Obwohl
ich genug Freunde habe, scheint Wichtiges etwas zu fehlen.
Freundschaften wie zu Schulzeiten vermisse ich sehr. Ich habe das
Gefühl, dass meinen heutigen Freundschaften an Tiefe fehlt. Doch
woran liegt das?
Eigentlich
darf ich nicht meckern. Ich habe einen tollen Partner, einige enge
Freunde und auch noch mehr „normale“ Freunde. Und doch schaue ich
mit Wehmut auf meine Schulzeit zurück. Damals konnte ich meine
Freunde nahezu täglich sehen. Wir waren immer zusammen, hatten einen
gemeinsamen Alltag. Wir sind durch Höhen und Tiefen der Schulzeit
gegangen. Und das hat uns sehr zusammengeschweißt. Ich vermisse das
alles: das gemeinsame Lernen, die gemeinsamen Pausen, das Witzeln und
Spaß haben, die Treffen nach der Schule, wenn wir uns erzählt
haben, was wir den Abend davor gemacht haben, das tägliche
Austauschen. All das. Es wird nie wieder zurück kommen.
Und
dann ist da noch eine Freundin, die damals viele Jahre meine beste
Freundin war. Wir kannten uns seit der Grundschule, sie war meine
erste richtige Freundin. Ich war damals verschlossener, schüchterner
und introvertierter als jetzt. Aber sie schaffte es, zu mir hindurch
zu dringen. Wir sind wirklich durch dick und dünn gegangen, haben
viel Mist miteinander erlebt. Wir haben viel zusammen gelacht,
geweint, Geheimnisse geteilt, waren immer füreinander da. Bis wir
uns schließlich auseinanderlebten. Heute sehen wir uns noch seltener
als meine anderen Schulfreunde und ich.
Ich
habe zwar immer noch Kontakt zu meinen Schulfreunden, aber natürlich
nicht mehr so intensiv wie damals. Einige sind woanders hingezogen,
viele andere sind in meiner Heimatstadt geblieben oder zurückgekehrt.
Wir treffen uns nur noch einige Male im Jahr. Immer wieder kommt es
dazwischen. Aber wenn wir es doch schaffen, ist die Freude groß: Es
ist jedes Mal so, als ob nie Zeit zwischen unseren Treffen vergangen
ist. Wir reden über alte Zeiten, erzählen uns, was es Neues im
eigenen Leben gibt. Gesprächsstoff ist auf alle Fälle genug da.
Doch sobald wir uns dann voneinander trennen, herrscht doch lange
Funkstille. Bis wir uns wieder zu einem Treffen verabreden.
Sind
wir Freunde oder doch nur Bekannte?
Und
dann gibt es noch die anderen Freunde, die ich in Magdeburg
kennengelernt habe. Manche kenne ich schon länger, andere erst seit
einer kurzen Zeit. Aber sie sind mir alle ans Herz gewachsen. Ich mag
sie alle wirklich sehr. Und doch zweifle ich manchmal daran, ob sie
dasselbe für mich empfinden. Schließlich bin ich meist die einzige,
die den Kontakt sucht. Gut, das ist nicht nur bei meinen „neuen“
Freunden so, sondern auch bei den „alten“ Freunden. Aber das ist
ein Thema für sich. Ich bin mir eigentlich nicht so sicher, ob sie
mich auch als Freunde ansehen. Manche sicherlich schon, doch bei
anderen weiß ich es nicht genau. Aber ich traue mich auch nicht zu
fragen: „Sind wir eigentlich Freunde oder nur Bekannte?“ Das
würde schon arg komisch kommen und für eine seltsame Stimmung
sorgen.
Nun
ist das nicht meine einzige Sorge: Bei vielen Freunden fehlt etwas
zwischen uns. Es fehlt Tiefe und eine Verbundenheit, all das, was
meine alten Freundschaften ausmacht. Dabei scheint vieles zu stimmen:
Wir verstehen uns gut, ich kann bei ihnen sein wie ich bin, vertraue
ihnen auch mal etwas an. Wenn wir uns treffen, haben wir eine gute
Zeit miteinander, haben immer Gesprächsthemen, lachen viel
miteinander. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass da etwas
fehlt. Manchmal kommen sie mir so oberflächlich vor, ich weiß eigentlich gar nicht so viel von ihnen, habe kaum eine Ahnung, wie ihr Alltag ist. Da ist kaum ein Gefühl von Vertrautheit oder Verbundenheit. Bei einigen wage ich es nicht einmal, etwas Tiefgründigeres anzusprechen. Doch woran liegt das?
Warum
fehlt Tiefe in Freundschaften?
Die
Gründe liegen eigentlich schon auf der Hand: Ich habe mit ihnen
keine gemeinsame Vergangenheit, wir kennen uns teilweise nicht einmal
so lange. Wir haben keine Hindernisse bewältigt, haben keine
Probleme durchgestanden. Es gab bisher kaum Situationen, in denen ich
Trost brauchte und deswegen ihre Nähe suchte. Weil mein Leben
derzeit einfach so gut läuft, ohne große Schwierigkeiten. Das ist
ja eigentlich gut.
Zum
anderen kennen wir uns eben natürlich nicht so lang. Einige kenne
ich seit paar Jahren. Doch habe ich das Gefühl, dass ich sie
vielleicht nicht wirklich kenne. Ich habe sie immer nur privat
getroffen, habe keinen gemeinsamen Alltag mit ihnen. Das muss
allerdings nicht bedeuten, dass man sich deswegen weniger nah ist.
Noch
viel schwerer wiegt dann eher der dritte Grund: Wir sehen uns zu
wenig und haben auch zu wenig Kontakt. Und da bin ich wahrscheinlich
auch etwas Schuld daran. Ich bin ständig beschäftigt und am
Wochenende auch immer unterwegs. Immer mal mit wem anders. Inzwischen
habe ich für meine Verhältnisse und als introvertierte Person doch
viele Freunde. Und die möchte Freundschaften möchte ich gerne
pflegen. Aber meine Zeit ist eben auch begrenzt. Und wenn ich
möglichst alle mal regelmäßig sehen möchte, schaffe ich es auch
nicht, mit intensiv auf einen Freund einzulassen.
Und
das ist der große Knackpunkt: Meine Freundschaften gehen deswegen
nicht in die Tiefe, weil sie in die Breite gehen. Früher dachte ich
mir: Lieber weniger Freunde, dafür aber enge. Früher hatte ich
wesentlich weniger Freunde, dafür fühlte ich mich ihnen sehr
verbunden. Es sind enge Freunde, die mich viele Jahre auf meinem
Lebensweg begleitet haben und mit denen ich viel erlebt habe.
Ich
habe das Gefühl, dass Freundschaften während der Kindheit und
Jugend einfach am innigsten sind. Eben weil vor allem die Pubertät
eine prägende und wechselhafte Phase ist, in der wir uns selbst
finden und viele Herausforderungen bestehen. Natürlich ist auch das
Erwachsenendasein mit Hindernissen verbunden. Aber ich habe das
Gefühl, dass es weniger emotional und turbulent zugeht als noch in
der Jugend.
Inzwischen
hat sich das doch deutlich geändert. Ich bin erwachsen, scheine
meine Freunde nicht mehr so zu brauchen wie damals. Und vielleicht
hat sich meine Vorstellung von Freundschaft auch geändert, viel
liegt es an mir selbst. Ich nehme mir vor, jedes Wochenende etwas
draußen zu machen. Und dann frage ich mich: Mit wem könnte ich das
machen. Die Aktivitäten scheinen eher im Vordergrund zu stehen, als
die Personen, mit denen ich Zeit verbringe. Es gibt Freunde in meiner
Gegend, mit denen ich mich schon besser verstehe. Und mit denen
möchte ich mich auch öfter treffen.
Öfter
treffen heißt für mich eigentlich nur: Einmal im Monat. Ich
unternehme nur einmal bis zwei Mal die Woche etwas mit Freunden.
Einfach weil ich zu mehr keine Zeit habe. Meine ganze Woche ist voll
mit anderen Sachen: Hobbys, Ehrenamt, meinen Freund, Haushalt, Sport
und andere Projekte. Da bin ich froh, ganz spät abends noch Zeit für
mich zu haben.
Dann
gibt es Freunde, die sehe ich nicht einmal im Monat, wenn es
hochkommt alle 2 bis 3 Monate. Klar, dass da keine engere Verbindung
entstehen kann. Zumal ich zwischendurch wenig Kontakt zu ihnen habe.
Zu
viele Freunde sind das Problem
Das
Problem ist also, dass ich zu viele Freunde habe. Und dass ich
scheinbar die Aktivitäten, die ich vorhabe, über die Personen
stelle. Wenn der eine mal nicht kann, frage ich eben wen anders.
Nicht verwerflich, schließlich will ich nicht am Ende allein Zuhause
bleiben. Aber manchmal finde ich diese Denkweise doch fragwürdig: Es
fühlt sich an, als könnte ich einfach beliebig Leute austauschen,
es ist egal, mit wem ich was mache, hauptsache ich mache überhaupt
etwas. Und so scheinen die Freundschaften bei mir also nicht so sehr
im Fokus zu stehen. Wobei momentan kann man nicht viel unternehmen,
da bleibt fast nur spazieren gehen. Insofern hat sich das schon
geändert.
Doch
zurück zu der fehlenden Tiefe in Freundschaften: Wenn ich jemanden
nur einmal im Monat sehe, ist das einfach zu wenig, um etwas Tieferes
zu entwickeln. Also was dagegen tun? Einfach öfter treffen! Aber das
ist eben auch ein Problem. Ich habe zu viele Freunde, mit denen ich
mich gern treffe. Tja, dann heißt es: Einfach mal Prioritäten
setzen. Das hatte ich schon mal getan: Ich habe mir vorgenommen, die
Freunde öfter zu sehen, mit denen ich vertrauter bin und mit denen
ich gerne enger befreundet wäre.
Auch
wenn ich mir das vornehme, klappt das eben nicht immer. Manchmal
kommt etwas dazwischen oder sie haben von vornherein einfach keine
Zeit. Und so vergeht wieder viel Zeit, bis wir uns wiedersehen.
Mehr
Kontakt zueinander?
Ich
könnte zur Überbrückung einfach mehr mit ihnen schreiben. Das ist
zwar nicht das gleiche, aber zumindest wären wir in Kontakt
miteinander. Aber dann fürchte ich, dass uns der Gesprächsstoff
fürs nächste Mal ausgehen würde. Total unbegründet, es passiert
bestimmt noch genug anderes. Aber das wäre eine gute Möglichkeit,
um den Alltag des anderen zu teilen. Vieles geht ja doch über die
Wochen verloren, bis man sich sieht. Und wenn ich dann frage: Was
gibt es Neues? Dann fällt den meisten so schnell nichts ein. Es ist
zu viel Zeit vergangen. Doch wenn ich öfter Kontakt hätte, jede
Woche beispielsweise, könnten wir uns über unser Leben öfter
austauschen. Und uns würde weniger entfallen. Ich denke, das schafft
auch auf Distanz mehr Intimität.
Doch
im Alltag geht doch zu viel unter, man vergisst, sich zu melden und
schon ist wieder viel Zeit vergangen. Das kenne ich von anderen und
von mir zu geht. Aber wenn es mir wichtig genug ist, werde ich auch
daran denken.
Sich
öfter zu treffen, wäre eigentlich eine echte Maßnahme. Aber
irgendwie behagt es mir nicht, meine Freunde zu fragen, ob wir uns
öfter sehen wollen. Dahinter stecken einige Sorgen: Haben wir dann
überhaupt genug zu reden? Ist das nicht zu viel für den anderen?
Fühlt derjenige sich bedrängt? Will der andere sich überhaupt so
schnell wieder mit mir treffen? Da sind Selbstzweifel und auch
Zweifel an der Freundschaft mit dabei.
Aber
was mich am meisten daran stört ist: Ich bin eigentlich damit
zufrieden, wenn ich Freunde nur einmal im Monat sehe. Ich brauche den
anderen nicht öfter zu sehen, mir reicht es, wenn wir uns einmal im
Monat sehen. Es ist nicht so, dass ich meine Freunde sonderlich
vermisse und mich unbedingt so schnell wie es geht wieder treffen
will. Ich denke, es gibt auch auf meiner Seite einfach nicht noch
mehr Redebedarf. Wenn wir uns einmal getroffen habe, haben wir uns
genug ausgetauscht. Wofür sich noch öfter treffen? Diese Gedanken
erschrecken mich selbst: Ich will doch eigentlich eine engere
Freundschaft, aber eigentlich tue ich dafür selbst nichts.
Vielleicht will ich es doch nicht so sehr? Ich denke mir manchmal
selbst, dass es okay ist, wenn wir immer etwa vier Wochen vergehen
lassen, bis wir uns sehen. Ich sorge also indirekt selbst dafür,
dass zwischen uns Distanz da ist, dass wir uns nicht zu nahe kommen.
Doch
ich kann nicht wissen, wie es dem anderen geht. Ich kann nur
vermuten. Besser wäre es, wenn ich das direkt mal anspreche und
Klarheit schaffe. „Ich wäre gerne enger mit dir befreundet oder
würde dich gerne öfter mal sehen. Wäre das für dich okay und
möchtest du das auch?
Die
Frage ist aber: Will ich das? Es würde bedeuten, dass ich in anderen
Bereichen weniger Zeit habe und dass ich weniger Zeit mit anderen
Freunden verbringe. Ich müsste meine Freundesliste ausmisten. Mich
wirklich nur noch mit engen Freunden treffen und den Rest seltener
bis gar nicht sehen. Und da ist wieder ein Dilemma: Ich will am
liebsten alles, auf nichts verzichten. Aber um intensivere
Freundschaften zu pflegen, muss ich doch auf anderes verzichten. Ich
kann nicht alles haben. Bin ich also bereit, auf etwas zu verzichten?
Tipps
für mehr Tiefe
Oder
geht es vielleicht auch anders? Vielleicht wäre es auch möglich,
die begrenzte, gemeinsame Zeit intensiver zu verbringen? Ich könnte
mehr Fragen stellen, die in die Tiefe gehen: Was sind deine Träume
und Hoffnungen? Was liebst du? Wie geht es dir wirklich? Bist du
glücklich? Da gibt es noch viele weitere gute Fragen, die zum
Nachdenken anregen und mit denen wir uns besser kennenlernen würden.
Ich könnte mich dem anderen mehr öffnen, mehr aus meinem Leben
erzählen, auch Geheimnisse teilen. Wir könnten verrückte Sachen
unternehmen, die uns wieder neue Seiten an dem anderen entdecken
lassen. Besondere Aktivitäten und Erlebnisse schweißen einen noch
mehr zusammen. Vielleicht könnte man auch mehr gemeinsame Hobbys
finden, zusammen ehrenamtlich aktiv sein, einem Verein beitreten oder
etwas anderes öfter zusammen machen, was uns beiden Spaß macht.
Oder wenn man sich nicht so oft sieht, vielleicht mehr miteinander
telefonieren? Ich denke, dass das noch mehr zusammenbringen würde,
als nur bloß miteinander schreiben. Mehr mal auch über Probleme reden oder etwas, was einen im Innersten bewegt.
All das zeigt mir, dass Freundschaften nicht von alleine laufen. So wie auch Beziehungen, müssen auch Freundschaften gepflegt werden. Sie entwickeln sich nicht von allein weiter, ich muss etwas tun, muss Initiative zeigen. Aber vor allem muss ich ihnen trotzdem Zeit geben. Eine Freundschaft wird nicht schlagartig besser und tiefer werden. Das muss mit der Zeit.
Das
sind alles Möglichkeiten, um mich meinen Freunden näher zu fühlen. Doch es liegt an mir, sie auch zu nutzen.
Vielleicht bin ich am Ende aber doch zufrieden, so wie es ist. Oder
vielleicht auch einfach zu bequem, etwas zu ändern.
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