Diesen Tag werde ich niemals wieder
vergessen. Der Tag, an dem ich in großer Gefahr war. Der Tag, an dem
ich meinen ersten Verkehrsunfall hatte. Er hätte auch mein letzter
sein können. Wie ich ihn erlebte und was ich daraus lernte, möchte
ich euch anvertrauen.
Es war mitten im März diesen Jahres. Ich hatte Abends einen Termin bei der Kreisverkehrswacht. Ein Thema unter anderem war die Unfallstatistik des vergangenen Jahres. Die Zahl der Unfälle sei zurück gegangen und doch sind die Unfälle nicht weniger tragisch. Der Termin selbst zog sich wie ein zäher Gummi. Ich war froh, endlich spätabends wieder nach Hause fahren zu können.
Draußen schneite es unglaublich
viel. Ich musste mein Auto von einer dicken Schneedecke befreien. Im
Auto war es super kalt, ich schaltete die Heizung an, wärmte mich
auf. Dann ging es los. Es schneite immer noch sehr. Auf der
Landstraße merkte ich auch, wie glatt es war. Die Autos vor mir
fuhren wesentlich langsamer, auch ich passte mich deren
Geschwindigkeit an.
Doch ich machte mir bereits
Gedanken, wie ich Zuhause ankomme. Ich freute mich, dass es gar nicht
so spät war. Ich machte mir Pläne für den Abend. Endlich
Feierabend und noch besser – endlich Wochenende. Komisch, dass
solche Dinge gerade dann passieren, wenn man ins Wochenende geht.
Dann fuhr ich irgendwann auf die
Autobahn drauf. Zumindest hatte ich das vor. Vor mir fuhr ein Lkw auf
der rechten Spur. Ich dachte mir, dass ich schneller sein könnte und
wollte an ihm vorbei ziehen, ehe er auf die Autobahn fährt. Ein
Fehler. Denn plötzlich zog er einfach so ohne zu blinken, auf meine
Spur. War dicht vor mir dran. Ich muss voll bremsen. Das kann doch
nicht wahr sein!
Dann verlief alles in Zeitlupe. Ich
bremste, doch das Auto kam einfach nicht zum stehen. Schlimmer noch:
Es machte, was es will. Plötzlich kam ich ins Schlittern. Das Auto
fing an, sich um seine eigene Achse zu drehen. Mehrmals. Ich
versuchte irgendwie entgegen zu lenken. Ohne Erfolg. Das Auto wollte
nicht stehen bleiben.
Das Auto blieb nicht auf der Straße,
es drehte sich unaufhörlich immer weiter in Richtung Autobahn. Ich
hatte Todesangst. Ich dachte, jetzt ist alles vorbei. Dann kam von
hinten ein anderer Lkw. Er blieb nicht stehen, sondern fuhr an mir
vorbei. Mein Wagen knallte seitlich in den Lkw rein, kam dann endlich
zum stehen.
Während das Auto endlich stand,
quer über der rechten Autobahnspur, war ich einfach nur noch
fassungslos. Der Schock saß tief. Ich sah den Lkw, den ich gerammt
hatte, der weiter vorne stehen blieb. Erstmal nur Stille in meinem
Kopf. Und dann prasselte alles auf mich ein: Scheiße! Das kann doch
nicht wahr sein! Ich habe einen Unfall! Was soll ich nur tun?! Ich
stieg reflexartig auf dem Auto, hatte große Angst es mir anzusehen.
Und dann sah ich, wie es hinten komplett demoliert war. Das
Nummernschild lag auf dem Boden. Scheiße!
Ich hatte einfach nur Pech. Das
Wetter war schlecht. Ich war als Fahranfängerin auf so etwas nicht
vorbereitet. Ich brach in Tränen aus. Es war der Schock, der mich
überwältigte. Und ein Schuldgefühl, das tief in mir steckte und
jetzt seinen Weg aus mir raus fand. Sofort rief ich in meiner Not
meinen Freund an, erzählte ihm unter Tränen, was passiert war. Ich
hatte Angst. Er beruhigte mich, gab mir Halt und wies mich an, die
Polizei zu rufen.
Es stürmte immer noch heftig
draußen. Der Schnee wollte kein Ende nehmen. Der Lkw Fahrer kam mir
entgegen. Ich entschuldige mich tausendmal dafür, bereute es zu
tiefst, was passiert ist. Obwohl es ja nicht einmal direkt meine
Schuld gewesen ist.
Der Lkw-Fahrer war Pole, konnte
schlecht Deutsch sprechen: „Call the police!“ Das war das
einzige, was er sagte. Wir redeten auf Englisch. Ich lief zur
orangenen Notrufsäule und bekam prompt jemanden in der Leitung. Ich
erklärte, wo ich war, was passiert war. Die Stimme am anderen Ende
der Leitung klang verständnisvoll. Das gab mir etwas Trost in dieser
misslichen Lage. Die Polizei habe viel zu tun an dem Abend, da
mehrere Unfälle auf der Autobahn passierte. Wir sollen uns gedulden.
Mit dieser Nachricht lief ich zum Lkw-Fahrer. Und blieb nichts
anderes übrig, als zu warten.
Das Warten war grausam. Es dauerte
mindestens eine Stunde. Gefühlt hatte es sich wie eine Ewigkeit. Ich
hatte inzwischen auch das Warndreieck aufgestellt, das Auto in
Sicherheit abgestellt, die Warnweste angezogen. Ich saß im Auto,
stand zwischendurch immer auf, stellte mich an den Rand der Fahrbahn.
Hoffte, dass die Polizei bald kam. Aber es dauerte.
Zwischendurch saß ich bei dem
Lkw-Fahrer drin, dort war es viel wärmer als bei mir. Ich konnte ihm
nicht in die Augen sehen. Musste mit den Tränen kämpfen, zwang
meinen Körper sich zu beruhigen. Noch immer war ich nicht ich
selbst. Zwischendurch liefen mir so viele Gedanken durch den Kopf.
Was mache ich nur? Was passiert jetzt mit mir und meinem Auto? Kann
das Auto noch fahren? Wie groß und hoch ist der Schaden? Wer zahlt
das alles? Ich fühlte mich so schlecht, so traurig, so enttäuscht,
so wütend und war einfach nur fassungslos. Und voller Reue, dass ich
das meinem Auto angetan habe und jetzt auch dem Lkw-Fahrer. So dumm
eigentlich, schließlich kann ich nicht wirklich etwas dafür.
Irgendwann kam dann ein
Polizeiwagen, ein Polizist und seine Begleiterin brachten uns dann
zur nächsten Haltestelle. Dort befragte mich der Polizist: „Wie
ist es denn passiert?“ Ich erklärte ihm alles in Einzelheiten.
Doch viel Verständnis hatte er nicht. „Wenn es so glatt ist,
sollten Sie lieber keine Vollbremsung machen. Da bricht Ihnen der
Wagen aus. Lieber vom Gas gehen und das Auto ausrollen lassen.“ Der
Ratschlag kam zu spät. Und überhaupt. Das hätte nichts gebracht,
mich sogar in größere Gefahr gebracht. Vor mir war ja dieser andere
Lkw. Wenn ich nicht gebremst hätte, wäre ich ihm voll hinten drauf
gefahren. Vielleicht wäre Schlimmeres passiert. Daran wollte ich
nicht denke. Der Ratschlag half mir in der Situation gar nicht. Ich
fühlte mich nur noch schlechter. Die Polizisten schossen Fotos,
sahen sich meinen Führerschein an.
„Fühlen Sie sich in der Lage
alleine nach Hause zu fahren? Das Auto könnte das noch schaffen.
Ansonsten müssten Sie es abschleppen lassen und wir bringen Sie nach
Hause.“ Ich entschied mich dafür selbst nach Hause zu fahren. Was
schon echt paradox ist, schließlich war ich gerade eben noch in
einem Unfall. Und dennoch hatte ich keine Angst, wieder zu fahren.
Natürlich fuhr ich extra langsam nach Hause, es schneite noch immer.
Doch ich kam langsam, aber sicher an.
Zuhause nahm mich mein Freund
tröstend in seine Arme. Ich heulte mich noch einmal ordentlich bei
ihm aus. Ich war so froh, endlich wieder Zuhause zu sein.
Gleichzeitig machte ich mir jetzt schon Sorgen, was später auf mich
zukommen wird. Alles war ungewiss. Und doch war ich super froh, dass
nichts Schlimmeres passiert ist. „Du hättest ernsthaft verletzt
werden können.“ Mein Freund beruhigte mich und war erleichtert,
dass mit mir alles in Ordnung war. Das Auto könne man ja wieder
reparieren, das geht schon. Aber wenn mir etwas passiert gewesen
wäre, wäre das nicht so einfach gewesen. Recht hat er ja. Und doch
bleibt da dieses schlimme Gefühl...
Später kamen dann jede Menge
unangenehme Sachen dazu. Den Schaden bei der Versicherung melden. Auf
Arbeit konnte ich mit dem Auto nicht. Zuerst arbeite ich von Zuhause
aus. Dann die niederschmetternde Diagnose: Wirtschaftlicher
Totalschaden. Das Auto ließ sich nur mit hohen Kosten, die den
eigentlichen Wert übersteigen, reparieren. Ich musste mir also ein
neues Auto besorgen. Innerhalb eines Monats. Meinen alten Wagen
musste ich auch noch schnell abmelden und verkaufen. Nicht gerade auf
die seriöse Art und Weise und viel Geld bekam ich dadurch auch
nicht. Aber wenigstens war es weg, eine Sorge weniger. Traurig machte
es mich schon. Ich habe das Auto gemocht, kam gut damit klar.
Außerdem hatte ich es nur wenige Monate, es war zwar gebraucht, aber
in einem guten Zustand.
Ich arbeite zunächst in Magdeburg
in der Lokalredaktion bis ich dann Mai endlich ein neues Auto hatte.
Bis ich das richtige fand, vergingen viele stressige Wochen. Dann
auch noch die Umstellung: Zuvor fuhr ich ein Automatik-Auto, dieses
Mal sollte es einer mit Schaltung sein. Ich bin ewig nicht mehr mit
so einem Auto gefahren. Übte mit meinem Freund auf einem großen
Parkplatz an einem Sonntag. Es war sehr holprig. Ständig ließ ich
den Motor absaufen. Ich hatte Angst, dass ich es niemals ordentlich
schaffen würde. Die Angst war groß, dann mit diesem Auto zur Arbeit
zu fahren. Immerhin 30 Minuten Strecke, und dann komplett auf eigene
Gefahr. Aber Übung machte den Meister. Ich würgte zwar immer mal
den Motor ab, aber das wurde mit der Zeit weniger. Inzwischen fahre
ich etwas besser, aber leider nicht sicher.
Anfangs hatte ich noch etwas Angst
zu fahren. Noch immer erinnerte ich mich an den Unfallabend. Das
Schlimme: Ich muss jeden Tag den gleichen Weg noch mal fahren. Werde
wieder daran erinnert. Immer und immer wieder. Doch inzwischen habe
ich mich daran gewöhnt. Klar, wird mir noch etwas mulmig, wenn ich
wieder in eine Situation komme, bei der mein Auto leicht gefährdet
wird. Aber es ist nicht so, dass mich der Unfall unglaublich
verfolgt. Anfangs schon, doch inzwischen nicht mehr. Trotzdem würde
ich zu gern auf das Autofahren verzichten, wenn es gehen würde. Doch
ohne Auto bin ich nicht mobil und das muss ich für meinen Job als
Journalistin auf ländlichem Gebiet sein.
Vor paar Wochen sind mir gleich zwei
Dinge an einem Tag passiert. Weil ich generell mit dem Lenken und der
Kupplung meine Probleme habe, hat das Auto schon einiges wieder
abbekommen. Werkstattbesuche blieben kein Einzelfall. Aber das Auto
rollt noch, wenn auch manchmal holprig. Doch bis ich wirklich eine
Fahrroutine damit entwickle, wird es Jahre dauern. Eigentlich will
ich das Auto aber möglichst wieder loswerden.
Einfach zu hohe Kosten, zu viel
Stress, zu viel Zeitverschwendung. Autofahren ist für mich eine
Last. Zumal ich umweltbewusst leben will und das Autofahren mal so
gar nicht dazu passt. Ich hoffe wirklich, dass ich in der Zeit, in
der ich noch Auto fahre, nichts derart Schlimmes wieder passiert. Ich
könnte es nicht verkraften, auch finanziell nicht. Es hat mich
einfach zu viel Geld gekostet. Wenn ich nicht noch Ersparnisse gehabt
hätte, hätte ich mir das nicht leisten können. Eventuell hätte
ich mein Volontariat beenden müssen. Gut, dass es nicht soweit
gekommen ist.
Doch so blöd das mit dem Unfall
war, so konnte ich doch einiges daraus mitnehmen. Zum einen bin ich
einfach nur mega glücklich und froh, dass nichts Schlimmeres
passiert ist. Ich hätte schwer verletzt werden können. Dem
Lkw-Fahrer hätte etwas passieren können. Ich hätte traumatisiert
werden können, sodass ich nicht mehr Auto fahren kann. Darüber bin
ich sehr dankbar. Ich habe gemerkt, dass jeder Moment kostbar ist.
Jeden Moment könnte es vorbei sein. Dabei muss es nicht mal meine
Schuld sein. Ich habe für mich auch gelernt, dass so weh es
finanziell tut, die Gesundheit an erster Stelle steht. Was nützt mir
schon ein fahrendes Auto, wenn ich es nicht fahren kann? Was bringt
mir alles, wenn ich nicht in der Lage bin, es zu nutzen?
Neulich wurde ich auch gefragt, was
mein größtes Abenteuer in meinem Leben war. Richtige Abenteuer
hatte ich nicht, bis auf die wenigen großen Reisen ins Ausland und
die Mikroabenteuer im Alltag. Aber ich denke, dass das auch wie eine
Art Abenteuer gewesen ist. Eher im negativen Sinne. Vielleicht ist
Abenteuer nicht das richtige Wort. Es war ein einschneidendes
Erlebnis. Etwas, das mich sehr mitgenommen hat und mich sehr prägt.
Wenn ich jetzt so über den Unfall mit jemanden rede, rede ich ihn
fast schon ziemlich klein. Ich rede nicht unbedingt ernst darüber,
sondern so, als wäre es nur mal so passiert mit einem leichten
unterhaltenden Ton. Ob das in Ordnung ist? Vielleicht ist das meine
Art, den Unfall leichter zu verarbeiten. Früher sind mir dabei noch
die Tränen gekommen. Doch inzwischen sehe ich es wieder lockerer.
Der Unfall bescherte mir nicht nur
finanzielle Not und Stress. Es gab auch irgendwie Positives. Unter
anderem, dass ich eben dankbarer wurde und mein eigenes Glück mehr
zu schätzen wusste. Ich versuche darin etwas Positives zu finden.
Ich bin dem Tod vielleicht knapp entkommen. Ich habe eine Gefahr
sicher überlebt. Ich weiß, wie es ist, wenn man jetzt in einer so
großen Gefahr steckt und wie ich damit umgehen kann. Jetzt weiß
ich zumindest, was ich zu tun habe, falls ich wieder einen Unfall
haben sollte. Was ich natürlich nicht hoffe. Klingt schon fast etwas
makaber oder?
Ich konnte daraus eine Lehre ziehen.
Wie ich in Zukunft sicherer bei Schneefall und Glätte mit dem Auto
fahre. Dass ich langsamer und vorsichtiger bin. Dass ich vor allem
auf genügend Abstand achte und lieber den Lkw vor mir auf meine Spur
ziehen lasse. Dass ich möglichst auch nicht voll bremse, sondern
lieber vom Gas gehe. Wahrscheinlich werde ich auch mal ein
Verkehrssicherheitstraining machen, um solche Situationen mehr zu
üben. (Oder vielleicht auch nicht, ich kenne mich leider zu gut).
Gerade als Fahranfänger hat mich
das alles sehr mitgenommen und noch mehr verunsichert. Ich habe in
dem einen Jahr, in dem ich Auto fahre, mehr Sachen erlebt als manche
in zehn Jahren. Autofahren und ich – wir werden niemals Freunde,
das weiß ich. Ich habe es schon damals gehasst, Fahrstunden zu
nehmen. Ich wollte nach der Fahrprüfung auch nicht mehr fahren.
Dummer Gedanke, wozu macht man sonst einen Führerschein? Aber ich
hatte eben Angst, selbst nach bestandener Prüfung.
Dass ich jetzt ausgerechnet einen
Beruf ausübe, wo ich viel fahren muss, hätte ich nicht gedacht. Es
ist schon paradox. Das Autofahren gehört zu meinen großen
Schwächen, doch ich weiß, solange ich das Auto brauche, muss ich
mich diesem Problem und der Angst stellen. Es bringt mir nichts, zu
versuchen darauf zu verzichten. Ich brauche es ohnehin. Ich muss
lernen, damit besser zurecht zu kommen. Damit die Angst verschwindet
und ich irgendwann sicher fahren kann. Ich darf keine Angst davor
haben, wieder einen Unfall zu haben. Denn diese Angst lähmt einen,
man wird anfälliger für mehr Fehler. Einfach nicht darüber
nachdenken, aber vorsichtig sein und vorausschauend fahren. Und üben,
üben und nochmal üben! Nur so lerne ich es besser. Das ist leichter
gesagt als getan. Aber wenn ich es nicht übe, werde ich im
Autofahren auch nicht besser.
Jetzt würde mich interessieren, ob
ihr eventuell ähnliche Erfahrungen gemacht habt. Wie seid ihr damit
umgegangen? Wie hat es euch geprägt? Natürlich wünsche ich
niemanden, so etwas zu erleben. Aber ich versuche dennoch noch Sinn
und Positives darin zu finden.
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