Direkt zum Hauptbereich

Schatz, lass uns die Beziehung öffnen!



Ich stecke in einem echten Dilemma: Ich liebe meinen Freund über alles. Mit ihm möchte ich den Rest meines Lebens verbringen. Und trotzdem wird das Verlangen in mir stärker, auch mit anderen Männern zu schlafen. Mein Freund ist dagegen. Ich will ihn nicht betrügen und verletzen und damit unsere Beziehung aufs Spiel setzen. Doch ich will mich auch nicht verstellen. Was soll ich nur tun?



Alles fing damit an, als ich mich fremdverliebt hatte. Da war auf einmal jemand, den ich toll fand und dem ich emotional und auch körperlich näher kommen wollte. Inzwischen hat sich diese Verliebtheit, wenn es denn eine war, auch wieder gelegt. Ich bin in mich gegangen und habe mich gefragt: Was steckt eigentlich wirklich dahinter? Warum hatte ich mich in einen anderen Mann trotz so scheinbar glücklicher Beziehung verliebt? Was sagte das über meine Beziehung aus? Ich kam zu dem Schluss, dass es einige Dinge gab, die ich in meiner Beziehung und an meinem Freund vermisse.

Und stieß auch auf ein altes Problem, dass ich all die Jahre mit mir herumschleppte und immer wieder verdrängte: Die körperliche Sehnsucht nach anderen Männern. Schleichend kam dieses Verlangen wieder auf. Auslöser war diese Fremdverliebtheit und das brachte den Stein wieder ins Rollen. Während ich noch verliebt war, spürte ich auch die Sehnsucht nach einem fremden Körper, wollte wissen, wie sich ein anderer Mann anfühlt, wie er riecht, wie er schmeckt und wie er liebt. Ich konnte es fast nicht aushalten, so sehr wollte ich es wissen. Aber um unsere Freundschaft aufrechtzuerhalten und weil ich nicht sicher war, was er für mich empfand, blieb das im Endeffekt alles nur Kopfkino.

Inzwischen ist er auch in eine andere Stadt gezogen, ich werde ihn daher nicht mehr so oft zu Gesicht bekommen. Anfangs fiel es mir schwer, ihn zu vergessen. Ich tat alles Mögliche, versuchte mich abzulenken, mich auf mich zu konzentrieren. Doch immerzu ertappte ich mich dabei, wie ich an ihn dachte, an all unsere Treffen, all die Details. Seine Blicke, unsere zufälligen Berührungen, unsere tiefsinnigen Gespräche – und was das alles in mir auslöste. Ich konnte ihn nicht so schnell vergessen.

Dann kam ich auf die grandiose Idee, mich auf Tinder anzumelden. Anfangs habe ich das nur getan, weil ich einfach zwanglos mit anderen Männern schreiben und mich dadurch von meiner Verliebtheit ablenken wollte. Eigentlich wollte ich mich dadurch ein Stück weit schneller entlieben, dachte ich, ich könnte ihn dadurch vergessen. Und tatsächlich funktionierte das dann auch. Doch ich konnte nicht ahnen, dass das eigentlich noch viel größere Wellen schlagen würde.

Ich nahm ein x-beliebiges Foto von mir, was halbwegs okay war. Ich sah auf dem Bild nicht wirklich gut aus, hatte auch keine großen Erwartungen, dass sich irgendwer dort für mich interessieren würde. Selbstwertgefühl gleich Null. Und trotzdem wagte ich dieses Experiment. Ich wollte wissen, was für Männer dort nach der großen Liebe oder dem nächsten Abenteuer suchen. Es war Neugier mit sehr viel Aufregung.

Was mich an Tinder doch stört ist, wie schnell und oberflächlich doch alles abläuft. Man zappt sich einfach durch verschiedene Profilbilder durch, schiebt die uninteressanten Männer nach links und switcht die heißen Kerle nach rechts, mit denen man sich, was auch immer vorstellen kann. Wenn sich beide dann gut finden, wird man benachrichtigt und kann dann miteinander chatten. Und so ging das eine Weile, bis ich dann meine ersten Matches hatte. Wer hätte gedacht, dass ich überhaupt einen Match bekomme.

Und dann schrieben mich auch einige an. Der erste schrieb mir sofort, wie heiß und sexy er mich findet. Ich musste echt schmunzeln, konnte es nicht ernst nehmen. Schließlich hatte ich nur ein Foto, auf dem man mein Gesicht sehen konnte. Meinen Körper so gar, also wie soll er wissen, ob ich sexy bin oder nicht? Und trotzdem fühlte es sich gut an, bestätigt zu bekommen, dass man doch gar nicht unattraktiv ist. Mein Freund sagt mir auch gelegentlich, dass ich sexy und attraktiv bin und das finde ich toll. Aber es dann noch einmal von wem anders und nicht dem eigenen Freund gesagt zu bekommen, hat doch schon eine andere Wirkung. Ich bin also immer noch gut genug, um im Rennen zu bleiben, auch wenn ich in einer Beziehung bin. Das hat mein Ego schon gepusht und ich merke, dass ich mich etwas selbstbewusster fühle.

Und dann wurde es ernster. Mit einem schrieb ich dann doch mehr und verriet ihm auch, dass ich einen Freund habe. Ehrlich gesagt kam ich ins Schwanken, ob ich es ihm erzählen soll oder nicht. Warum zögerte ich und wurde nervös, als ich es ihm schreiben wollte? Ich fürchte mich vor der Reaktion. Wie zu erwarten, war er sehr irritiert: „Du bist noch mit deinem Freund zusammen??“ Bestimmt erteilt er mir gleich eine Abfuhr, dachte ich mir. Aber er nahm es doch relativ entspannt. Fragte dann aber auch gleich besorgt, ob mein Freund davon weiß und ob er mir damit keinen Ärger macht. Das war schon irgendwie süß von ihm. Nicht alle Männer sind Arschlöcher und denken nur an das Eine, sondern können durchaus rücksichtsvoll sein.

Ich ging auf Tinder weiter auf Männerjagd und erwischte den einen oder anderen Match. Die meisten entsprachen so gar nicht meinem Geschmack. Ich muss zugeben: Ich schaue sehr nach dem Aussehen, habe da hohe Ansprüche. Auf Tinder wie auch auf vielen anderen Dating-Portalen tummeln sich wesentlich mehr Männer als Frauen. Wir Frauen haben es dann natürlich leichter. Die Männer machen uns regelrecht den Hof, während wir die freie Wahl haben und uns dann nur für die Besten entscheiden. Schon ganz schön ungerecht, aber nicht zu ändern. Irgendwie hatte es für mich etwas Reizvolles, Männer abzuweisen oder mich für einige zu entscheiden. Ich hatte die Macht darüber, wen ich näher kennenlernen will und wen nicht.

Bei vielen Dating-Portalen, ganz besonders auf Tinder, geht es nur ums Aussehen. Oder zumindest macht das viel aus. Die, die gut aussehen oder sich in Szene setzen können, punkten natürlich. Die inneren Werte fallen da komplett weg. Natürlich ist das Aussehen entscheidend bei der Partnerwahl. Aber hier jemanden für etwas Ernstes kennenzulernen ist schon ein wenig schwieriger, weil eben doch nur nach dem Äußeren geschaut wird. Doch wer gut aussieht, muss ja nicht unbedingt eine tolle Persönlichkeit haben. Meist empfinde ich das Gegenteil.

Doch zurück zu meinen Tinder-Matches. Mit einem hatte ich kürzlich intensiver geschrieben, der auch direkt in meiner Nähe wohnt und selbst in einer offenen Beziehung lebt. Wir haben uns dann auch direkt getroffen.

Doch davor geriet meine komplette Beziehung total ins Wanken. Denn zunehmend fühlte ich mich doch schlecht, dass ich dieses Verlangen vor meinem Freund versteckte. Es fühlte sich nicht richtig an, hinter seinem Rücken mit anderen zu flirten. Anfangs fand ich es aufregend, weil es geheim und verboten war. Ich hatte aber auch Angst, dass mein Freund es herausfand. Und dann entschied ich mich, ihn auf das Thema andere Männer und offene Beziehung anzusprechen und erzählte ihm auch von Tinder.

Ich hatte geahnt, dass es ihn verletzen würde. Aber dass es so schlimm wurde, hätte ich nicht gedacht. Er war mehr als nur verletzt, er war so schockiert von meiner Offenbarung, dass er raus musste und Zeit für sich haben musste. Und seine Ansage kam auch sofort: Er will nicht, dass ich mit anderen Männern intim werden, von Sex ganz zu schweigen. Allein die Vorstellung, würde ihn kaputt machen. Er wüsste nicht, ob er dann jemals mit mir schlafen könnte. Das wäre für ihn der absolute Bruch und würde unsere komplette Beziehung zerstören. Dahinter steckt eine große Verlustangst: Er fürchtet sich davor, mich an wen anders zu verlieren. Was ist, wenn ich besseren Sex mit wem anders habe? Was ist, wenn ich ihn dann nicht mehr liebe? All diese Horrorfantasien sind schrecklich für ihn. Er könnte es nicht ertragen, mich mit jemanden zu teilen und mich zu verlieren. Für ihn gehören Sex und Liebe einfach zusammen. Er könnte nicht mit einer anderen Frau, das machen, was er mit mir macht. Und das will er auch nicht.

Es gab eine Zeit kurz nachdem wir unsere rosaroten Brillen abgenommen haben, da dachte er noch anders. Wir sind beide jung zusammen gekommen, hatten davor keinerlei sexuelle Erfahrungen mit anderen Menschen. Wir haben unsere ersten Male miteinander geteilt. Und damals war er unsicher, ob er sich festlegen und mit mir für eine längere Zeit zusammenbleiben will. Er war unzufrieden, kam mit meinen Fehlern und Macken schwer zurecht. Und sehnte sich auch nach anderen Frauen. Das verletzte mich damals und doch verstand ich, was er meinte. Denn auch mir ging es ein wenig so.

Wir sprachen über unsere Ängste und Sehnsüchte. Wir wollten beide uns gerne sexuell noch einmal ausprobieren, Erfahrungen sammeln. Wir hatten Angst etwas zu verpassen, wenn wir uns für die Beziehung auf ewig entscheiden würden.

Als ich mit meinem Freund damals abgemacht hatte, dass wir eine offene Beziehung führen, hatte ich es schnell aufgeben, noch bevor ich es versucht hatte. Warum? Weil ich mir einredete, dass es sowieso mit niemand anderen klappen würde. Wer würde mich schon attraktiv finden? Doch heute weiß ich, dass es doch keine Sache der Unmöglichkeit ist. Hätte ich es nur früher probiert. Aber für Reue ist jetzt einfach zu spät.

Und nun stehe ich da, will etwas, was mein Freund nicht will. Und weiß nicht, was ich tun soll. Auf der einen Seite ist mir unsere Beziehung wichtiger als alles andere. Ich liebe meinen Freund so sehr, dass ich mit ihm den Rest meines Lebens verbringen will. Wir haben so viel zusammen durchgemacht. Ich weiß, ich könnte nie wieder jemanden, wie ihn finden. Er liebt mich so wie ich bin und ist immer für mich da. Ich vertraue ihm mehr als jedem anderen und fühle mich ihm so nah. Er ist mein Seelenverwandter und bester Freund. Ein Leben ohne ihn wäre unvorstellbar für mich.

Wir haben in letzter Zeit viel über das Thema gesprochen, es tut ihm immer noch weh und ich bin auch traurig, wenn ich ihn so verletzt sehe. Er möchte sich mehr auf unsere Beziehung fokussieren, will, dass wir sie stärken und tiefer machen. Er will sich ändern, will sozialer werden, anderen Hobbys nachgehen und mehr Zeit mit mir verbringen. Alles nur, um mich glücklicher zu machen. „Ich will nur alles tun, damit das Thema gar nicht erst wieder aufkommt bei dir“, sagte er mir. Er will alles tun, damit der Sex befriedigender für mich wird. Es macht mich sehr glücklich, dass er das alles für mich tun will.

Doch auf der anderen Seite ist auch mein Bedürfnis nach sexueller Freiheit und Vielfalt. Sehnsucht nach neuen sexuellen Erfahrungen. Doch eine offene Beziehung kommt nicht in Frage. Seine Verlustangst und mein Bedürfnis stehen sich gegenüber. Ich sehe auch, dass unsere Beziehung und mein egoistischer Wunsch sich miteinander messen. Mir ist unsere Beziehung wesentlich wichtiger und vielleicht gehört es dazu, dass man in der Beziehung eben auch seine Bedürfnisse etwas einschränkt, weniger egoistisch ist, damit es wieder harmonisch ist. Andererseits will ich mir treu bleiben, ich will mich nicht verstellen, selbst nicht für meinen Freund. Sein Bedürfnis mich zu besitzen ist zwar einerseits verständlich, aber ist das auch liebevoll? Wäre es nicht besser, loszulassen, um den anderen glücklich zu machen? Was ist richtig, was ist falsch?

Ich verstehe, dass er eifersüchtig ist. Ich an seiner Stelle wäre es auch. Die Vorstellung, er mit anderen Frauen, würde mir auch weh tun. Das sind keine guten Bedingungen für eine offene Beziehung. Dabei ist es bei offenen Beziehungen wichtig, dass beide dazu bereit sind und damit umgehen können, wenn der Partner mit wem anders schläft. Ich müsste ihm das also genauso gönnen können. Aber kann ich das denn auch? Ich bin selbst sehr eifersüchtig und will ihn nur für mich. Könnte ich das auch ertragen, ihn loszulassen? Sind wir beide überhaupt dazu bereit?

Ich glaube, ich kann gerade keine Antwort finden. Ich sollte es nicht überstürzen. Ich lasse das Thema ruhen und gebe uns beiden Zeit. Ich möchte weder die Beziehung noch mein Bedürfnis loslassen. Was bleibt also? Wahrscheinlich wäre es das Beste, wenn wir uns Zeit nehmen und Zeit lassen. Vielleicht ändert er mit der Zeit seine Meinung? Oder auch ich? Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, aber ich konnte mir vorher auch nicht vorstellen, jemanden wie ihn zu finden, der mich so liebt, wie ich bin. Mal sehen, was die Zukunft bringt. Betrügen will ich ihn auf keinen Fall, ich möchte, dass wir ehrlich zueinander sind und uns vertrauen können.


Doch eines weiß ich ganz genau: Ich möchte mich nicht von ihm trennen und ihn verlieren. Ich möchte, dass wir zusammen bleiben. Wir werden auch diesen Konflikt gemeinsam überstehen, so wie wir schon vieles gemeinsam geschafft haben.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von der Seele geschrieben: Ich will mehr Sex als mein Partner

Eigentlich ist es ja meist so: Man(n) will immer mehr als die Frau. Doch viel häufiger als man denkt, ist das Gegenteil der Fall. So wie bei mir und meinem Freund. Dass das auch für mich als Frau nicht leicht ist, glauben die wenigsten. Doch was steckt dahinter?

Was würde ich tun, wenn ich unsichtbar wäre?

Gedankenexperimente sind echt interessant. Ich mag solche Gedankenspiele nach dem Muster „Was wäre wenn,...?“ Das fördert die Kreativität und bereitet Laune. Dieses Mal frage ich mich, was ich machen würde, wenn ich einen Ring bekäme, der mich unsichtbar macht. Würde ich dann jegliche Moral vergessen und Dinge tun, die ich nicht tun würde und die eigentlich auch nicht gut sind?

In Erinnerungen versunken – wie mich die Nostalgie immer wieder fesselt

Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder: Meine Gedanken driften in die Vergangenheit ab. Für nur einige Momente scheint die Welt still zu stehen. Mein Körper in der Gegenwart existent, aber meine Gedanken befinden sich auf Zeitreise mit meinen Gefühlen. Es sind Momente, in denen ich aus der Gegenwart flüchten kann, in jene Zeiten, nach denen ich mich manchmal sehne. Obwohl ich weiß, dass es nicht unbedingt bessere Zeiten waren. Warum nur?