Neulich
erzählte mir ein Bekannter, dass er wohl einfach kein Beziehungstyp
sei. Sobald es ernster mit einer Frau wird, wird es ihm zu viel und
er versucht aus dieser Beziehung auszubrechen. Das brachte mich zum
Nachdenken. In der heutigen Gesellschaft scheinen viele Beziehungen
viel zu schnell in die Brüche zu gehen. Immer wieder wird von
serieller Monogamie gesprochen, weil wir immer nur für eine
bestimmte Zeit einem Partner treu sind, aber eigentlich immer wieder
die Partner wechseln. Sind wir heutzutage beziehungsunfähig
geworden?
Was
heißt denn eigentlich beziehungsunfähig sein? Wie der Name
eigentlich schon verrät: Jemand ist nicht in der Lage, eine
Beziehung einzugehen oder eine längere Beziehung aufrechtzuerhalten.
Doch
ist es mit der einfachen Definition schon geklärt? Ich denke nicht,
wir müssten da noch tiefer gehen. Welche Ursachen gibt es dafür?
Woran liegt es? Und was steckt nun wirklich hinter
Bindungsunfähigkeit?
Da
müssen wir schon etwas weiter ausholen. Ich habe bei meiner
Recherche etwas zu Bindungstypen gelesen. Jeder Mensch hat eine
andere Art mit Beziehungen umzugehen.
Die
drei Beziehungs- und Bindungstypen
Es
gibt den ängstlichen Bindungstyp. Dieser sucht nach Nähe und macht
sich Sorgen, ob ihn sein Partner genug liebt. Wird er abgelehnt,
versucht er denjenigen noch mehr an sich zu binden. Er tut alles, um
ihn für sich zu gewinnen. Er will genug für ihn sein. Dahinter
steckt die Angst, nicht auszureichen.
Der
vermeidende Beziehungstyp kann Intimität und Nähe nur bis zu einem
gewissen Grad ertragen. Sobald es inniger mit jemanden wird, sieht er
sich in seiner Freiheit und Autonomie gefährdet. Daher distanziert
er sich, damit er wieder frei sein kann. Eigentlich sucht er auch
Nähe, braucht aber eben auch genug Abstand, um sich nicht vollkommen
in der Beziehung zu verlieren. Er sendet oftmals zweideutige Signale.
Der
sichere Beziehungstyp fühlt sich mit Nähe wohl, kommt aber auch mit
Distanzgut zurecht. Er ist in der Lage, eine stabile Beziehung zu
führen. Darum ist er meist auch vergeben und selten mal Single. Wenn
doch, dann geht er recht schnell wieder Beziehungen ein.
Nun
kennen wir also die drei groben Beziehungstypen. Sicherlich kann sich
nicht jeder in eine Schublade stecken lassen, aber jeder wird
bestimmte Merkmale eines Beziehungstyp auch bei bei sich erkennen
können.
Ich
persönlich schwanke zwischen dem ängstlichen und dem sicheren
Beziehungstyp. Am Anfang meiner Beziehung war ich noch von
Selbstzweifeln und wenig Selbstvertrauen geprägt. Ich habe alles
versucht, damit mich mein Freund liebt. Immer wieder die Nähe
gesucht und vor allem viel geklammert. Ich wollte ihn auf keinen Fall
verlieren. Und sobald ich Fehler gemacht oder ihn verletzt habe, habe
ich mich selbst und unsere Beziehung in Frage gestellt. Ich brauchte
stets die Bestätigung, dass er mich liebt, ich so gut wie ich bin
und ihm ausreiche. Und sobald jemand da war, der meinem Freund nahe
stand oder mit dem er sich gut verstand, egal ob Familie, Freunde
oder andere Frauen – ich war sofort eifersüchtig, fing an zu
klammern. Ich habe ihn als mein Eigentum gesehen, ich bin seine
Nummer eins und er meine. Niemand darf ihm so nahe sein wie ich.
Keiner darf ihn haben. Ich erkannte erst in meiner Beziehung, dass
ich eigentlich stets diesen Bindungstyp in mir habe.
Denn
auch bei engen Freundschaften, habe ich schon immer geklammert. Ich
wollte auch immer bei meinen besten Freunden die Nummer eins sein.
Ich wollte, dass ich ihnen genauso viel bedeute wie ich ihnen. Sobald
aber ein neuer Partner oder Freund dazu kam, fühlte ich mich
bezüglich der Freundschaft gefährdet. Ich hatte Angst, meine
Freunde an jemand anderen zu verlieren. So klammerte ich und suchte
Bestätigung von ihnen.
Diese
Eifersucht, die Verlustangst und das niedrige Selbstwertgefühl sind
voll die treibenden Faktoren hinter dem ängstlichen Beziehungstyp.
Ich
denke, dass auch der ängstliche Beziehungstyp unter
Beziehungsunfähigkeit leidet. Das mag etwas paradox klingen,
schließlich will er unbedingt eine starke Bindung eingehen. Aber
wenn der Partner das nicht mitmacht, sich eingeengt fühlt und dann
eher flieht, kann das zum Problem werden. Wenn dem Partner das zu
viel wird, verlässt er die Beziehung und der ängstliche
Beziehungstyp bleibt wieder allein. Und das kann sich wiederholen,
wodurch auch hier wieder keine richtige Beziehung möglich ist.
Und
als Gegenpol haben wir den vermeidenden Beziehungstyp, der wohl am
ehesten in die Richtung Beziehungsunfähigkeit kommen kann. Hier sehe
ich aber eine noch viel stärkere Tendenz. Denn Beziehung bedeutet
immer auch, Intimität und Nähe zuzulassen. Und zwar wirklich sehr
starke Nähe und teilweise kann es auch vorkommen, dass man in der
Beziehung aufgeht. Wer eine Beziehung eingeht und führt, muss Zeit
und Mühen aufwenden. Er muss geben und zwangsläufig auch ein wenig
Freiheit einbüßen. Denn Beziehungen sollten gepflegt werden, sie
laufen nicht einfach so nebenbei her. Es ist immer viel Arbeit, die
dahintersteckt. Ein Geben und ein Nehmen.
Wer
nun einmal eher ein Einzelgänger ist und viel Freiraum und Ruhe,
wird sich leicht durch den neuen Partner bedroht fühlen. Man muss
sich ja mit einem anderen Menschen befassen. Auf seine Bedürfnisse,
Wünsche, Ziele, Gefühle, Gedanken, Sorgen, Ängste und Sehnsüchte
eingehen. Eine Beziehung zu haben bedeutet auch gewissermaßen sich
an den Partner anzupassen und auch Verantwortung für die Beziehung
zu tragen. Es gibt bestimmte Aufgaben und Dinge, die eben getan
werden sollten. Das klingt jetzt total rational und nüchtern, aber
ist eben Tatsache. Man kann nicht mehr einfach das tun, was man will.
Man stimmt sich aufeinander ab. Man geht nicht über die Wünsche des
anderen hinweg, sondern man geht auch Kompromisse ein und findet
Konsens.
Menschen,
die aber eher gern allein sind und das auch genießen, frei zu sein,
werden sich schon durch so etwas eingeschränkt fühlen. Es sind
meist Menschen, die es nicht so gewöhnt sind, jemanden so nah an
sich heranzulassen. Vielleicht sind es auch Menschen, die auch keine
so tiefen Gefühle zulassen wollen und können. Eventuell haben sie
früher schlechte Erfahrungen damit gemacht und halten daher andere
auf Abstand. Aus Angst, wieder enttäuscht und verletzt zu werden.
Doch
es gehört zu einer Beziehung, dass man sich öffnet und sich so
verletzlich macht. Und zu Verletzungen wird es in einer Beziehung
immer wieder kommen. Ob wir den anderen enttäuschen, sauer machen,
uns streiten oder in Tränen ausbrechen – das alles ist Beziehung.
Das
Paradoxe an den ganzen Beziehungstypen ist ja, dass es meist die
ängstlichen und vermeidenden Typen sind, die wir auf dem
Single-Markt treffen. Die sicheren Beziehungstypen sind ja meist
vergeben und selten Single. Und wenn die anderen beiden Typen
aufeinander treffen, kann es ja gar nicht gut enden.
Beide
sind so gegensätzlich gepolt, triggern sich dadurch umso mehr. Der
ängstliche Typ sucht unbedingt Nähe und klammert dadurch. Der
vermeidende sieht sich bedroht, flieht lieber und geht auf
Abwehrhaltung. Das wiederum aktiviert wiederum das Nähe-Bedürfnis
des ängstlichen Beziehungstypen, der dann noch mehr einengen will.
Und der vermeidende Typ kommt damit erst recht nicht zurecht und geht
mehr auf Abstand. Ein ewiger Teufelskreis! Kein Wunder, also dass,
Beziehungen dann einfach nicht mehr klappen. Die beiden Typen
harmonieren einfach nicht miteinander. Und doch findet man immer
wieder diese Konstellation, weil Gegensätze sich scheinbar anziehen
und weil man vielleicht das haben will, was man nicht hat.
Besser
wäre es doch, wenn sich wenigstens Menschen gleichen Beziehungstyps
zusammen tun. Würde man meinen, aber ganz so leicht ist es auch
nicht, oder? Ich könnte mir das beim ängstlichen Beziehungstyp eher
vorstellen, aber wenn zwei aufeinander treffen, könnten sie sich in
der Beziehung verlieren. Vielleicht wären sie glücklich, würden
aber jegliche andere Bindung vernachlässigen und miteinander
verschmelzen. Und wenn die Beziehung endet, haben sie sich selbst
verloren und müssen sich wieder finden.
Und
bei dem vermeidenden Beziehungstyp sehe ich die Gefahr, dass sich
beide zu viele Freiräume lassen. Das kann gut gehen, aber auch zu
einer Art Entfremdung führen. Jeder führt sein eigenes Leben und
vielleicht werden die Schnittstellen immer weniger, weil jeder eben
sein Ding macht. Das Wir-Gefühl kann sich nicht wirklich entfalten.
Nun
aber zurück zur Frage: Sind wir nun eine Generation, die unter
Beziehungsunfähigkeit leidet? Ich habe tatsächlich das Gefühl,
dass wir heutzutage immer weniger in der Lage sind, wirklich innige
und lange Beziehungen zu führen. Oder vielleicht täusche ich mich
auch. Früher hielten Beziehungen länger, weil man an bestimmte
Dinge gebunden war, wie das Materielle, die Ehe, Kinder usw. Man ließ
sich weniger oft scheiden, weil das auch mit Risiken und Rufverlust
verbunden war.
Immer
auf der Suche nach etwas Besserem
Doch
heutzutage scheint Individualität wieder gang und gäbe zu sein. Es
geht nicht mehr darum, jemanden zu finden, den man liebt und der
einen liebt. Wir suchen in Zeiten des Online-Datings nach dem Besten
der Besten. Heutzutage haben wir noch viel mehr Möglichkeiten, Leute
schnell kennenzulernen. Auch die Auswahl an potenziellen Partnern ist
viel größer geworden. Das Problem bei der Sache: Wir geben uns
meist nicht mit dem aktuellen Partner zufrieden. In uns steckt immer
die Sehnsucht nach dem besseren Partner. Gibt es nicht jemanden, der
noch perfekter ist? Und das löst eine permanente Unzufriedenheit
aus.
Und
weil wir so schnell neue Partner finden, fällt es uns leichter, den
alten Partner loszulassen. Sobald es in der Beziehung kriselt wird es
meist auf die Beziehung oder den Partner geschoben. Aber bei uns
selbst schauen wir nie. Es sind immer die anderen. Daher auch immer
der Spruch: „Ich gerate immer an die Falschen!“ Dabei denke ich,
dass das Problem für unsere Beziehungsunfähigkeit meist nicht an
den anderen liegt. Sondern vor allem in uns selbst. Weil wir uns
nicht mit dem zufrieden geben, was wir haben. Weil wir nur das
Negative sehen und das Positive ausblenden. Weil wir es uns einfach
machen, die Beziehung beenden, wen Neues finden und das Spiel wieder
von vorne losgeht.
Es
kostet viel mehr Überwindung, mal die eigenen Abgründe zu
untersuchen und die Fehler bei sich zu entdecken. Und wir sind
einfach auch der schnelllebigen Zeit geschuldet, nicht mehr fähig,
an Beziehungen zu arbeiten. Sobald es schwierig wird, uns etwas nicht
passt, die Verliebtheit vorbei ist und es im Bett nicht mehr läuft –
dann trennen wir uns, statt einfach mal etwas für die Beziehung zu
tun. Wir könnten dafür kämpfen, könnten uns ändern, könnten
miteinander sprechen und gemeinsam eine Lösung finden. Wir könnten
uns unserer Baustellen in der Beziehung widmen. Aber das ist meist zu
anstrengend. Dann sagen wir lieber: „Es passt zwischen uns einfach
nicht mehr“ oder „Wir haben uns auseinandergelebt“ oder „Ich
habe keine Gefühle mehr für dich“. Das ist leichter, als dran zu
bleiben. Wozu in solch eine unzufriedenstellende Beziehung
investieren, wenn man doch Besseres haben kann?
Sicherlich
gilt das nicht bei jeder Beziehung. Vielleicht klappt es ja wirklich
nicht und vielleicht hat man auch keine Gefühle mehr zueinander.
Dann mag eine Trennung besser für beide sein. Aber oftmals scheitern
Beziehungen an Kleinigkeiten, an denen man arbeiten kann. Es ist
immer die Frage: Wie wichtig ist mir der andere und wie wichtig die
Beziehung? Pärchen, die erst vor kurzem zusammen gekommen sind,
werden sich leichter trennen können als langjährige Partnerschaften
oder Ehepaare. Letztere sind es aber auch nicht, die unbedingt an
Beziehungsunfähigkeit leiden, sondern diejenigen, die von einer
Beziehung in die nächste hüpfen.
Serielle
Monogamie
Und
dann wundern wir uns, warum unsere Beziehungen immer wieder
scheitern. Warum immer wieder dasselbe Spiel von vorne losgeht,
nachdem wir die rosarote Brille abgesetzt haben. Serielle Monogamie
nennt man das: Das heißt, wir sind während einer Beziehung treu,
aber wir wechseln eben doch mal mehr oder weniger die Partner.
Sobald
es also nicht mehr gut funktioniert, man Lust auf wen anders bekommt
oder einfach Langeweile verspürt, verlässt man den Partner und
sucht sich den nächsten. An sich gar nicht so schlimm. Besonders in
jungen Jahren wollen wir uns ausprobieren, ausleben bevor wir binden
wollen. Oder wir suchen immer wieder nach dem Richtigen. Wir lernen
jemanden kennen, verlieben uns, kommen zusammen und trennen uns
wieder. Ein ewiger Kreislauf. Und begeben uns wieder auf
Partnersuche.
Manche
finden das abwechslungsreich, andere wiederum sind dabei
todunglücklich. Sie fragen sich: „Wann kommt denn der Richtige?
Der, mit dem es wirklich klappt und mit dem es wirklich hält? Ich
kann das verstehen, auch wenn ich das selbst nicht durchgemacht habe.
Doch jede Beziehung, die in die Brüche geht, hinterlässt Spuren und
oftmals Verletzungen und Wunden, die nicht mehr verheilen. Je öfter
das passiert, desto mehr verlieren wir die Hoffnung, den Richtigen zu
finden.
Aber
gibt es denn den Richtigen? Ich wage es zu bezweifeln. Wir können
nur nach dem Passenden finden und da gibt es sicherlich so einige
Menschen. Und so glauben wir weiter an den Mythos des Richtigen, und
lassen all die hinter uns, die eigentlich gepasst hätten. Aber da
gibt es immer Unstimmigkeiten, die uns nicht passen, weswegen wir uns
trennen und weitersuchen. Geben wir einfach zu schnell auf und haben
wir zu hohe Erwartungen ohne diesen selbst gerecht zu werden?
Jedenfalls
werden wir damit nicht glücklich, wir sind es immer in der einen
Beziehung, doch wenn wir alles im Überblick betrachten, sind wir
damit nicht zufrieden. Irgendwann will jeder auch mal ankommen,
jemanden finden, mit dem man sein Leben verbringen kann. Okay,
vielleicht nicht jeder, aber doch viele.
Desto
mehr Trennungen wir uns hinter haben, desto schwerer wird es für uns
auch, neue Beziehungen einzugehen. Zu stark sind die Erinnerungen und
Spuren der alten Beziehungen, der Enttäuschungen, Verletzungen. Es
fällt einen nicht leicht, Vertrauen aufzubauen, Gefühle zuzulassen,
zu groß ist die Angst, wieder verletzt zu werden. Wir wollen uns
nicht mehr voll hingeben in eine Beziehung, die vielleicht bald
wieder vorbei ist. Bloß keine tiefen Gefühle zulassen, am Ende
müssen wir mit Trennungsschmerz und Liebeskummer umgehen.
Darum
suchen wir vielleicht lieber etwas Lockeres: Affären oder
Freundschaft Plus. Und gleichermaßen sehnen wir uns doch nach etwas,
was tiefer geht und inniger ist. Doch wir haben Angst, uns zu
offenbaren, Angst uns zu verlieren, Angst, nicht mehr frei zu sein,
Angst verletzt zu werden und Angst vor den tiefen Gefühlen. Ich
glaube Beziehungsunfähigkeit hat auch viel mit den eigenen Ängsten
zu tun. Wir wollen uns nicht binden, weil wir nicht wieder eine
Trennung durchmachen wollen. Wir wollen uns schützen, indem wir die
Beziehung so locker wie möglich halten.
Das
Problem der Beziehungsunfähigkeit hat etwas mit unseren Erwartungen,
unserem Beziehungstypen und unserer Persönlichkeit zu tun.
Ist
die ewige Liebe ein Mythos?
Ich
denke, dass sie nicht unmöglich ist, aber vielleicht nicht für
jeden schaffbar. Nicht jeder will diese ewige Liebe haben, manche
lieben es, ihre Partner zu wechseln oder keine festen Beziehungen zu
führen. Aber ich denke, es ist möglich, wenn wir denn den passenden
Partner finden, an uns selbst arbeiten, wenn wir nicht gleich
aufgeben, wenn es schwierig wird und uns immer wieder um unsere
Beziehung kümmern. Wenn wir keine hohen Erwartungen haben, stetig
reflektieren, mit uns selbst befassen und was wir wollen. Dann denke
ich, können wir uns von der Beziehungsunfähigkeit befreien und uns
Stück für Stück wieder innigen Beziehungen öffnen.
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