Aktive
Sterbehilfe ist ein hochumstrittenes Thema. Ob sie erlaubt werden sollte oder
nicht, kann nicht eindeutig beantwortet werden.
Nichts ist umstrittener als das Thema Sterbehilfe. Vor allem
die aktive Sterbehilfe, bei der jemand mit Einwilligung des Betroffenen den Tod
desjenigen aktiv herbeiführt, indem er ihm beispielsweise eine Überdosis an Schmerzmitteln
oder Narkosemitteln verabreicht. Diese Form der Sterbehilfe ist in Deutschland
nach wie vor nicht erlaubt, in einigen europäischen Ländern schon.
Nachdem ich mich in einem Leitartikel damit befasst habe, wo
ich doch deutlich Stellung beziehen musste, bin ich in ein intensives Dilemma
geraten. Sowohl Befürworter als auch Gegner weisen starke Argumente auf, beide Positionen
sind für mich nachvollziehbar. Mich auf eine Seite zu stellen, fällt mir
wirklich schwer. Sterbehilfe ist seit Jahrhunderten eines der schwierigsten
Themen. Es ist eine höchst komplizierte Materie, bei der sowohl Befürworter und
als auch Gegner nachvollziehbare
Argumente vorweisen können. Doch das Problem ist nicht der Sterbewunsch an sich,
sondern die Gründe dahinter. Nichts ist so persönlich und schmerzhaft wie der
eigene Tod. Aktive Sterbehilfe ist in vielen Ländern verboten gewesen, auch in Spanien.
Das wird sich zukünftig ändern, aktive Sterbehilfe soll dort unter bestimmten
Bedingungen erlaubt werden. Die geplante Regelung sieht vor, dass ältere,
unheilbar kranke Patienten auf Kosten des staatlichen Gesundheitssystems
Sterbehilfe in Anspruch nehmen können.
In Deutschland bleibt die
aktive Sterbehilfe verboten: wie ich finde, doch sehr verständlich. Es geht um
das Prinzip. Statt aktive
Sterbehilfe finanziell zu fördern, sollte sich der Staat um eine gute
Sterbebegleitung kümmern, damit es gar nicht erst zum Sterbewunsch kommt. Denn
meist verbirgt sich hinter dem oft gehörten Satz „Ich will nicht leben“ eher „Ich
will So nicht leben.“
Die neue Gesetzesregelung
in Spanien mag einem Akt des Mitleids und der Erlösung gleichen. Aktive
Sterbehilfe erspart unnötig verlängertes Leiden, orientiert sich am
Selbstbestimmungsrecht vor allem der Betroffenen. Jeder sollte über seinen Tod
frei entscheiden können. Ich kann das wirklich sehr gut nachvollziehen. Es gibt
Menschen, die nicht frei über ihren Körper entscheiden können. Dabei denke ich
an Menschen, die am „Locked-In-Syndrom“ leiden. Sie sind Gefangene ihres Körpers.
Sie haben keine Möglichkeit sich zu bewegen. Wie schwer muss es sein, so zu
leben? Ist das denn noch ein lebenswertes Leben? Es geht ja um die Frage, wem
gehört mein Leben? Davon ableiten lässt sich dann auch die Folgerung, wer über
das Leben zu bestimmen hat. Mit der aktiven Sterbehilfe könnten sie endlich
wieder frei über sich selbst bestimmen, wo sie doch in diesem Recht so hart
beschnitten sind.
Es gibt Menschen, die
müssen unglaublich leiden, für sie ist das Leben schlimmer als der Tod. Sie
wünschen sich den Tod so sehr, er würde ihrem Leiden ein Ende bereiten. Aber
sie sind vielleicht nicht in der Lage, sich selbst das Leben zu nehmen. Sollten
wir ihnen nicht die Chance geben, aktive Sterbehilfe zu ermöglichen? Insofern
finde ich es gut, dass es in Spanien die Möglichkeit dazu gibt. Eben nicht
generell aktive Sterbehilfe zu legalisieren, sondern nur in bestimmten Fällen. Das
halte ich für richtig. Man kann das nicht verallgemeinern, sondern sollte auf
die jeweiligen individuellen Fälle eingehen.
Ich habe in einem anderen Artikel
gelesen, dass es kein nicht lebenswertes Leben gibt, aber schlimme Umstände. Doch,
ob das Leben lebenswert ist, entscheidet jeder für sich selbst. Auf der anderen
Seite gibt es aber auch gute Argumente, die für die aktive Sterbehilfe sprechen.
Wer kann darüber
entscheiden, ob jemand beim Äußern des Sterbewunsches bei Sinnen ist? Freiwillig
will niemand sterben. Wer kann darüber entscheiden, ob
jemand wirklich von tiefstem Herzen und starken Willen sterben möchte? Vielleicht
lässt sich etwas an dieser Willensäußerung ändern. Betroffene sind Opfer ihrer
Not und der Lebensumstände, die verbessert werden können. Womit lässt sich unerträgliches
Leid festmachen? Welche Ärzte können es sich anmaßen, über all das zu
entscheiden? Wurden wirklich alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensqualität
in Betracht gezogen? Man sollte die Frage stellen, warum jemand sterben möchte
und daran ansetzen. Vielleicht sind solche Menschen einsam oder werden schlecht
behandelt? Betroffene wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen.
Doch was steckt hinter dem Sterbewunsch? Betroffene haben Angst
vor leidvollem Sterben und wollen dabei ihre Würde behalten. Statt Sterbehilfe,
sollte man sich der Belange, Ängste Betroffen kümmern. Statt „Tod auf
Verlangen“ Fürsorge bei der Sterbebegleitung. Kranke und Sterbende werden doch
nach wie vor stigmatisiert. Die Wahrnehmung der Betroffenen gilt es zu
verbessern und deren Würde wiederherzustellen. Es gibt einige Fälle, bei denen Betroffene
ausdrücklich sterben wollten, aber es nicht konnten. Doch statt noch tiefer in Depressionen
zu versinken, konnten sie neuen Lebensmut fassen. Wer sagt also, dass es bei Kranken
und Sterbenden nicht auch so ist? Der Tod ist unvermeidlich, entscheidend ist,
wie man damit umgeht und darüber denkt. Ob man voller Bitterkeit und Schmerz
stirbt oder sich damit versöhnt, das macht schon viel aus.
Es geht nicht nur um die Betroffenen, sondern auch um die gesellschaftlichen
Folgen der aktiven Sterbehilfe. Mit dieser Regelung ist der erste Schritt zur
Legalisierung aktiver Sterbehilfe getan, was verheerende Folgen mit sich
bringen könnte. Aktive Sterbehilfe kann dem Missbrauch zum Opfer fallen, mit
dem Leid Sterbewilliger könnte ein Geschäft gemacht werden. Steigende Kosten
des Gesundheitswesen, ausgelöst durch den demographischen Faktor, könnten das
„Sterben-Wollen“ in ein „Sterben-Sollen“
verwandeln. Außerdem widerspricht die aktive Sterbehilfe dem Mission vieler Ärzte,
die doch das Leben retten soll. Und gleicht es nicht gewissermaßen trotzdem
einem Mord, wenn Ärzte die tödliche Spritze geben, auch wenn der Patient es so
will?
Aus religiöser Sichtweise gehört unser Leben nicht uns
selbst. Wir haben es geschenkt bekommen von Gott. Und nur Gott gibt und nimmt Leben.
Sich selbst zu töten gehört zu den größten Sünden überhaupt. Ich glaube aber
nicht an Gott, weswegen dieses Argument für mich widersinnig ist. Auch wenn aktive
Sterbehilfe vielleicht erst einmal nur wenige Menschen betreffen wird, könnte
es in Zukunft so sein, dass die Hemmschwelle, wann aktive Sterbehilfe
eingesetzt wird, immer geringer wird. Wenn es leichter gemacht wird, Menschen
das Leben zu nehmen, werden die Skrupel möglicherweise immer geringer. Statt zu
leiden und daraus auch stärker wieder hervorzugehen, wird sofort aktive Sterbehilfe
in Betracht gezogen. Irgendwann würden bereits Depressionen als unerträgliche Qualen
betrachtet. Statt den Tiefen und Hürden des Lebens zu trotzen, wird die Abkürzung
gewählt.
Für Angehörige ist es aus zweierlei Hinsicht nicht einfach,
mit Betroffenen umzugehen. Zum einen belastet es sie sehr, dass sie dem Kranken
oder Sterbenden beim Leiden zusehen müssen und nicht in der Lage sind,
irgendwie zu helfen. Sie können nichts tun, um das Leiden zu vermindern oder es
zu beenden. Es belastet sie sehr. Zum anderen ist es für sie eine noch größere Bürde,
wenn der Betroffene dann den Sterbewunsch äußert. Sie sind hin- und
hergerissen. Einerseits können sie es nicht übers Herz bringen, den Menschen
gehen zu lassen. Vor allem wenn sie dann diejenigen sind, die beim Sterben
helfen sollen. Doch zum anderen wollen sie auch den Willen des Kranken oder Sterbenden
nicht verweigern. Sie sind so wie ich momentan bei dieser Diskussion in einem
aber noch viel größerem Dilemma.
Aber gibt es denn wirklich eine Pflicht zu leben? Und gibt
es auch das Recht zu sterben? Was wiegt mehr?
Der Staat ist laut Verfassung auch daran gebunden, das Leben
jedes Bürgers zu schützen, für körperliche Unversehrtheit zu sorgen. Die finanzielle
Förderung von aktiver Sterbehilfe darf keine generelle Lösung sein. Die
Palliativmedizin und Pflegeheime müssen dagegen ausgebaut und verbessert werden.
Sterbehilfe darf keine Alternative zur Palliativmedizin sein. Natürlich ist es
eine Illusion, dass dadurch jeglicher Wunsch nach Sterbehilfe verhindert wird. Aber
lieber um das Leben kämpfen, als zu schnell dem Tod eine Chance geben.
Es ist eine wirkliche schwierige Frage, ob aktive Sterbehilfe
legal werden sollte oder nicht. Es ist schon merkwürdig, dass wir unsere Haustiere
so leicht einschläfern lassen ohne darüber zu diskutieren, ob das moralisch ist
oder nicht. Im Gegenteil: Das Tier unnötig am Leben zu lassen und ihm qualvolle
Leiden zuzufügen wird als grausam und unwürdig bezeichnet. Warum trifft das
aber bei Menschen nicht zu? Wenn wir doch genau sehen und auch fühlen können,
wie jemand physisch und psychisch leidet? Warum müssen wir dann noch darüber
diskutieren und uns dem Willen des Betroffenen widersetzen?
Bei Tieren spielen wir Gott, entscheiden über Leben und Tod.
Aber vor allem orientieren wir uns am Wohl des Tieres. Wir wägen ab, was das Bessere
wäre. So schwer es Tierbesitzern ergeht, so schwer sie sich von ihrem geliebten
besten Freund verabschieden können und wollen, wir tun dem geliebten Tier einen
Gefallen, wenn wir ihm unnötiges Leiden ersparen. Doch beim Menschen sieht es
wieder ganz anders aus: „Mensch und Tier miteinander zu vergleichen, geht doch
nicht!“ Werden Kritiker einwenden. Aber so sehr unterscheiden wir uns doch
nicht von ihm. Wir sind nur intelligentere Tiere und wir haben sogar einen Willen.
Ich komme zu dem Schluss, dass es keine deutliche Antwort
gibt. Ich würde aktive Sterbehilfe jedoch generell nicht legalisieren, sondern
nur in Ausnahmefällen erlauben. Bei Betroffenen, die wirklich unheilbar krank
sind, die unter qualvollen Schmerzen leiden und die wiederholt ihren Sterbewunsch
geäußert haben. Doch bevor die Sterbehilfe wirklich angewendet wird, sollten Fachleute
und Ärzte genau erfassen, ob derjenige wirklich bei Bewusstsein und Verstand ist
und genau feststellen, ob er wirklich unheilbar krank ist und die Leiden
wirklich so groß sind. Denn nie ist ein Leben so würdig, wenn der Mensch
darüber selbst entscheiden kann.
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