Direkt zum Hauptbereich

Was ist Familie für mich?


Doris befasst sich auf ihrem Blog meinesichtderwelt mit dem Thema #Kindheitserinnerung01: Wer gehörte für dich in der Kindheit zur Familie: Eltern, Geschwister, Großeltern, Onkel und Tanten,....?
Dazu möchte ich auch gerne mal meinen Senf dazu geben. :)



Bei mir war das mit der Familie schon immer etwas kompliziert. Dazu muss man wissen, dass ich eigentlich keine "wirkliche" Deutsche bin. Ich habe ausländische Wurzeln, die in Vietnam liegen, also fast auf der anderen Seite der Welt. Meine Mutter hat sieben weitere Geschwister. Damals war es in Vietnam üblich, dass man vor allem bei den Familien auf dem Land, viele Kinder hatte, die dann bei der schweren Arbeit auf den Reisfeldern helfen konnten. Die eben auch später finanziell eine Hilfe sein konnten. Man könnte also sagen, dass ich eine Großfamilie habe. Doch diese befindet sich eben meilenweit von mir entfernt. Und ganz ehrlich. Ich habe leider keinen wirklichen Draht zu meiner restlichen Familie, die in Vietnam lebt. Wie auch, wenn ich sie bisher nur ganze drei Mal in meinem Leben gesehen habe und sie dadurch kaum kenne. Hinzu kommt leider, dass ich kaum vietnamesisch spreche und mich dadurch kaum mit meinen anderen Verwandten verständigen kann.

Ihr seht, dass das Thema Familie bei mir alles andere als einfach ist. Ich bin hier in Deutschland geboren. Meine Mutter, die Gastarbeiterin in der DDR gewesen ist, wollte vor meiner Geburt nicht zurück nach Vietnam. Sie fand das Leben hier wesentlich einfacher und auch besser. Außerdem wollte sie für mich eine bessere Zukunft schaffen und blieb also in Deutschland. So bin ich also in Deutschland aufgewachsen und habe mich seitdem immer wie eine Deutsche gefühlt. Obwohl ich diese vietnamesischen Wurzeln habe.

Natürlich hat meine Mutter ihre vietnamesische Identität behalten, versucht ihre Kultur in Deutschland auszuleben. Aber sie war schon immer anders als die anderen Vietnamesen. Sie hat sich besser in Deutschland integriert, wenn man das so sagen darf. Hat wirklich viel Deutsch gelernt und das auch wirklich im Alltag gesprochen. VIel Kontakt mit anderen Deutschen gehabt. Eben weil sie nicht wie andere Vietnamesen unter ihren Landsleuten blieb, ein asiatisches Restaurant betrieb oder einen Klamottenladen. Sie hat angefangen in einem deutschen Unternehmen zu arbeiten, kam mit anderen Deutschen zusammen und heiratete dann auch schließlich einen Deutschen. Aber sie brachte dennoch ihre vietnamesische Kultur in unseren Familienalltag. Anfangs versuchte sie mir noch Vietnamesisch beizubringen. Doch als ich dann Probleme mit dem Deutsch lernen bekam (was ungewöhnlich ist, denkt man doch, Kinder können leicht zweisprachig aufwachsen...) hat sie es aufgegeben und seitdem nur noch Deutsch mit mir gesprochen. Vietnamesische Bräuche wurden zwar gepflegt, wir haben einen Alter, bei dem wir unsere Vorfahren und verstorbene Verwandte ehren und es wurde vietnamesisch gekocht und gegessen. Aber ansonsten hatten wir nur wenig Kontakt zu anderen Vietnamesen und lebten doch ein recht "deutsches" Leben.

Nun habe ich bereits geschrieben, dass ich so gar keinen richtigen Zugang zu meiner vietnamesischen Familie habe, die unglaublich groß ist. Familie wird in Vietnam groß geschrieben und steht über so gut wie allem, vor allem über dem Einzelnen. Während meine Verwandten mich von Anfang an akzeptierten und total gern hatten, war ich eher auf Distanz. Was zum einen natürlich daran liegt, dass es eine komplett andere Lebensweise und Kultur für mich war. Jedes Mal erlebte ich einen Kulturschock, als ich nach Vietnam kam. Ich werde mich auch niemals daran gewöhnen. Zum anderen bin ich eher schüchtern und der vietnamesischen Sprache nicht mächtig. All das führte dazu, dass ich nie so wirklich mit meiner Familie in Vietnam warm geworden bin. Innerlich konnte ich mich auch nie so richtig überwinden, eine engere Beziehung zu den anderen einzugehen. Sie waren für mich trotz Blutverwandtschaft irgendwie Fremde - in vielerlei Hinsicht. Deswegen weiß ich bis heute nicht so recht, was ich sagen soll, wenn mich jemand nach meinem Verhältnis zu meiner Familie fragt.

Für mich ist und bleibt, so blöd es klingt, eigentlich nur meiner Mutter meine wirkliche Familie. Familie ist für mich einfach das wichtigste, ohne das ich mir ein Leben kaum vorstellen kann. Familie bedeutet für mich Vertrautheit, Wohlfühlen, einfach Ich sein können, oder wenn und aber. Familie ist der Ort, wo ich aufgewachsen bin. Familie ist das, was mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin. Ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Und das ist für mich meine Mutter und niemand anderes. So hart wie es klingt, für mich ist meine Familie in Vietnam nicht meine Familie im engeren Sinne. Sie ist für mich zwar Familie im Sinne der Blutverwandtschaft, aber meine Familienmitglieder sind eben nur meine Verwandten, mehr nicht. Zu meiner Mutter hatte ich aber immer ein enges Verhältnis, sie ist meine wichtigste Bezugsperson, enge Vertraute, beste Freundin. Dadurch, dass ich nur sie hatte und wir eben auch schwere Zeiten durchgemacht haben, sind wir unzertrennlich.

Mein leiblicher Vater ist früh verstorben... Dann kam mein Stiefvater. Doch irgendwann ließen sie sich scheiden. Meine Mutter hat mich vor allem allein großgezogen, wofür ich sie heute noch bewundere und verehre. Ich bin ihr dafür unglaublich dankbar, für alles, was sie für mich getan hat. Ich liebe meine Mutter, das muss ich einfach so sagen. Doch zu meinen anderen Familienmitgliedern habe ich eben leider kein wirkliches Verhältnis. Höchstens zu meinem einen Onkel, der auch in Deutschland lebt, er ist für mich fast wie eine Vaterfigur. Dennoch besteht zwischen uns noch lange kein wirkliches Vertrauensverhältnis. Zu zwei meiner Cousinen, mit denen ich auch auf Englisch und Deutsch reden kann und die inzwischen in Deutschland leben, pflege ich ein gutes Freundschaftsverhältnis.

Aber zu der restlichen Familie gibt es leider keine wirklichen Berührungspunkte. Klar könnte ich versuchen, mehr zu haben. Mehr miteinander zu telefonieren beispielsweise. Besuchen ist dagegen schwerer, lohnt sich für mich nicht so und ist auch teurer. Klingt es kaltherzig, wenn ich sage, dass ich nicht unbedingt traurig bin, dass ich nicht mehr mit ihnen zutun habe? Es hat mir nie gefehlt, ich bin so glücklich, wie es jetzt ist. Klar, irgendwie wäre es schon schön gewesen in dieser Großfamilie aufzuwachsen, aber wirklich bereuen tue ich es auch nicht. Ich wäre wahrscheinlich auch kein Großfamilienkind, eben weil ich auch so lieber wenig Menschen um mich habe. Insofern ist meine familiäre Situation nicht so übel, wie manche glauben würden. 

Bei einer Großfamilie ist natürlich der Zusammenhalt sehr groß und es hat natürlich auch einige Vorteile. Aber irgendwie wird es schwer, zu allen irgendwie eine Beziehung zu pflegen und es ist auch kaum möglich.

Noch ein paar Gedanken zum Thema Kindheitserinnerungen. Auch wenn ich nicht wirklich viel mit meiner Großfamilie zu tun hatte,  habe ich eine sehr schöne Kindheit erlebt - eben dank meiner wundervollen Mutter. Mir hat es nie etwas im Leben gefehlt. Meine Mama war immer für mich da und hat mir all das gegeben, was ich brauchte. Ich erinnere mich an viele Ausflüge oder wenn wir in unseren Garten gegangen sind und ich dort beim Anbauen von Gemüse helfen konnte. Damals war die Familie meines Stiefvaters meine Familie gewesen. Dort habe ich mich wohl gefühlt, mochte besonders die großen Familienfeiern, die bis in die Nacht hinein gingen. Oder wenn wir uns im Garten trafen und zusammen im Sommer grillten. Das war wirklich schön. 

Mein Heimatort ist eine recht kleine Stadt, wo eigentlich nicht viel los gewesen ist. Es gibt viel Natur, Wälder und Berge. Am schönsten fand ich es damals mit Freunden in der Natur herumzuspielen. Damals gab es noch nicht viel Technik. Das kam alles erst später. 

Es gab auch unschöne Dinge in der Kindheit....es gab Krisen, auf die ich an dieser Stelle ungern mehr eingehen möchte. Licht und Schatten - und dennoch hatte ich eine schöne Kindheit.

Ich frage mich, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich nicht in Deutschland geboren worden wäre - wie hätte ich in Vietnam gelebt? Mit meiner großen Familie? Ich glaube, dass Leben wäre ganz anders gewesen. Vielleicht hätte mich das auch zu einem ganz anderen Menschen gemacht.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von der Seele geschrieben: Ich will mehr Sex als mein Partner

Eigentlich ist es ja meist so: Man(n) will immer mehr als die Frau. Doch viel häufiger als man denkt, ist das Gegenteil der Fall. So wie bei mir und meinem Freund. Dass das auch für mich als Frau nicht leicht ist, glauben die wenigsten. Doch was steckt dahinter?

Was würde ich tun, wenn ich unsichtbar wäre?

Gedankenexperimente sind echt interessant. Ich mag solche Gedankenspiele nach dem Muster „Was wäre wenn,...?“ Das fördert die Kreativität und bereitet Laune. Dieses Mal frage ich mich, was ich machen würde, wenn ich einen Ring bekäme, der mich unsichtbar macht. Würde ich dann jegliche Moral vergessen und Dinge tun, die ich nicht tun würde und die eigentlich auch nicht gut sind?

In Erinnerungen versunken – wie mich die Nostalgie immer wieder fesselt

Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder: Meine Gedanken driften in die Vergangenheit ab. Für nur einige Momente scheint die Welt still zu stehen. Mein Körper in der Gegenwart existent, aber meine Gedanken befinden sich auf Zeitreise mit meinen Gefühlen. Es sind Momente, in denen ich aus der Gegenwart flüchten kann, in jene Zeiten, nach denen ich mich manchmal sehne. Obwohl ich weiß, dass es nicht unbedingt bessere Zeiten waren. Warum nur?