So sein wie die anderen
und doch anders sein. Ganz schön widersprüchlich oder? Aber
eigentlich wäre es doch am besten, wenn wir uns anderen so zeigen,
wie wir wirklich sind. Doch wie?
Die meisten von uns,
zeigen sich nicht so, wie sie wirklich sind. Zu groß ist die Angst
davor, von anderen abgelehnt zu werden. Am liebsten wollen wir mit
dem Strom schwimmen, zu Mitläufern werden und nicht in der Masse
auffallen. Es gibt sicherlich auch einige Ausnahmen, die sich selbst
treu bleiben, gern auch mal anecken oder denen es einfach egal ist,
was andere über einen denken. Doch die meisten von uns achten
darauf, wie sie auf andere wirken und sich nach außen präsentieren.
Das Spiel in den
sozialen Medien
Ganz stark merke ich das
vor allem in den sozialen Medien. Das, was eigentlich gezeigt wird,
ist nicht das wahre Leben und schon gar nicht das eigene wahre Ich.
Es ist eine Zurschaustellung von den besten Seiten des Lebens. Die
schönsten Momenten. Die coolsten Erlebnisse. Die eigene
Schokoladenseite. Immer wird nur gelächelt, gelacht und gefeiert. Es
scheint, als würden wir in den sozialen Medien einfach nur unsere
schönen Seiten und das glückliche Leben zeigen. Alles eben nur
Schein, das wahre Leben sieht anders aus. Und doch lassen wir uns
davon blenden, sind deprimiert, weil wir glauben, die anderen haben
es soviel besser als wir selbst.
Doch eigentlich wissen
wir gar nicht, wie es bei diesen Menschen wirklich aussieht,
Eventuell könnten wir es wissen, wenn wir auch einen persönlichen
Draht zu unseren Social-Media-Freunden haben. Doch wir lassen uns
weiter vom Schein täuschen und fallen selbst in ein tiefes Loch.
Warum sind nur wir immer diejenigen, bei denen es nicht so toll
läuft? Doch wir vergessen, dass es eben eigentlich nur einige
Aspekte der anderen sind und vielleicht läuft es gar nicht so super
bei den anderen. Woher sollen wir es wissen? Es ist nur eine
Außenaufnahme, doch wie es den anderen wirklich geht, was sich tief
in ihnen verbirgt und mit welchen Abgründen sie zu kämpfen, das
wissen wir nicht.
Lange Rede, kurzer Sinn –
ich glaube nicht, dass die meisten von uns in den sozialen Medien
authentisch sind. Nicht einmal im wahren Leben. Es geht immer darum,
besser zu sein als andere. Bloß nicht unterzugehen in diesem
ständigen Wettbewerb. Da wird Trends gefolgt, da werden die
negativen Gefühle unterdrückt, es wird immer nur nach dem Glück
gesucht. Und wir selbst streben danach, so wie die anderen zu sein.
Das ist normal. Wir wollen die Verbindung zur Herde nicht verlieren.
Wir wollen dazugehören, einer von ihnen sein. Es gibt nichts
schlimmeres für uns soziale Wesen, abgelehnt und ausgeschlossen zu
werden.
Das Problem dabei ist,
dass wir uns dadurch aber auch selbst unglücklich machen. Wir
verbiegen uns so sehr, um anderen zu gefallen. Wir hören nicht mehr
auf unsere eigene Stimme, sondern gehen nur nach dem, was andere von
uns erwarten und wollen. Die anderen stehen über uns, doch was uns
betrifft, das lassen wir außen vor. Ich will nicht sagen, dass es
bei allen so ist. Aber ich denke schon, dass es vielen so geht.
Angst vor Ablehnung
Besonders für mich als
schüchterne Person ist es schwer, mich so zu zeigen, wie ich
wirklich bin. Ich habe Hemmungen davor, mich zu offenbaren. Weil ich
mich verletzlich mache. Ich habe Angst vor Ablehnung, habe Angst,
dass mich andere nicht mögen, und mich dadurch verletzen. Darum habe
ich all die Jahre eine große Mauer um mich herum errichtet. Mich
still im Hintergrund gehalten, um nicht aufzufallen. Ich hatte Angst
davor, Fehler zu machen und dadurch negativ aufzufallen. Ich hatte
Angst, bewertet zu werden und dann eben kritisiert und ausgeschlossen
zu werden.
Ich habe viel gemacht, um
diese Angst zu bekämpfen. Doch sie ist immer noch tief in mir
drinnen und kommt immer mal wieder heraus. Besonders in Situationen,
in denen ich mich vor anderen zeigen musste. Situationen, in denen
ich beurteilt wurde, wie Vorträge, Prüfungen und
Bewerbungsgespräche. Aber auch in harmloseren Situationen, in denen
ich mich Gruppen zu tun hatte oder neue Leute kennengelernt habe. In
denen ich auf andere zugehen mussste. Die Situationen kamen immer
wieder vor und immer wieder musste ich mich überwinden. Ich musste
meine stille Art ablegen, musste meinen Schutzpanzer ablegen und mich
ein Stück weit öffnen. Das war nicht leicht, im Gegenteil, manchmal
hat es mich echt viel Überwindung gekostet. Aber ich war froh, es
immer und immer wieder zu tun. Meine Angst zu überwinden, dadurch
mutiger und stärker zu werden. Ich konnte mehr Selbstbewusstsein
gewinnen und wurde offener. Mittlerweile denke ich, dass ich
wesentlich authentischer sein kann.
Authentisch sein
Was
heißt denn eigentlich „authentisch sein“? Nach meinem
Verständnis bedeutet es, dass ich so sein kann, wie ich wirklich
bin. Ich lege meine Hüllen und Masken ab. Ich spiele keine Rolle,
sondern ich bin einfach nur ich selbst. Ich muss niemandem etwas
vorspielen und mich verstellen. Ich kann mein wahres Ich zeigen. Mein
äußeres Ich, was ich anderen zeige, entspricht meinem wahren Ich.
Das was ich tue, sage und denke, das kommt auch wirklich aus meinem
Innersten. Das, was ich von mir gebe, das meine ich auch, das hat
auch wirklich Hand und Fuß. Was mir wichtig ist, trage ich nach
außen. Ich traue mich, zu mir selbst, meinen Ansichten,
Vorstellungen, Bedürfnissen, Wünschen, Gefühlen, Ängsten und mehr
zu stehen.
Ich
bin mir selbst vollkommen treu. Ich bin selbstbewusst, Ich kenne mich
selbst, ich weiß, was ich will und dementsprechend verhalte ich mich
auch. Ich lasse mich nicht von anderen beeinflussen, ich gebe nicht
vor, jemand anderes zu sein, um anderen zu gefallen. Es ist auch
nicht mein Wunsch, anderen zu gefallen. Lieber mache ich das, was mir
gefällt, aber ich achte trotzdem darauf, nicht anderen vor den Kopf
zu stoßen, sie zu stören oder gar zur verletzen. Doch es gibt keine
Erwartungen, die ich von anderen erfüllen müssen.
Ich
bin mit mir selbst im Reinen, mein inneres Ich und mein äußeres Ich
sind im Einklang, es gibt keine Dissonanzen oder Störungen. Ich
akzeptiere mich so wie ich bin und erkenne meinen Selbstwert. Ich
kann mich selbst schätzen und lieben. Ich weiß um meine Schwächen,
aber auch Stärken. Und vor allem liebe ich mich gerade auch
deswegen, weil ich so bin wie ich bin. Ich habe keine Angst davor,
mich vor anderen zu zeigen, ich fühle mich wohl dabei, ich selbst zu
sein und kein anderer. Ich habe keine Angst vor Ablehnung und selbst
wenn ich sie habe, nehme ich meinen Mut zusammen und bleibe trotzdem
authentisch. Ich kann mit Ablehnung umgehen und werde mich auch, wenn
es leichter ist, nicht verstellen, um akzeptiert zu werden.
Klingt
ein bisschen nach einem Ego-Trip findet ihr nicht auch? Nach dem
Motto: Was andere von mir halten, ist doch egal, ich bleib trotzdem
so wie ich bin. Ich will jetzt nicht fordern, dass wir nur noch 100
Prozent authentisch sind. Ich halte das für unmöglich. Immer das zu
sagen, was ich gerade denke, ist nicht immer sinnvoll und klug. Immer
alle Gefühle herauszulassen, halte ich auch für keine gute Idee.
Denn das kann für Zerstörung und noch mehr Ärger sorgen. Denn wenn
wir immer nur das machen würden, was uns gerade einfällt und worauf
wir Lust haben, würde es unsere Gesellschaft durcheinander bringen
und vor allem auch andere in Not bringen oder verletzen. Das geht
nicht. Es gibt auch Regeln, an die wir uns halten sollen. Wir sollten
uns trotzdem mäßigen, damit das Zusammenleben funktioniert.
Ich
meine aber, dass wir uns innerhalb dieses Rahmens frei bewegen und
wir selbst sein können. Niemals denke ich, ist es etwas zu tun, was
uns gar nicht gefällt und womit wir uns nicht wohl fühlen.
Beispielsweise einen Beruf ausüben, den wir hassen und der nicht
unserer Persönlichkeit entspricht. Oder jemanden einen Gefallen tun,
der uns aber in Schwierigkeiten bringt oder worauf wir gar keine Lust
haben.
Wie
immer ist es wichtig, die goldene Mitte zu finden. Einfach ist es
natürlich nicht, das ist mir klar. Ich denke, dass es unsere
Lebensaufgabe ist, immer diesen goldenen Weg zu finden. Einerseits
wir selbst zu sein, aber uns auch so gut anzupassen, sodass wir alle
miteinander klar kommen. Klar, Streitigkeiten und Konflikte gehören
dazu, weil wir eben alle so unterschiedliche Menschen sind. Aber wir
sollten niemals für unsere Authentizität anderen Menschen schaden,
das geht dann eindeutig zu weit.
Wie kann ich
authentisch sein?
Doch
wie kann lernen, ich selbst zu sein und authentisch gegenüber
anderen zu sein? Um das zu erreichen, sollten wir erst einmal
herausfinden, wer wir wirklich sind. Selbstfindung ist das Stichwort.
Wer bin ich denn eigentlich? Was macht mich aus? Welchen Charakter
habe ich? Was ist mir wichtig? Was sind meine Stärken und meine
Schwächen? Wer will ich sein? Was sind meine Wünsche und
Bedürfnisse? Was sind meine Ängste? Es gibt noch viele weitere
Fragen, die wir uns stellen, wenn wir unser wahres Ich finden wollen.
Wir sollten dabei ausblenden, was andere sagen, meinen, denken und
von uns erwarten. Was ist schon normal? Wir sind alle anders und
einzigartig. Es geht wirklich nur um uns selbst und um niemand
anderen.
Dazu
ist es hilfreich, wenn wir Zeit nur mit uns verbringen. Wir können
uns eine Auszeit gönnen, meditieren, in uns gehen oder vielleicht
auch auf aufschreiben, was uns bewegt und was in uns ist. Alles
aufschreiben, was uns zu unserer eigenen Person einfällt.
Wichtig
ist auch, dass wir wirklich schauen, was in uns ist, ganz
ungefiltert. Und auch zu erfühlen, was in uns ist. Meist verdrängen
wir unsere Gefühle, vor allem, wenn es sich um Wut, Angst,
Enttäuschung, Trauer geht, also um all die vermeintlich negativen
Empfindungen. Doch sie sind wichtig für uns, denn meist zeigen uns,
dass etwas nicht stimmt, dass wir etwas in unserem Leben verändern
müssen. Sie sind Warnsignale und wollen uns nur schützen. Die
Frage: Was fühle ich gerade? Und dieses Gefühl dann auch wirklich
zulassen und nicht wieder verdrängen. Dem Gefühl Raum geben und
Platz machen.
Gefühle zeigen
Der
nächste Schritt wäre dann, die Gefühle auch nach außen zu tragen.
Wenn uns danach ist, unserem Ärger Luft zu machen oder zu weinen,
dann lasst es auch zu! Verdrängt es nicht, nur weil ihr Angst vor
Ablehnung habt. Lasst euren Gefühlen freien Lauf. Das ist besser und
ihr fühlt euch danach auch befreiter. Natürlich solltet ihr damit
nicht anderen schaden, so viel ist klar. Aber es bringt auch nichts,
wenn ihr immer alles herunterschluckt und es mit euch herumschleppt.
Ich weiß aus Erfahrung, dass es besser ist, wenn wir die Gefühle
zulassen. Gefühle verbinden uns auch mit anderen Menschen, wir
zeigen ihnen, was in uns vorgeht, sind absolut offen und ehrlich.
Damit
verbunden ist auch überhaupt das eigene Ich zeigen und nicht mehr
verstecken. Das sagt sich natürlich leicht. Wie soll ich denn mich
selbst zeigen? Wir kennen unsere Abgründe und es gibt einfach Dinge,
die wir nicht zeigen wollen oder können. Es muss auch nicht von
heute auf morgen geschehen. Es ist ein langsamer Prozess und es ist
auch in Ordnung, wenn wir uns Zeit lassen. Jeder so schnell oder
langsam, wie er kann und will.
Es
fängt vielleicht erst einmal damit an, dass wir wirklich sagen, was
wir meinen und keine Scheu haben, es auszusprechen. Es können
zunächst einache Dinge sein, die nur den Geschmack entsprechen.
Später vielleicht auch mal die eigene Meinung vertreten und
verteidigen, wenn es zu hitzigen Diskussionen kommt.
Nach
und nach, sagen wir wirklich, was wir denken und fühlen und bauen
unsere Angst ab, dass uns jemand dafür verurteilen könnte. Es ist
besser die Dinge wirklich zu nennen, als sie zu verheimlichen oder
dann hinter dem Rücken der anderen zu kommunizieren. Das macht nicht
nur generell das Zusammenleben einfacher, sondern wir fühlen uns
auch einfach wohler in unserer Haut.
Meinen eigenen Weg
gehen
Ich
weiß, dass es hart ist. Wir machen uns dann plötzlich total
verletzlich, wenn wir mehr von uns selbst offenbaren. Aber glaubt
mir, es ist wahnsinnig schön, wenn wir uns so zeigen, wie wir sind.
Es ist so befreiend und erleichternd. Weniger Angst haben, mehr
Selbstbewusstsein haben. Es gehört einfach dazu, dass wir auch mal
unsere verletzliche Seite zeigen. Es kann sehr bereichernd sein und
ist vor allem ein Zeichen von Stärke.
Eine
gute Übung ist auch, einfach gegen den Strom zu schwimmen. Das heißt
nicht, dass wir unbedingt immer das machen, was andere nicht machen.
Es geht um Dinge, die wir gerne machen würden oder die wir gern
haben, aber von denen wir wissen, dass andere es eben nicht tun. Und
dann einfach trotzdem machen. Ihr seid einzigartig und es ist
vollkommen okay, wenn ihr eben nicht so tickt wie die anderen. Es ist
eure Einzigartigkeit, die euch toll und zu besonderen Menschen macht.
Lasst eure Individualität heraus!
Wichtig
ist, dass ihr immer auf eure eigene Stimme hört. Was sagt sie euch?
Was wollt ihr wirklich? Versucht euch frei von den Erwartungen der
anderen zu machen. Es ist eurer Leben, ihr entscheidet darüber,
welchen Weg ihr geht. Auch das ist nicht leicht. Wir wollen
schließlich dazugehören, wollen von anderen wertgeschätzt,
bewundert, geachtet und geliebt werden. Deswegen tun wir öfter auch
mal Dinge, hinter denen wir nicht stehen. Wir brauchen die
Anerkennung der anderen. Es ist bis zu einem bestimmten Grad okay.
Aber wir dürfen uns davon eben auch nicht abhängig machen. Wir
müssen Anerkennung und Liebe aus uns herauschöpfen. Dann wird es
einfacher, sich von den Erwartungen anderer zu lösen.
Sich beim Deep Talk
öffnen
Für
mich hat es auch besonders gut geholfen, mich selbst zu zeigen, als
ich zu dem Gruppentreffen von Move Meta und zum Deep Talk gegangen
bin. Move Meta ist eine Art soziale Bewerbung, die ähnlich wie eine
Selbsthilfegruppe für so ziemlich alle Menschen ist. In einem
kleinen Kreis an Leuten, die man nicht so gut kennt, offenbart man
sich und zeigt sich, so wie man ist. Das Gute daran ist, dass alle
bereit dazu sind, sich zu öffnen. Wir zeigen uns beim Deep Talk, so
wie wir sind. Wir lassen alle Hüllen fallen, geben Rollen auf und
zeigen unser authentisches Ich. Es geht darum offen, ehrlich und
transparent miteinander zu kommunizieren. Wir machen uns dafür
verantwortlich, was wir denken, fühlen und wie wir handeln.
Für
mich war das eine besondere Herausforderung, weil ich als
schüchterner Mensch nicht so aus mir herausgehe. Und dann eben vor
Fremden mein Innerstes zu zeigen, war schwer. Aber ich habe es Stück
für Stück geschafft, mich immer mehr zu öffnen. Beim Deep Talk
geht vor allem darum auch zu ergründen, was uns bewegt und wie wir
uns fühlen und das dann auch miteinander zu teilen. Da wird über
sehr viel Tiefgründiges geredet, über Probleme, Ängste, Zweifel
und Sorgen. Aber es ist ungemein befreiend, sich so offen zu zeigen
und dann vor allem dafür akzeptiert und geschätzt zu werden. Alle
sind dankbar darüber, wenn jemand etwas teilt und von sich
preisgibt.
Ihr
seht also es gibt viele Wege, wie wir lernen können authentischer zu
werden. Habt ihr damit Erfahrungen gemacht und was hat euch dabei
geholfen? Ich freue ich über eure Erfahrungsberichte.
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