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Warum will ich keinen Sex mehr mit meinem Freund?

Ich liebe meinen Freund, aber will nicht mehr mit ihm schlafen. Was stimmt nicht mit mir? Und woran liegt das?


Ich bin seit fast neun Jahren mit meinem Freund zusammen. Und eigentlich auch zufrieden. Wäre da nicht die fehlende Lust auf Sex. Ich kann gar nicht so genau sagen, was sie angefangen hat. Sie kam schleichend, über die Jahre hinweg. 

Als wir noch frisch zusammen waren, konnte ich gefühlt jeden Tag mit ihm schlafen. Ich war noch so unsterblich in ihn verliebt, hatte so viel Lust auf ihn. Er war mein erster Freund und ich sehnte mich schon lange nach Liebe und auch nach Sex. Und endlich konnte ich all das ausleben, was ich so sehr vermisste. Alles war so neu, so aufregend, so überwältigend. Ich sehnte mich nach seinen Berührungen und seinem Körper, wollte alles erforschen bis auf den kleinsten Millimeter. Ich war so voller Leidenschaft für ihn. Jede Berührung fühlte sich elektrisierend an, wir zogen uns wie Magnete an und wir zogen uns ständig aus.

Neben der Verliebtheit spielte aber auch unsere Fernbeziehung eine Rolle. Wir sahen uns nur alle paar Wochen und dann nur am Wochenende für einige Tage. Viel zu kurz, was uns beide noch mehr zusammenschweißte. Wir mussten diese kurze Zeit miteinander so gut wie es geht nutzen. Die Zeit, in der wir uns anfassen, küssen, umarmen und Sex miteinander haben konnten, mussten wir voll ausnutzen. Und so kam es auch mal vor, dass wir nicht nur einmal, sondern mehrere Male am Tag miteinander Spaß hatten. Meine Lust war so unermesslich, ich hätte nie gedacht, dass es irgendwann mal anders werden sollte. Doch wie so oft, kommt es doch anders, als man denkt.

Es kam schleichend. Wir zogen zusammen, ein Traum ging für mich in Erfüllung. Endlich konnten wir uns täglich sehen und hingen eigentlich nur noch zusammen. Doch je mehr Zeit verging, desto öfter kriegten wir uns in die Haare. Die Verliebtheit verging, an deren Stelle trat Routine und Streitigkeiten. Doch gleichermaßen wuchs auch unsere Liebe und Intimität. Wir wurden uns immer vertrauter, waren uns immer näher. Irgendwann hatte ich das Gefühl ihn in und auswendig zu kennen. Und er kannte mich dann besser als jeder andere. 

Es war so schön, jemanden bei sich zu haben, dem man so vertrauen konnte. Ich konnte ihm mein wahres Ich sein, konnte mich vollkommen öffnen. Ich fühle mich ihm so verbunden wie noch nie jemandem zu vor.

Doch gleichzeitig wurde der Sex immer weniger. Anfangs schliefen wir noch alle paar Tage miteinander, dann irgendwann nur noch wöchentlich. Schon da machten wir uns Sorgen: Ist das denn normal, dass wir immer weniger Sex haben? Sollten wir nicht öfter miteinander Sex haben? 

Die Sorge kam vor allem von mir und so hatten wir auch mal Sex miteinander, obwohl ich nicht wirklich Lust darauf hatte. Ich dachte mir nur, ehe wir keinen Sex haben und unsere Beziehung darunter leidet, haben wir eben Sex. Mal hat es sich gelohnt, dann war der Sex in Ordnung. Doch einige andere Male fand ich es nicht so gut und fragte mich, ob wir es hätten lieber lassen sollen.

Mit den Jahren nahm meine Lust immer mehr ab. Die Anzahl an Sex nahm nur sehr langsam ab. Inzwischen kommt es auch mal vor, dass wir zwei Wochen keinen Sex haben. Einige Pärchen, die noch länger zusammen sind, werden die Augen verdrehen. Die haben vielleicht noch seltener Sex oder gar keinen. Aber darum geht es gar nicht. Was mir tatsächlich am meisten Sorgen bereitet ist, dass ich immer weniger Lust auf Sex habe und vor allem auf meinen Freund. Und ich frage mich: Was stimmt nicht mit mir?

Mein Freund scheint da eher keine Probleme zu haben. Seine Lust ist mehr oder weniger gleich geblieben. Wieso ist es dann nur bei mir so? Ich habe mich mal auf die Suche nach den Gründen dahinter gemacht.


Warum ich keine Lust mehr verspüre

Zum einen sind wir beide nun wirklich recht lange zusammen. Neun Jahre sind eine lange Zeit und da ist es vollkommen normal, dass der Sex an Reiz verliert. Studien haben auch belegt, dass der Sex in Langzeitbeziehungen weniger wird, das also kein spezielles Problem, sondern eins, was viele betrifft. Das beruhigt mich ein wenig. Man kennt sich schon so lange und den Körper des anderen, es ist nicht mehr neu und aufregend wie am Anfang. Auch die Verliebtheit, die dafür sorgt, dass man den anderen auch sexuell mehr begehrt, ist längst vorbei. Das ist ein ganz normaler Prozess, dass man weniger scharf auf den anderen ist. Aber es muss nicht heißen, dass man es so akzeptieren soll.

Ich muss leider auch gestehen, dass mich mein Freund nicht mehr so anzieht wie damals. Das liegt zum einen natürlich an der großen Intimität als Lustkiller Nummer eins, aber auch daran, dass er mich körperlich nicht mehr so anmacht, wie es früher der Fall war. Dabei hat er sich äußerlich gar nicht stark verändert. Aber vielleicht meine Wahrnehmung und mein Bild von ihm. Er ist nach wie vor attraktiv, aber wirkt auf mich nicht mehr so anziehend, dass ich ihn sofort anspringen will. Inzwischen scheine ich auch eher auf eine andere Art von Mann zu stehen. Eher Männer, die selbstbewusst, offen und für Abenteuer zu haben sind. Männer, die mehr auf ihren Körper achten und ihn trainieren, All das ist mein Freund nicht, aber das ist auch gut so. Denn so liebe ich ihn, aber ich begehre ihn eben nicht mehr.

Was mir auch dazwischen kommt, dass ich mich eben zu anderen Männern hingezogen fühle. Ich möchte mit anderen Männern schlafen, weil ich mir davon aufregenden und besseren Sex erhoffe. Und das steht wohl auch dem Sex zwischen meinem Freund und mir im Weg. 

Mir fallen noch weitere Gründe ein: Unser Sex verläuft eigentlich nahezu gleich. Ich weiß eigentlich immer schon, was als nächstes kommt. Und das langweilt mich. Mir fehlt der Kick, das Aufregende und Neue. Doch die Routine dämpft eben auch meine Lust.

Zusätzlich kommen dann noch kleine Schwierigkeiten beim Sex, die dafür sorgen, dass es leider zu schnell vorbei ist. Ich habe auch das Gefühl, dass mich unser Liebesleben einfach nicht befriedigt. Ich genieße es an sich schon mit ihm intim zu sein, doch ab und zu wünsche ich mir auch mal einen Höhepunkt, der jedoch meist auf der Strecke bleibt. Das frustriert mich schon sehr und führt auch dazu, dass ich eher weniger Sex haben will. 

Die Tatsache, dass ich mich manchmal zum Sex überwunden habe, obwohl ich keine Lust hatte, trägt vielleicht auch zu meiner Lustlosigkeit bei. Manchmal sah ich es als Pflicht an, um eine gute Freundin zu sein. Dabei fühlte ich, dass ich körperlich so gar nicht bereit dafür war und hatte entsprechend auch teilweise Schmerzen. Vielleicht hat sich das in mein Körpergedächtnis eingebrannt und sorgt für fehlende Lust?


Kein Sex = keine Liebe?

Viele Beziehungen gehen gerade wegen einem unbefriedigendem Liebesleben auseinander. Doch bedeutet es wirklich, dass man den anderen nicht mehr liebt, nur weil man selten oder gar keinen Sex mehr miteinander? Ich würde das klar ablehnen, denn für mich bedeutet Beziehung mehr als nur Sex. Da gehört noch so viel mehr dazu: Man hat einen Seelenverwandten, fühlt sich verbunden, kann alles miteinander teilen, ist immer füreinander da, man vertraut sich gegenseitig und erlebt gemeinsam Höhen und Tiefen. Man sorgt sich um den anderen, will mit dem Partner das Leben verbringen. Und man tauscht Zärtlichkeiten aus, man kuschelt miteinander, ist anderweitig miteinander intim. Das und noch viel mehr ist für mich Liebe. 

Für mich müssen Sex und Liebe nicht immer miteinander Hand in Hand gehen. Sex ist zwar schon ein wichtiger Teil in einer Beziehung, aber nicht der wichtigste. Und es mag Phasen geben, in denen man nicht miteinander schläft, aber das ändert nichts an den Gefühlen zueinander. Denn ich kann sagen, dass ich meinen Freund nach wie vor liebe, auch wenn ich nicht unbedingt Lust auf ihn habe. 

Es ist trotzdem keine schöne Situation gerade. Derzeit verspüre ich sehr selten Lust auf Sex, mein Freund dagegen öfter. Und wenn er doch mal einen Annäherungsversuch startet, wehre ich den gleich ab. Ich sage dann meist, dass ich nicht in Stimmung bin, im Stress, zu müde oder etwas anderes. Es tut mir auch leid, dass ich ihm nicht das geben kann, was er will. Auf lange Sicht wird ihn das unglücklich machen und ich bin auch traurig, dass er so leidet. Aber ich will mich nicht länger dazu überwinden, ich will ja, dass es wieder etwas ist, worauf ich mich freue.


Was kann ich dagegen tun?

Miteinander reden 

Ein erster wichtiger Schritt ist reden. Einfach das Problem ansprechen und darüber reden und sich darüber austauschen. Wie sieht er die Situation? Was meint er, könnten wir tun? Wir könnten gemeinsam Lösungen finden. Wir sollten festhalten, wo wir beide stehen, was wir uns wünschen und welche Bedürfnisse wir haben. Generell sollten wir mehr über Sex reden und uns darüber informieren. Wie kann ich dem anderen mehr Lust verschaffen? Worauf steht der andere? Was kann man anders machen, damit es wieder mehr Spaß macht? Wo liegen die Ursachen für die fehlende Lust und wie können wir diesen begegnen?

Experimente und Neues probieren

Wenn wir schon mal beim Reden sind, könnten wir beide darüber sprechen, was wir Neues mal austesten wollen. Eine neue Technik oder Stellung oder mal Ort und Zeit ändern. Neue Erfahrungen sammeln und gemeinsam Experimente wagen. Wie wäre es mit Sexspielzeug oder Swingerclub? Das Liebesleben kann so vielfältig sein. Wir müssen einfach nur darüber reden, mutig sein und es ausprobieren.

Feste Sex-Dates einplanen

Auch wenn ich mich nicht zum Sex überwinden oder überreden lassen will: Es könnte trotzdem helfen sich feste Termine zu setzen, um einfach miteinander intim zu werden. Es soll kein Zwang werden, wenn mehr aus Zärtlichkeiten wird, ist es gut, wenn nicht, dann nicht. Es einfach langsam angehen, den anderen achtsam wahrnehmen und erspüren. Und wenn es nur beim Kuscheln und der Massage bleibt, reicht das auch komplett.

Paartherapie machen

Wenn alles nichts bringt, hilft vielleicht wirklich nur jemand Drittes, der sich mit Beziehungsproblemen auskennt. Aber auch dazu sollten beide bereit sein und auch offen für Veränderungen. Beide müssen auch bereit sein, an der Beziehung und dem Sexleben zu arbeiten. Und dann auch offen für die Ratschläge von dem Paartherapeuten sein. 

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