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Sport ist Mord? Warum ich trotz Hass auf den Schulsport inzwischen Sport liebe

Vom dicken Sportmuffel zum Fitnessfreak. So könnte man mein Verhältnis zum Sport in einem Satz zusammenfassen.

 Ich war als Kind eigentlich schon immer ein Pummelchen, hatte paar Speckrollen zu viel. Irgendwie wollte der Babyspeck einfach nicht weniger werden. Im Gegenteil: Bis zur Pubertät wurde es immer mehr.

Ich fühlte mich damals eigentlich nie wirklich wohl in meinem Körper, hatte ständig mit paar Kilos zu viel zu kämpfen. Ich beneidete meine ganzen Mitschülerinnen, die so schlank und sportlich waren. Ich wünschte mir damals, genau so wie sie zu sein. Schön, schlank und sportlich. Aber davon war ich weit entfernt.

Meist konnte ich mein Gewicht und meine Unsportlichkeit im Alltag gut verstecken. Doch es gab einen Ort, an dem ich mich mit diesem Problem gnadenlos auseinandersetzen musste: der Sportunterricht. Ich kam einfach nicht drumherum. Jeder musste zum Sport, jeder musste in verschiedenen Disziplinen Leistungen erbringen.

Schulsport als Schmach

Für mich war es einfach eine Schmach, eine richtige Schande. Ich hasste Sport bis zur Oberstufe wie die Pest. Es war neben Mathe und Physik einfach eines meiner Hassfächer. Eines der Fächer, vor denen es mir graute. Weil es anders als in den meisten Fächern so war, dass man etwas zeigen musste. Und alle konnten dabei zusehen, wie ich Fehler machte. Ich war nicht unglaublich schlecht. Die Noten waren gut bis okay. Irgendwie schaffte ich es doch meist, mich über Wasser zu halten, nicht ganz so zu versagen.

Ob es mir Spaß machte? Die meiste Zeit über gar nicht. Für mich war Sport einfach Mord, die reinste Qual. Anders als in vielen Fächern konnte man nicht einfach ganz viel üben und lernen. Entweder konnte man es oder man konnte es nicht. Und es ist halt einfach so: Die eigene körperliche Leistung lässt sich nicht einfach mal so steigern. In vielen Fächern (außer Mathe) konnte ich mich irgendwie verbessern, doch in Sport war das einfach nicht so. Da wurde mir klar: Ich bin einfach unsportlich.

Aber lag es wirklich daran, dass ich einfach nicht die Ausdauer, Kraft oder was auch immer hatte? Oder lag es vielleicht an etwas anderem?

Der Sportunterricht deckte einfach verschiedene Disziplinen ab von Kraft über Ballsportarten, Leichtathletik, über Gymnastik bis hin zu Geräteturnen.


Angst vor dem Versagen

Das Problem an den ganzen Sachen war: Ich hatte damals mit meiner sozialen Phobie ganz arg zu kämpfen. Und es machte mir unglaublich viel zu schaffen, irgendetwas Sportliches, worin ich einfach nicht gut war, vor allen anderen zu zeigen. Ich hatte einfach Angst vor den sportlichen Tests. Angst, mich vor allen zu blamieren. Angst, von anderen bewertet und ausgelacht zu werden.

Es war jedes Mal das Gefühl des Versagens, wenn ich etwas nicht hinbekam, was vielen anderen keine Probleme bereitete. Damals fühlte ich mich so schlecht und unwürdig. Heute weiß ich: Es war total okay. Man kann nicht in allem gut sein, auch wenn die Schule einen darauf trimmt. Jeder hat so seine Stärken und Schwächen und das ist komplett okay.

Ja, es ist ein generelles Problem, dass Schule alle gleichmachen will, alle miteinander vergleicht, von allen fordert, ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen. Im Sportunterricht haute das alles noch einmal mehr rein und sorgte bei mir für mehr Frust.

Ich hatte einfach keine Motivation und Lust auf Sport. Sport hatte mir nie wirklich Spaß gemacht. Aber der Sportunterricht versaute mir alles. Es ging nie um den Spaß an der reinen Bewegung, daran, dass man etwas Gutes für sich selbst tut. Erst viele Jahre später, als ich aus der Schule raus war, entdeckte ich das erstmals für mich.

Davor konnte ich mit Sport nie wirklich was anfangen, habe es nur hinter mich gebracht, mich gequält.

Ich habe Ballsport gehasst

Am schlimmsten waren die Ballsportarten: Volleyball und Basketball. Ich habe für mich entdeckt, dass ich solche Mannschaftssportarten einfach nicht gut kann. Es ist einfach nicht mein Ding.

Es fühlte sich jedes Mal auch wie eine Art Mobbing an, wenn Teams gebildet wurden und alle nacheinander aufgerufen wurden und man selbst eben immer zum Schluss kam. Da kommt noch die soziale Komponente dazu. Es kommt nicht nur auf die eigene Sportlichkeit an. Es wurde nach Beliebtheit gerankt. Und jeder wusste: Wer erst gegen Ende aufgerufen wurde, ist halt ein Versager und nicht gerade beliebt. Das bekam ich jedes Mal zu spüren.

Und als ob das nicht reichen würde, wurde ich auch noch von den Jungs der Parallelklasse aufgezogen, die einfach brutal Volleyball spielten. Mehr als einmal bekam ich den Ball mit voller Wucht in die Fresse. Mehr als einmal war ich danach einfach aufgelöst und musste heulen. Ja, es tat weh, aber noch schmerzhafter war es, so fertig gemacht zu werden. Das haben die einfach auch mit Absicht gemacht, weil sie mich nicht leiden konnten.

Es ging beim Schulsport immer nur um Leistungsdruck. Immer nur darum, es gut zu schaffen. Dabei spielen die körperlichen Konditionen, für die man meist nicht viel kann, beim Sportunterricht viel mehr eine Rolle als bei jedem anderen Fach.

Sport ist Pflichtunterricht. Das an sich wäre ja kein Problem. Aber ich wünschte mir damals in der Schule, mehr Möglichkeiten gehabt zu haben. Mehr Freiheit, selbst zu entscheiden, welchen Sport ich mache. Weil es eben Sportarten gibt, in denen ich besser war als in anderen.

Mehr Freiwilligkeit weckt Freude

Ich glaube, dass Schulsport viel mehr Spaß machen konnte, wenn man sich selbst aussuchen kann, was man machen will. So habe ich es in der Oberstufe erlebt. Es ging nicht mehr um einzelne Disziplinen, wir konnten jetzt frei wählen und sogar Dinge ausprobieren, die sonst nicht auf dem Sportplan standen. Ich habe damals Fitness und Tanzen gewählt, das Beste, was ich hätte tun können. Bis heute bin ich sehr dankbar dafür, denn damals habe ich erkannt, dass Sport auch richtig Spaß machen kann. Ich glaube da ist auch das Feuer und die Liebe fürs Tanzen entfacht worden.

Wenn ich überlege, dass ich knapp 13 Jahre später genau das auch in meiner Freizeit mache. Das ist schon ein witziger Zufall.

Aber tatsächlich hat sich meine Einstellung zu Sport schon etwas früher gewandelt. Mit etwas, was ich damals auch als schmerzhafte Erfahrung verbuchen würde. 2009 flog ich mit meiner Mama das zweite Mal nach Vietnam. Ich war damals auf dem Höhepunkt meines Übergewichtes. 65 Kilo auf 1,58m Größe, das war nicht gerade wenig. Lange Zeit redete ich mir ein, dass das schon okay sei, wie ich bin. Body Positivity lässt grüßen. Aber insgeheim wusste ich, dass das überhaupt nicht gesund war. Und ich fühlte mich so gar nicht wohl in meinem Körper, hatte aber absolut keine Ambitionen etwas daran zu ändern.

Bis ich eben nach Vietnam kam. Und dort von all meinen Verwandten gesagt bekommen habe: Du bist zu dick. Du musst abnehmen. Das sieht nicht schön und gesund aus. Und zwar von fast allen. Das hat mich damals echt fertig gemacht, ich fühlte mich gemobbt, auf mein Aussehen reduziert. Damals hatte ich meine Familie quasi schon für diese radikale Ehrlichkeit gehasst. Rückblickend bin ich aber sehr froh darüber, dass sie mir das gesagt haben.

Wie Body Shaming doch etwas Gutes bewirken kann

Das, was sich viele in Deutschland nie getraut haben zu sagen, weil man ja kein Body Shaming betreiben wollte. Und ja, ich fand die Art und Weise auch nicht gerade so cool. Aber sie hat etwas in mir verursacht: Plötzlich war ich Feuer und Flamme. Plötzlich war mein Eifer geweckt. Und mein Leben änderte sich radikal:

Von heute auf morgen stellte ich meine Ernährung um, naschte nicht mehr, machte jeden Tag Sport.

Mit etwa 15 also fing ich wirklich an, Sport in mein Leben zu integrieren und das freiwillig. Bis heute bin ich dabei geblieben, täglich Sport zu treiben, auch 15 Jahre später. Und es zahlt sich bis heute aus.

Ich entdeckte plötzlich so einen Ehrgeiz und so eine Disziplin in mir, die ich vorher noch nie hatte. Woher kam das nur? Ich wollte aus Rache allen beweisen, dass ich es schaffen kann, abzunehmen und schlank zu werden.

Und ich schaffte es auch. Ich nahm 15 Kilo in knapp einem Jahr ab. Anfangs purzelten die Kilo jede Woche. Damit einher ging ein neues Körpergefühl. Ich fühlte mich viel wohler, wie ich aussah. Sport hat einen großen Beitrag dazu geleistet, mein eigenes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aufzuwerten.

Vielfalt an Sport entdecken

Mit dem Studium entdeckte ich dann allmählich, welcher Sport mir wirklich gefiel. Ich fand Aerobic super cool, fing an, Zumba zu tanzen und Stepaerobic zu machen. Nach und nach kamen noch weitere Sportarten dazu. Ich war neugierig, welcher Sport noch gut zu mir passte. Irgendwann fing ich auch an, joggen zu gehen. Dann kam 2019 das Bouldern dazu. Und seit etwa zwei Jahren mache ich auch Krafttraining. Heute spiele ich auch ganz gern Tischtennis mit meinem Freund. Der einzige Ballsport, der mir Spaß macht. Seit paar Tagen habe ich auch zu Hause einen Boxsack stehen, mit dem ich mehr trainieren werde.

War Ausdauerlauf für mich früher eine reine Qual, gehe ich inzwischen regelmäßig zweimal die Woche joggen und das über eine viel längere Zeit.

Es ist spannend, wie sich meine Einstellung zu Sport geändert hat. Ich fand Schulsport früher immer lästig, habe immer nur gedacht, dass man es machen muss, um gute Note zu bekommen.

Damals habe ich nicht gesehen, wie wertvoll Sport sein kann und wie viel Spaß er machen kann. Aber da sehe ich zum Teil auch Schuld beim ganzen Schulsportkonzept. Wenn man einfach mehr Raum für Möglichkeiten lassen würde und individuell eben fördern würde, also nicht mehr alle dazu verdonnert, alles zu machen. Dann, glaube ich, würde Sport auch denjenigen mehr Spaß machen, die eigentlich weniger sportlich sind.

 

Wozu eigentlich überhaupt Sport?

Bei mir kam die Lust auf Sport erst so richtig auf, als ich erkannte, wozu Sport eben gut ist. Um sich zu bewegen, den Körper gesund und fit zu halten. Um ein gesundes Körpergewicht zu haben. Um sich in seinem Körper wohl zu fühlen. Dann geht es nicht nur meinem Körper gut, sondern auch mir. Inzwischen weiß ich, dass Sport mir richtig gut tut, nicht nur körperlich. Ich weiß, dass es meine Stimmung aufheitert, besonders, wenn anfangs Widerstände da sind. Wenn ich keinen Bock habe und es anstrengend ist. Aber das macht das Besondere beim Sport aus. Die Anstrengung quält manchmal, aber das Gefühl danach, es geschafft zu haben, etwas geleistet zu haben. Das macht unglaublich stolz und zufrieden. Und es steigert mein Selbstbewusstsein.

Ich glaube, dass man all das auch mit Schulsport hinbekommen würde. Wenn man weniger von diesem Leistungsgedanken ausgehen würde, wenn es weniger darum geht, alle irgendwie in allen Disziplinen zu vergleichen. Wenn man neben den üblichen Disziplinen auch anderen Sport zu Auswahl stellt, wie eben Tanzen, Fitness, Klettern und noch mehr. Wenn man eben nicht mehr alles verpflichtend macht. Wenn man den Spaß eher in den Vordergrund stellt. Kinder und Jugendliche eben nicht mehr zur Schau stellt, sondern ihnen einen Safer Space ermöglicht, in dem sie sich sportlich entfalten können.

 

Gute Körperform und Selbstbewusstsein

Ich kann mir mittlerweile ein Leben ohne Sport nicht mehr vorstellen. Für mich ist es einfach ein unglaublich wichtiger Teil in meinem Leben, an dem so viel hängt. Ich brauche für einen guten Tag immer auch Sport und vor allem auch Bewegung. Ich hätte mir damals zu Schulzeiten nie vorstellen können, dass mir Sport mal so viel Spaß bereiten würde. Nie hätte ich auch gedacht, dass ich jemals freiwillig täglich Sport mache.

Anders als andere Menschen habe ich selten ein Problem, mich selbst zu motivieren. In den 15 Jahren, seitdem ich regelmäßig Sport mache, habe ich das einfach verinnerlicht. Wenn ich aufstehe, mache ich direkt Sport. Das gehört zu meiner Morgenroutine dazu. Ein Tag ohne Sport ist einfach verlorener Tag.

Mir fällt es im Gegenteil manchmal schwer, Grenzen zu setzen. Wenn ich verletzt oder erkältet bin, kann ich trotzdem nicht aufhören mit Sport. Ich weiß, das ist auch nicht gesund, wenn man es übertreibt.

Was Sport angeht, habe ich echt eine gewaltige Wandlung durchgemacht, die ich früher nicht habe kommen sehen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich die Freude am Sport entdeckt habe.

Sport ist für mich auch wichtig, weil ich damit meinen eigenen Körper forme, aus dem ich doch recht viel Selbstwertgefühl ziehe. Neben Ernährung ist Sport eben ein wichtiger Faktor, um noch definierter zu werden. Das wird vermutlich eine Lebensaufgabe bleiben.

Ich bin mit meiner aktuellen körperlichen Form sehr zufrieden und stolz darauf, jetzt sportlich zu sein.

Ich möchte in den Sportarten, die ich ausübe, noch besser werden, sehe das als Herausforderung, persönlich zu wachsen.

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