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Wie sinnvoll ist die Goldene Regel?



Jeder kennt die goldene Regel: "Was du nicht willst, was man dir tu, das füge auch keinem anderen zu." Wir kennen sie aus dem Ethik-Unterricht. Sie ist wie eine Maxime, eine Handlungsanleitung. In anderen Worten meint sie, dass wir anderen nicht schaden sollen.

 Wir sollen zuerst danach gehen, was wir auf keinen Fall haben wollen. Und das übertragen wir auf andere. Was man selbst nicht will, das sollen auch andere nicht erleben. Die Regel verweist uns darauf, bestimmtes Verhalten zu unterlassen, was uns selbst nicht gefallen würde.

Niemand möchte unglücklich sein, verletzt werden, niemand möchte wirklich Ärger und Probleme haben. Man will nicht angelogen und betrogen oder ausgenutzt werden. Und dann stellt man sich vor, dass es auch anderen so geht. Man versetzt sich in deren Lage und nimmt an, dass das genauso auch auf andere zutrifft. Ich komme zum Schluss, dass ich das genauso wenig jemand anderen zumuten will. Daraus ergibt sich dann ein rücksichtsvolles Verhalten.

Doch leider ist es ja so, dass man sich meist nicht daran hält. Wenn es mal so einfach wäre. Es klingt leicht, sich in andere hinein zu versetzen. Und doch scheitern wir täglich daran. Wir verletzen andere, machen sie traurig oder sauer, wir enttäuschen sie, wir lügen auch mal. Eigentlich würden wir so etwas ganz bestimmt nicht selbst haben. Und trotzdem tun wir es. Und warum?

Weil andere nun mal nicht wir sind. Wir sind uns am nächsten und seien wir ehrlich, auch egoistisch. Wenn jeder sich nach der Goldenen Regel orientieren würde, dann gäbe es bestimmt weniger Leid auf der Welt. Doch wir tun es doch nicht immer. Denn in dem Moment, in dem wir anderen doch weh tun oder etwas schlechtes tun, denken wir nicht immer an die Folgen unseres Handelns. Erst im nachhinein wird es uns klar, was wir getan haben. Entweder bereuen wir es oder eben nicht.

Woran das liegt? Nicht nur daran, dass wir nicht an die Folgen denken. Sondern in dem Moment haben wir ja gewisse Motive und Bedürfnisse, denen wir nachgehen. Wir tun das meist nicht grundlos. Wenn ich beispielsweise meinem Freund Vorwürfe mache und ihn damit gewissermaßen verletze, dann nicht, weil ich ihn verletzen will. Sondern weil ich in erster Linie sauer bin, meiner Wut Luft machen. Ich kritisiere ihn auch, in der Hoffnung, dass er sich ändert. Aber so wird das nichts. Damit wird nur mehr Unruhe gestiftet. Und die Beziehung auf die Probe gestellt.

Die Goldene Regel geht davon aus, dass wir eben erstens uns in andere hineinversetzen und das was wir wollen/nicht wollen auf andere übertragen. Doch im Eifer des Gefechts tun wir es nicht. Dazu bedarf es eines Augenblicks der Ruhe, in der wir inne halten und über unser Verhalten nachdenken. Doch meistens bricht es doch eher impulsiv aus uns heraus. Wir können nichts dagegen tun. Dann ist es schon geschehen. Und was passiert ist, ist eben nicht mehr rückgängig zu machen.

Es gibt aber Situationen, in denen wir schon Ruhe und Zeit haben, um unser Handeln zu planen. Dann könnte durchaus die Goldene Regel in unserem Kopf erscheinen und uns darauf hinweisen, wie wir uns verhalten sollen. Doch auch da gibt es Einschränkungen. Soll ich meinem Partner die Affäre gestehen? Aus meiner Sicht wäre es gut, weil ich mein Gewissen erleichtern kann und ehrlich bin. Ehrlichkeit ist wichtig in der Beziehung. Aber ist es auch wirklich gut für den anderen, das zu wissen? Mute ich ihm nicht zu viel zu, belaste ich ihn damit nicht? Das ist ein Problem. Das was für mich gut oder nicht gut ist, muss nicht unbedingt auch auf den anderen zutreffen. Da hilft es abzuwägen, ob es wirklich sinnvoll wäre. Jeder Mensch ist doch auch wieder anders.

Auf den ersten Blick erscheint die Regel sinnvoll. Denn das, was man selbst nicht haben möchte, das wollen die meisten auch nicht haben. Die Regel geht davon aus, dass wir Menschen einiges gemeinsam haben. Doch man kann die Regel auch anders auslegen. In einem positiven Sinne: Was du willst, was man dir tut, das füge auch anderen zu.“ Und hier ist der Knackpunkt. Wie auch schon bei der negativen Formulierung der Goldenen Regel, können wir nicht ausgehen, dass ich alles auch problemlos von mir auf andere übertragen kann. Was ist beispielsweise mit Masochisten? Sie lieben Schmerzen. Und weil sie es lieben, die goldene Regel anwenden, tun sie anderen weh. Ist ja kein Problem, was ich mag, das mögen andere ja auch.


Bei der Goldenen Regel muss man auf solche Dinge achten, die von der Allgemeinheit akzeptiert werden, die allgemein gut oder nicht gut sind. Aber solche Abweichungen und Fetische sind dann doch mal die Ausnahme. Die Goldene Regel ist an sich nicht schlecht, aber die Auslegung muss man doch kritisch betrachten. So wie bei vielen Dingen, darf man nicht alles pauschalisieren, sondern sollte kritisch abwägen, wann etwas nützlich ist und wann nicht.

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