du triffst Menschen, denen es auch os geht und kannst aus ihren Erfahrungen lernen. In der Gruppe geht es nicht nur um das Reden, sondern auch Übungen sind dabei, um soziale Kompetenz zu lernen und Hürden zu überwinden. Aber es ist auch ein schöner Treffpunkt, um zusammen etwas zu machen und zu unternehmen. Es muss eine Balance zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit geben.
Für
mich ist die Selbsthilfegruppe insofern auch kein zu großer Aufwand.
Bei vielen anderen Projekten, die ich anfangen wollte, war mir der
Aufwand doch zu hoch. Nicht, dass ich nicht mit Herzblut dabei wäre,
aber einen Verein zu gründen wäre für mich undenkbar und viel zu
aufwendig. Aber eine Selbsthilfegruppe ist eben informell und könnte
sich auch jederzeit wieder auflösen.
Was kam als nächstes? Schnell war der Kontakt zu einer Selbsthilfegruppekontaktstelle gefunden, nach einem kurzen Gespräch klärten wir das was, wo, wann und warum. Die Selbsthilfegruppe richtet sich an junge Menschen im Alter von 16 bis 35 Jahre, die in Magdeburg und Umgebung leben. Ich möchte bei den Gruppentreffen mit Gleichgesinnten in Kontakt kommen, mich mit ihnen austauschen. Gemeinsam möchte ich an Problemen arbeiten und Lösungen finden. Es reicht auch nur, einfach füreinander da zu sein und sich zuzuhören. Einfach zu wissen, ich bin nicht allein mit meinen Problemen kann schon sehr helfen. Auch einen Namen musste ich mir ausdenken, was nicht leicht war. Ich entschied mich für "Stille Helden", weil sie trotz ihrer Ruhe so viel Potenzial in sich haben und trotz ihrer Angst, täglich Herausforderungen überwinden. In den Schüchternen steckt so viel mehr als sie zeigen. Und darum stille Helden.
Es wurde ein Flyer erstellt, die Räumlichkeiten wurden mir zur Verfügung gestellt. Das war alles unkompliziert und schnell machbar. So einfach war es eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Dann kam eben das Gründungstreffen
Nun
läuft die Selbsthilfegruppe (SHG) schon seit einem Monat, anfangs
sind einige gekommen, die aber bereits in der anderen
Selbsthilfegruppe für soziale Phobie dabei sind. Aus Interesse haben
sie sich das angeschaut, doch seitdem ist leider keiner weiter
gekommen. Das erste Treffen war super und so wie gedacht. Wir konnten
von Anfang an offen miteinander reden, über uns, unsere Probleme und
Erfahrungen. Es war sehr bereichernd. So stelle ich mir Treffen vor.
Doch
leider konnte ich bisher niemand weiteren erreichen. Ich habe
fieberhaft überlegt, woran es liegen kann. Vielleicht kennen die
meisten die SHG nicht, sie ist noch nicht bekannt genug. Daher habe
ich nun sogar eine Facebook-Seite und einen Blog erstellt, weil ich
so bestimmt mehr Jüngere erreichen kann:
https://stilleheldeninmagdeburg.blogspot.com
https://www.facebook.com/Selbsthilfegruppe-Stille-Helden-in-Magdeburg-436284403769956/?modal=admin_todo_tour
Außerdem habe ich eine
Anzeige in einem Stadtmagazin geschaltet und Flyer sind auch schon im
Umlauf. Jetzt heißt es: warten, warten, warten. Es dauert eine
Weile, bis es läuft, wurde mir von anderen aus der SHG gesagt. Ich
muss geduldig und dran bleiben.
Vielleicht schreckt das Wort Selbsthilfegruppe viele ab oder es ist nicht das Richtige für sie. Oder liegt es daran, dass es bereits eine SHG gibt? Braucht Magdeburg noch eine zweite? Oder passt es den Leuten zeitlich nicht? Vielleicht sind aber auch einige gehemmt, haben Angst vor solchen Gruppentreffen und gehen daher nicht hin? Wer weiß? Ich kann nur spekulieren.
Eine Selbsthilfegruppe zu gründen ist leicht, aber sie auch auszubauen, neue Leute zu finden, und eine richtige SHG zu etablieren ist eben doch schwer. Es wird ein steiniger Weg, aber ich bin sehr bereit, diesen zu gehen.
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