Die
Fastenzeit ist schon seit einiger Zeit am Laufen, ein Grund, sich
auch als normalsterblicher Mensch damit zu befassen. Denn Fasten muss
nicht immer nur auf das Essen bezogen sein. Man kann auf vielen Wegen
fasten. Warum das gut ist und warum auch Verzicht nicht nur schlecht
ist, erfahrt ihr in dem Beitrag.
Ab
Aschermittwoch hat die Fastenzeit begonnen. Das nehmen auch viele
Menschen als Anlass, nicht unbedingt auf Essen zu verzichten, sondern
vor allem auf Genussmittel wie Schokolade, Alkohol und Zigaretten zu
verzichten und dadurch eine gesündere Lebensweise anzustreben.
Das
finde ich absolut in Ordnung, gut und richtig, sollte sich jeder
vornehmen. Doch wird Fasten ja dann doch meist eher als eine Art
Belastung gesehen. Man will es nicht wirklich, tut es aber, weil man
denkt, dass es eben besser wäre, auf bestimmte Dinge zu verzichten.
Und
da wären wir bei dem Begriff, um den es sich heute konkret drehen
soll: „Verzicht“. Das Wort hat schon eine eher negative
Konnotation. Verzicht bedeutet, dass man etwas, was man vielleicht
gern hat oder gern tut, für eine bestimmte Zeit aus seinem Leben
verbannt. Verzicht hat für die meisten dann etwas mit einer Art
Verlust zu tun. Ein Stück Lebensqualität geht verloren, weil wir
uns einschränken. Wir setzen uns selbst Grenzen, meist aus gutem
Grund. Aber das ist, finde ich, eine schlechte Herangehensweise.
Verzicht
kann je nach Einstellung Verlust bedeuten, ich bin aber der Ansicht,
dass man es auch andersherum sehen kann. Verzicht kann durchaus etwas
positives sein, wenn wir uns klar machen, was wir eigentlich daraus
gewinnen. Und das vergessen die meisten dann doch einmal.
Natürlich
ist es erst einmal nicht so schön, auf für einen angenehme und
schöne Dinge im Leben zu verzichten. Sich selbst einzuschränken,
fällt vielen schwer. Aber es kann auch extrem heilsam und befreiend
sein.
Was
genau bedeutet also Verzicht für mich und warum finde ich es so
positiv?
Verzicht
meint für mich, dass ich mich bewusst zurückhalte und mich nicht
meinen Gelüsten und spontanen Ideen einfach hingebe. Das erfordert
von mir, dass ich stetig reflektiere und auch reflektiert handle:
Brauche ich das jetzt unbedingt oder ist es gar nicht so wichtig? Es
hat etwas mit Selbstdisziplin zu tun. Muss ich jetzt unbedingt die
komplette Tafel Schokolade essen? Bin ich dadurch glücklicher? Indem
ich innehalte und nicht sofort meinen inneren Impulsen folge, werde
ich eher wieder Kontrolle über mich behalten und lasse mich weniger
von äußeren Dingen leiten.
Verzicht
geht damit einher, dass ich mich frage, was ich wirklich in meinem
Leben brauche. Die Werbung will uns ständig darauf aufmerksam
machen, was uns fehlt und was wir brauchen, um glücklicher zu
werden. Das doch aber alles Unsinn. Woher sollen das Leute wissen,
die mich gar nicht kennen? Es geht beim Konsumieren immer nur darum,
etwas auszugleichen. Die Leere mit etwas Materiellem zu stopfen. Doch
wir schauen dabei immer nur nach außen, nicht nach innen.
Und
darum verzichte ich. Ich frage mich, bevor ich etwas kaufe: Brauche
ich und will ich das unbedingt? Ich gebe mir selbst Bedenkzeit,
schlafe noch ein paar Nächte darüber. Meistens verschwindet das
Verlangen nach einer Sache mit der Zeit. Und ich erkenne, dass es
doch nicht so wichtig war, um es zu haben. Indem wir verzichten,
bleiben wir bei uns selbst und schauen, was wir wirklich brauchen.
Verzicht richtet den Blick auf die wirklichen Prioritäten.
Ich
sage „Nein“ zu dem ständigen Konsum und der
„Immer-mehr-haben-wollen“-Mentalität, die in dieser Wegwerf- und
Konsumgesellschaft überall präsent ist. Ich reflektiere und sehe,
dass ich schon alles habe, was ich brauche. Mir fehlt es an nichts
und ich lasse mich nicht von anderen Leuten und schon gar nicht von
der Werbung einreden, dass ich immer mehr haben und kaufen sollte.
Das
ist ja das Problem, heutzutage wollen wir mehr und wir wollen es
schnell und unkompliziert. Und wir können nicht mehr aufhören,
immer mehr zu wollen. Das führt aber zu einem ewigen Streben danach.
Am Ende sind wir nie wirklich zufrieden mit dem, was wir haben. Wir
schauen immer nur nach dem, was wir nicht haben und vergessen all
das, wofür wir dankbar sein könnten. Es gibt so viele Dinge, für
die wir dankbar sein sollten und die uns so schnell keiner nehmen
kann. Die wunderbare Natur, die Chance, am Leben zu sein, all unsere
Mitmenschen, wir können uns selbst verwirklichen und frei
entscheiden und unser Leben selbst gestalten. Es gibt noch sehr viel
mehr, was wir wertschätzen sollten. Aber das geht eben nicht, wenn
wir immer nur Mehr wollen. Das funktioniert nur, wenn wir verzichten
und uns auf das fokussieren, was schon da ist und was wir haben.
Mit
Verzicht können wir lernen, diesen Dingen mehr Wertschätzung zu
geben. Und dann sind wir auch automatisch zufriedener, wenn wir uns
nicht ständig vergleichen und nach Mehr streben.
Verzicht
bedeutet für mich auch, dass ich aufhöre, mich ständig immer
weiter zu entfalten und mich weiterzuentwickeln. Versteht mich nicht
falsch, ich liebe Selbstoptimierung und arbeite sehr gern an mir.
Aber wie so oft, führt das eben dazu, dass ich meine Erfolge nicht
mehr sehe und mich nicht so akzeptiere wie ich bin. Weil ich mir
denke, dass ich ein noch besserer Mensch sein kann. Auch hier ist es
wieder das Streben nach Mehr, das mich fertig machen kann. Da ist
wieder nur permanente Unzufriedenheit dar. Bis zu einem gewissen Grad
brauchen wir das, um unser Leben und uns selbst zu verändern. Es
gibt uns Motivation. Aber wenn wir ständig nur unzufrieden sind und
nicht auch mal etwas akzeptieren können, bleiben wir immer
unglücklich. Hier finde ich es wichtig die Balance zwischen nach
Mehr streben und Verzicht zu finden.
Loslassen
Verzicht
bedeutet tatsächlich auch mal Verlust, kann aber auch Loslassen
sein, das wahnsinnig befreiend sein kann. Auf schlechte Gewohnheiten
und Menschen und Dinge zu verzichten, die uns nicht gut tun, das kann
heilsam sein. Oftmals halten wir auch an Sachen fest, die uns
unglücklich machen, aber es fällt uns schwer, uns davon zu
distanzieren. Insofern kann Verzicht eben helfen, dass wir negative
Sachen aus unserem Leben verbannen und wieder mehr Platz für
Positives finden. An etwas festhalten kann kräfteraubend sein, so
bleiben wir immer nur auf der einen Stelle und können uns nicht
weiterentwickeln. Doch mit dem Loslassen finden wir wahrscheinlich
endlich unseren inneren Frieden. Manchmal ist es klüger, Dinge
loszulassen, als ständig an ihnen festzuhalten.
Das
ständige Streben nach mehr Lebensqualität und einem besseren
Lebensstandard hat auch dazu geführt, dass wir die Umwelt zerstören.
Wir führen ein besseres Leben, aber zerstören dabei unsere Umwelt.
Verzicht und auch Minimalismus kann uns helfen, die Umwelt wieder zu
schonen. Ich denke mir, dass es beim Verzicht auch darum geht, dass
wir in Einklang mit der Welt und den Menschen leben. Uns selbst
mäßigen und auch das Wohl aller im Blick behalten. Niemanden
verletzen oder etwas zerstören, indem wir uns selbst einschränken.
Man kann einfach nicht immer das tun, was man will. Sonst könnte
Gesellschaft nicht funktionieren. Es gehört einfach dazu, auch mal,
auf etwas zu verzichten und Bedürfnisse unbefriedigt zu lassen. Und
das zeigt dann auch wahrliche Reife und Erwachsensein, wenn wir
lernen, dass wir nicht immer alles kriegen können.
Verzicht
ist eine bewusste Entscheidung, die ich selbst in der Hand halte.
Nicht meine Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte bestimmen mein
Leben, sondern ich habe die Macht über mich selbst. Ich habe mich
selbst unter Kontrolle, werde nicht so leicht schwach. Nein, Verzicht
bedeutet Willensstärke. Denn jeder weiß, wie schwer es einem fällt,
wenn man „Nein“ sagt, etwas ablehnt, was man doch eigentlich ganz
gerne hätte. Opfer zu bringen ist nicht leicht und oftmals verbinden
wir damit eigentlich nur Schlechtes. Aber wenn wir erkennen, dass es
zu einem höherem Zweck dient und es sich am Ende auch lohnt, dann
sieht alles anders aus.
Ich
finde, dass Verzicht durchaus eine Bereicherung sein kann. Wenn wir
immer allem nachgeben und viel konsumieren, verlieren wir den
Überblick. Irgendwann werden wir handlungsunfähig sein, weil es
einfach zu viele Möglichkeiten gibt. Wir können uns dann nicht mehr
entscheiden. Verzicht hilft mir, zu selektieren und mich wirklich nur
auf das Wesentliche zu konzentrieren. All die Sachen drumherum lenken
mich nur ab. Und Verzicht lässt mir wiederum auch mehr Freiraum für
den inneren Reichtum. Ich muss nicht viel haben, um jemand zu sein.
Joy
of missing out
Für
mich noch immer ein großes Problem ist, dass ich ständig viele
Dinge machen will und dadurch in Freizeitstress gelange. Meine
To-Do-Liste ist unendlich lang, ich nehme mir auch meist zu viel vor,
was ich nicht schaffe. Hier kann mir Verzicht und Minimalismus
helfen, weniger Stress zu haben. Auch einfach mal nicht auf allen
Hochzeiten mittanzen, auch mal „Nein“ sagen, wenn mir nicht nach
etwas ist. Ich muss nicht überall dabei sein. Ich fühle mich bei
Freizeitstress manchmal auch echt überfordert und fremdbestimmt.
Indem ich dann aber bewusst etwas ablehne und „Nein“ sage,
gewinne ich wieder mehr Selbstbestimmung.
So
ähnlich sieht es auch bei sozialen Medien aus. Wir sind ständig
online, weil wir Angst haben, ansonsten etwas zu verpassen. Aber wir
befinden uns unter Dauerstrom und kommen nie zur Ruhe, wenn wir immer
nur online sind. Da kann es helfen, auch mal Auszeiten einzulegen und
mal ein Buch zu lesen oder zu entspannen. Auch da hilft eben wieder
der Verzicht.
Ihr
merkt, dass Verzicht eben doch sehr bereichernd und auch befreiend
sein kann. Wir gewinnen wieder mehr Kontrolle über uns selbst,
stärken unseren Blick für das wirklich Wichtige im Leben und werden
dadurch auch entspannter.
Um
noch einmal zum Fasten zurückzukehren: Ich finde es gut, mal auf
Dinge zu verzichten, vor allem, wenn wir keine Kontrolle mehr darüber
haben und sie uns nicht gut tun. Es muss nicht immer nur Alkohol oder
Essen sein. Es gibt so viele Möglichkeiten, zu fasten. Eigentlich
ist es mit allem möglich.
Ich
beispielsweise versuche gerade auch digital zu fasten. Das bedeutet,
dass ich eben nicht ständig aufs Handy schaue und den Leuten sofort
zurückschreibe. Nur zu bestimmten Uhrzeiten schalte ich meinen
Messenger an und schaue, welche Nachrichten ich bekommen habe.
Außerdem
esse ich auch kein Fleisch und versuche möglichst auch, auf
tierische Lebensmittel zu verzichten. Ich verzichte generell darauf,
Neues zu kaufen. Das kriege ich schon sehr gut hin. Und wenn ich
etwas kaufe, dann nur, wenn ich es wirklich brauche.
Außerdem
konsumiere ich wesentlich bewusster, beispielsweise schaue ich immer
nur für eine Stunde jeweils Serien oder spiele auch nur für eine
begrenzte Zeit Spiele. Ich setze mir da selbst Grenzen und merke,
dass es mir damit besser geht.
Momentan
auch im Trend ist ja das umweltfreundliche Fasten, was ich auch
teilweise betreibe. Darunter fällt auch, dass man kein Fertigessen
mehr isst, keine Fernreisen unternimmt, nicht ständig etwas kauft,
keinen Verpackungsmüll erzeugt, Dinge nicht mehr wegschmeißt und
noch mehr. Alles, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu
vermindern.
Man
kann auch auf bestimmte Verhaltensweisen und Macken verzichten: Bei
mir wäre es beispielsweise ständig zu meckern, zu fluchen und zu
jammern. Und weniger impulsiv sein und den Gefühlen Luft machen.
Was
meint ihr dazu? Fastet ihr auch? Und was haltet ihr von Verzicht?
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