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Ich will dich einfach nur vergessen



Ich bin unglücklich in dich verliebt. Obwohl ich einen Freund habe, mit dem ich glücklich bin. Und obwohl wir eigentlich nur Freunde sein sollten. Und das Schlimmste daran ist: Ich bin selbst an dem ganzen Schuld.


Wie ich mich in dich verliebte

Wir kennen uns noch nicht so lange, eigentlich nur ein paar Monate. Und trotzdem habe ich mich Hals über Kopf in dich verliebt. Dabei ist die Geschichte unseres Kennenlernens alles andere als normal: Ich suchte nur ein unverbindliches Abenteuer auf Tinder. Nach einem Treffen wollte ich mich eigentlich nicht mehr treffen. Doch du suchtest von Anfang an jemanden für etwas Längeres. Trotzdem sollte es nichts Ernstes sein, aber du wolltest nicht gleich mit der erst Besten ins Bett. Was ich total verstehen habe. Eigentlich hätte es nicht zwischen uns gepasst, weil wir so unterschiedliche Wünsche haben. Aber es hat gleich gefunkt, zumindest auf meiner Seite. Du wolltest nur rummachen, ich wollte beim ersten Mal mehr. Es machte mich verrückt, dass du mir so nah warst und wir nicht weitergehen konnten. Du warst so anders als die anderen, die ich davor kennenlernte. Alle wollten sofort nur das Eine, doch du hast dir Zeit gelassen. Und mit mir gleich Geheimnisse geteilt. Irgendwie spürte ich so eine emotionale Bindung zwischen uns beiden, als ob wir uns schon länger kennen würden. Dieses ganze Kuscheln und Rummachen war so gar nicht von mir geplant – aber es fühlte sich so gut und richtig an. Es war so ganz anders als die Erfahrungen, die ich davor gesammelt hatte. Und wahrscheinlich habe ich mich deswegen wohl auch in dich verliebt.

Wir trafen uns noch einmal, dieses Mal konntest du dich doch nicht mehr halten und wir wurden so richtig intim. Es war nicht so besonders, aber irgendwie doch schön. Ich konnte stundenlang mit dir kuscheln, dich streicheln, dich küssen und berühren ohne, dass wir miteinander reden mussten und ohne, dass es langweilig wurde. Ich war wie auf Wolke Sieben. Doch in meinem Hinterkopf war immer der Gedanke: Das geht so nicht weiter, es muss aufhören. Es muss aufhören. Es war Dezember, im nächsten Jahr wollte ich mit all dem aufhören, und mich wieder nur auf meinen Freund konzentrieren. Allein der Gedanke, dich nicht mehr zu sehen, zerriss mir beinahe das Herz. Wie konnte ich ohne dich sein? Du warst meine Lieblingsdroge.

Aus Freundschaft Plus wurde Freundschaft Minus

Doch es führte kein Weg daran vorbei. Über Whatsapp schrieb ich dir, dass wir uns nicht mehr so treffen können: „Können wir Freunde bleiben?“ Überraschenderweise schriebst du: „Ich fand es die beiden Male richtig schön mit dir, nicht nur das Körperliche. Lass es uns freundschaftlich versuchen.“ Ich war mega happy! Auch wenn dann von dir kam: „Ich werde diese Treffen echt vermissen, hatte mich eigentlich schon darauf gefreut..“ Ja, so ging es mir auch, aber es musste sein.

Und als wir uns dann zum ersten Mal tagsüber nur platonisch trafen, war es gar nicht komisch. Da war nichts von Scham oder schlechtem Gewissen zu spüren. Okay, ich fühlte mich immer noch zu dir hingezogen, fand dich immer noch attraktiv. Aber ich konnte die Finger von dir lassen. Und so blieb es also zwischen uns ganz platonisch. Und ich fand es gut so, wir verstanden uns nach wie vor gut und ich dachte mir: Hey, es klappt doch ganz gut mit uns als Freunde. Wir schrieben nach dem Treffen schnell wieder miteinander, so gut wie täglich. Ich fand das schön, wunderte mich aber, ob das normal ist. Schreibt man mit einem gewöhnlichen Freund täglich? Mit anderen Freunden habe ich viel seltener Kontakt vielleicht alle paar Wochen oder sogar nur einmal im Monat. Irgendwie war es zwischen uns doch etwas anders. Ich genoss es trotzdem und freute mich über jede deiner Nachrichten.

Doch nach unserem zweiten freundschaftlichen Treffen kam keine Antwort. Ich war es gewohnt, dass du mir regelmäßig geschrieben hattest. Immerhin hast du nie lange gezögert mir zu schreiben. Nur fünf Tage brauchtest du, um nach unserem ersten nur platonischen Treffen wieder Kontakt aufzunehmen. Doch dieses Mal war es anders. Und ich frage mich: Warum? Hatte ich etwas falsch gemacht? Wartest du darauf, dass ich dir schreibe? Ich drehte und wendete alle Details in meinem Kopf, immer in der Hoffnung und darauf wartend, dass endlich mal dein Name wieder auf meinem Handybildschirm erschien. Doch nichts geschah.

Du gehst mir nicht aus dem Kopf

Immer und immer wieder reflektierte ich über unser letztes Treffen. Sammelte Hinweise auf dein verändertes Verhalten. Das letzte, was mir sehr prägnant im Gedächtnis blieb, waren deine letzten Worte, als wir uns verabschiedeten, ohne uns zu umarmen: „Wir bleiben lieber auf Distanz.“ Kurz davor sahen wir uns doch ziemlich lange in die Augen, unfähig etwas zu sagen. Im Hintergrund sah ich schon meine Bahn kommen, die ich noch unbedingt erwischen wollte. Doch diese letzten Worte machten das, was zwischen uns irgendwo in der Luft war, wieder zunichte. Falls es denn da überhaupt etwas gegeben hatte. Verschämt und verunsichert lächelnd stimmte ich dir zu, aus Reflex. Schließlich dachte ich, dass du mich nur nicht umarmen wolltest, wegen des Coronavirus. Das hätte ich absolut verstanden, dass wir uns nicht berühren, weil wir uns nicht gegenseitig anstecken und gefährden wollten.

Aber im Nachhinein fragte ich mich, ob es nicht noch eine tiefere Bedeutung hatten. Vor allem nachdem ich dann Tage später immer noch nichts von dir gehört habe: „Wir bleiben besser auf Distanz.“ Vielleicht meintest du es auf verschiedenen Ebenen. Nicht nur, dass wir uns eben nicht zum Abschied umarmen. Vielleicht hattest du gespürt, dass da etwas zwischen uns ist, mehr als nur Freundschaft, aber auch weniger als Liebe. Irgendetwas Undefinierbares. Doch du wolltest es nicht zulassen, wolltest es vielleicht verdrängen und dich nicht dazu hinreißen lassen, dass wieder mehr aus uns beiden wird. Bist du deswegen auf Distanz gegangen? Weil du nicht mehr Nähe wolltest? Oder weil du es schon gerne gehabt hättest, aber es nicht konntest? Oder war es im Endeffekt nicht auch so gemeint, dass du generell Abstand von mir halten willst? Mir nicht mehr schreiben und mich nicht mehr treffen willst? Vielleicht interpretiere ich da auch einfach viel zu viel hinein. Am Ende ging es wahrscheinlich nur um das Kontaktverbot wegen Corona. Aber vielleicht ging es auch um mehr. Ich werde es wohl nie erfahren.

Doch danach herrschte Funkstille zwischen uns. Täglich schaute ich nach, ob du mir doch nicht geschrieben hast. Oder ob ich vielleicht deine Nachricht überlesen oder nicht bekommen hatte. Wie eine Wahnsinnige checkte ich ab, ob sich etwas bei dir oder deinem Tinderprofil änderte, ob du gerade noch in Magdeburg bist oder doch wieder woanders. Das war schon ein bisschen wahnsinnig, als wäre ich eine Stalkerin. Und so wurde aus Tagen Wochen, bis ich diese Ungewissheit nicht mehr aushielt und dir schreiben musste. Ich dachte mir: Vielleicht wartest du ja doch darauf, dass ich dir schreibe. Schließlich warst du derjenige, der als letztes antwortete. Echt kindisch, dieser Gedanke, als ob wir ein dämliches Spiel spielen würden. Wir sind doch nicht mehr im Kindergarten. Aber ich konnte eben nicht anders. Ich hätte es besser lassen sollen.

Unglücklich verliebt

Denn später wurde mir das Herz gebrochen. Du hattest ein anderes Mädchen kennengelernt. Und ihr habt euch nicht nur einfach getroffen, sondern habt euch zum „Film schauen“ verabredet. Ich konnte es nicht fassen: Enttäuschung, Eifersucht, Wut und noch mehr erfüllten mich plötzlich. Wie konntest du das nur tun?

Der Gedanke daran, wie du mit einer anderen das machst, was du mit mir gemacht hast. Wie du mit ihr intim wirst, sie küsst, streichelst, umarmst und mit ihr schläfst – das macht mich wahnsinnig eifersüchtig. Es macht mich wütend und es verletzt mich so sehr. Ich schrieb dir: „Ist es nicht gefährlich, gerade in dieser Zeit mit jemanden intim zu werden?“ Und du meintest: „Ungefährlich ist es nicht, aber die Alternative wäre, auf lange Zeit nicht intim zu werden. Dann treffe ich mich lieber nur mit ihr und bleibe ansonsten isoliert.“

Und das war es, was mich total zum Ausrasten brachte: Wie kann es sein, dass du mich nicht umarmst und auf Abstand gehst, wo wir uns doch länger kennen und du mit einer fast Unbekannten gleich intim wirst? Wie kannst du blöden Sex über eine Freundschaft stellen? Das ist es, was mich so verletzt und wütend gemacht hatte. Ich fühlte mich unwichtig. Ich hatte schon überlegt dir ins Gesicht zu pfeffern: „Tss, ich hatte 18 Jahre nie jemanden, mit dem ich intim geworden bin, also erzähl mir nichts von zu lange ohne Sex auskommen!“ Aber die Schnapsidee verwarf ich doch schnell.

Es ist so dämlich, dass ich mich darüber aufrege. Eigentlich habe ich überhaupt gar kein Recht dazu. Wir sind nur Freunde, nicht mehr und nicht weniger. Und ich habe einen wundervollen Freund, mit dem ich verlobt bin. Ich liebe meinen Freund. Aber warum bin ich trotzdem in dich verliebt und kann dich nicht vergessen? Und warum kann ich dich trotz zwei Wochen Funkstille immer noch nicht vergessen?


Ich werde dich einfach vergessen

Danach wollte ich möglichst nur Abstand von dir haben, weil ich merkte, dass ich einfach nur unglücklich in dich verliebt bin. Ich schrieb dir einfach nicht mehr zurück. Und ich versuchte dich einfach zu vergessen. Ich versuchte alles Mögliche. Suchte sogar im Internet nach dämlichen Tipps, um dich endlich aus meinem Kopf zu bekommen. Ja, Abstand halten, war der beste Tipp. Aber wie soll ich das tun, wenn ich dir doch so gerne schreibe? Ich hörte bestimmte Lieder, in denen es um Herzschmerz und Vergessen ging. Ich schürte meine Wut, wünschte mir, dass es zwischen dir und dieser Neuen nicht klappen würde. Ja, Wut war genau das Richtige, ich brauchte das, um von dir loszuwerden. Doch ich fühlte mich auch schuldig: Du hattest nichts falsch gemacht. Du hast das nicht verdient, dass ich dich so behandle. Eigentlich bist du ein total lieber Mensch, den ich nicht verletzen will.

Zwischenzeitlich wurde es besser. Ich konnte mich durch Arbeit, Spiele und Bücher gut ablenken. Zwischendurch tinderte ich noch ein wenig, immer auf der Suche nach jemand Besseren als dich. Yes! Das stärkte mein Selbstbewusstsein, wenn ich wieder einen Match hatte. Aber so richtig weg warst du in meinen Gedanken trotzdem nicht.

Dann kam irgendwann doch mal eine Nachricht von dir, ich hatte es befürchtet. Du fragtest nur: Hey, alles gut? Warst du etwa besorgt um mich, weil ich mich nicht sofort meldete? Schon irgendwie süß. Aber damit machst du es mir nur schwerer, nicht mehr in dich verliebt zu sein.

Ich überlegte, was ich dir am besten schreiben sollte. „Hey sorry, ich bin in dich verliebt und versuche mich gerade zu entlieben, in dem ich dich ignoriere?“ Das geht ja schlecht, ist auch nicht die feine Art. Sollte ich vielleicht meinen Freund als Vorwand nehmen? „Mein Freund will nicht, dass wir weiter so viel Kontakt miteinander haben. Auch blöd irgendwie. Ich wollte einfach nur Abstand haben, es musste ja nicht so klingen, als ob es an ihm liegen würde: Hey, ich brauche jetzt einfach Zeit für mich und werde mich deswegen zurückziehen. Mach dir keine Gedanken. Ich melde mich, wenn es mir besser geht.“ Du schriebst komischerweise sofort zurück: „Okay...“

Ich brauche Abstand von dir

Jetzt kann ich endlich einen Schlussstrich ziehen. Abstand halten ist der erste Schritt zum Entliehen. Hoffentlich. Ich will dich aber nicht ganz verlieren als Freund. Aber momentan geht es einfach nicht so mit uns weiter. Nicht, wenn ich immer noch so für dich empfinde. Doch wie wird es sein, wenn wir uns nach Monaten wiedersehen? Werden die Gefühle wieder da sein?

Aber vielleicht hilft es mir, dich zu vergessen oder zumindest alles rationaler zu sehen, wenn wir Abstand zueinander halten. Vielleicht merke ich, dass das alles nur irrational war. Denn verlieben ist nun mal nicht zu erklären. Ich möchte nicht mehr an dich denken, ich will dich einfach nur vergessen. Jetzt ist Zeit, sich um andere Dinge zu kümmern. Und ich will mehr Zeit mit meinem Freund verbringen. Den, den ich wirklich liebe und mit dem ich zusammen sein will. Eigentlich will ich gar nicht mit dir zusammen sein. Vielleicht würden wir zueinander passen. Aber du willst nichts Ernstes, hattest nie eine Beziehung. Das würde zwischen uns nicht funktionieren. Und eigentlich kenne ich dich doch gar nicht so gut. Und wenn wir uns beide richtig kennenlernen würden, all unsere Abgründe offenbaren würden, ich glaube nicht, dass wir uns so lieben könnten.

Freundschaft mit Anziehung klappt nicht

Und wenn ich eins gelernt habe, dann das: Man kann schwer mit jemanden nur befreundet sein, mit dem man etwas hatte. Und in den man verliebt war oder ist. Es ist nicht unmöglich, aber verdammt schwer. Das kann auf lange Sicht nicht gut gehen. Einer von den beiden wird sich neu verlieben und einen anderen Partner haben. Und dann ist einer immer der Angearschte und Unglückliche.

Was hatte ich mir auch von dieser Freundschaft erhofft? Ich bin selbst dran schuld. Ich hatte diese Freundschaft Plus Sache zwischen uns beendet, wollte nur Freunde bleiben. Und doch wollte ich mehr. Warum freute ich mich so viel mehr, dich zu sehen, als alle meine anderen Freunde? Ich liebe dieses Verliebtsein, es ist ein schönes Gefühl. Aber es muss aufhören. Ich muss loslassen. Sonst können wir keine Freunde mehr sein. Vielleicht können wir uns eines Tages wiedersehen und es wird alles wie vorher. Einfach nur ganz normale Freunde sein.


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