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Darum ist der Romance Gap schwierig

Heute geht es um ein Thema, bei dem auch ich mich selbst kritisch hinterfragen muss: Klischees und spezifische Erwartungen, die man bezüglich des eigenen Geschlechts hat bzw. die man auch aufs andere Geschlecht überträgt.

Es gibt den Orgasm Gap, der besagt, dass Frauen weniger beim Sex kommen und es gibt den Gender Pay Gap, nach dem Frauen, egal wie hart sie arbeiten oder egal welche berufliche Position sie haben, trotzdem weniger als ihre männlichen Gleichgesinnten verdienen.

Und dann gibt es noch den Romance Gap – hier sind es mal nicht die Frauen, die benachteiligt werden, es betrifft beide Geschlechter. Unter dem Romance Gap werden die unterschiedlichen Erwartungen an Männer und Frauen umfasst. Es sind ungleiche Erwartungen, die unser Verhalten beim Dating und in Beziehungen beeinflussen. So oder so hat sich eine Frau oder ein Mann zu verhalten. Da muss der Mann den ersten Schritt machen. Da darfst du als Frau bloß nicht zu viel machen, sonst könnte er das Interesse verlieren.

Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität

Mir fallen eine Menge Dinge ein, die man dem Romance Gap zuordnen kann:

  • Der Mann sollte den ersten Schritt machen

  • Der Mann spricht die Frau an

  • Der Mann ist derjenige, der den Kuss initiiert

  • Der Mann bezahlt für die Frau

  • Der Mann kauft der Frau Geschenke und Blumen

  • Die Frau darf bloß nicht zu viel Interesse zeigen

  • Man sollte nach einem Date mindestens drei Tage warten, bis man dem anderen schreibt

  • bloß nicht zu viel Interesse zeigen, sonst könnte man als „needy“ betrachtet werden

  • Männer sollten Alpha-Männchen zeigen, bloß keine Nice Guys

  • Frauen stehen auf Bad Boys

  • Frauen wollen erobert werden, Männer wollen erobern

  • Mach dich rar, dann weckst du seinen Jagdinstinkt

  • Frauen sollen nicht zu stark und unabhängig wirken, das schreckt Männer ab

  • Männer machen den Heiratsantrag, nicht Frauen

  • Männer sollen dominant sein und sollen wissen, was sie wollen

  • Frauen sollten zurückhaltend sein

  • Männer sollten nicht emotional sein, sonst gelten sie als Weicheier


Das ist ganz sicher nicht eine allumfassende Zusammenfassung, was alles unter dem Romance Gap fällt, aber verdeutlicht einige Beispiele.

Warum ist der Romance Gap nun problematisch? Zum einen verhindert er beim Dating und in Beziehungen, dass man einfach frei raus, tut, was man will. Er verhindert Authentizität.

Und zum anderen ist er problematisch, weil sich darin noch immer starre Beziehungsmuster sowie Geschlechterrollen zeigen, die wiederholt reproduziert werden. Das verhindert Beziehungen auf Augenhöhe, bei denen beide Partner gewissermaßen nicht mehr ihren eigentlichen Geschlechterrollen entsprechen, sondern eben beide gleiche Rechte haben können.

Diese Rollenbilder quetschen uns in Schubladen. Wir verstellen uns, weil wir glauben, dass es so richtig sei, der Norm zu entsprechen. Weil es alle tun. Und weil es vom anderen Geschlecht auch erwartet wird. So funktioniert Dating nun mal. Aber das ist kritisch.

Authentizität und Gleichberechtigung gehen verloren

Das führt dazu, dass wir in solchen Muster gefangen bleiben, sie ständig wiederholen und uns dadurch die Chance verbauen, den anderen ganz locker und ehrlich kennenzulernen, ohne Erwartungsdruck. Einfach mal machen, anstatt immer wieder darauf zu warten, dass der andere den ersten Schritt macht.

Es ist leichter gesagt als getan. Ich kenne das von mir leider zu gut, dass auch ich dem Romance Gap verfallen bin. Auch ich habe beim Dating vieles von den Dingen verinnerlicht und reproduziert, was ich geschrieben habe.

Ich bin nicht davon gefeit, aber bin mir zumindest dessen bewusst und versuche, daran zu arbeiten.

Das fängt schon beim Online-Dating an. Ich bin wie viele andere Frauen eher erst einmal passiv: Wenn der Mann Interesse hat, schreibt er mir schon. Wenn nicht, dann eben nicht. Ich war anfangs selten die Person, die Männer anschreibt. Ausnahmen waren diejenigen, die mir besonders gut gefallen haben. Da wollte ich mir die Chance nicht entgehen lassen. Aber bei allen anderen habe ich einfach abgewartet. Ich finde es nach wie vor einfach bequem und auch schmeichelhaft, wenn mir Männer zuerst schreiben. Dabei bin ich sonst immer die Person, die aktiver ist.


Wie ich das Rollenmuster durchbreche

Meist sind es ja eher die Männer, die sich schnell mal treffen wollen. Vielleicht auch, um schneller an ihr Ziel (Sex!) zu kommen. Viele Frauen schreiben dann lieber ewig mit dem Mann, bevor sie sich mal erbarmen, sich mit ihm zu treffen. Mittlerweile ist es bei mir so, dass ich das ewige Schreiben einfach nicht mehr abkann und recht schnell nach einem Treffen frage.

So viele Männer waren überrascht, wie direkt und ehrlich ich bin. Dass ich direkt darüber schreibe und spreche, was ich will und kein Blatt vor dem Mund nehme. Da wundere ich mich immer wieder: Ist es bei anderen Frauen etwa anders?

Ich fürchte, dass wenige Frauen direkt sagen, was sie wollen. Vielleicht wissen sie teilweise nicht einmal, was sie wollen und müssen das noch herausfinden. Aber ich bin keine, die Spielchen spielt. Auch so ein Punkt beim Romance Gap. Beide Geschlechter spielen gerne mal Spielchen, nur um sich rar zu machen und für den anderen attraktiver zu sein.

Aber ganz ehrlich: Ich habe so etwas satt. Ich brauche so etwas nicht. Bei mir punkten Männer mit Ehrlichkeit und Authentizität, die wirklich hinter dem, was sie sagen, auch stehen. Und auch ich spiele mit offenen Karten von Anfang an. Ich brauche keine Typen, die mir vorgaukeln, dass sie was ernstes suchen, wenn sie doch nur vögeln wollen. Was ernstes suche ich auch nicht, das mache ich eigentlich von Anfang an klar.

Lieber Ehrlichkeit statt Spielchen

Beim Treffen selbst sind es meist eher die Männer, die angeben, wo es langgeht. Und ja, ich gebe zu: Ich mag Männer, die wissen, was sie wollen und sich das auch nehmen. Aber ich bin auch gerne diejenige, die die Zügel in die Hand nimmt. Ich lenke das Gespräch durch meine Fragen oder erzähle auch einfach gern viel. Auch das verwundert einige Männer, sind sie doch eher zurückhaltende Frauen gewöhnt. Da zeige ich auch mal, dass ich sehr offen reden kann.

Etwas anders sieht es dann aus, wenn es ums Körperliche geht. Mir fällt es nach wie vor sehr schwer, jemanden einfach direkt zu küssen. Ich habe lange Zeit dem Romance Gap geschuldet einfach darauf gewartet, dass mich die Männer küssen. Dass sie die Signale, die ich sende, verstehen und einen Move auf mich zumachen.

Einfach machen, statt zu viel nachzudenken

Klar ist es zum einen die Vorstellung, dass der Mann den ersten Schritt macht. Zum anderen aber war ich lange Zeit auch einfach zu schüchtern, etwas in der Richtung anzustoßen. Zu groß war die Angst vor Ablehnung. Und ich dachte mir öfter mal auch: Das ist doch komisch, wenn ich danach frage. Welche Frau macht das? Wirkt das nicht total komisch, wenn ich das mache? Schrecke ich damit Männer nicht eher ab? Der Fehler liegt mal wieder beim verinnerlichten Muster: Frauen sollten nicht den ersten Schritt machen. Sie sollten nicht zu emanzipiert sein, eher Männer sind gefordert, etwas zu tun.

Dabei ist das doch kompletter Schwachsinn! Wer sagt denn, dass es immer der Mann sein muss? Nur weil wir das einfach so viele Jahrzehnte verinnerlicht haben, muss das so sein? Frauen haben genau die gleichen Rechte und könnte genauso davon Gebrauch machen. Warum immer alles auf den Mann abladen? Wenn Frauen Bock haben auf Nähe, dürfen sie das ruhig zulassen. Da scheint auch das Klischee im Weg zu stehen, dass Frauen bloß nicht zu viel Interesse zeigen sollen. Sonst verliert der Mann das Interesse. Aber ist das wirklich so?

Ich glaube, dass es einige Männer auch gut finden, wenn sie nicht immer den ersten Schritt machen müssen. Sie sind überrascht und finden es toll, wenn Frauen selbstbewusst sind und zeigen, dass sie Interesse haben.

Und so bin ich in letzter Zeit doch über meinen Schatten gesprungen und habe gefragt: „Wollen wir knutschen?“ Es hat mal gut funktioniert und auch das Eis zwischen uns gebrochen. Mal hat es nicht geklappt. Aber zumindest wurde es honoriert. Männer fanden es mutig von mir, dass ich das frage. Aber warum ist das denn jetzt mutig? Und wenn Männer das machen, ist es doch eigentlich selbstverständlich oder?

Frauen können auch das Ruder übernehmen

Da zeigt sich doch, dass man Frauen das weniger zutraut, mal mutig zu sein und den ersten Schritt zu machen. Wenn ich Lust darauf habe und nicht die Verantwortung an den Mann abgebe, nehme ich das gern in die Hand. Wieso auch immer warten und darauf hoffen, dass der andere weiß, was man will?

Ich bin generell nicht der Mensch, der so durchs Leben geht und einfach nur wartet, dass etwas passiert. Ich nehme mein Schicksal lieber selbst in die Hand, komme ins Tun. Wenn ich ständig darauf hoffen würde, dass Männer den ersten Schritt machen, kann ich lange warten. Es gibt auch einfach so viele, die selbst unsicher sind, ob sie es tun sollen oder nicht. Da sind sie mir teilweise auch dankbar, dass ich das übernehme.

Rollenerwartungen hinterfragen

Was ist so schlimm daran, wenn Frauen den ersten Schritt machen? Wenn sie einfach Interesse zeigen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob das jetzt zu viel ist? Ich plädiere für mehr Gleichberechtigung. Und vor allem fände ich es toll, wenn wir uns weniger von diesen Rollenklischees leiten lassen. Wir sind doch mehr als nur ein Mann oder eine Frau oder divers. Wir sind einzigartige Persönlichkeiten.

Ich bin dafür, dass wir aufhören, Spielchen mit den anderen zu spielen. Außerdem merkt man das doch auch und fühlt sich komplett verarscht. Will ich mit jemandem zusammen sein, der diese Spielchen mit mir spielt? Wollen wir nicht eigentlich lieber alle, so sein, wie wir sind, statt uns zu verstellen, damit wir dem anderen besser gefallen? Lieber authentisch sein, sich menschlich zeigen mit all seinen Macken und Fehlern. Statt dem anderen etwas vorzugaukeln, was man nicht ist und was nicht zu einem passt.

Schreib ihm, wenn du an ihn denkst. Schreib ihm, wenn du ihn vermisst. Schreib ihm, wenn du ihn magst. Küss ihn, wenn du ihn küssen willst.

Lass der Frau auch mal den Vortritt. Frag sie, was sie will und gib ihr den Raum. Lass sie ruhig mal den Ton angeben, das bedeutet nicht, dass du deswegen an Männlichkeit einbüßt.

Ein Stück weit hat es auch mit dem Hinterfragen der eigenen Rollenerwartungen zu tun und wie man Weiblichkeit sowie Männlichkeit definiert. Da gibt es auch einige Fallstricke, die man überdenken könnte.

Auch ich muss mich an der eigenen Nase anfassen, verfalle ich doch immer mal wieder in diese vorgegebene Rolle. Ich versuche schon aus diesem Rollenmuster herauszubrechen. Es ist nicht leicht und es gibt immer mal Rückschläge. Aber ich arbeite daran. Sich dessen bewusst zu sein und andere dazu zu ermutigen, es gleichzutun, ist schon mal ein erster Schritt.

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