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Beziehung wieder geschlossen: Ist die offene Beziehung gescheitert?

Als wir vor etwa acht Monaten unsere Beziehung öffneten, war das schon ziemlich surreal. Genau wie all die anderen sexuellen Abenteuer, die wir zuvor erlebt hatten. Doch nun ist das erst mal alles vorbei. Kein Abenteuer mehr mit anderen Personen außerhalb der Beziehung. Wir haben die Beziehung wieder geschlossen. Ist unser Experiment damit gescheitert?

Es gab in den vergangenen Monaten einige Höhen und Tiefen, über die ich auch teilweise geschrieben habe. Es gab so viele aufregende Momente. Momente, in denen ich mich so lebendig gefühlt habe. Natürlich war es immer wieder ein Kick fürs eigene Ego, wenn ich mal wieder ein Match mit einem attraktiven Mann hatte. Wenn ich mich mit ihm traf, es zwischen uns einfach so knisterte und wir dann übereinander herfielen. Ich mochte die erste Kennlernphase. Und wie wir uns Stück für Stück körperlich immer näher geworden sind.

Das Dating war zwischenzeitlich so etwas wie eine Sucht. Ich brauchte es ständig. Ich wollte immer nur raus, andere Menschen kennenlernen. Suchte die Abwechslung und das Abenteuer. Im Nachhinein frage ich mich: Hat mir vielleicht etwas in meinem Leben gefehlt, dass ich mich so sehr danach sehnte, anderen neuen Menschen zu begegnen?

Für mich waren es genau die Alltagsabenteuer, die ich brauchte. All das, wonach ich mich sehnte. Ich war so aufgeregt und happy, dieses vollkommen neue Leben zu führen. Die offene Beziehung stellte alles auf dem Kopf, brachte neue Herausforderungen und jede Menge Erfahrungen mit sich. Es brachte aber auch so viel Drama in mein Leben und in unsere Beziehung.

Sucht nach Abenteuer und Bestätigung

Ich war so stolz darauf, dass wir so anders lebten und liebten im Vergleich zum Großteil der Paare. Ich fühlte mich ein Stück weit erhabener, auch wenn es arrogant klingt. Aber ja, ich fühlte mich wie ein besserer Mensch, der die Monogamie hinter sich gelassen hat, der über allem stand und nur noch abschätzig auf die Menschen herabschaute, die noch immer an die Illusion der Monogamie glaubte.

Ich glaubte, dass diese Beziehungsform meinen Bedürfnissen und meinem Hunger nach Abenteuer entsprach, besser zu mir passte. Ich redete mir ständig ein, dass wir beide und unsere Beziehung an all den Herausforderungen und Problemen wachsen könnten. Und ja, teilweise war das auch so. Ich sah so viel Potenzial darin, mich zu verändern.

Ich liebte dieses neue Leben so sehr. Ich liebte das Ich, was ich mir damit auch aufbauen konnte: eine sexpositive, leidenschaftliche unabhängige Frau, die sich ihrer Ängste und Minderwertigkeitsgefühle stellte, die von anderen Männern begehrt wurde. Die offen für solche Experimente war.

Uns als Paar brachte die offene Beziehung auch noch mehr zusammen. Wir wussten umso mehr, was wir einander hatten. Selbst wenn wir mit anderen Menschen schlafen, wird das nichts an unserer Liebe ändern. Im Gegenteil: Unsere Liebe wird stärker. Wir sind umso dankbarer füreinander. Den Sex, den wir haben, werden nicht mit jemand anderem haben. All das führte also dazu, dass wir uns auch näher kamen. Wir wussten, dass wir aneinander nicht verlieren würden, wenn wir uns Freiheiten geben.

Was du liebst, lass frei – kommt es zu dir zurück, gehört es dir, für immer.

So ungefähr, nur eben ohne Besitzansprüche.

Die dunkle Seite der offenen Beziehung

Doch das war eben auch nur die eine Seite der Medaille. Es gab auch die unschöne Seite, die ich zu gut verdrängen konnte: Die stundenlangen Diskussionen mit meinem Freund. Die große Unsicherheit. Das Gefühl, nicht genug zu sein. Sich ständig mit anderen Frauen zu vergleichen. All die tausend Stiche in meinem Herzen. Allein schon, wenn ich wieder sah, wie er auf Tinder rumswipte oder sich nur platonisch mit einer Frau traf. Meine Eifersuchtsattacken. Ständig diese Angst, ich könnte ihn verlieren. Unsere Streitereien, wenn es wieder darum ging, unsere Grenzen und Regeln neu festzulegen. Es machte so viel mit mir. Es war ein emotionales Auf und Ab die ganzen Monate lang. Wir stritten deutlich mehr als noch im vergangenen Jahr. Selbst als wir beide niemanden dateten, kamen trotzdem bei den kleinsten Dingen Streits auf. Es wurde einfach nicht besser.

Lange dachte ich, dass das vielleicht die beste Form der Therapie wäre, um meine Eifersucht zu überwinden. Anfangs schien es so. Doch je mehr wir in dieses Leben eintauchten, umso intensiver wir unsere Freiheiten auslebten – desto stärker überkam mich die Eifersucht. Ich hatte diese Eifersucht nicht im Griff. Obwohl ich doch so viel Bestätigung von meinem Freund bekam. Er mir so oft sagte und zeigte, wie sehr er mich liebt und wie wichtig ich ihm bin. Es reichte mir alles trotzdem nicht. Obwohl ich rational wusste, dass er mich nicht wegen anderer Frauen verlassen würde. Weil sie nicht annähernd so kompatibel waren wie wir beide. Trotzdem hörte die Eifersucht nicht auf. Ich fand keinen Weg, damit wirklich umzugehen.


Eifersucht wird nicht weniger

Wir fingen an, die Regeln neu aufzustellen, damit ich mich wieder sicherer fühlte. Damit es trotzdem funktionieren kann. Keine Freundschaft Plus, keine platonischen Treffen, nur noch reine Sextreffen, maximal drei Mal. Ihm verging die Lust, hatte er ohnehin keinen Bock mehr auf dieses mühselige Online-Dating. Für ihn machte es nur Spaß, wenn er wüsste, dass sich seine Mühen lohnen und er sich mit Frauen regelmäßig treffen konnte. Er verlor die Freude daran. Lange Zeit lief auf seiner Seite nichts, bei mir umso mehr.

Doch auch ich hatte die letzten Wochen immer weniger Lust, neue Leute kennenzulernen. Ich hatte es so langsam doch über. Das was mich anfangs noch so sehr faszinierte und Abwechslung versprach, fing an, mich zu langweilen. Immer wieder diese mühseligen Chats. Die immer gleichen ersten Treffen, bei denen ich immer wieder das gleiche erzählte.

Der Reiz dieser ersten Begegnungen war verloren. Ich hatte keine Lust mehr weiter zu daten.

Vielleicht hatte ich es anfangs auch übertrieben. Alles zu schnell und alles zu viel. Das ist ja auch etwas total normales, wenn es neu ist. Dass man sich anfangs vielleicht etwas hineinsteigert.

Parallel wurde ich immer empfindlicher, wenn mein Freund mit anderen Frauen schrieb oder sich mit ihnen traf. Was mir anfangs weniger ausmachte, tat mir doch mehr weh, als ich dachte.

Wirklich wieder schließen?

Wir waren in den acht Monaten immer wieder an dem Punkt, an dem wir uns fragten: Sollten wir die Beziehung nicht erstmal schließen? Von ihm kam dann noch mehr der Zuspruch. Ich dagegen wehrte mich umso mehr, obwohl ich diejenige war, die am meisten Probleme damit hatte. Ich konnte mir ein Leben ohne diese offene Beziehung, ohne diese Freiheiten und diese Abenteuer einfach nicht mehr vorstellen. Ich hatte zu große Angst vor dem Alltag, der in Monotonie versinkt.

Aber war das wirklich so, wie befürchtet? Bedeutet dies nicht im Endeffekt, dass ich unser Liebesleben, wie es vorher war, als zu langweilig empfand? Es war toll, keine Frage. Aber wir waren schon so langsam an dem Punkt, an dem alles quasi nach Schema F ging. Die Treffen mit anderen Menschen und der Fremdsex sorgten auch in unserer Beziehung für ordentlich Schwung. Wir hatten wieder mehr Lust aufeinander. Hatten intensiveren und leidenschaftlicheren Sex. Auch auf emotionaler Ebene hatte sich viel getan: Wir nahmen den anderen nicht mehr als selbstverständlich an, zu mal der andere ja auch von andere begehrt wurde. Das machte uns gegenseitig noch attraktiver. Wir sprachen intensiver über unsere Gefühle. Das schweißte uns zusammen.

Ich wollte die Beziehung eigentlich nicht schließen. All die tollen Gründe sprachen dagegen. https://lebenskunst-einfach.blogspot.com/2024/03/warum-ich-gerade-nicht-mehr-monogam.html

Ich wollte nicht zurück in den Alltag, der zu friedlich und vielleicht auch langweilig war. War die offene Beziehung vielleicht eine Art Flucht aus zu viel Harmonie? Liebte ich unterbewusst all das Drama, was die letzten Wochen und Monate unsere Beziehung durcheinander wirbelte?

Ich kann es nicht sicher sagen, vielleicht, vielleicht auch nicht.

Doch nach all unseren Höhen und Tiefen und der Tatsache, dass meine Eifersucht gefühlt stärker geworden ist und ich mich emotional immer unsicherer fühle, glaube ich, dass es besser ist, dass wir unsere Beziehung schließen. Vorerst.

Wir haben länger darüber gesprochen. Mein Freund findet das total okay und war eigentlich schon vorher dafür. Das ist für mich aber auch ein Liebesbeweis. Ihm ist es wichtiger, dass es uns beiden gut geht und unsere Beziehung harmonisch ist, als die sexuellen Freiheiten, die er hat.

Wir sind beide auch gerade an einem Punkt, wo wir sagen: Es reicht erstmal. Die letzten Monate waren sehr intensiv, wir haben uns gut ausleben und unsere Freiheiten ausnutzen können. Wir haben es probiert und es nicht bereut. Es war die absolute richtige Entscheidung, das zu tun. Ich bin sehr froh darüber.

Wir sind beide daran gewachsen, aber ganz besonders unsere Beziehung und die Liebe zueinander.


Mehr Ruhe und Beständigkeit

Doch jetzt brauche ich vor allem Ruhe, wieder mehr Beständigkeit. Ich habe einfach gemerkt, dass es auf Dauer nicht so gut für mich gewesen wäre, noch mehr zu leiden. Ich wollte den Schmerz und das Leid in Kauf nehmen, um mich auszuleben und uns diese Freiheiten zu ermöglichen.

Mit dem Schließen der Beziehung kommen mir Bedenken, Zweifel, neue Erkenntnisse: Bin ich wirklich für eine offene Beziehung gemacht? Ich kann meinem Partner seinen Spaß nicht so wirklich gönnen. Ich bin immer noch sehr eifersüchtig und struggle jedes Mal mit mir.

Bin ich vielleicht nicht so der offene Mensch, wie ich dachte? Ich hatte mir die letzten Monate so ein Bild von mir gemacht. So große Erwartungen an mich selbst gestellt. Ich wollte dieser Mensch sein, der eine offene Beziehung schafft. Der sich seinen Ängsten stellt. Der darüber hinaus wächst. Doch ich glaube, dass ich mir da wirklich zu hohe Ansprüche gestellt habe. Ansprüche, die ich nicht komplett erfüllen kann.


Zwischen den Extremen

Doch ich muss mir leider gestellen: Tief in meinem Inneren sehne ich mich doch nach Monogamie, nach dieser Exklusivität, möchte meinen Partner ganz für mich allein, sein Mittelpunkt sein.

Ich bin kein komplett monogamer Mensch, aber ich kann für eine lange Zeit mit dem richtigen Partner monogam sein. Aber ich brauche auch immer mal die sexuellen Ausbrüche, die Abwechslung. Vielleicht ist das ja auch die Antwort. Vielleicht ist die komplett offene Beziehung auch nicht passende Beziehungsform für mich.

Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo zwischen den Extremen.


Nicht komplett offen oder zu – geöffnet

Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß – nicht nur monogame und offene Beziehungen. Ich muss mich nicht komplett für eine Beziehungsform entscheiden. Beziehungen sind ja auch wandelbar, sie entwickeln sich mit der Zeit. Wir können lernen, unsere Beziehung nach unseren Regeln zu definieren. Vielleicht bedeutet das auch, dass wir für eine Weile uns auf uns fokussieren, eher monogam leben.

Aber wir können jederzeit wieder ausbrechen, auch mal andere Menschen in unsere Beziehung lassen. Quasi keine komplett offene Beziehung, in der die Tür immer komplett offen steht. Eher eine leicht geöffnete Tür, die meist eher geschlossen ist, aber nicht komplett zu. Sie ist immer einen Spalt offen, kann mehr geöffnet, aber auch wieder mehr geschlossen werden. Weder komplett offen noch komplett zu.

So wie wir es 2023 hatten. Wir lebten vorwiegend monogam, gingen aber auch auf Partys und hatten dort auch Sex mit anderen Menschen. Doch der Hauptfokus lag auf uns und unserer Bindung.

Vielleicht entspricht das auch mehr meinem Ideal von Beziehung.

Ich musste mich erst einmal für dieses Modell öffnen, es ausprobieren, um zu erfahren, ob es zu mir passt. Ich habe gemerkt, dass es Dinge gibt, die durchaus zu mir passen. Aber es gibt auch Dinge, die weniger zu mir passen. Eine Beziehung, in der immer alles offen ist – das wäre vielleicht zu diesem Zeitpunkt nichts für mich.

Das schöne an Beziehungen ist aber, dass wir uns jederzeit anders entscheiden können. Wir haben gelernt, offen und ehrlich über unsere Bedürfnisse, Wünsche, Vorlieben und Sorgen zu sprechen. Wir müssen uns nicht strikt dafür entscheiden: Entweder offene oder geschlossene Beziehung. Nur weil ich mich jetzt für die monogame Beziehung entscheide, ist das ja nicht endgültig. Es kann eine Pause oder Phase sein, die auch wieder von einer offenen abgelöst werden kann.


Es ist kein Scheitern der offenen Beziehung

Mit dem Schließen der Beziehung fühlte es sich für mich wie ein Scheitern der offenen Beziehung an: Ich hatte es nicht geschafft, dieses Beziehungsmodell weiterzuleben. Aber das ist eine viel zu strenge Sicht auf die ganze Sache. Ich denke da viel zu negativ.

Es ist kein Scheitern, wenn ich sage, dass ich erst mal wieder monogam leben will. Ich weiß, dass eine offene Beziehung immer eine Option sein kann. Wie es gerade zu uns passt. Aber vielleicht ist eine wirklich strikt offene Beziehung auf Dauer nichts für mich, aber phasenweise.

Wir definieren unsere Beziehung, die weder strikt monogam oder offen sein muss, irgendetwas dazwischen. Und es wird Phasen geben, in denen wir weniger mit anderen machen, weil unsere Beziehung die Nummer 1 ist und gepflegt werden muss. Und dann wird es auch Phasen geben, in denen die Stabilität da ist und wir uns nach Abwechslung im Außen sehnen.

Grundsätzlich wären wir beide damit fein, wenn der andere Sex mit Menschen außerhalb der Beziehung hat. Das ist das, womit wir beide vollkommen mitgehen. Wir würden uns diese Freiheiten geben. Nur eben momentan nicht stets und ständig.

Es ist kein Scheitern der offenen Beziehung. Es war ein Ausprobieren, von Anfang an ein Experiment, von dem ich ahnte, dass es eine Ablaufdatum haben wird. Aber das ist total okay. Ich kann stolz darauf sein, dieses Experiment überhaupt gewagt zu haben trotz meiner Komplexe. Wie viele andere Menschen versuchen es nicht mal, obwohl sie es wollen, weil sie zu unsicher sind und dem anderen den Spaß nicht gönnen können. Wir sind da wesentlich weiter. Vielleicht wird es irgendwann so weit sein, dass wir die Beziehung dauerhaft offen halten. Vielleicht auch nicht. Beides ist okay.

Was wir allerdings definitiv wissen, ist, dass eine dauerhaft monogame Beziehung für uns nichts wäre. Wir sehnen uns beide auch nach Abwechslung und Abenteuer. Wie wir diese nun in der Beziehung ausleben, das werden wir in Zukunft weiter herausfinden.

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