Wir
standen uns damals so nah. Nichts konnte uns mehr voneinander
trennen. So viel haben wir zusammen durchgemacht. Doch inzwischen ist
alles anders. Das einstige Versprechen von damals, für immer beste
Freundinnen zu bleiben, scheint nur noch eine vage Erinnerung zu
sein, die immer mehr verblasst. Wie konnte das nur geschehen?
Ich
weiß noch, wie es damals mit uns beiden anfing. Ich war damals noch
noch verschlossener als ich es jetzt bin. Wagte es nicht, aus meinem
Schildkrötenpanzer hervorzukriechen, zu groß war die Angst, da
draußen verletzt zu werden. Stattdessen verkroch ich mich lieber in
meinem Zimmer und spielte Videospiele. So auch damals an diesem
schicksalshaften Sommertag. Du klingeltest bei mir, wollte mich aus
meiner Höhle herauslocken. Nur widerwillig stimmte ich zu, hörte
nur im Hintergrund meine Mutter sagen: „Na komm schon, es ist
draußen so schönes Wetter. Da kann es dir nicht schaden, mal
rauszugehen.“ Ich rollte damals die Augen, gab mir dann aber doch
einen Ruck und wagte den Schritt nach draußen.
Du
führtest mich hinaus in die Welt, hinaus in die schöne Natur, die
ich bis dahin so gemieden hatte. Wir erlebten da draußen kleine
Abenteuer, gingen auf Expedition in den Wald, kletterten auf Felsen
und Bäumen, badeten im Fluss. Und wir versuchten den Himmel zu
ergreifen, während wir schaukelten. Wir ermutigten uns gegenseitig
da draußen zu singen, nach Herzenslust. Das war so befreiend. Zum
ersten Mal erkannte ich, wie schön es doch ist, draußen zu sein und
die Welt zu entdecken. Da draußen spielte sich das wahre Leben ab.
Du hast mich aus meinem eigenen Gefängnis herausgeholt und dafür
bin ich dir noch heute dankbar. Du weißt gar nicht, wie viel mir das
damals bedeutet hatte.
Du
hast dich nicht entmutigen lassen, mich da rauszulocken. Du bist
stets dran geblieben, hast dich mir immer angenähert und nie locker
gelassen. Aus irgendeinem Grund suchtest du immer meine Nähe,
wolltest dich mit mir anfreunden. Anfangs fand ich es befremdlich,
ich war scheu und das nicht gewohnt, dass sich jemand für mich
interessierte. Da schwang immer ein bisschen Skepsis mit: Was will
sie denn von jemanden wie mir? Warum will sucht sie so sehr den
Kontakt? Erst später erfuhr ich von dir, dass du das Gefühl
hattest, dass wir beide kleine Außenseiter und Einzelgänger waren
und du dich mir dadurch verbunden fühltest. Irgendeiner von uns
beiden musste den ersten Schritt in die Freundschaft machen. Und das
warst eben du.
Ein Herz und eine Seele
Wir
waren unzertrennlich, ein Herz und eine Seele, wie man so schön
sagt. Täglich sahen wir uns in der Schule, hatten unendlich viel
miteinander zu bereden. Und am Wochenende verbrachten wir auch jede
Menge Zeit zusammen. Wir waren beste Freundinnen. Nichts musste ich
vor dir geheim halten, ich konnte dir alles erzählen, selbst meine
größten Ängste und Geheimnisse. Alles habe ich mit dir geteilt.
Und wir haben verdammt viel zusammen erlebt. Höhen und Tiefen. Wir
hatten Liebeskummer und heulten uns bei der anderen regelmäßig aus.
Wir gaben uns gegenseitig Halt, waren immer füreinander da, wenn wir
uns brauchten.
Ich
konnte mir ein Leben ohne dich gar nicht mehr vorstellen. Du warst
meine einzige und beste Freundin damals. Ich glaubte, niemand anderen
mehr zu brauchen, außer dich. Daraus entwickelte sich eine
Abhängigkeit. Ich wollte dich ganz für mich allein haben, war
eifersüchtig, wenn du dich mit anderen verstandest und lachen
konntest. Ich hatte Angst, dich zu verlieren, wenn ich dich nicht
noch fester an mich band.
Ich
wollte das alles so bleibt wie es ist. Das tat es aber nicht. Die
Zeiten ändern sich und so auch wir. Du lerntest andere Menschen
kennen, fandest Freunde in deiner Klasse. Ganz schleichend hattest du
dich verändert. Du gingst mehr aus dir heraus, fingst an, viel und
laut zu reden. Du gingst feiern mit Menschen, die ich nicht kannte.
Du lerntest so viele Jungs kennen und sammeltest deine ersten
Erfahrungen. Ich war immer noch dabei, fühlte mich aber aus deinem
Leben ausgeschlossen. Ich fühlte mich fehl am Platze, als ob ich da
nicht mehr so richtig hingehörte. Während du dich rasant
weiterentwickeln konntest, blieb ich auf der Stelle und fragte mich,
wo die Zeit geblieben ist. Ich war noch immer dieselbe, doch du eine
andere Person. Ich habe dich irgendwann nicht mehr wieder erkannt.
Und je mehr du dich verändertest, desto größer wurde die Distanz
zwischen uns beiden. Da war irgendwann keine richtige Verbindung mehr
zwischen uns, das fühlte ich. Ging es dir auch so? Hattest du das
gemerkt? Ich glaube, für dich machte es keinen Unterschied.
Eine andere beste Freundin
Doch
noch trauriger machte es mich, als du dann ein anderes Mädchen
fandest, das mich ersetzen sollte. Sie schien mehr auf deiner
Wellenlänge zu sein, ihr wart ein richtiges Power-Duo,
unzertrennlich und wie ein Herz und eine Seele. Ihr seid gemeinsam
zur Schule gegangen, ich dagegen war auf einer anderen und ihr
konntet euch jeden Tag sehen. Eure Bindung wurde immer stärker, doch
wir beide entfernten uns immer mehr voneinander. Als ich das merkte,
tat es mir sehr weh. Ich erinnerte mich an unser Versprechen, dass
wir für immer beste Freundinnen bleiben würden. Egal, was und wer
kommen mag. Doch das Versprechen konnten wir nicht halten. Es war
nicht unsere Schuld, es war der Lauf der Dinge.
e dich festzuhalten, doch du
warst wie ein Vogel, der in die Freiheit fliegen wollte. Um jeden
Preis. Ich konnte dich nicht an mich binden. Obwohl ich noch weiß,
wie du mir damals noch unter Tränen, während wir uns umarmten,
sagtest: „Du bist und bleibst meine Nummer eins“. Doch war
wirklich dran an diesen Worten? Konnte ich dir wirklich Glauben
schenken? Wenn ich doch spürte, dass es überhaupt nicht so war.
Entfremdung
Mit
der Zeit schien ich mich damit abzufinden, mehr oder weniger.
Irgendwann kam auch bei mir der Punkt, an dem ich mich veränderte.
Ich traute mich aus meinem Gefängnis, suchte den Kontakt zu anderen,
freundete mich mit anderen an. Und ich fand eine Freundin, die deinen
Platz einnehmen sollte. Es war aber nicht dasselbe und wird es auch
nie sein. Denn diese Freundin wohnte an einem anderen Ort, wir sahen
uns nicht so oft, hatten aber viel Kontakt. Trotzdem war da nie die
Nähe, die ich zwischen uns beiden spürte. So viele Jahre später
habe ich keine andere Freundin gefunden, mit der ich mich jemals so
verbunden fühlte wie mit dir. Du warst etwas Besonderes für mich.
Wir
trafen uns immer seltener, ich hatte meine Freunde und du deine. Es
gab inzwischen nicht mehr, was uns so richtig verbinden konnte. Es
schien so, als würden zwischen uns Welten liegen. Ich verstand dich
nicht mehr, verschloss mich dir gegenüber immer mehr. Du kannst
nichts dafür, aber für mich fehlte da einfach die Bindung und Nähe
von damals. Ich sprach immer weniger mit dir, verbarg Dinge vor dir,
unsere Gespräche, die damals noch so tief gingen, wurden immer
oberflächlicher. Bis wir uns nichts mehr zu sagen hatten.
Wir
versuchten einen zweiten Anlauf, die Freundschaft doch irgendwie zu
retten. In einem Brief schrieb ich dir all das, was mich damals
bewegte und was ich dir nie sagen konnte. Du warst gerührt und hast
mir versprochen, dass wir das wieder hinkriegen würden. Ich weiß,
dass du alles gegeben hast, damit es wieder gut zwischen uns wird.
Aber es hat nicht gereicht. Es war zu spät. Wir haben uns zu sehr
verändert, wir konnten nie wieder so sein wie früher. Und auch
unsere Freundschaft hatte sich geändert und würde nie wieder so
sein wie sie mal war. Das zu verkraften, fiel uns beiden verdammt
schwer. Noch heute tut es mir weh, wenn ich daran zurückdenke, was
wir mal waren und wie toll unsere Freundschaft war. Es war eine beste
Freundschaft, wie sie im Buche steht. Genau so wie es sich jeder
erhofft und erträumt im Leben. Umso mehr tut es weh, zu wissen, dass
diese besondere Freundschaft für immer verloren gegangen ist und nie
wieder kommen wird. Es ist ein Verlust, dem ich bis heute noch
nachtrauere. Die guten alten Zeiten sind vorbei. Ich sollte nicht
mehr trauern, sondern weitergehen. Das Leben geht auch ohne diese
Freundschaft weiter.
Was
ist heute aus unserer Freundschaft geblieben? Mit Erschrecken muss
ich feststellen: Fast gar nichts. Inzwischen wohnen wir an
verschiedenen Orten, haben unser eigenes Leben, an dem die andere
kaum mehr teilhaben an. Die wenigen Male im Jahr in denen wir uns
sehen, wirken so unwirklich. Jedes Mal, wenn ich wieder in meiner
Heimat bin, denke ich daran, dich mal wieder zu treffen. Doch um
ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich wirklich treffen will. Es
graut mir ein wenig davor, weil wir uns zu sehr verändert haben und
nichts mehr gemein haben. Da ist so ein tiefer Graben zwischen uns
entstanden, dass ich ehrlich zweifle, ob wir wirklich noch
miteinander befreundet sein können. Doch je mehr Zeit zwischen
unseren Treffen vergehen, desto mehr distanzieren wir uns
voneinander.
Aus Freundschaft wird Bekanntschaft
Ich
weiß inzwischen nicht mehr, was das zwischen uns ist. Eine
Freundschaft wohl kaum, dafür sehen wir uns zu selten und haben zu
wenig Kontakt. Das tut schon weh: Aus unserer einstigen besten
Freundschaft ist eine ganz gewöhnliche Bekanntschaft geworden.
Manchmal denke ich ernsthaft darüber nach, mich gar nicht mehr zu
melden, einen Schlussstrich zu ziehen. Was bringt uns das denn schon?
Aber dann kommen Zweifel und ein schlechtes Gewissen auf: Ich kann
doch nicht einfach den Kontakt abbrechen, es ist nichts Schlimmes
zwischen uns passiert. Wir haben uns nur voneinander entfremdet. Mehr
nicht. So richtig loslassen kann und will ich wohl nicht. Zu viel war
zwischen uns, zu viel haben wir gemeinsam erlebt. Es sind nur noch
die Erinnerungen an eine schöne Zeit, die uns noch verbinden. Hat
eine solche Beziehung überhaupt Zukunft, wenn sie nur noch aus der
Vergangenheit besteht? Würde ich dich heute neu kennenlernen, würde
ich in dir ganz sicher keine Person sehen, mit der ich befreundet
sein möchte. Aber es muss nicht einmal Kontakt abbrechen sein, man
könnte auch den Kontakt einfach auslaufen lassen, der irgendwann wie
Sand versiegt. Ohne, dass es beide so wirklich merken.
Ich
habe gelesen, dass es normal ist, dass Freundschaften kommen und
gehen. Viele Freundschaften haben eben ein Ablaufdatum und sind nur
für einen bestimmten Lebensbereich bestimmt. Es gibt Freunde aus der
Kindheit, aus der Studienzeit, die man irgendwann nicht mehr sieht.
Irgendwann verliert man den Kontakt und Bezug zueinander, weil es
nichts mehr gibt, was einen so wirklich verbindet. Das ist ganz
normal, schließlich verändern wir uns und auch unsere
Lebensumstände. Aber alles nicht schlimm, schließlich findet man
wieder neue Freunde, die einen ein Stück auf dem Lebensweg
begleiten.
Freundschaften fürs Leben
Doch
das widerspricht meiner Vorstellung von Freundschaft. Für mich sind
wahre Freundschaften solche, die Krisen und Lebensabschnitte
überstehen. Ich halte noch immer an Freundschaften fürs Leben fest.
Es mag naiv sein, daran zu glauben, aber ich will es so und mag
solche Freundschaften nicht aufgeben. Meine engsten Freunde sehe ich
nur noch selten, wir kennen uns noch aus Schultagen, wir haben nur ab
und zu Kontakt, aber wenn wir uns sehen, ist es wie früher. Als wäre
nie Zeit vergangen. Wir können uns immer noch alles erzählen und
sind uns nah. Das ist für mich wahre Freundschaft.
Also
was ist das jetzt nun zwischen dir und mir? Es ist keine wirkliche
Freundschaft mehr, nur noch eine Bekanntschaft, die wir mit Mühe und
Not aufrecht erhalten. Vielleicht nur noch zum Schein oder wegen der
guten alten Zeiten wegen. Doch nun gehen wir nicht mehr einen
gemeinsamen Weg, jeder hat seinen eigenen Weg, sein eigenes Leben.
Nur ab und zu kreuzen sich unsere Wege und trennen sich wieder.
Ich werde dich nie vergessen
Vielleicht
kann ich es auch anders und positiv sehen: Vielleicht war unsere
beste Freundschaft anfangs auch wichtig, damit wir uns selbst finden,
damit wir uns gegenseitig zur Veränderung motivieren, damit wir uns
damals Kraft geben konnten, weiterzumachen? Wir haben uns in
Krisenzeiten gegenseitig geholfen und bereit fürs Leben gemacht. Und
dann haben wir uns beide verändert, dann hat es nicht mehr gepasst
zwischen uns. Aber es ist okay. Vielleicht sollte ich lieber die gute
alte Zeit in Erinnerung behalten, die so wertvoll für mich geworden
ist. Du warst mir sehr wichtig. Ich verdanke dir so vieles. Du hast
mir gezeigt, was wahre und beste Freundschaft ist, du hast mir die
Welt gezeigt, du hast mir den Anstoß für Veränderung gegeben. Dank
dir, konnte ich wieder mehr Vertrauen in mich, in andere und in die
Welt fassen. Du hast mir gezeigt, dass niemand allein sein muss, dass
man immer jemanden finden wird, der einen versteht und mit dem man
alles überstehen kann. Du hast mir gezeigt, was eine beste Freundin ist. Dafür danke ich dir von Herzen. Du wirst
immer ein besonderen Platz in meinem Herzen haben. Auch wenn wir uns
nun immer seltener sehen werden. Danke, dass du mich ein Stück
meines Lebens begleitet hast. Ich kann loslassen, aber dennoch unsere
Freundschaft und unsere gemeinsame Zeit in Erinnerung behalten. Auch
wenn sie vorbei ist, sie wird trotzdem irgendwie in unseren
Erinnerungen weiterleben.
Diese Geschichte aus deinem Leben hat mein Herz berührt!! Ich bin zu Tränen gerührt! :3
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