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Warum manchmal lügen in Ordnung ist



Ehrlichkeit und die Wahrheit sagen sind zwei Dinge, die jeder von uns schätzt und die von der Gesellschaft immer wieder gefordert werden. Aber gleichzeitig scheinen wir öfter zu lügen, als uns lieb ist. Woran liegt das? Und muss es immer Ehrlichkeit und Wahrheit um jeden Preis sein?


Wir wollen, dass andere Menschen ehrlich zu uns sind, wir wollen anderen vertrauen und gehen meist davon aus, dass uns andere die Wahrheit sagen. Doch wir selbst nehmen es vielleicht nicht immer so genau damit: Bis zu 200 Mal sollen wir laut einer Studie angeblich pro Tag lügen. Ob das wirklich stimmt, sei mal dahingestellt. Jedenfalls scheinen wir öfter zu lügen, als wir es gerne zugeben wollen. Dabei sind die meisten Lügen nicht einmal so gravierend, haben meist keine großen Folgen. Doch es bleibt dabei: Wir sind öfter mal am Tag nicht ganz so ehrlich zu anderen und vielleicht auch nicht zu uns selbst.


Was ist eigentlich die Wahrheit und Ehrlichkeit?

Oftmals setzen wir beides miteinander, aber beide sind keine Synonyme.

Die Wahrheit ist, wenn das, was wir sagen auch mit dem übereinstimmt, was faktisch ist. Also Aussagen, die wir in der Realität auch bestätigen können. Wenn wir über Gefühle, Gedanken, Erlebnisse, Erfahrungen, Fakten, Erinnerungen und mehr sprechen und das Gesagte darüber wirklich stimmt und dem nicht entgegensteht. "Wahr" als Adjektiv kann auch mit "echt", "richtig" und "authentisch" assoziiert werden. Wenn etwas wahr ist, dann ist es echt und richtig, es stimmt mit den Fakten überein.

Was bedeutet Ehrlichkeit? Ehrlich ist für mich jemand, der etwas sagt, was stimmig, richtig und echt ist. Er spielt nicht etwas vor, verheimlicht etwas nicht, er sagt wirklich das, was er denkt und auch meint. Für mich ist jemand ehrlich, der nichts verbirgt und auch nichts Unwahres sagt, also nicht lügt. Insofern hängen Ehrlichkeit und Wahrheit auch wirklich zusammen. Für mich ist Ehrlichkeit eine wichtige Eigenschaft. Aber ist jemand unehrlich, nur weil er mal nicht die Wahrheit sagt und etwas verbirgt? Denn dann gibt es eigentlich keine ehrlichen Menschen, denn jeder lügt einmal, das ist gewiss. Perfektion gibt es nicht, wir Menschen sind eben auch fehlerhaft beziehungsweise die einzigen Lebewesen, die eben auch mal lügen, mal aus guten und am aus nicht guten Gründen. Für mich zählt jemand als ehrlich, wenn er zumindest meist die Wahrheit sagt und nicht ständig lügt. Letzteren würde ich eher als unehrlich bezeichnen. Oder manchmal können auch ehrliche Menschen unehrlich sein.

Meist gibt es für uns nur diese zwei extremen Pole: Wahrheit oder Lüge. Dazwischen gibt es für die meisten nichts. Allerdings ist es nicht s einfach, denn es gibt zwischen beide noch etliche Grautöne. Lügen meint meist, dass wir Informationen verfälschen, also wir sagen etwas anderes und geben das als Wahrheit vor. Es gibt aber auch die Art von Lügen, bei der wir einfach Informationen bewusst weglassen.


Warum lügen wir?

Meist sind es nicht einmal Böswilligkeiten, wir wollen anderen nicht schaden oder sie verletzen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Meist wollen wir damit andere schützen, oftmals auch einfach uns selbst.

Wir lügen öfter mal aus Höflichkeit. Da fragt die Freundin, ob ihr das Kleid steht. Eigentlich passt es so gar nicht zu ihr, aber sie scheint es richtig zu mögen. Anstatt ihr also zu sagen, dass sie das Kleid lieber nicht tragen sollen, sagen wir: „Es steht dir richtig gut, das solltest du nehmen.“ Wir wollen höflich sein, wir befürchten ansonsten, den sozialen Frieden, die Harmonie zu stören, wenn wir ehrlich sind. Wir wollen mit unserer Meinung den anderen nicht verletzen, nicht in eine ungünstige Lage bringen. Wir wollen dem anderen einen Gefallen tun, ihm oder ihr schmeicheln. Eigentlich wollen wir uns dann auch selbst schützen, weil wir uns vor Konflikten und Auseinandersetzungen bewahren.

Solche Höflichkeitslügen oder auch Gelegenheitslügen kommen vermutlich sehr oft vor. Diese Lügen, auch prosoziale Lügen genannt, unterstützen den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Wir brauchen solche Lügen, damit unser Miteinander funktioniert. Sie machen den Großteil unserer Unwahrheiten aus.

Ein anderer Fall wäre folgender: Wenn wir gefragt werden, wie es uns geht und wir dann sagen, dass es uns gut geht. Aber eigentlich fühlen wir uns schlecht, sind in einer Krise. Trotzdem rücken wir nicht mit der Wahrheit raus. Das wäre für mich ein klassischer Fall einer Lüge zum Selbstschutz. Wir vermeiden dadurch nervige Nachfragen, wir wollen das lieber für uns behalten, nicht darüber reden oder wollen anderen auch nicht zur Last fallen, weil sie sich ansonsten Sorgen machen. Insofern lügen wir dann nicht nur um uns zu schützen, sondern auch um andere zu beschützen.

Allerdings lügen manche Menschen tatsächlich auch, um anderen Menschen zu schaden. Wir sagen, wir hätten etwas gemacht, nur um dem anderen eins auszuwischen und ihn zu verletzen. Das sind für mich dann wirklich die „bösen“ Lügen, die wirklich nicht sein müssen. Oder manche lügen auch, um andere auszutricksen, um sie zu manipulieren, um einen Nutzen daraus zu ziehen.

Manche Menschen erzählen auch einfach Unwahrheiten, weil sie in den Augen anderer besser darstellen wollen. Wenn sie Geschichten erfinden, um ein spannendes Leben vorzugaukeln. Wenn sie vorgeben, sie hätten 100 Liebespartner gehabt, um anzugeben. Das sind zwar nicht unbedingt gute Lügen, es wäre besser, sie nicht auszusprechen. Aber sie schaden in dem Sinne niemanden, im Gegenteil, sie bringen uns Nutzen. Hier würde ich schon von einer Grauzone sprechen, diese Art von Lügen sehe ich als ambivalent an. Wenn wir dadurch nämlich dann etwas bekommen, sei es nur Anerkennung, Respekt oder Wertschätzung, dann wäre das nicht gerechtfertigt. In dem Sinne täuschen und betrügen wir andere, um etwas zu bekommen, was wir nicht verdient haben. Diese Lügen haben das Potenzial, andere zu beeinflussen und zu manipulieren. Darum sehe ich sie auch als kritisch an.

Je nachdem, welche Intention hinter den Lügen steckt, kann man also zwischen „gute“ und „schlechte“ Lügen unterscheiden. Doch manche Lügen sind eben nicht ganz so eindeutig einzuordnen, sie sind irgendwo in der Mitte, in der Grauzone, zu finden. Ein klassisches Beispiel wäre für mich: Man betrügt den Partner mit der Affäre und verheimlicht das dem anderen. Damit behält man die Wahrheit für sich, belügt aber den anderen trotzdem irgendwie.

In erster Linie wollen wir uns selbst schützen, damit es nicht zum Beziehungsende kommt oder weil wir ungestört weiter dieses Doppelleben fortführen wollen. Aber gleichermaßen wollen wir auch den eigenen Partner schützen, weil wir wissen, dass er damit nicht zurechtkommt und verletzt ist. Ich glaube, gerade bei solchen Fällen, ist es schwer zu entscheiden, was das Beste wäre. Die einen sagen, dass man die Wahrheit sagen und mit den Konsequenzen leben soll. Es wäre feige, einfach so weiter zu betrügen. Ehrlichkeit und Vertrauen sind das A und O in der Beziehung. Der andere hat es verdient, dass man ehrlich mit ihm ist. Andere wiederum sagen, man soll den Mund halten, selbst mit dem schlechten Gewissen klar kommen und den anderen nicht unnötig damit belasten. Schließlich würde es den anderen sehr verletzen und vielleicht würde er niemals mehr damit zurechtkommen. Vor allem dann, wenn die Affäre nichts bedeutet oder vielleicht schon längst vorbei ist.

Ich muss gestehen, ich verstehe beide Seiten, ich finde, dass es da für mich echt schwierig ist, die richtige Entscheidung zu treffen. Vielleicht gibt es auch nicht die richtige Entscheidung, es hängt immer vom individuellen Fall ab.


Muss es denn immer die nackte Wahrheit sein?

Ich bin der Ansicht, dass man Lügen nicht per se immer als schlecht werten sollte. Gelegenheitslügen sind schon recht wichtig, damit unser gesellschaftliches Leben miteinander funktioniert. Es ist zwar nicht schön, zu wissen, dass wir oftmals immer mal flunkern und schwindeln, aber meist sind das Dinge, die nicht so bedeutsam sind. Immer 100 Prozent die Wahrheit sagen, kommt eher nicht gut an. Es gibt viele Situationen, in denen es besser wäre, nicht die Wahrheit zu sagen oder zumindest die Klappe zu halten, anstatt ehrlich seine Meinung zu sagen. Wir müssen nicht immer unsere Meinung ehrlich sagen, wenn wir ahnen, dass es nicht gut ankommt, wir uns ins Abseits befördern, unbeliebt machen oder damit einen wunden Punkt treffen.

Öfter mal kann Ehrlichkeit auch sehr verletzen und das muss ja nicht sein. Manchmal gibt es vielleicht auch Dinge, die höher wiegen als Ehrlichkeit. Ehrlichkeit und Wahrheit um jeden Preis ist für mich kein Muss. Wir sollten uns von diesen Dogmen lösen und auch erkennen, dass nicht alle Lügen schlecht sind und wir Lügen nun auch mal brauchen. Stellt euch vor, wir würden ab sofort immer die Wahrheit sagen, bei jeder Kleinigkeit. Klingt erst einmal toll, aber ich wette, dass sehr schnell Beziehungen auseinander gehen und unser soziales Miteinander nicht mehr so friedlich verlaufen würde, weil wir uns alle in die Haare kriegen.

Oftmals kann es hilfreich sein, wenn wir eben nicht immer alles sagen, was wir denken und meinen. Nicht immer müssen andere alles wissen. Ansonsten könnten sie gekränkt oder verletzt sein. Wenn wir ehrlich sind, wollen wir nicht immer alles wissen und wollen auch nicht, dass andere sagen, was sie über uns denken. Wir wollen vielleicht auch belogen werden. Ein Beispiel wäre als mir meine Verwandten vor vielen Jahren sagten, dass ich dick geworden bin und dass das nicht schön ist. Damals war ich wirklich verletzt darüber und wünschte, sie hätten das nicht zu mir gesagt oder zumindest anders formuliert. Oder fändet ihr es schön, wenn jemand euch sagt, dass ihr in dem Kleid fett seid oder ganz schön alt ausseht? Oder dass das Essen nicht geschmeckt hat oder das Geschenk so gar nicht gefalle hat? Wie würdet ihr reagieren, wenn Freunde treffen absagen, weil sie sich nicht treffen wollen oder einfach keine Lust haben? Manche finden das gut, so ehrlich zu sein, aber viele wären wahrscheinlich einfach nur darüber verletzt. Ich denke, dass vor allem Ehrlichkeit im Sinne von, ich sage immer genau das, was mir in den Sinn kommt, gefährlich sein kann. Man sollte in der Hinsicht doch öfter mal überlegen, was und wie man etwas sagt. Und ob es denn wirklich notwendig ist, immer alles zu sagen.

Ich finde es zwar toll, dass einige Menschen immer das sagen, was sie wollen und denken. Sie stehen zu sich, sie bleiben sich treu, verbiegen sich nicht und wollen eben absolut ihr wahres Ich zeigen. Aber sie ecken eben damit immer wieder an. Und da finde ich, dass man einen Mittelweg finden sollte. Man sollte schon authentisch bleiben, zu seinen Ansichten stehen, aber es eben auch nicht übertreiben. Vor allem wenn es eben doch Kleinigkeiten sind, wäre es angenehmer, nicht immer alles ehrlich zu sagen. Bei größeren Geschichten und Probleme finde ich Ehrlichkeit und Authentizität schon wichtig.

Natürlich sollte die Wahrheit weiterhin als Wert beachtet und kultiviert werden. Ich möchte nicht immer davon ausgehen, dass andere Menschen mir etwas Falsches sagen. Allerdings denke ich, dass wir nicht immer 100 Prozent die Wahrheit sagen und ehrlich sein sollten. Bei wichtigen Dingen auf jeden Fall, aber auch da sollten wir unsere Worte und Taten bewusst wählen. Wie so oft, kommt es eben immer auf den Einzelfall an.


Quelle:
https://www.christian-morgenweck.com/arten-von-luegen/

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