Ich liebe meinen Freund,
aber möchte auch mit anderen Männern schlafen. Ist deswegen etwas
nicht richtig mit mir? Liebe ich meinen Freund nicht genug? Finde ich
absolut nicht! Und warum müssen alle immer Liebe mit Sex
gleichsetzen. Ich bin der Ansicht, dass beide auch zwei ganz
unterschiedliche Paar Schuhe sind. Ich erkläre euch, warum ich das
so finde.
Wie kommt es denn
eigentlich dazu, dass viele denken, dass Sex und Liebe
zusammengehört? Für die meisten ist Sex nur mit der Person
vorstellbar, mit der man auch eine Beziehung führt. Sex gilt als
eine der intimsten Formen, wie wir mit einer geliebten Person umgehen
können. Schließlich zeigen wir uns nackt, wir entblößen und
körperlich wie auch seelisch, wir lassen uns fallen, verlieren die
Kontrolle und verschmelzen beim Akt mit der anderen Person
vollständig. Es ist sozusagen die Krönung der Liebesformen
schlechthin. Und weil wir in einer monogamen Beziehung, die als
Standard gilt, leben, wollen wir diese sowohl emotional als auch
körperlich exklusiv halten. Sex mit jemand anderen zu haben, ohne
Gefühle, das würde für viele unvorstellbar sein.
Wer wirklich liebt, wird
nicht mit wem anders schlafen wollen. Das habe ich schon oft gelesen
und gehört. Aber die Aussage ist zu pauschalisierend. Dahinter
steckt nur die Ansicht, dass Liebe und Sex zusammengehören und Sex
gar nicht außerhalb der Liebe und Beziehung möglich sein kann. Ich
würde sagen, Sex ist nicht gleich Sex. In meiner Beziehung habe ich
einen sehr intimen und fürsorglichen Sex mit meinem Partner. Ich
achte darauf, was ihm gefällt, gehe auf seine Bedürfnisse ein, es
ist mehr eine Art Duett und muss einfach stimmen.
Doch Sex außerhalb der
Beziehung nimmt meist nur, ist wild, leidenschaftlich, es geht
einfach nur um die reine Lust und die Bedürfnisbefriedigung. Nicht
mehr und nicht weniger. Während ich den Sex mit meinem Freund als
sehr intim erlebe und wirklich als Krönung unserer Intimität.
Ihr seht also, ich
unterscheide zwischen dem Partnerschaftssex und beispielsweise dem
Sex während einer Affäre. Während bei letzeren Gefühle besser
nicht mit im Spiel sind, weil das dann auch die Affäre gefährden
würde, stehen die Gefühle beim romantischen Sex im Fokus.
Sicherlich kann ich
nachvollziehen, dass sich viele keinen Sex außerhalb der Beziehung
vorstellen können. Für sie gehört eben beides dazu. Manche können
erst miteinander schlafen, wenn sie sich gut kennen, wenn sie
Vertrauen zueinander entwickelt haben. Sex muss dann im geschützten
Rahmen sich abspielen. Und es ist wohl wirklich so: Sex wird mit der
Zeit besser und je öfter man miteinander schläft. Wahrscheinlich
haben Paare daher auch einen besseren Sex als jemand, der immer nur
One Night Stands hat. Mit der Zeit lernt man die Vorlieben des
anderen kennen und auch der Partner weiß besser Bescheid, wie er
einen befriedigen kann.
Ich bin der Ansicht, dass
man Sex auch mit Menschen haben kann, die man weder gut kennt, noch
irgendwie besonders mag oder lieben muss. Da werden sicherlich einige
von euch jetzt schlucken und geschockt sein. Macht aber nichts, jeder
denkt eben anders darüber. Es ist eben einfach eine Frage des Typs
und des persönlichen Geschmacks. Ich finde beide Arten von Sex, die
intime Art, aber auch die aufregende Art mit einem nicht so
vertrauten Menschen, anziehend. Hat eben beides seine Vorteile.
Ich bin wohl auch ein
Mensch, der eben Sex von Liebe gut trennen kann, weil ich nicht
unbedingt Gefühle beim oder nach dem Sex entwickle. Zumindest nicht
mit jedem. Es kann schon mal vorkommen, dass man sich danach
verliebt. Glücklicherweise verfliegt dieses Gefühl auch sehr leicht
wieder zumindest bei mir. Ich sage es mal so, für mich gehören Sex
und Liebe schon dazu.
Und wie kann es sein,
dass ich mit anderen schlafen will, aber gleichzeitig meinen Freund
liebe?
Genau eben aus dem Grund,
weil ich beides gut voneinander treffen kann. An meinen Gefühlen für
meinen Freund ändert sich nichts durch mein Begehren bezüglich
anderer Männer. Liebe muss nicht das sexuelle Interesse gegenüber
anderen bändigen. Sicherlich war es am Anfang unserer Beziehung noch
anders. Da hatte ich nur Augen für ihn, wollte am liebsten immer nur
mit ihm schlafen. Andere Männer haben mich null interessiert. Aber
das lag eben daran, dass ich echt nur in ihn verliebt war. Anfangs
war noch alles so neu, aufregend, ich suchte seine Nähe, weil ich
verliebt in ihn war und ihn besser kennenlernen wollte. Aus dieser
Euphorie der Gefühle kam dann auch die sexuelle Lust. Eben weil es
etwas anderes war.
Doch mit der Zeit lässt
das eben nach. Was auch vollkommen logisch ist in einer langjährigen
Beziehung. Man lernt sich immer besser kennen, Intimität, tiefstes
Vertrauen kommt hinzu. Die Gefühle werden ruhiger, Verliebtheit
vergeht und stattdessen entsteht eine innige Liebe. Eine tiefe
Verbundenheit und Vertrautheit. Man scheint alles von dem anderen zu
wissen, was einem Sicherheit und Halt gibt. Doch darunter leidet
natürlich die Leidenschaft. Sicher, kann der Sex besser werden in
längeren Beziehungen. Aber er kann eben auch sehr eintönig werden,
weil man immer diesselben Muster abspielt, die immer selben
Stellungen nach Programm abspult. Und die Flamme der Leidenschaft
wird immer weniger. Routine kehrt sowohl im sexuellen Bereich als
auch generell in der Beziehung ein.
Und plötzlich bekommt
man Lust auf andere Männer. Auch das ist absolut verständlich. Nur
weil man mit jemanden zusammen ist, heißt das noch lange nicht, dass
man sich nicht mehr für andere interessieren kann. Es gibt noch
viele andere spannende und attraktive Menschen. Wir machen uns das
Leben schwer, wenn wir 100 Prozent monogam leben wollen. Dabei ist
doch klar, dass die meisten nicht auf ewig mit einer Person zusammen
bleiben können. Das Modell der seriellen Monogamie ist Gang und
Gäbe. Das bedeutet, dass wir immer wieder neue Beziehungen eingehen,
in denen wir einem Partner treu sind. Aber bei manchen wechselt der
Partner immer wieder. Die meisten von uns spielen das Spiel ihr Leben
lang: Sie lernen jemanden kennen, entwickeln Gefühle zueinander,
dann kommt es zu Konflikten, sie trennen sich wieder. Und suchen sich
wieder einen neuen Partner. So kommt Abwechslung in das
Beziehungsleben.
Ich persönlich kenne das
nicht, weil ich bisher nur einen einzigen Freund habe, dem ich
jahrelang treu geblieben bin. Und ich habe die Chance verpasst, mich
vor dieser Beziehung wirklich auszutoben. Da ist es verständlich,
dass ich Angst habe, doch sexuelle Erfahrungen zu verpassen. Ich
frage mich, wie es wäre, mit wem anders zu schlafen. Wie fühlt sich
ein anderer an? Und da ist auch eine große Neugierde dabei. Und dann
kommt die Sehnsucht nach Neuem und nach Abwechslung auf. Sicherlich
kann ich beides auch in der Beziehung ausleben. Wir könnten neue
Sachen ausprobieren, Sexspielzeug, neue Stellungen, neue Orte und
noch mehr. Und doch ist es nicht dasselbe. Mein Freund bleibt mein
Freund, nur die Umstände wären andere. Es ist nicht so, dass ich
meinen Freund nicht mehr attraktiv finde, aber er ist mir eben zu
vertraut. Und er könnte auch niemals zu einem anderen Mann werden,
selbst wenn er sich bei einem Rollenspiel Mühe geben würde.
Ich sehne mich nach
anderen Männer, weil ich das Neue so liebe. Es ist so aufregend,
erst zu entdecken, wie der andere sexuell so tickt, was er mag und
was er so für Erfahrungen mit hineinbringt. Einerseits liebe ich die
Sicherheit in meiner Beziehung, suche aber eben das Abenteuer
außerhalb. Ich denke, dass ich beides brauche, um wirklich zufrieden
zu sein.
Aber diese Männer, die
ich sexuell anziehend finde, bedeuten mir nichts, ich empfinde auch
meist nichts für sie. Natürlich müssen sie mich sexuell erregen,
attraktiv sein und die Chemie sollte schon stimmen. Aber mehr braucht
es nicht. Ich habe keine Probleme, mich sofort auf einen Fremden
einzlassen. Auch das würde mich reizen. Wie gesagt, der Sex mit
nicht vertrauten Menschen ist ganz anders als der Sex mit meinem
Freund. Beides ist nicht miteinander vergleichbar. Mit diesen Männern
will ich nur Sex, aber ich will weder mit ihnen befreunde sein noch
eine Beziehung zu ihnen haben. Ich weiß, es würde mit den meisten
nicht klappen, wir wären zu unterschiedlich, würden
beziehungstechnisch nicht miteinander harmonieren. Es gibt viele, mit
denen Sex klappen würde, aber nur wenige oder kaum einen, mit dem
ich mir eine Beziehung vorstellen könnte.
Und deswegen kann ich mir
eine offene Beziehung auch so gut vorstellen. Ich will mit meinem
Freund mein restliches Leben verbringen, ich will ihn heiraten und
Kinder mit ihm bekommen. Aber die Vorstellung, dass er der einzige
Sexpartner für mich bleiben wird, bereitet mir doch Sorgen. Deswegen
würde ich gerne sexuell meine Freiheit haben, aber emotional bin und
bleibe ich ihm treu.
Eine Beziehung ohne Sex
zu führen, wäre auch für mich keine echte Beziehung. Wenn wir also
gar nicht mehr miteinander schlafen würden, würde ich mir große
Sorgen darum machen. Es kann schon mal sein, dass es aber Phasen
gibt, in denen der Sex auf der Strecke bleibt. Wobei ich aber denke,
dass es auch andere Möglichkeiten gibt, körperlich miteinander zu
werden. Es muss nicht immer Sex sein.
Aber ich bin ebenso der
Ansicht, dass Sex eben nicht nur in die Beziehung gehört und dass
Sex zwar wichtig für die Beziehung ist, aber eben nicht alles ist.
Meiner Ansicht nach spielen so viele andere Komponente eine Rolle,
die meiner Ansicht sogar noch wichtiger sind als der reine Sex.
Mein Freund ist mehr als
nur mein reiner Sexpartner. Wir sind beste Freunde, keiner steht mir
näher als andere. Er ist der Mensch, der alles von mir weiß und
trotzdem zu mir steht. Der mich, obwohl er auch meine Schattenseiten
kennt, mich immer noch akzeptiert und liebt wie ich bin. Er ist mein
allerbester Freund, mein Seelenverwandter. Wenn ich ihn verlieren
würde, würde ich auch einen sehr wichtigen Freund verlieren.
Wir harmonieren so gut
miteinander. Mit keinem habe ich so viel Spaß wie mit ihm. Keiner
bringt mich so sehr zum Lachen und bei keinem kann ich so gut
loslassen wie bei ihm. Ich fühle mich so wohl mit meinem Freund, ich
habe keine Angst mehr, fühle mich sicher und geborgen, wenn er bei
mir ist. Wir verstehen uns so gut, wir brauchen nicht einmal Worte
und ich weiß auch immer schon, was er denkt.
Für mich ist ein
wichtiger Bestandteil meines Lebens geworden. Ohne ihn kann ich mir
ein Leben einfach nicht vorstellen. Wir sind inzwischen schon auch
echt lange zusammen, deswegen würde eine Trennung für mich auch wie
eine kleine Sinnkrise sein. Ich brauche ihn einfach in meinem Leben,
gewissermaßen bin ich abhängig von ihm. Ich weiß, das klingt nicht
so gut und auch nicht nach Liebe, aber vielleicht könnt ihr das
dennoch verstehen.
Nur zwischen ihm und mir
herrscht absolute Intimität. Damit meine ich nicht nur den reinen
Sex. Für mich gehört mehr dazu. Wir küssen uns einfach so,
knutschen, ohne, dass es in Sex enden muss. Wir kuscheln sehr viel
und könnten uns stundenlang umarmen. Wir streicheln uns, liebkosen
uns, wir sind so zärtlich miteinander. Nur mit ihm halte ich
Händchen, nur mit ihm tausche ich in der Öffentlichkeit
Zärtlichkeiten aus. Ich finde sogar, dass das bloße Küssen,
Kuscheln und Händchenhalten viel viel intimer ist als jede Art von
Sex. Beim Sex muss man sich nicht mal ansehen, es ist eine reine
körperliche Sache, bei der man sich nicht lieben muss oder sonstige
Gefühle haben muss. Doch beim Küsschen vor allem kommt man der
Person doch viel viel näher. Man schaut sich in die Augen, schaut
sich innig an. Das ist für mich wahre Intimität. Ich habe nur bei
ihm das Bedürfnis so zärtlich zu sein und ihm so meine Zuneigung zu
zeigen.
Wir sind wie gesagt beste
Freunde, die einfach alles miteinander teilen. Er ist immer der
erste, der über alles Neue in meinem Leben Bescheid weiß. Sowohl
die positiven als auch die negativen Seiten. Wir gehen durch dick und
dünn und ich weiß, ich kann mich immer auf ihn verlassen. Er ist
für mich da, hilft mir, gibt mir Ratschläge, unterstützt mich und
fängt mich auf, wenn ich mal falle. Ich weiß, dass er sich immer um
mich sorgt und will, dass es mir gut geht.
Und der ganz verhasste
Alltagsstress gehört für mich in eine Beziehung rein. Während man
bei Affären erst rechts nicht viel übereinander weiß und bei
Freundschaft Plus sich schon mal seine Sorgen mitteilt, ist der
Alltagsstress doch etwas, der nur Pärchen etwas angeht. Meist wohnen
Pärchen auch zusammen und erleben dadurch noch mehr Konflikte
miteinander. Auch wenn das nicht positiv ist, es gehört dazu und
stärkt die Beziehung, indem man damit umzugehen lernt.
Das allerwichtigste ist
aber das tiefe Gefühl von Verbundenheit, das ich nur zu meinem
Freund empfinde. Es ist ein sehr tiefes Gefühl, das sich nicht
erschüttern lässt. Ich weiß, wir gehören zusammen und nichts kann
uns mehr auseinanderbringen. Es ist die tiefe Liebe, die sich langsam
entwickelt hat, aber immer stärker wird. Dieses Gefühl kann nur in
einer Beziehung entstehen, während Verliebtheit so schnell geht wie
sie kommt. Verliebtheit mag aufregend und euphorisch sein, aber sie
ist im Endeffekt auch nicht beeinflussbar. Doch Liebe, das ist ein
hartes Stück Arbeit und muss immer wieder gepflegt werden.
Nur meinem Freund zeige
und erzähle ich alles, sei es noch so unschön und bitter. Er kennt
mich so gut wie niemand anderes. Ich kann bei ihm sein wie ich
wirklich bin, muss mich nicht inszenieren und Masken aufsetzen. Nur
ihm entblöße ich mich emotional. Das macht verletzlich, aber ich
vertraue ihm so sehr, dass es mir nichts mehr ausmacht.
Unsere Beziehung ist
verbindlich, durch all die Gesten, Zärtlichkeiten, unseren
gemeinsamen Alltag, durch all die „Ich-liebe-Dichs“, durch unsere
Liebesbekundungen, wenn wir miteinander schreiben, telefonieren und
sprechen. Wir wissen, woran wir bei dem anderen sind, wir stehen
dazu. Wir halten die Hand des anderen in der Öffentlichkeit, um zu
zeigen, dass wir zusammengehören.
Nur ihm gegenüber zeige
ich echte Fürsorge. Ich versuche alles, damit er glücklich ist. Ich
sorge mich um ihn, wenn es ihm nicht gut geht.
Wir gehen einen
gemeinsamen Weg, wir schmieden gemeinsame Zukunftspläne. Wir wollen
heiraten und eine Familie gründen. Wir wollen zusamen alt werden.
Wir haben ähnliche Ansichten, Werte und Ziele. Und das schweißt uns
als Paar noch mehr zusammen.
Und wenn wir nicht
zusammenwohnen würden, würden wir dennoch so viel Kontakt wie
möglich haben. Wir würden täglich miteinander mehrmals schreiben,
telefonieren und versuchen uns so oft wie es geht sehen.
Und wir verbringen auch
viel Zeit miteinander. Er ist der Mensch, mit dem ich auch am
liebsten zusammen bin.
Natürlich gehören auch
Streitigkeiten und Verletzungen in eine Beziehung. Nicht alles ist
toll, aber ich sehe sie als Herausforderungen, an denen die Liebe
wachsen und sich weiterentwickeln kann. Jede neue Herausforderung
macht uns als Paar stärker. Es gehört dazu, dass man sich streitet,
Unstimmigkeiten aushält und Kompromisse findet. Man geht einen
gemeinsamen Weg und versucht sich aufeinander abzustimmen.
Ich will alles mit ihm
teilen, ich will, dass er an meinem Leben teil hat, dass er überhaupt
einfach ein wichtiger Teil meines Lebens bleibt. Wir kennen die
Familien und Freunde des anderen, wir kennen die Lebenswelt des
anderen in- und auswendig. Das ist es auch, was eine Beziehung
wirklich ausmacht.
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