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Gibt es den Richtigen überhaupt?



Ich bin glücklich mit meinem Verlobten und liebe ihn sehr. Und trotzdem frage ich mich, wenn wir uns mal wieder streiten und wieder merken, dass wir nicht unterschiedlicher sein könnten: Sind wir füreinander richtig? Passen wir zusammen? Mir stellt sich generell die Frage: Gibt es denn überhaupt den Richtigen oder die Richtige oder ist das nur eine Illusion?


Anfangs war es für mich eigentlich total klar. Ich war unglaublich verliebt, konnte mein Liebesglück nicht fassen. Endlich hatte ich nach so vielen Jahren unglücklicher Verliebtsheitsphasen endlich einen Freund. Das war für mich nicht vorstellbar, dass ich jemals jemanden finden würde, der mich so liebt, wie ich bin und mit dem ich so auf einer Wellenlänge war.

Fairerweise muss man dazu sagen, denkt und glaubt man ja so einiges, wenn man frisch verliebt ist. Oftmals machen wir uns ein bestimmtes Bild von dem anderen, was eigentlich nicht ganz der Realität entspricht. Darüber hatte ich bereits in einem Beitrag geschrieben. Wir sehen den anderen nicht komplett so wie er ist, sondern eher so, wie wir ihn gerne hätten. Wir schauen eher auf das, was uns anzieht, was wir mögen und was gut passt, anstatt auf die Macken und Differenzen. Oder zumindest bewerten wir diese nicht so kritisch. Und wenn die Verliebtheit vorüber ist, sehen wir auf einmal mehr und mehr den wahren Menschen, mit dem wir zusammen sind. Und meist sind wir enttäuscht, weil wir uns etwas anderes erhofft und vorgestellt hatten. Einfach, weil wir den anderen nicht von Anfang an so kennengelernt haben, wie er eigentlich ist.


Verliebtheit kann täuschen

Und so war es bei mir wahrscheinlich auch. Ich hatte die rosarote Brille auf, doch als ich sie abnahm, häuften sich unsere Differenzen, ich sah klarer, was eigentlich in meinem jetzigen Verlobten steckte. Es kostete mich viel Zeit und Kraft, um mit all den Unzugänglichkeiten und Fehler klar zu kommen. Aber das gehört eben zu jedem dazu. Ich konnte das nur schwer akzeptieren, vor allem die Dinge, in denen wir uns so deutlich unterschieden. Ich konnte und wollte es nicht akzeptieren, ich wollte ihn stattdessen so verändern, wie ich ihn gerne gehabt hätte. Und das war und ist ein großer Fehler. Denn je mehr ich versuchte, ihn zu beeinflussen und zu verändern, desto mehr sträubte er sich. Er fühlte sich nicht mehr von mir akzeptiert, geliebt. Stattdessen gab ich ihm das Gefühl, dass er nicht richtig ist so wie er ist und dass er nicht genug ist.

Das tat mir unglaublich leid, ich wollte nie, dass er sich so fühlt und sein geringeres Selbstwertgefühl noch mehr Schaden nimmt. Zu sagen, ich könnte nichts dagegen tun,wäre glatt gelogen. Ich kann an meiner Einstellung arbeiten, ihn wirklich zu akzeptieren. Aber in mir ist immer der Wunsch, ihn zu verändern. Und das ist ja keine Liebe. Und das bringt mich eben zu der großen Frage: Ist er denn nun der Richtige oder nicht? Wenn er es wäre, müsste ich ihn doch nicht verändern wollen.

Aber eines nach dem anderen. Was steckt eigentlich hinter dieser Vorstellung, den Richtigen zu finden? Vermutlich viele Menschen sehnen sich nach der wahren, großen Liebe, mit der sie vielleicht auch alt werden und ihr Leben verbringen können. Es wird uns in allen möglichen Büchern, Serien und Filmen vermittelt. Die eine große Liebe, mit der wir unser Glück finden werden. Oder denken wir nur an Märchen, in denen Prinz und Prinzessin zusammen kommen und bis an ihrer Lebensende zusammen bleiben. Viele sehnen sich danach, den perfekten Partner zu finden. Dahinter steckt die Vorstellung, dass es für jeden Menschen, das richtige Gegenstück gibt. Also zu jedem Topf auch ein passender Deckel. Wir suchen vielleicht ein Leben lang nach dem einen Menschen, mit dem wir super auf einer Wellenlänge sind, der richtig gut zu uns passt, mit dem wir perfekt harmonieren und mit dem wir glücklich werden können.

Das ist schon ein romantische, aber vielleicht auch unrealistische und idealistische Idee von Liebe. Seien wir ehrlich: Wer findet heutzutage schon den Richtigen? Wir sind stets auf der Suche, springen von einer Beziehung in die nächste, weil es ja doch immer nicht so passt. Irgendetwas finden wir doch immer, was uns stört. Und sobald das kommt, sind wir der Meinung, dass der andere nicht zu uns passt, einfach nicht der Richtige ist.


Die ewige Suche 

Die Suche nach dem Richtigen kann endlos sein und ich weiß nicht, ob sie wirklich zielführend ist. In Zeiten von Tinder und Teilzeitbeziehungen suchen wir immer weiter nach besseren Partnern und können eigentlich nie zufrieden sein. Da ist immer der Gedanke: Was ist, wenn es da draußen jemanden gibt, der noch besser ist und besser zu mir passt? Wieder so ein Ding der Optimierung des eigenen Lebens. Höher, schnell, weiter und besser, das trifft auch auf unser Liebesleben zu. Und so schauen wir immer wieder woanders nach, lassen den Geliebten wieder fallen, weil er der nicht passt. Dann glauben wir, den Richtigen gefunden zu haben, doch wieder passt es nicht und wir gehen weiter auf Jagd. Und so kommt es, dass wir ständig rastlos sind und immer weitersuchen.

Genau genommen können wir nie wissen, ob wir mit dem Richtigen zusammen sind. Das wüssten wir erst, wenn wir denn auch alle potenziellen Partner ausgetestet haben. Es kann immer jemanden geben, der noch besser passt. Das wissen wir nicht. Diese Ungewissheit scheint viele aufzufressen. Ich kann es nie wissen, es sei denn ich habe alles probiert und bin mit der Person wirklich mein Leben lang zusammen. Dann kann ich vielleicht im Nachhinein sagen: Ja, das war der Richtige.


Reiner Egoismus?

Die Suche nach dem Richtigen ist für mich eigentlich im Endeffekt purer Egoismus. Wir suchen den Richtigen für uns, damit wir glücklicher und zufriedener werden. Damit wir jemanden an der Seite haben, der zu mir passt. Wir müssen uns nicht selbst verändern, wir bleiben so wie wir sind. Das reicht doch auch, wenn wir jemanden haben, der gut zu uns passt, wozu also noch verändern? Und so suchen manche immer weiter, geben vielleicht ihren Ex-Partnern die Schuld für das Scheitern der Beziehungen, anstatt mal bei sich selbst zu schauen. Die Fehler machen die anderen, die Schuld liegt ja nicht bei mir.

Wenn ich ehrlich bin, zweifle ich an dem Konzept des Richtigen. Denn DEN Richtigen wird es meiner Ansicht nach nie geben. Es wird immer irgendetwas fehlen oder stören. Es kommt aber doch eigentlich gar nicht auf Perfektion an, auf perfekte Harmonie und perfekte Liebe. Liebe ist unperfekt, so wie wir Menschen eben auch. Wir sind selbst voller Fehler, warum sollen wir also nach jemanden suchen, der dann ideal für uns geschaffen sein soll?

Die Suche nach dem Richtigen macht es uns zu einfach. Wir können schnell unsere Partner loslassen und weitersuchen. Aber wir kommen dadurch nie an. Und wir kämpfen nicht mehr für Beziehungen, wir geben uns keine Mühe, an der Beziehung zu arbeiten und uns selbst zu verändern. Warum denn auch? Wir sagen einfach: „Es passt einfach nicht zwischen uns, ich suche mir einfach jemand Besseren, mit dem wird es schon klappen.“ Und dann geht das Spiel aber wieder von vorne los.


Für die Liebe kämpfen

Ich will nicht sagen, dass wir immer für jede Beziehung kämpfen müssen, aber wir sollten wenigstens nicht immer so schnell aufgeben. Wenn wir spüren, dass es etwas Ernstes ist, wenn wir den anderen wirklich lieben und er etwas für uns bedeutet, dann finde ich, sollte man dafür kämpfen. Denn der Richtige ist auch einfach nicht der Mensch, mit dem wir uns blendend verstehen und mit dem wir harmonieren. Der Richtige kann auch der Mensch sein, mit dem wir lange zusammen bleiben wollen, den wir mehr lieben als jeden anderen zuvor. Ob es der Richtige ist, wird sich noch herausstellen.

Aber ich denke, es wäre besser, nicht nach dem Richtigen zu suchen, denn das würde bedeuten, dass alle anderen die Falschen sind. Und ich denke, wir passen nicht nur zu einer Person, sondern wir sind mit mehreren Menschen kompatibel. Deswegen bin ich eher dafür, von dem Passenden zu schreiben. Und von dem Passenden gibt es bestimmt auch einige Menschen mehr. Das nimmt auch ein Stück weit den Druck, nach dem Idealen zu suchen. Denn das werden wir nie haben.
Außerdem steckt dann weniger Wertung drin. Ich denke, es gibt Menschen, die passen mal mehr oder weniger zu einem und Menschen, die passen sehr gut zu einem selbst. Und das hat eben nichts damit zu tun, dass der andere richtig oder falsch ist. Das stört mich eben an dem Konzept.


Der Richtige für eine bestimmte Zeit

Und wie sollen wir den Richtigen finden, wenn wir uns stetig selbst verändern und andere Bedürfnisse haben. Es kann sein, dass der eine Partner zu einer bestimmten Zeit vielleicht der Richtige ist. Aber in paar Jahren später, ist er es nicht mehr, weil wir etwas anderes wollen. Der Richtige muss ja zu uns passen, aber wenn wir uns immer wieder verändern, wird der Richtige dann nicht mehr der Richtige sein. Es sei denn, er ändert sich mit uns. Aber ich will nicht, dass jemand wegen mir sich selbst aufgibt, er soll sich selbst treu bleiben. Schließlich bedeutet doch Liebe, den anderen zu nehmen und zu lieben wie er ist. Natürlich kann Liebe auch sein, dass man sich für den anderen verändert und verbessert. Aber man sollte sich schon selbst treu bleiben.

Was hat das jetzt alles persönlich für mich zu bedeuten? Ich bin der Ansicht, dass mein Verlobter gerade jetzt für mich der Richtige ist. Obwohl ich doch immer mal wieder zweifle, wenn wir wieder aneinander geraten und ich unsere Unterschiede schmerzhaft spüre. Aber Beziehungen leben nun einmal von Spannungen und solange die Differenzen zu gravierend sind, ist es die Beziehung wert, ihr eine Chance zu geben.

Ich kann eigentlich nicht wirklich wissen, ob er der Richtige ist, weil ich davor keine anderen Partner hatte. Er genauso wenig. Wir haben beide keinerlei Beziehungserfahrungen davor, wir sind für uns beide die Ersten gewesen. Das kann gut, aber auch schlecht sein. Gut, weil wir beide noch so unbedarft und frisch sind, wir haben keine anderen Beziehungsprobleme und Trennungen erleben müssen, wir sind noch nicht von Liebeskummer gezeichnet. Eher nicht gut ist eben, dass wir keine Vergleichsmöglichkeiten haben. Wir wissen nicht, ob der andere wirklich passt und ob wir eine gute Beziehung führen. Mir fehlt die Erfahrung mit anderen, um zu sagen, dass er der Richtige ist. Aber trotzdem will ich es glauben, dass wir beide zusammenpassen, mehr oder weniger.


Ist er der Richtige für mich?

Er ist inzwischen ein wichtiger Teil meines Lebens geworden, mein treuer Begleiter durch gute und schlechte Zeiten. Ich liebe ihn sehr und kann mir ein Leben ohne ihn auch nicht mehr vorstellen. Über einen Verlust mag ich wirklich nicht nachdenken, das würde mich in eine Krise stürzen. Er ist mir in all den Jahren so wichtig geworden, dass ich nicht mehr ohne ihn sein will. Zwischen uns besteht einfach eine tiefe Verbundenheit. Und es ist nicht einfach nur bloße Verliebtheit oder so Jugendbeziehung, die so schnell wieder gegen eine andere ausgetauscht werden kann. Zwischen uns ist es wirklich ernst und ich will auch gar nicht mit jemand anderen zusammen sein. Ich könnte mir erstens nicht vorstellen und zweitens will ich auch niemand anderen lieben. Wir haben uns inzwischen so viel aufgebaut, so viele Nähe und Vertrauen geschaffen. Ich könnte mir auch nie vorstellen, dass ich mit jemand anderen so sein wie mit ihm und dass jemand mich so lieben würde wie er mich. Natürlich kann man sich vieles nicht vorstellen, was dann doch klappen würde. Aber ich brauche es auch nicht, die Erfahrungen mit anderen, um zu wissen, dass er doch irgendwie der Passende für mich ist. Und wenn man nicht das Verlangen danach hat, nach jemanden zu schauen, der besser passt, sondern eben zufrieden ist, dann hat man doch den Passenden gefunden.

Das Entscheidende ist doch, dass wir uns in unseren Grundwerten ähneln. Wir wollen beide heiraten, eine Familie gründen und zusammen alt werden. Darin sind wir uns einig. Sicher verbringen wir unsere Freizeit unterschiedlich, haben andere Bedürfnisse, was Kommunikation betrifft und noch andere Differenzen. Es liegt an uns, ob wir diese Unterschiede bewahren und damit Frieden schließen können.

Statt also immer nach etwas Besserem zu streben, sollten wir vielleicht öfter mal dahin schauen, was gut läuft und positiv an dem anderen und der Beziehung ist. So wie anfangs noch in der Verliebtheitsphase. Wir können vielleicht nicht den Richtigen finden, aber wir können uns in Dankbarkeit und Akzeptanz üben und einfach glücklich miteinander sind. Es kommt in der Liebe nicht immer darauf an, den Richtigen zu finden, sondern den passenden und dass man sich gegenseitig liebt und versteht. Lasst uns also diese überzogenen Erwartungen an uns selbst und die anderen über Bord werfen und schauen, was wirklich möglich ist.

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