Direkt zum Hauptbereich

An meine Mutter




Liebe Mama. Das soll mein Geburtstagsgeschenk an dich sein. Alles, was ich jetzt schreibe, schreibe ich aus tiefstem Herzen. All das, wollte ich dir schon immer sagen.



Liebe Mama, was wäre ich nur ohne dich? Du hast mir das Leben geschenkt. Du hast mich auf die Welt gebracht. Dafür bin ich dir unendlich dankbar. Wärst du nicht gewesen, hätte es mich nicht gegeben. Du hast dich, noch bevor ich zur Welt gekommen bin, um mich gekümmert. Du hast für mich gegessen und getrunken, hast deinen Bauch gestreichelt und konntest es kaum abwarten, mich zu bekommen. An die Zeit in deinem Bauch kann ich mich natürlich nicht erinnern, damals hatte ich noch kein Gedächtnis. Aber bestimmt war es dort sehr schön. Dort fühlte ich mich geborgen und beschützt. Mit deinem Körper hast du mich vor all den Gefahren bewahrt, hast dich neun schwere Monate ertragen. Und mich dann unter vielen Schmerzen dann auf die Welt gebracht. Damals habe ich dir weh getan, das ging nicht anders. Aber ich hoffe, dass sich die Schmerzen im Endeffekt gelohnt haben.

Du hast dich dafür entschieden, mich zu behalten. Hast mich nicht weggegeben, sondern mich als dein Kind angesehen. Du hast dir mit mir eine schwere Last aufgenommen, wenn nicht sogar eine lebenslange. Doch du hast dich dazu entschieden, meine Mutter zu sein. Von meiner Geburt an, hast du dich immer um mich gekümmert, hast mir so viel Liebe gegeben, wie es nur möglich war. Wenn ich mir heute noch die alten Fotos von damals ansehe, bin ich ganz berührt. Ein Foto hat sich besonders in mein Gedächtnis gebrannt: Wie du im Bett liegst und mich zugedeckt und umarmt hast. Hast mich ganz nah an deinem Herzen gehabt und mir Geborgenheit geschenkt.

Und doch erinnere ich mich auch dunkel an Zeiten, in denen ich schrie und weinte. Du warst nicht da, ich war allein. Warum? Später erzähltest du mir, dass du dich schrecklich gefühlt hast. Wie eine schlechte Mutter. Wer lässt sein Kind auch so allein. Du konntest nicht anders, du musstest irgendwie Geld verdienen. Aber bis heute hast du ein schlechtes Gewissen, weil du mich vernachlässigt hast. Mama, mach dir keine Sorgen. Ich verstehe das. Und ich verzeihe dir. Bitte fühl dich nicht mehr schlecht, du hast das Beste getan, wolltest nur, dass es mir gut geht.

Doch dann kam ein Schicksalsschlag: Mein Vater erkrankte an einem Gehirntumor. Es half nichts, es wurde nicht besser. Als ich drei Jahre alt war, ist er von uns gegangen. Hat dich und mich allein gelassen. Wir waren auf uns gestellt. Es war sehr schwer für dich, Mama, das kann ich mir vorstellen. Wir waren eine kleine Familie, alles schien zu passen, doch dieser Schicksalsschlag zerstörte unser Familienglück. Was sollst du jetzt tun? Es war für dich bestimmt sehr schwer.

Als alleinstehende Mutter in einem fremden Land ohne Verwandtschaft. Du musstest dich entscheiden: Zurück nach Vietnam in deine Heimat oder in Deutschland bleiben. Du entschiedest dich für letzteres, vor allem mir zuliebe. Du wolltest, dass ich in einem besseren Land aufwachse, dass es mir besser geht und ich bessere Zukunftschancen habe. Obwohl es für dich bestimmt hart war, dich hier einzuleben und deine neue Heimat anzunehmen.

Und dann lerntest du meinen damaligen Stiefvater kennen und hast ihn dann geheiratet. Wenn du nur gewusst hättest, was er eigentlich für ein Mensch war. Ich mache dir keinen Vorwurf, woher solltest du das wissen? Er wirkte liebenswert, vernünftig und gewissenhaft. Sicherlich hatte er seine Vorzüge. Aber ich glaube, er ist Schuld, dass ich jetzt so bin, wie ich bin.

Er hatte ein großes Problem mit dem Alkohol. Er konnte sein Leben nicht in den Griff bekommen, war doch sehr unzuverlässig und hangelte sich von einem Job zum nächsten. Der Alkohol machte ihm zu einem anderen Menschen, einem unerträglichen. Und das Schlimmste: Du musstet es alles ertragen. Und auch ich blieb nicht verschont. Ständig machte er uns das Leben schwer. Ihr habt viel miteinander gestritten und dabei richtig geschrien und gebrüllt. Ich hatte Angst, wollte nur weg. Es tat mir auch so weh, wie sehr er dich damit verletzte. Du hattest beinahe deine Nerven verloren, konntest nicht mehr. Ich wollte dich nicht so leiden sehen. Das hast du nicht verdient.

Dabei hast du dich immer so überarbeitet. Alles nur für mich und für unsere Familie. Einen körperlich anstrengenden Job, der zwar ein bisschen Geld einbrachte, aber dich niemals glücklich machen konnte. Ich weiß, du hast es vor allem für mich getan. Immer sagtest du mir, ich solle schön fleißig sein und lernen, damit ich mal ein besseres Leben habe als du. Du bist hierher gekommen und hast mir damit schon ein viel besseres Leben ermöglicht. In Vietnam wäre alles anders gewesen.

Du wolltest dennoch, dass wir die Kultur deines Heimatlandes bewahren und weiter pflegen. Du hieltest daran fest, mir die vietnamesische Sprache beizubringen. Doch mit der Zeit sträubte ich mich immer mehr dagegen. Ich konnte diese Kultur nicht wirklich annehmen, fühlte mich mehr wie eine Deutsche. Irgendwann lehnte ich alles ab, was mit Vietnam zu tun hatte. Wir waren bisher nur drei Mal dort und jedes Mal war es für mich ein Kulturschock. Immer fühlte ich mich dort wie eine Außenseiterin. Und meine Ablehnung gegenüber meinen eigenen kulturellen Wurzeln nahm zu.

Das zeigte ich dir offen und es hat dich bestimmt enttäuscht. Wie konnte ich dir das an tun? Dabei wollte ich dich immer stolz machen. In der Schule gab ich mir immer die größten Mühen, gut zu sein. Während ich in der Grundschule keine Probleme hatte, wurden meine Leistungen im Gymnasium schlechter. Besonders in Mathe. Was haben wir so manchen Abend zusammengesessen und meine Matheaufgaben gelöst. Obwohl du schon fertig von der Arbeit warst, hast du mir dabei geholfen.

Du hast mir so viel gegeben und ich habe bisher immer nur alles für selbstverständlich genommen. Nie so wirklich gedankt. Im Gegenteil: Ich war unverschämt und frech zu dir gewesen. Und habe dich damit auch verletzt. Ich wollte damals immer Haustiere haben. Doch du konntest es dir nicht leisten und hättest Tiere auch wegen deiner Allergie nicht ertragen. Einmal gingen wir gemeinsam ins Tierheim, wo ich einen Hund Gassi ausführen konnte. Das machte mir viel Spaß, es waren schöne paar Stunden.

Doch Zuhause angekommen, haben wir uns gestritten. Ich wollte mich damit nicht zufrieden geben, wollte einen eigenen Hund haben. Und habe mich wie so oft in mein Zimmer verschanzt, die Tür zugeknallt und geweint.

Wir hatten uns immer mal miteinander gestritten, irgendwie ist die Erinnerung daran sehr dunkel. Als Kind konnte ich sehr sturköpfig sein. Ich war so egoistisch und habe nie daran gedacht, was ich dir damit antue. Jetzt als Erwachsene wird mir das endlich klar. Ich wünschte, ich hätte es damals gewusst. Warum konnte ich es nicht lassen und einfach glücklich und zufrieden sein. Warum habe ich dir nicht dafür gedankt und stattdessen meine Wut an dir ausgelassen? Ja, ich war noch ein Kind, das eben nur an sich denkt. Doch jetzt fühle ich mich deswegen schuldig und wünschte ich könnte es rückgängig machen.

Wir beide, wir haben viel miteinander durch gemacht. Besonders mit meinem Stiefvater. Ich versuchte, für dich da zu sein und dich dazu bewegen, sich von ihm zu trennen. Doch du glaubtest, an das Gute in ihm. Doch auch das verstehe ich, auch ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Doch irgendwann ging es einfach nicht mehr. Du hast dich von ihm scheiden lassen.

Von da an, waren wir nur noch zu zweit, eine wirklich kleine Familie. Seitdem sind wir noch enger zusammen gewachsen. Erinnert mich immer an die TV-Serie „Gilmore Girls“, wo es auch um Mutter und Tochter geht. Wir sind ein Herz und eine Seele, auch jetzt noch, es hat sich nicht verändert. Ich bin wirklich sehr froh, dass wir uns beide hatten, das hat gereicht. Wir brauchten keinen anderen Mann in unserem Leben. Mit der Zeit wurden wir immer mehr zu Freundinnen, die sich alles mitteilen konnten. Ich fand, du warst und bist immer noch eine tolle Mutter. Jung geblieben und so überaus freundlich und offen. Immer für mich da, wenn ich dich brauche. Immer so fürsorglich und aufmerksam, auch wenn du nicht immer viel Zeit hattest.

Es hat mir nie an etwas gefehlt. Du hast immer versucht, mir meine Wünsche zu erfüllen. Nicht alles klappte, aber doch vieles. Du hast mir immer etwas zu Weihnachten und zum Geburtstag geschenkt, obwohl du nicht viel Geld hattest. Das Geld und die Sachen waren mir eigentlich nicht so wichtig. Hast mich allein groß gezogen und immer dafür gesorgt, dass es mir gut geht. Hast eigentlich doppelt so viel gearbeitet und dass alles nur für mich. Ich bewundere dich noch immer für deinen Fleiß und deine Anstrengungen. Dass du so viel arbeitest und dich trotzdem um ein Kind kümmern konntest. Ich finde es immer noch erstaunlich. Ich wollte immer so sein wie du, so ordentlich, so fleißig, gewissenhaft und so tüchtig.

Du hast dich immer bemüht, mich ordentlich zu erziehen. Manchmal mit einer sehr strengen Hand, aber ich bin dankbar dafür. Denn durch dich, bin ich auch selbstständiger geworden. Du bist für mich mein großes Vorbild, eine ideale Mutter.

Du hast es nie leicht gehabt in deinem Leben. Du hast so viel durch gemacht, erst mit dem Tod meines Vaters und die Sache mit meinem Stiefvater. Und doch hast du nicht gemeckert, du hast alles hingenommen und dich für mich aufgeopfert. Ich möchte dich dafür loben und dir einfach „Danke“ sagen, für alles, was du für mich getan hast.

Weißt du noch, als wir uns dann voneinander Abschied nehmen mussten? Auch das war ein tiefer Einschnitt in dein Leben und in meins. Wir waren immer zusammen, ich konnte mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen. Doch ich verliebte mich und wollte keine Fernbeziehung mehr haben. Also zog ich der Liebe wegen in eine andere Stadt und fing zu studieren an.
Der Abschied fiel uns beiden schwer. Wir lagen uns in den Armen und weinten. Du musstest mich loslassen, dein Kind sollte das vertraute Nest verlassen und seinen Weg gehen. Ich fühle mich so schlecht: Wie konnte ich meiner Mutter das antun und sie allein lassen? Für einen Kerl? Aber ich war blind vor Liebe. Mama, kommst du damit zurecht, allein zu leben? Schaffst du das auch alles? Damals habe ich keine Gedanken daran verschwendet, es ging wieder nur um mich. Aber irgendwann kommt nun einmal für jede Mutter der Moment, wo sie sich von ihrem Kind trennen muss. Damit es auf eigenen Beinen stehen kann.

Und das kann ich inzwischen. Weil du es mir schon früher als Kind beigebracht hast. Du hast es mir vorgelebt. Du bist eine starke Frau, hast dich nicht vom Schicksal unterkriegen lassen. Egal wie viele Steine dir in den Weg gelegt wurden, du bist deinen Weg gegangen. Ich sehe zu dir auf und möchte so werden wie du. Du hast mir so viel beigebracht, mich so viel gelehrt. Du hast mir gezeigt, dass so viel möglich ist und dass man trotz Krisen immer noch ein glückliches und sinnvolles Leben führen kann. Du hast mir gezeigt, dass man dafür kämpfen und sein Schicksal in die Hand nehmen muss.

Es gibt so viel, wofür ich dir dankbar bin. Zum einen natürlich, dass du es mir ermöglichst überhaupt auf der Welt zu sein. Danke, dass du dich all die Jahre um mich gekümmert hast und mir so viel ermöglicht hast, obwohl wir es nicht leicht hatten. Ich weiß, es war schwer mit mir, ich war ein schwieriges Kind mit seinen Launen und Zicken. Ich habe dir das Leben schwer gemacht und dir oftmals Kummer bereitet. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Was ich auch getan habe, du standest hinter mir, hast mich meinen beruflichen Weg gehen lassen. Es war und ist dir wichtig, dass es mir gut geht und ich mein Glück finde.

Was wäre ich nur ohne dich? Wenn ich daran denke, dass du irgendwann nicht mehr bist, bekomme ich Tränen in den Augen. Es ist das Schlimmste, was passieren kann. Denn ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen. Es würde alles zunichte machen. Ich hoffe, dass dieser Moment so spät wie möglich kommt. Irgendwann muss ich dann wirklich für immer Abschied von dir nehmen und es wird mir verdammt schwer fallen.

Doch daran will ich nicht denken. Lieber möchte ich so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen. Auch wenn wir nicht mehr an einem Ort leben, will ich an deinem Leben teilnehmen und möchte, dass auch du weißt, was für ein Leben ich habe. Ich möchte, dass du weißt, dass du mir alles bedeutet. Du bist für mich die beste Mutter aller Zeiten und auch wenn du Fehler gemacht hast, verzeihe ich sie dir alle. Niemand ist perfekt. Aber ich weiß, du hast immer dein Bestes gegeben und hast immer an mein Wohl gedacht.

Doch Mama, was kann ich dir geben? Ich möchte dir danken und weiß nicht wie? Außer eben mit diesen Worten. Doch ich weiß wie: Jedes Mal, wenn ich zu dir komme, möchte ich viel Zeit mit dir verbringen, dich wissen lassen, dass du mir wichtig bist und ich dich liebe. Ich glaube, dass ich dir mit meiner Zeit das größte Geschenk machen kann. Und wenn du mich brauchst, will ich für dich da sein und mich um dich kümmern. Du weißt, du kannst immer zu mir kommen und mir alles sagen. Ich werde da sein, egal was ist ist.




DANKE MAMA, ICH DANKE FÜR ALLES UND ICH LIEBE DICH VON GANZEM HERZEN SO WIE DU BIST.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von der Seele geschrieben: Ich will mehr Sex als mein Partner

Eigentlich ist es ja meist so: Man(n) will immer mehr als die Frau. Doch viel häufiger als man denkt, ist das Gegenteil der Fall. So wie bei mir und meinem Freund. Dass das auch für mich als Frau nicht leicht ist, glauben die wenigsten. Doch was steckt dahinter?

Was würde ich tun, wenn ich unsichtbar wäre?

Gedankenexperimente sind echt interessant. Ich mag solche Gedankenspiele nach dem Muster „Was wäre wenn,...?“ Das fördert die Kreativität und bereitet Laune. Dieses Mal frage ich mich, was ich machen würde, wenn ich einen Ring bekäme, der mich unsichtbar macht. Würde ich dann jegliche Moral vergessen und Dinge tun, die ich nicht tun würde und die eigentlich auch nicht gut sind?

In Erinnerungen versunken – wie mich die Nostalgie immer wieder fesselt

Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder: Meine Gedanken driften in die Vergangenheit ab. Für nur einige Momente scheint die Welt still zu stehen. Mein Körper in der Gegenwart existent, aber meine Gedanken befinden sich auf Zeitreise mit meinen Gefühlen. Es sind Momente, in denen ich aus der Gegenwart flüchten kann, in jene Zeiten, nach denen ich mich manchmal sehne. Obwohl ich weiß, dass es nicht unbedingt bessere Zeiten waren. Warum nur?