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Können Männer und Frauen miteinander befreundet sein?

Männer und Frauen können doch niemals wirklich Freunde sein. Wenigstens einer will doch immer mehr. Das ist so ein gängiges Vorurteil, was sich schon sehr lange hält. Aber ist da wirklich etwas dran oder sollte man das nicht lieber differenzierter betrachten?

Wenn ich an Freundschaften zwischen Mann und Frau denke, muss ich sofort an meinen besten Freund denken. Wir kennen uns schon seit der Grundschule, mindestens. Also inzwischen schon seit 20 Jahren, wow, das ist schon eine echt lange Zeit. Wir sind sozusagen also fast Sandkastenfreunde und haben in den 20 Jahren schon echt viel zusammen erlebt.


Mein bester Freund

Angefangen hat unsere Freundschaft eher weniger schön: Aufgrund meines ausländischen Namens hat er mich ständig geärgert: „Ching chang chong“ nannte er mich ständig. Schon damals war ich sehr sensibel und nah am Wasser gebaut. Und musste dann deswegen weinen. Daraufhin war er plötzlich doch ganz mitfühlsam und entschuldigte sich für sein dummes Verhalten und bot mir seine Freundschaft an. Doch das gegenseitige Ärgern hörte damals trotzdem nicht auf. Im Unterricht saßen wir oft zusammen und auch da piesackte er mich bei jeder Gelegenheit. Und auch da kam es ab und zu mal dazu, dass ich anfangen musste zu weinen. Eigentlich stand unsere Freundschaft unter keinem guten Stern, schließlich mobbte er mich ja eigentlich regelrecht.

Im Nachhinein könnte man sagen, dass das Sprichwort „Was sich neckt, das liebt sich“, richtig gut auf uns beide gepasst hat. Zumindest wirkte das nach außen so. Tatsächlich stellte sich dann heraus, dass er mich wohl doch nicht nur als Freundin sah. Und auch da wieder eine witzige Anekdote: Nach paar Jahren, wir waren immer noch Kinder, schenkte er mir einen Brief, in dem wortwörtlich drin stand: „Du bist zwar fett, aber ich liebe dich.“ Ist das nicht die schöne Liebeserklärung, die man bekommen kann? (Ironie off) Er liebte mich scheinbar mit all meinen Macken und Fehlern und sah auch darüber hinweg, dass ich schon sehr kräftig und pummelig war. Von ihm aber ganz zu schweigen. Ich war erstaunt, aber empfand es eher als Beleidigung, als einen wirklichen Liebesbeweis. Ich glaube, dass ich ihm den Brief fast hinterher geschmissen habe, ich konnte das einfach nicht ernst nehmen.

Und danach waren wir weiterhin miteinander befreundet, es änderte sich eigentlich nichts wirklich. Bis dann noch ein anderes Mädchen dazu kam und wir immer mal was zu dritt unternahmen. Immer wenn das andere Mädchen dabei war, wurde ich doch eifersüchtig, wollte nicht mitspielen. Scheinbar empfand ich damals wohl doch etwas mehr für meinen besten Freund als gedacht.

Und dann, das war wiederum in der Pubertät, ich denke wir waren etwa 13 bis 15 Jahre alt, fing ich an, ihn doch irgendwie attraktiv zu finden. Ich fühlte mich plötzlich zu ihm hingezogen. Und es kam, wie es kommen musste: Wir küssten uns sogar einmal. Und es ging von mir aus. Unglaublich, ich hatte meinen besten Freund geküsst, ist das denn zu fassen? Das bereute ich relativ schnell und tat es als eine Art „Geschmacksverirrung“ ab. Ich war jung, unerfahren und sehnte mich nach Liebe und Zärtlichkeiten. Zu der Zeit war kein Freund in Sicht, alle Jungs, die ich toll fand, interessierten sich nie für mich. Und da war eben mein bester Freund das einzig männliche Wesen in meiner näheren Umgebung, mit dem ich experimentieren konnte.

Tatsächlich blieb er lange Zeit, der einzige Junge, mit dem ich befreundet war und bei dem ich wirklich ich selbst sein konnte, ohne mich zu schämen. Kein Wunder, schließlich kannten wir uns gefühlt schon seit Ewigkeiten. Ich konnte mit keinem so offen sein. Wir standen uns sehr nah, so nah, dass wir uns alles anvertrauten und uns wie Geschwister sogar ärgerten. Unsere Beziehung wurde zunehmend eben eher zu einer Art Geschwister-Beziehung, keine Spur mehr von Romantik und Schmetterlingen im Bauch. Falls jemals irgendwie eine Anziehung zwischen uns bestand, gibt es diese nicht mehr. Heute, nach 20 Jahren Freundschaft, sehe ich in ihm wirklich nur den besten Freund, mit dem ich niemals etwas anfangen würde.

Er ist für mich zu einer Art Bruder geworden, unsere Freundschaft ist trotz der Entfernung und der doch seltenen Treffen noch immer eng. Und das ist das schöne. Egal wie selten wir uns sehen und egal wie viele Kilometer zwischen uns liegen, wir bleiben beste Freunde. Er wird auch immer mein bester Freund bleiben. Auch wenn ich inzwischen meinen Freund und Verlobten habe, der für mich wie ein Seelenverwandter ist. Doch der wirklich beste Freund wird immer der Freund aus Kindertagen bleiben. Wir sind beide inzwischen glücklich in einer Beziehung, insofern besteht da noch weniger ein Grund, dass zwischen uns etwas wäre. Und dass mal etwas war zwischen uns, das stört uns gar nicht mehr, wir konnten das beide sehr gut ausblenden. Aber eine eben nur reine Freundschaft ohne Gefühl war es wohl in all den Jahren nicht. Aber unsere Freundschaft hat sich verändert und wir uns eben mit ihr. Ich denke aber nicht, dass ich wirklich damals in ihn verliebt war, es war eben einfach nur jugendliche Neugier und eben eine Phase des Ausprobierens. Denn attraktiv finde ich ihn heute eigentlich gar nicht mehr, ich sehe ihn nicht als Mann an, sondern eben nur als Bruder und besten Freund, ohne Hintergedanken.


Mal mehr mal, weniger Freunde

Und damit komme ich zu der Ausgangsfrage: Können Männer und Frauen einfach nur Freunde sein oder läuft es nicht im Endeffekt immer auf mehr hinaus? Das Beispiel mit meinem besten Freund dürfte das wohl leider bestätigen. Immer mal wieder wurde aus unserer Freundschaft doch scheinbar etwas mehr, aber eben nur stellenweise. Wir sind dann immer wieder zurück in den Freundschaftmodus gekommen. Wir wurden oftmals, weil wir so viel zusammen waren und uns gut verstanden, als Pärchen gehalten. Das wollte wir nie, fanden das dämlich, weil wir uns immer nur als Freunde sahen. Und doch haben wir beide im Heimlichen wohl manchmal mehr füreinander empfunden. Doch inzwischen sind wir aus dieser Phase heraus und empfinden beide nur noch freundschaftliche Gefühle füreinander.

Und ich denke, dass Freundschaft zwischen Mann und Frau funktionieren kann. Nur weil man mit jemandem vom anderen Geschlecht Zeit verbringt, muss man doch nicht gleich mehr füreinander empfinden. Das Geschlecht allein ist kein entscheidender Faktor. Ich finde schließlich nicht jeden Mann attraktiv und verliebe mich auch nicht in jeden. Da gehört mehr dazu, als nur das Geschlecht.

Gut, wenn man mehr Zeit miteinander verbringt, kann es passieren, dass man Gefühle entwickelt. Das ist aber absolut normal, selbst in Freundschaften zwischen Mädchen, obwohl man heterosexuell ist. Man empfindet freundschaftliche Gefühle füreinander, findet sich sympathisch und mag sich einfach. Es kann auch eine Art platonische Liebe entstehen. Aber eben ohne Romantik

Aber damit ich überhaupt einen Mann als Mann und somit als Beute sehe, muss er in meinen Augen erst einmal attraktiv sein, ich muss eine Anziehung zwischen uns spüren. Ich muss ihn sympathisch finden, ihn auch charakterlich anziehend. Einen Freund finde ich einfach von der Persönlichkeit her nett und mag ihn. Aber sobald ich jemanden dann auch noch attraktiv und anziehend finde, dann könnte zwischen uns mehr als Freundschaft sein. Die Betonung liegt aber auf „könnte“, es muss nicht sein.


Was ist schon Freundschaft?

Um also den Spruch zu bestätigen, dass Freundschaft zwischen Männlein und Weiblein nicht klappt, muss es auf beiden Seiten so sein, dass beide nicht nur einfach miteinander befreundet sein können. Wobei es auch Fälle gibt, in denen nur einer von beiden mehr will als der andere. Es geht für konkret darum, zu definieren, was es bedeutet, wenn Freundschaft nicht funktionieren kann. Sie könnte nach außen funktionieren, wenn beide sich wirklich nur treffen, ohne miteinander intim zu werden. Das wäre für mich die klassische Freundschaft, mal ein Küsschen oder Umarmung zur Begrüßung und zum Abschied wäre okay, doch alles andere wie Küssen, Händchen halten, streicheln, kuscheln und Sex gehört nicht in eine Freundschaft. Das würde für mich eher Freundschaft Plus sein, wenn beide keine Beziehung miteinander haben wollen.

Nehmen wir an, zwischen Mann und Frau läuft nichts Sexuelles, aber der eine will doch mehr, der andere aber nicht. Ist es dann trotzdem Freundschaft? Ich würde das schon bejahen, aber würde sagen, dass das nicht so unproblematisch ist. Die Freundschaft steht unter keinem guten Stern, weil einer mehr will. Früher oder später wird er vielleicht aufgeben oder eben versuchen, daraus mehr zu machen. Und das ist eben der Punkt, den viele als Grund sehen, dass Freundschaften nicht funktionieren: Weil einer eben vielleicht doch mehr will und daran könnte die Freundschaft scheitern.


Keine Anziehung als Garant für Freundschaft

Muss aber nicht sein, wie ich finde. Wenn beide beispielsweise sich überhaupt nicht attraktiv finden und sich einfach nur als Freunde sehen, sich einfach nur mögen, ohne sich körperlich anziehend zu finden. Dann steht einer Freundschaft nichts im Wege. Es kann aber natürlich auch sein, dass sich Gefühle trotzdem entwickeln und man dadurch irgendwann den anderen doch attraktiv findet. Das muss aber nicht sein. In Freundschaften, in denen sich beide ewig kennen und eher als Geschwister sehen, wird das eher unwahrscheinlich sein. Es kann auch sein, dass man den anderen attraktiv findet, aber trotzdem niemals etwas miteinander anfangen würde, weil es charakterlich nicht für eine Beziehung passt. Das gibt es auch.

Ich hatte es eigentlich bisher nur ein einziges Mal, dass ich einen Mann kennenlernte und mich mit ihm anfreundete. Anfangs fand ich ihn nicht anziehend, doch je näher wir uns kamen, desto attraktiver wurde er für mich. Und plötzlich war ich verliebt, obwohl ich eben schon einen Freund hatte. Das machte es noch komplizierter. Als Single wäre es einfach gewesen, wir wären dann einfach ein Paar geworden. Doch ich war hin- und her gerissen zwischen meiner Beziehung und diesen Gefühlen für den anderen. Nach außen hin sah es nur nach einer Freundschaft aus, wir trafen uns immer in der Öffentlichkeit, umarmten uns nur am Anfang und Ende des Treffens. Doch irgendwann wurde daraus dann doch etwas mehr und dann war unsere Freundschaft eben nicht mehr nur platonisch. Doch wir kehrten wieder in den Freundschaftmodus zurück. Inzwischen empfinde ich auch seltsamerweise nichts mehr für ihn außer eben Sympathie. Und auch hier sehe ich, dass Gefühle kommen und gehen und Freundschaften sich auch zwischen Mann und Frau wandeln können.

Seit einigen Zeit bin ich auch mit immer mehr Männern befreundet, weil es sich auch so ergeben hat durch verschiedene Aktivitäten und auch Hobbys und Ehrenamt. Inzwischen bin ich auch nicht mehr so gehemmt, was Männer angeht. Ich habe zwei Freunde, die wirklich nicht mehr als Freunde sind. Und da denke ich, funktioniert das wunderbar, zumindest auf meiner Seite. Beide sind so überhaupt nicht mein Typ, ich mag sie als Menschen und Freunde total und schätze sie wert. Aber ich spüre Null Anziehung, ich finde sie gar nicht attraktiv und würde nie etwas mit beiden anfangen. Ich sehe sie also nicht als Männer an, in der Hinsicht sind sie tabu für mich. Und deswegen klappt es auch so gut zwischen uns, es gibt keine Schwierigkeiten oder irgendetwas was da zwischen uns liegt. Andererseits habe ich mich trotzdem bei beiden manchmal gefragt, ob sie das denn genauso wie ich sehen. Manchmal dachte ich, dass beide vielleicht noch mehr in mir sehen und mich anziehend finden. Aber das habe ich nie weiter verfolgt, nur darüber geschwiegen, weil ich nicht wollte, dass es seltsam zwischen uns wird. Ich werde es wohl nie erfahren, ob sie doch nicht etwas mehr wollen als mir lieb ist.


Kann eine Freundschaft trotz Anziehung funktionieren?

Und dann gibt es Fälle, in denen beide eigentlich doch mehr füreinander empfinden, es aber von dem anderen nicht wissen oder eben doch, aber beide nicht weitergehen können oder dürfen. Beide hatten schon mal etwas miteinander, doch mussten dann aufhören, warum auch immer. Aber man ist dabei geblieben wenigstens miteinander befreundet zu sein. Das ist schon ein schwieriger Fall. Denn beiden ist klar, dass sie sich noch anziehend finden, aber eben nur Freunde bleiben dürfen. Die Treffen verlaufen absolut freundschaftlich, aber es knistert trotzdem irgendwie zwischen beiden, das wissen sie auch. Da ist ein vielsagender Blick, vielleicht ein bisschen Herzklopfen, aber beide gehen nicht ihrem Verlangen nach. Dafür gibt es viele Freunde: Vielleicht ist einer vergeben, oder es hat zwischen beiden als Paar nicht funktioniert oder der andere will keine Beziehung.

Kann das überhaupt gut gehen, wenn einer oder eben beide eigentlich mehr voneinander wollen, aber nicht dürfen? Kann eine solche Freundschaft bestehen bleiben? Ich würde sagen, dass es sehr schwer ist, die Freundschaft aufrecht zuerhalten. Es ist nicht unmöglich, aber eben nicht so locker und leicht wie bei Freundschaften, in denen beide nicht mehr wollen. Da ist immer die Frage im Raum: Was wäre, wenn? Da spielen Hintergedanken, Fantasien, Kopfkino und Gefühle mit hinein, die die Beziehung zwischen beiden kompliziert machen. Und es bringt eben nichts, weiter zu hoffen, dass mehr wird, wenn es eben nicht sein darf. Es macht es nur schwer, den anderen loszulassen. Wenn es nur Anziehung ist, kann man eventuell darüber hinwegschauen, weil es genug andere Leute gibt, die man anziehend finden kann. Sind aber ernste Gefühle im Spiel, kann ein freundschaftliches Treffen eben doch zur Tortur werden. Dann muss jeder für sich entscheiden, ob er das ertragen will oder auf Abstand geht oder doch mehr wagt.

Schlussendlich kann ich nicht komplett bestätigen, dass Freundschaften zwischen Männern und Frauen nicht funktionieren. Ich gebe zu, dass sie nicht so leicht sind wie die zwischen heterosexuellen Frauen. Es kann leichter passieren, dass man doch mehr Gefühle füreinander entwickelt, die Gefahr ist größer, aber es ist kein Muss. Es hängt für mich immer von den zweien ab, von der Freundschaft an sich und wie lange sich beide kennen oder wie sie sich kennengelernt haben. In manchen Fällen kann es klappen, in anderen nicht. Für mich sind Freundschaften ohne Anziehung kein Problem, dagegen mit schon eher. Insofern kann ich also nicht pauschal sagen, ob Freundschaften generell funktionieren oder nicht. Unmöglich sind sie aber nicht, wie einige Beispiele doch zeigen.


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