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Halt, stopp, jetzt rede ich!

Sie reden nur über sich selbst ohne Punkt und Komma, ohne mal Fragen zu stellen und rauben einem so den letzten Nerv. Sie sind gefürchtet und teilweise verhasst: Die sogenannten Vielredner oder Quasselstrippen. Warum sie mich als geduldige Zuhörerin öfter mal nerven und wie man mit ihnen umgehen kann.

Es gibt Menschen, die reden mehr und es gibt Menschen, die reden weniger. Ich gehöre eher zur letzteren Kategorie. Generell höre ich lieber zu, als dass ich spreche, stelle gerne Fragen, weil ich einfach interessiert auf mein Gegenüber bin. Das ist an sich kein Problem, solange dennoch ein Dialog besteht. Doch es gibt einige Menschen, die einfach nur am laufenden Band reden, sogenannte Vielredner, Quasselstrippen und Schwätzer. Wie geht man als introvertierter, schüchterner Mensch mit solchen Leuten nur um?

Man trifft sie überall im Alltag: Ob in der Schule, im Studium, auf Arbeit, beim Sport, beim Einkaufen, im Verein, in der Familie oder eben auch unter Freunden: Leute, die einfach pausenlos erzählen können, ohne, dass sie jemals Luft holen müssen. Sie können stundenlang über sich selbst reden, erzählen, wie toll sie sind, was sie alles erlebt haben. Zu fast jedem Thema haben sie eine Meinung, können scheinbar überall mitreden.

An sich ist das schon etwas, was ich bewundere. Sie scheinen immer etwas erzählen zu können, sodass sie sich niemals Sorgen um Stille oder Pausen machen müssen. Ich bewundere Leute, die einfach drauflos quasseln können, ohne großartig darüber nachzudenken. Sie reden meist, bevor sie wirklich nachdenken, habe ich zumindest das Gefühl. Ihnen gehen die Worte so leicht über die Lippen, sie könnten stundenlang Monologe halten, verlieren dabei selten mal den roten Faden.

Das finde ich beachtlich. Ich könnte das nicht. Ich bin jemand, der eher nur nickt oder einsilbig antwortet. Wenn ich mal etwas gefragt werde, sage ich höchstens zwei oder drei Sätze. Die Ausnahmen bilden bei mir Geschichten, die ich für erzählenswert erachte, da kann ich auch schon mal mehr erzählen. Aber trotzdem bleibt es dabei, dass ich vielleicht höchstens ein paar Minuten quatsche. Einfach weil ich es unangenehm finde, zu viel zu reden. Ich sorge mich darüber, dass ich den anderen ansonsten langweile, wenn ich zu viel rede, finde das, was ich zu sagen habe, nicht immer so spannend. Wenn ich etwas erzähle, halte ich es kurz und knapp. Menschen sind ohnehin nicht zu lange aufnahmefähig und langweilen sich auch nach einer bestimmten Zeit. Und bevor ich etwas sage, denke ich auch zunächst kurz darüber nach, wie ich anfange und was ich sage. Das liegt zum Teil daran, dass ich eben recht introvertiert und schüchtern bin und Fehler unbedingt vermeiden will. Ich will keinen Quatsch sagen.

Doch die Quasselstrippen machen sich darüber scheinbar keine Gedanken, ob sie den anderen langweilen oder eben etwas Blödes sagen. Sie denken laut nach, lassen einen an ihren Gedanken teilhaben, sprechen alles direkt aus und nehmen kein Blatt vor den Mund. Das finde ich auf der einen Seite schon toll, dass sie das ohne weiteres können. Das würde ich auch gerne mal so hinkriegen.

Doch auf der anderen Seite geht es mir tatsächlich schon manchmal echt auf die Nerven mit solchen Menschen umzugehen. Und das aus verschiedenen Gründen.

Zuhören ist so gar nicht ihre Stärke, stelle ich immer wieder fest. Ich habe das Gefühl, dass sie nur am Gespräch beteiligt sind, wenn es auch um sie geht. Über sich selbst reden solche Menschen die ganze Zeit, ohne, dass ihnen langweilig wird. Obwohl sie eigentlich schon alles selbst wissen. Ich glaube, dass sie entweder einfach sich selbst nur gerne in den Vordergrund stellen, sich gern darstellen oder einfach nur jemanden brauchen, dem sie sich mitteilen können.  

Doch wehe, das Gespräch dreht sich nicht um sie, wehe, der Zuhörer ergreift mal das Wort und will auch mal etwas sagen. Dann schalten solche Menschen gerne mal auf Durchzug und hören auch so gar nicht wirklich zu. Zumindest erscheinen sie mir nicht gerade interessiert. Insgeheim warten sie eigentlich nur auf die Chance, endlich das Wort wieder an sich zu reißen. In ihrem Kopf rattert es nur so, sie feilen schon an ihrem nächsten Redeeinsatz, warten nur auf den Augenblick, in dem sie dem anderen reingrätschen können. Nur um eben wieder nur von sich zu reden.

Und so versuchen sie ganz geschickt, wieder das Ruder in die Hand zu nehmen: „Ja das kenne ich total. Mir ist ja neulich etwas ganz Spannendes passiert, das muss ich dir unbedingt erzählen...“ Und schon bin ich wieder in die Zuhörerrolle gedrängt und habe das Gefühl, dass der andere mir nicht wirklich zuhört, sondern nur selbst wieder reden will. Und das finde ich wahnsinnig anstrengend.

Ich gebe zu, dass ich sehr gerne zuhöre und nicht viel erzähle, es sei denn, man fragt mich. Einfach so nur von mir zu reden, hat für mich keinen Mehrwert, ich will den anderen auch nicht langweilen. Was bringt es mir, immer wieder anderen Menschen das Gleiche zu erzählen, was ich ohnehin schon weiß? Eine Ausnahme wäre, wenn es um ein Problem geht und ich mehrere Ansichten und Ratschläge haben will. Aber wenn ich zum 100. Mal meine Lebensgeschichte erzähle, hängt die mir auch mal zum Halse raus. Für den anderen mag es spannend sein, weil er sie nicht kennt, ich finde es nur ermüdend.

Darum höre ich einfach viel mehr zu. Weil ich an anderen Menschen mehr interessiert bin als mir selbst. Mich kenne ich schon gut genug, den anderen nicht. Ich will herausfinden, was der andere mag, was er erlebt hat, was ihn als Menschen ausmacht und noch viel mehr. Und ich liebe es Fragen zu stellen, mehr zu erfahren, meinen Horizont zu erweitern. Nur durch Zuhören, gewinne ich mehr Wissen, kann etwas dazu lernen. Ich finde das Sprichwort passend: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Und das trifft auch sehr gut auf mich selbst zu. Wenn ich selbst nur reden würde, würde ich nichts über den anderen erfahren, könnte nichts Neues erfahren. Darum ist mir Zuhören so viel lieber als Reden.

Es ist aber nicht so, dass ich nicht auch gern rede, aber eben nicht über MICH. Ich liebe den Dialog, in dem BEIDE zu Wort kommen, sich über verschiedene Ansichten, Interessen und Erlebnisse austauschen oder über bestimmte Themen diskutieren. Dabei können beide etwas dazulernen, in dem sie sich gegenseitig die Chance geben, zuzuhören und zu reden.

Doch zurück zu den Quasselstrippen. Das sind schon Ausnahmemenschen, die wirklich nur reden, aber einfach nicht zuhören. Sobald sie mal zuhören sollen, warten sie nur auf die Chance, mich wieder an die Wand zu reden. Wenn ich etwas erzähle, wirkt es nicht so, als würde es sie interessieren. Und das Schlimmste daran ist, dass ich das Gefühl bekomme, es sei nicht wichtig, was ich sage. Aber was der andere sagt, muss wichtiger sein. Bei Vielrednern ist mir auch aufgefallen, dass sie generell kaum Fragen stellen. Und wenn sie das tun sollten, dienen sie nur dazu, um selbst wieder mehr zu erzählen.

Wie schon erwähnt, ich mag zuhören und es kann auch durchaus sehr spannend sein, was Vielredner erzählen. Nicht alles ist Quatsch, es sei denn sie wiederholen sich schon wieder. Aber was mich generell einfach stört ist zum einen, dass sie eben keine Chance lassen, damit ich mal reden kann. Es ist ein zu starkes Ungleichgewicht zwischen Reden und Zuhören. Ich bin ja wirklich schon ein sehr geduldiger Mensch und höre gerne spannenden Geschichten zu. Aber wenn das alles nur noch in einen Monolog der Selbstdarstellung führt, der andere so gar keine Gegenfragen stellt, fühle ich mich schon ein bisschen wie benutzt. Als ob der andere einfach nur jemanden braucht, dem er alles erzählen kann. Es ist nicht wichtig, wer der andere ist, hauptsache da ist einfach jemand, der zuhört. Aber Interesse an mir selbst scheint der andere so gar nicht zu haben. Es ist ein einziger Egotrip, reinste Selbstdarstellung nicht mehr und nicht weniger. Und so etwas kann ich wirklich nicht leiden.

Und wenn der andere dann irgendwann doch mal merkt, dass er eigentlich nur einen Monolog hält und mich dann fragt, ob das mich stört: Was erwartet er denn bitte? Bei Menschen, die ich nicht so kenne, sage ich natürlich aus reiner Höflichkeit, dass es mir nichts ausmacht. Ich will den anderen nicht vor den Kopf stoßen. Doch bei Leuten, die ich schon gut kenne, sage ich doch durch die Blume, dass es etwas viel war, aber ich vielleicht das nächste Mal auch etwas erzählen möchte.

Als ruhige Person ist es für mich verdammt schwierig, mich gegen solche Leute durchzusetzen und auch mal Redeanteile anzufordern. Ich finde es wahnsinnig unhöflich, dem anderen ins Wort zu fallen und warte lieber ab, bis sich mal eine Pause einstellt. Aber selbst dann zögere ich, weil ich nicht plump einfach nur so etwas sagen will, was aus dem Kontext gerissen wird.


Tipps gegen Vielredner

Was kann man aber dennoch als ruhiger Mensch gegen Quasselstrippen tun?

Am besten wäre es, wenn man dem anderen indirekt Signale gibt, dass man es leid ist, weiter zuzuhören. Also keinen Blickkontakt halten, woanders hinschauen, keine Laute mehr von sich geben, nicht mehr Nicken oder Lächeln. Einfach wie ein stummer Fisch dasitzen. Irgendwann merkt auch die größte Quasseltante, dass irgendetwas ist. Die Person wird irritiert sein und endlich mal ihren Redefluss stoppen. Und dann kann man auch endlich mal etwas sagen. Denn gerade Nicken, Lächeln, Blickkontakt oder auch zustimmende Laute sind eher eine Ermunterung zum Weiterreden. Die sollte man aber eben lassen, wenn man den Redefluss bremsen will.

Oder mit der eigenen Körpersprache signalisieren, dass man gern reden will. Vielleicht hebt man die Hand oder bewegt den Mund, als wolle man gerade sprechen.

Eine weitere Methode wäre, wenn man einfach die letzten Worte des anderen wiederholt und dann etwas eigenes dazu sagt. Dann hat der andere das Gefühl, dass man zugehört hat, aufmerksam war und daran anknüpft. Die wahrscheinlich höflichste Variante.

Wenn es darum geht, den Redefluss des anderen zu minimieren, hilft es auch, keine offenen, sondern geschlossene Fragen zu stellen. Also solche, auf die der andere eigentlich nur mit „Ja“ oder „Nein“ reagieren kann. Denn danach würde automatisch eigentlich eine kurze Pause entstehen und die kann man fürs Reden nutzen.

Auch wenn Unterbrechen so gar nicht meins ist, aber anstatt immer wieder auf Pausen, die niemals kommen, zu warten, könnte man freundlich den Namen des anderen sagen und dann einwerfen: „Ich würde auch mal gerne etwas sagen, wenn dir das recht ist.“

Man könnte noch an passender Stelle oder eben am Ende noch einmal mitteilen, dass man zwar gerne zuhört, aber es auch gut fände, gefragt zu werden und selbst etwas zu erzählen. Am besten dann aber ohne dem anderen einen Vorwurf zu machen, sondern aus der eigenen Perspektive sprechen: „Ich höre dir wirklich gern zu, aber ich würde das nächste Mal oder in Zukunft auch gerne mehr erzählen, wenn dir das recht ist.“

Die etwas plumpere Möglichkeit wäre es, einfach so „Halt, stopp, jetzt rede ich!“ zu sagen. Das empfiehlt sich aber wirklich nur bei Leuten, die man schon gut kennt, sonst könnte es echt unhöflich werden. Ansonsten könnte aber Vertraute das auch mit Humor nehmen.

Eine abgewandelte, aber höflichere Form wäre, stattdessen die „Guter-Punkt-Strategie“ anzuwenden. Nach dem letzten Satz sagt man ganz schnell „Guter Punkt!“ was also an die Aussage des anderen anknüpft, sie aufwertet, weil man sie lobt, gleichzeitig signalisiert, dass man zugehört hat. Aber danach kann man gut und gerne auch ein Themenwechsel vorschlagen oder etwas anderes ansprechen.

Oder man unterbricht den anderen einfach, aber eben höflicher: „Entschuldige, dass ich dich unterbrechen muss, aber dazu würde ich auch gerne mal etwas sagen...“

Richtig unhöflich wäre es wohl, einfach das Gespräch zu verlassen, aber wenn der andere die Signale nicht versteht, man ihn mehrfach darauf hingewiesen hat, braucht man eventuell so drastische Maßnahmen.

Wenn man sich gerne mit solchen Menschen trifft, könnte man auch einfach etwas zusammen unternehmen, wo man nicht viel reden muss, sondern beschäftigt ist. Beispielsweise ins Kino gehen, Sport treiben, ein Hobby betreiben, in dem man total versinkt, irgendeiner Aktivität nachgehen, wo man nicht viel reden kann oder darf. Dann kann man trotzdem zusammen sein, verhindert aber den Redeschwall des anderen.

Doch wenn alles nichts hilft, man mehrmals darauf hingewiesen und darüber gesprochen hat, dass der andere zu viel reden, dann muss man überlegen, wie wichtig der andere einen ist. Ist es nur ein Bekannter oder Kollege, könnte man versuchen den Kontakt wirklich auf ein Minimum zu reduzieren und möglichst Abstand zu halten. Beim eigenen Partner, der Familie, Freunden oder Verwandten wird es schon schwieriger, da sollte vor allem ehrliche Kommunikation an 1. Stelle stehen, damit das Miteinander harmonisch verläuft.


Abschließend lässt sich sagen, dass es natürlich für schüchterne und ruhige Menschen schwer ist, diesen Tipps zu folgen. Aber es gibt auch tatsächlich Möglichkeiten, ohne zu reden oder ohne Konflikte das Problem anzusprechen. Es kommt eben immer auf die Art und Weise an, wie man etwas anspricht. Wenn es einen selbst so sehr stört, sollte man das nicht weiter ertragen und einfach zuhören und hoffen, dass der andere es schon merkt. Wird er nämlich nicht, solange man nicht etwas sagt. Darum muss auch ich mich überwinden und meinen Mut zusammennehmen und sagen, was mich stört. Das ist nicht immer leicht, weil es außerhalb meiner Komfortzone liegt. Aber irgendwann kommt eben der Moment, wo man mutig sein muss und auch mal dem anderen Contra geben muss. Sonst denkt der Vielredner, dass man das mit uns machen kann.



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