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Verliebtsein schadet uns und unseren Beziehungen



Ich liebe es, verliebt zu sein. Schmetterlinge zu spüren, mich nach jemanden heiß und innig zu sehnen. Ich liebe das Feuerwerk, wenn wir uns berühren und das Verlangen nach dem anderen. Ich liebe die rosarote Brille. Aber eigentlich ist Verliebtsein nur eine Illusion, eine Selbsttäuschung und bringt im Endeffekt eher Kummer. Und doch können wir nicht ohne. Eine steile These, der ich in diesem Beitrag auf den Grund gehen will.


Versteht mich nicht falsch. Ich mag es total, verliebt zu sein, für jemanden zu schwärmen, dieses Kribbeln im Bauch, wenn ich den anderen sehe, treffe und berühre. Ich bin sogar jemand, der eigentlich verliebt in die Liebe ist und sich ein Leben ohne dieses Gefühl gar nicht vorstellen kann. Verliebtsein ist toll: Wir sind auf Wolke 7, könnten die ganze Welt umarmen. Wir scheinen überglücklich und mit uns selbst im Reinen zu sein. Es ist nahezu paradiesisch, wenn man für jemanden dieses Gefühl verspürt.

Der Sinn hinter dem Verliebtsein

Jeder, der mal verliebt war, weiß, wie schön es sich anfühlt und das Leben spannender macht. Wir könnten darauf nicht verzichten. Nicht solange wir noch Menschen mit Gefühlen sind. Es ist eben eines der tollsten Gefühle überhaupt. Aber eben auch nur zeitlich begrenzt. Verliebtsein hat schon einen Sinn. Evolutionsbiologisch dient es dazu, dass wir uns an jemanden binden, um damit Nachkommen zu zeugen. Liebe ist im Endeffekt auch nur eine Art Klebstoff, um zwei Menschen zusammenzuschweißen und damit dann die Pflege des Nachwuchses besser verläuft. So rein sachlich betrachtet. Dahinter steckt der Mechanismus, dass wir die Nähe zum Angebeteten suchen. Wir sollen jede Sekunde mit ihm verbringen, suchen vor allem die körperliche Nähe, leben viel sexuelle Leidenschaft aus. Verliebtsein verbindet und stärkt die emotionale Bindung. Wir sind eher dazu geneigt, mit dieser Person zusammenzubleiben. Doch wehe, die Verliebheit schwindet wieder. Dazu aber später mehr.

Der Verliebtheitszustand wird oft mit dem eines Drogenabhängigen verglichen. In dem Falle ist die Person, in die wir verliebt sind, unsere Droge. Wir kommen nicht von ihr los, wollen immer mehr. Sind wir voneinander getrennt, geht es uns schlecht, wir können an nichts anderes mehr denken. Teilweise tun wir in dem Liebesrausch Dinge, die wir sonst nicht tun würde, manchmal auch sehr leichtsinnige Dinge, wir übergehen Grenzen, werden vielleicht sogar zu einem anderen Menschen. Manche sind verrückt vor Liebe, es scheint, als würde unser Verstand ausgeschaltet. Wir lassen uns nur noch von unseren Gefühlen, unserer Leidenschaft und unseren Trieben lenken.

Objektiv gesehen eigentlich kein so schöner Zustand. Als Verliebter verliert man schnell mal die Kontrolle über sich. Verliebtsein macht uns abhängig von einer anderen Person. Diese Person dominiert uns gedanklich und emotional, sie könnte uns, wenn sie schlechte Absichten hätte, manipulieren, tun, was ihr gefällt. Verliebtsein macht uns scheinbar unmündig, unkontrollierbar. Und eines noch besonders: Blind.


Verliebtsein ist pure Illusion

Und das bringt mich zu dem Kern dieses Textes: Wir sind blind vor Liebe. Anfangs sehen wir nur das positive, kleine Fehler und Macken übersehen wir oder tun wir noch liebevoll ab. Verliebtsein stört unsere Wahrnehmung deutlich. Wir sehen die Person, für die wir etwas empfinden, nicht als solche, wie sie ist. Wir werden geblendet, sehen vor allem die positiven Eigenschaften, doch die negativen rücken in den Hintergrund, werden teilweise überhaupt nicht wahrgenommen. Und das ist der Knackpunkt: Es entsteht in unserer Vorstellung ein viel zu positives Bild der anderen Person. Das führt dazu, dass wir sie teilweise idealisieren, auf einen Podest stellen und uns vielleicht etwas kleiner machen. Es ist ein Ungleichgewicht zwischen der anderen Person und mir.

Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage: Wir verlieben uns gar nicht wirklich in den anderen. Wir verlieben uns eher in das Bild des anderen, das wir von ihm machen. Eigentlich projeziieren wir nur unsere Wünsche und Bedürfnisse auf den anderen, hoffen, dass er uns diese erfüllen kann. In Verliebtheit spielen diese inneren Bilder, Sehnsüchte und zum Teil auch die positiven Eigenschaften des anderen mit rein, nach denen wir uns sehnen. Wir basteln uns unbewusst ein Bild von dem anderen, ohne zu merken, wie wir uns von uns selbst geblendet und getäuscht werden. Vor allem aber auch körperlich, schließlich hat Verliebtsein auch was mit Hormonen zu tun.

Aber wir kennen den anderen schließlich noch gar nicht. Wie soll man sich da ein gutes Bild von ihm machen, und den anderen aufrichtig lieben? Verliebtsein und Liebe werden oftmals gleichgesetzt, sind aber komplett unterschiedliche Dinge. Wen wundert es, dass Beziehungen so schnell zerbrechen, weil die Gefühle verschwunden sind. Meist passiert das an einem Punkt, an dem die Verliebtheit aufhört und man den anderen so sieht, wie er ist. Plötzlich fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Eigentlich ist der andere so gar nicht wie ich mir das dachte, was habe ich nur an dem gefunden?

Wenn dann plötzlich also eine Diskrepanz zwischen dem, was man sich vorstellt und dem, was wirklich ist, merkt, spürt man die Enttäuschung: „Enttäuschung“ – darin steckt das Wort „Täuschung“. Wir haben uns in dem anderen getäuscht, aber daran sind wir auch selbst schuld. Weil wir die rosarote Brille auf hatten und uns von unseren Gefühlen und Vorstellungen haben täuschen lassen. Wäre diese Verliebtheit nicht gewesen, hätten wir früher gemerkt, ob wir zueinander passen oder was mich an dem anderen stört.


Verliebtheit zerstört frische Beziehungen

Und erst wenn die Verliebtheit vorbei ist, fängt eigentlich die wahre Beziehung an. Und erst dann lernen wir eigentlich den anderen wirklich kennen. Denn jetzt erst können wir den anderen so sehen wie er wirklich ist, ohne jegliche Täuschung durch Vorstellungen und Emotionen. Das ist für viele allerdings ein Grund, Schluss zu machen. Weil die Gefühle nicht mehr da sind. Ich bezweifle fast, dass Verliebtheit etwas mit wahren Gefühlen zu tun hat. Schließlich empfinden wir etwas für ein Bild in unserem Kopf und nicht für die reale Person an sich. Aber es ist falsch, sich sofort von dem anderen zu trennen: Man kennt sich doch noch gar nicht wirklich! Wie soll ich da wissen, ob wir zueinander passen, wenn wir uns bisher nur durch eine verstellte Brille gesehen haben? Es ist zu früh, um gleich aufzugeben.

Aber für viele ist es leichter, sich dann in die nächste Beziehung zu stürzen. Und dann geht das Theater wieder los. So bleiben immer verliebt, aber am Ende auch allein und beziehungsunfähig. Menschen, die sofort aufgeben, nur weil die Verliebtheit weg ist, sind meiner Ansicht nach nicht beziehungsfähig. Verliebtheit hilft zwar, dass Menschen zueinander finden, aber im Endeffekt geht sie auch vorbei und hält Menschen nicht zusammen. Was wirklich zusammenhält ist dann wirkliche, innige Liebe. Liebe, die nicht nur von einem Hormon-Cocktail und Emotionen geleitet wird. Da ist auch Verstand, Wissen, Vertrauen und Intimität mit dabei. All das wächst erst mit der Zeit, ist allerdings im Gegensatz zur Verliebtheit authentisch.Das ist schon harter Tobak, aber diese Erkenntnis ist mir leider erst viele Jahre Beziehung gekommen.

Wenn Verliebtheit endet, stellt sie die Beziehung aber eigentlich vor einer schweren Probe. Im Endeffekt ist Verliebtsein eigentlich nur eine Illusion oder besser gesagt, sie täuscht uns etwas vor. Sie lässt uns Gefühle für jemanden empfinden, den wir gar nicht so gut kennen. Denn je länger wir mit jemanden zusammen sind, desto vertrauter sind wir miteinander und desto mehr nimmt auch die Verliebtheit ab. Das Fremde und Unbekannte ist es, was mit Verliebtheit einhergeht. Verliebtheit hat nur Sinn, wenn wir jemanden noch nicht zu gut kennen und kennenlernen wollen.

Eigentlich stört Verliebtsein das wahre Kennenlernen der anderen Person. Denn wenn wir etwas wahrnehmen, sind es doch eher die positiven Eigenschaften des anderen. Die negativen blenden wir einfach aus oder nehmen sie nur schwächer war. Unsere Wahrnehmung wird durch diese Gefühle total umgestellt.


Fremdverliebtheit

Und dann gibt es noch Beziehungen, in denen wir diese Verliebtheit beim Partner nicht mehr spüren, entweder weil daraus Liebe geworden ist oder weil wir mit dem anderen einfach so aus anderen Gründen zusammen sind. Doch plötzlich verlieben wir uns in jemand ganz anderen und fragen uns: Was stimmt nicht mit mir? Wenn ich meinen Partner lieben würde, würde ich mich nicht fremdverlieben oder? Das sehe ich ganz anders. Für mich sind beide ganz unterschiedliche Dinge. Und überhaupt kann man meiner Ansicht nach für mehrere Menschen etwas empfinden. Das sollte man nicht verteufeln, sondern eher ergründen: Warum habe ich mich fremdverliebt? Was sagt das über meine Gefühle zu meinem Partner aus? Was sagt das über die Beziehung aus? Und was bedeutet diese Verliebtheit? Also erst einmal darüber reflektieren, anstatt reflexartig die Beziehung zu beenden.

Liebe und Verliebtsein sind komplett unterschiedliche Dinge, und ich bin der Ansicht, man kann beides gleichzeitig empfinden. Auch zu unterschiedlichen Personen und daran ist auch nichts falsch. Es kann aber sein, dass die Liebe zum Partner tatsächlich schwindet oder nicht mehr da ist. Aber das sollte man am besten herausfinden, indem man Abstand von dem anderen nimmt, um zu sehen, ob die Beziehung noch zu retten ist. Manchmal verliebt man sich auch fremd, weil in der Beziehung tatsächlich etwas nicht gut läuft oder einem etwas fehlt. Es kann viele Gründe fürs Fremdverlieben geben.

Auch in den besten Beziehungen kann es vorkommen, dass man sich in eine andere Person verliebt. Das darf sein und ist kein Weltuntergang. Verliebtheit kommt und geht, lässt sich manchmal auch gar nicht rational erklären. Und deswegen sollte man am Besten ruhig bleiben und nichts überstürzen. Einfach die Gefühle genießen, schweigen und sie wieder vergehen lassen.


Sollten Beziehungen ohne Verliebtsein beginnen?

Bevor wir meist mit jemanden eine Beziehung beginnen, muss vieles stimmen: Man muss sich sympathisch finden, anziehend am besten, attraktiv, auf einer Wellenlänge sein. Aber das wichtigste: Es müssen irgendwie Gefühle da sein, am besten ist man in den anderen verliebt. Erst dann macht für die meisten die Beziehung als nächster Schritt überhaupt einen Sinn. Wo keine Gefühle, da auch keine Hoffnung auf eine Beziehung. Nun gibt es aber auch einige, die jemanden auch ohne Verliebtsein daten. Man denkt, es könnte vielleicht passen und sich etwas Tieferes entwickeln. Meist sind solche Beziehungen aber eher nicht so erfolgsversprechend. Kann schon sein, dass es bei einigen Beziehungen dann doch klappt. Das sind aber wirklich die Ausnahmen.


Warum es trotzdem gut ist, verliebt zu sein

Jetzt frage ich mich: Ist es überhaupt sinnvoll und gut, wenn wir uns verlieben? Es endet sowieso nur in einer Enttäuschung und vielleicht zum Ende der Beziehung. Wäre es denn nicht besser, wir würden von Anfang an sehen, wie der andere ist? Das würde uns viel Kummer und Enttäuschung ersparen und vielleicht auch Zeit. Rational betrachtet würde ich sagen: Ja, es wäre besser. Aber Beziehungen laufen nun mal nicht nach Rationalität und Effizienz. Gefühle spielen eine tragende Rolle und eine Beziehung ohne Gefühle zu beginnen, halte ich für nicht so gut. Es wäre nur gut, wenn wir den täuschenden Aspekt des Verliebtseins in den Griff bekommen würden.

Verliebtsein würde für mich schon etwas in einer Beziehung fehlen. Auch wenn Verliebtheit viele negativen Aspekte bringt, möchte ich das Gefühl nicht missen. Es gehört meiner Ansicht nach zu einer Beziehung dazu, vor allem an den Anfang. Sie bringt Menschen zusammen, macht viel mit unserem Wohlbefinden und macht auch einen großen Teil der anfänglichen Beziehung aus. Ohne diese Gefühle würden wir vielleicht nicht zueinander finden, Beziehungen würden nicht mehr so eine Freude machen. Es ist wie mit vielen Dingen im Leben so: Sowohl das Positive als auch das Negative gehört dazu. Auch ohne Verliebtsein können wir uns in Beziehungen nicht vor Enttäuschungen schützen. Und es ist wichtig, dass wir auch solche Erfahrungen machen, an denen wir wachsen und aus denen wir lernen. Zu Beziehungen gehören auch die negativen Folgen dazu wie auch Wut, Enttäuschung, Verletztsein, Trauer und noch mehr. Nur wenn wir das Negative kennen, können wir auch das Positive wertschätzen. Und ich denke, dass uns Verliebtsein auch als Menschen sehr ausmacht. Auf dieses Gefühl wollen und können wir nicht verzichten. Wir können sowieso nichts dagegen tun, Verliebtsein überrascht uns, kommt unerwartet und vergeht auch wieder.

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