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Passiv aggressives Verhalten: Warum ich in Beziehungen echt toxisch sein kann


In Beziehungen werden Menschen zu toxischen Monstern. Selbst jene, von denen man denkt, dass sie keiner Fliege etwas zu leide tun können. Leider trifft das auch auf mich zu.


Ich hatte schon einmal darüber geschrieben, dass wir in Beziehungen plötzlich dazu neigen, wie ausgewechselt zu sein, wahre Monster werden können.


Problem, über Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen

Doch seit einiger Zeit setze ich mich mit der besonderen Persönlichkeit zusammen, die ich nur in Beziehungen zeige. Eine Persönlichkeit, die ich ablehne, an der ich nichts gutes finden kann. Und ich habe verstanden, dass dahinter Muster liegen, die sich über die Jahre immer mehr gefestigt und ihren Ursprung in der Kind haben.

Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto weniger wollte ich diesen Anteil in mir wirklich annehmen. Aber es nützt nichts, die Augen davor zu verschließen, sich alles schönzureden und so zu tun als wäre nichts. Denn es ist definitiv etwas, woran ich arbeiten muss. Sonst leidet unsere Beziehung darunter früher oder später.

Es wird Zeit, den Finger in die Wunde zu legen, sich mit den eigenen Schattenanteilen auseinanderzusetzen, die eigenen Abgründe zu verstehen – nur so, kann ich lernen, damit umzugehen und ein besserer Mensch zu werden. Das will ich auch, für meinen Partner, für unsere Beziehung und für mich.

So oder so, es muss raus: Ich glaube, dass ich ein ganz großes Problem damit habe, meine eigenen Bedürfnisse und Gefühle wirklich rauszulassen, darüber zu reden. Ich habe seit meiner Kindheit nicht gelernt, wirklich dazu zu stehen. Gefühle, vor allem negativer Art, waren nicht gern gesehen. Ich tendierte dazu, diese eher in mich hineinzufressen, schämte mich davor, mich verletzlich zu machen, Schwäche zu zeigen. Ich wollte stark sein. Das ging eine Zeit lang gut, aber nicht zugunsten meiner eigenen psychischen Befindlichkeit.

Und jetzt bekomme ich die Rechnung dafür: Immer dann, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es will, wenn ich nicht das bekomme, was ich will, meine Erwartungen und Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Immer dann verhalte ich mich passiv aggressiv.

Ich habe ein wenig darüber im Internet recherchiert und es gibt sogar eine passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung. Das hat mir erst einmal echt Panik eingejagt. Muss ich mich also tatsächlich mit einer Persönlichkeitsstörung auseinandersetzen? Glücklicherweise nicht, denn all die Symptome passen nicht wirklich zu meinem Verhalten.


Passiv und doch aggressiv

Aber ich kann es leider nicht verneinen: Passiv-aggressive Züge habe ich dennoch. Aber eben nur in Beziehungen.

Wie sieht denn das aus, wenn ich passiv aggressiv reagiere? Ein Beispiel gefällig? Mein Freund hat keinen Bock auf Sex mit mir. Und das liegt nicht mal unbedingt an mir. Vielleicht hatte er einen stressigen Tag hinter sich, oder es plagen ihn gerade einfach viele Sorgen. Er hat zu wenig geschlafen, fühlt sich k.o. Oder hat irgendwelche andere Probleme.

Wie würde eine einfühlsame Freundin darauf reagieren? Sie würde das verstehen, ihn fragen, ob sie etwas für ihn tun kann und ihr eigenes Bedürfnis nach Intimität mal nach hinten schieben. Denn jetzt geht es ja eher um ihn. Und wenn er aus welchen Gründen auch immer eben keine Lust hat, dann hat er die nicht und dann akzeptiert sie das auch.


Wenn die Empathie fehlt

So sollte es im Idealfall sein. Nur leider bin ich in solchen Dingen sehr oft einfach nicht einfühlsam, obwohl ich es in vielen Bereichen bin. Statt meinem Freund mit Verständnis entgegenzukommen und trotzdem eine schöne Zeit mit ihm zu verbringen, mache ich ein Riesentheater. Ich beziehe es natürlich auf mich, das andere kann ja nur ein Ausrede sein. Ich verliere komplett den Blick für ihn und seine Bedürfnisse, verliere sämtliche Empathie, weil mein Fokus nur auf dem, was ich will und nicht kriegen kann, liegt.

Plötzlich schreit in mir drinnen das innere Kind, quengelt vor sich hin, weil es unbedingt etwas haben will. Und es quengelt einfach nur mehr, desto weniger es das bekommen kann. Dass es taktisch nicht besonders klug ist, so zu handeln und kindisch noch dazu, davon wollen wir nicht reden.

Ich spüre sofort irgendwie einen Kloß im Hals, mein Puls wird schneller, ich fühle mich irgendwie abgelehnt. Weil mein Freund nicht mit mir schlafen will. Sofort fühle ich mich gekränkt und nicht mit meinen Bedürfnissen gesehen. Und was ist mir, fragt sich das innere Kind. Und wie reagiere ich dann? Ich verhalte mich bockig, quengel tatsächlich, versuche ihn zu überreden oder mit ihm zu diskutieren. Als ob das Ausdiskutieren irgendetwas an der Situation ändern oder gar verbessern würde. Im Gegenteil: Je mehr ich auf mein „Recht“ auf Befriedigung poche, desto weniger kommen wir zusammen.


Schweigen und Liebesentzug

Das allein ist nicht mal unbedingt das passiv aggressive Verhalten. Das kommt danach, nämlich immer dann, wenn ich keine Worte mehr finde, wenn ich alles Mögliche versucht habe, ihn davon zu überzeugen. Dann bin ich nämlich wirklich eingeschnappt, verschränke die Arme, wende mich von ihm ab, rede nicht mehr mit ihm. Ich bestrafe ihn vermeintlich mit Schweigen und auch Liebesentzug, ich wende mich von ihm ab und will am liebsten dann nichts mit ihm zu tun haben.

Das Toxische an dem passiv aggressiven Verhalten ist die Art und Weise wie ich meine Wut und die Kränkung kommuniziere oder eben auch nicht. Das ist nicht der richtige Weg, führt nur zu mehr Stress in der Beziehung, beide fühlen sich schlecht und distanzieren sich mehr voneinander.

Manchmal reagiere ich sogar noch viel schneller mit Passiv-Aggressivität, dann rede ich gar nicht mehr, sondern will ihn mit Wortlosigkeit bestrafen. Er soll wissen, wie sehr er mich enttäuscht und verletzt hat.


Schweigen schafft mehr Distanz

Ich sehe da mehrere Probleme in diesem Verhalten. Zum einen merke ich, dass es mir sehr schwer fällt, meinen emotionalen Impulsen zu widerstehen. Rein rational weiß ich, dass es nicht gut ist und ich lieber anders reagieren sollte. Gegen Gefühle kann man nichts machen, aber ich kann zumindest steuern, wie ich reagiere und mich verhalte. Und dass es eindeutig eben nicht auf Augenhöhe und nicht gesund für die Beziehung. Mit dem passiv aggressiven Verhalten verstärke ich eben das Ausleben von Wut, was ja an sich nicht schlimm wäre. Aber die Art und Weise bringt niemanden weiter. Damit staut sich nur mehr Wut und die Chance, sich wieder zu versöhnen, nimmt dadurch ab.

Damit nehme ich mir die Chance, mich auch anders zu verhalten. Nämlich verständnisvoller. Indem ich mich immer mehr in meine Enttäuschung und Wut hineinsteigere, desto unwahrscheinlich wird es, dass ich da auch mehr an meinen Partner denke und wie es ihm damit geht.

Und zum anderen mache ich es uns beiden einfach schwer, über unsere Bedürfnisse zu sprechen und nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Mit dem Schweigen mauere ich, verstärke eher eine Distanz zwischen uns. Es wird für beide schwer, sich in den anderen hineinzuversetzen.


Raus aus der Opferrolle

Ich frage mich wirklich, was eigentlich dahinter steckt und warum ich jedes Mal so reagiere und mich nicht einfach anders entscheiden kann bzw. will. Es fühlt sich jedes Mal so falsch an, wenn ich mir zurede, dass ich doch etwas gnädig sein sollte. Weil es eben nicht dem entspricht, was ich fühle. Klarer Fall für fehlende Emotionsregulierung. Ich gebe mich meinen Gefühlen zu sehr hin und verliere leider zu oft die Kontrolle.

Dieses Passiv-Aggressive hat wirklich etwas trotziges. Statt aber wie ein Kind sich auf den Boden zu werfen und zu schreien, wenn es etwas unbedingt haben will oder auch nicht, reagiere ich eher mit Schweigen, fresse also meinen Unmut eher in mich hinein.

Zusätzlich will ich meinen Partner auch noch mit Liebesentzug, Disharmonie und Schweigen bestrafen. Es fühlt sich so an, als wäre ich das Opfer, dem Leid zugefügt wurde. Und der Täter, in dem Falle mein Freund, soll das auch spüren, sich schlecht fühlen, Reue zeigen und schlussendlich das tun, was ich von ihm will.

Sich passiv aggressiv zu verhalten ist insofern höchst manipulativ und darum umso toxischer. Das ist richtig problematisch. Und gerade deswegen muss ich umso dringender lernen, damit umzugehen.

Hinter dem ganzen Verhalten steckt sehr wahrscheinlich auch der Gedanke, dass mein Freund für meine Bedürfnisse zuständig ist. Er muss, wenn ich Bock habe, auch bereit sein für Sex. Dabei vergesse ich aber immer wieder, dass er natürlich ein eigenständiges Individuum ist mit eigenen Bedürfnissen und Problemen und einer etwas anderen Libido. Und ich bin nicht mehr ein kleines Kind, was von anderen abhängig ist, sondern für sich selbst sorgen kann.


Überkompensation und Minderwertigkeitskomplexe

Es ist krass, dass ich normalerweise so ein einfühlsamer Mensch bin, solange es nicht um mich und meine Bedürfnisse geht. Dann hört das Verständnis auf.

Woher kommt das nur? Ich vermute, dass ich da auch Überkompensation betreibe. In meiner Kindheit und Jugend habe ich mich immer hinten an gestellt. Und auch heute passe ich mich lieber an, als dass ich auffalle. Ich sage Ja zu Dingen, die ich nicht tun will, weil es mir schwer fällt. Ich will nicht negativ auffallen oder von anderen abgelehnt werden.

Und vielleicht ist das auch der Kern des Problems: Ich fühle mich mit meinen Bedürfnissen abgelehnt. Ich fühle mich minderwertig, nicht gewollt und geliebt, wenn mein Freund nicht die Dinge mir zu liebe tut. Und das triggert mich hart. Das triggert das innere Kind sehr. Wenn ich schon nicht zu meinen Bedürfnissen in vielen Bereichen meines Lebens stehen kann, dann wenigstens in der Beziehung.

Sehr wahrscheinlich hat das auch etwas mit meiner ersten Beziehung zu tun. Da wurde mein Bedürfnis nach sexueller Erfüllung so gar nicht erfüllt. Ich hatte einfach keinen guten Sex und irgendwann aufgehört, Sex mit meinem Ex zu haben. Ich habe damit gelernt, zu leben, Sexualität als Teil von mir zu verdrängen.

Doch jetzt ist es komplett anders. Jetzt erlebe ich absolute sexuelle Zufriedenheit. Und damit ist die Messlatte natürlich besonders hoch. Und ich erwarte dann eben auch entsprechend viel und guten Sex und wenn ich den nicht bekomme, mach ich einen auf Ego-Trip. In meiner vorherigen Beziehung habe ich lange Zeit meine Bedürfnisse vernachlässigt und den Fehler will ich nicht wieder machen. Nur ist die Art und Weise eben alles andere als gut.

Es ist ja schon gut, dass ich zu meinen Bedürfnissen stehe und auch meine Gefühle ausdrücke und wenn ich unzufrieden bin. Aber das sollte eben in Maßen passieren und immer in Hinblick auf die Umstände und die Bedürfnisse meines Freundes.

Ich darf mich nicht länger irgendwie als Opfer sehen, denn das bin ich nicht. Und mein Freund ist auch nicht mein Gegner, den ich irgendwie bekämpfen oder bestrafen muss. Ich bin für meine Bedürfnisse zuständig und es ist okay, dass mein Freund eben anders tickt und nicht immer auf meine Bedürfnisse eingeht, weil er auch eigene hat.


Wie kann ich etwas ändern?

Doch wie komme ich aus dieser Spirale und diesem fiesen Muster heraus? Was kann ich tun? Selbsterkenntnis ist schon mal richtig und wichtig. Aber ich muss es immer wieder versuchen, das Muster zu durchbrechen, indem ich immer wieder reflektiere, was ich da eigentlich tue und hinterfrage, ob das wirklich zielführend ist. Sich fragen, warum verhalte ich mich so? Was brauche ich jetzt, um mich wieder zu entspannen? Was kann ich selbst für mich tun?

Das eigene Mindset ändern, sich von den eigenen Emotionen distanzieren, um einen objektiveren Blick zu bekommen und auch auf den Partner zu schauen. Wie so oft bei Streitigkeiten den Raum verlassen, zur Ruhe kommen, den Kopf abkühlen lassen und dann später zusammenzukommen.

Und auf jeden Fall nicht mehr Schweigen und mit Liebesentzug bestrafen, sondern eher dann die Kommunikation suchen und darüber reden. Kommunikation bleibt eben doch das A und O in Beziehungen.

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