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Die Schattenseiten der digitalen Medien - Teil 1

Ein Leben ohne unsere digitalen neuen Medien ist für viele kaum noch vorstellbar. Digitales ist total praktisch, erleichtert unseren Alltag, erschafft neue Möglichkeiten. Aber den meisten von uns ist nicht bewusst, dass nicht alles so positiv ist und es auch einige Schattenseiten gibt.

Vor kurzem habe ich ein sehr spannendes und aufschlussreiches Buch gelesen mit dem Titel „Digitale Depression: Wie die neuen Medien unser Glücksempfinden verändern“. Da ich ohnehin jemand bin, der sich auch kritisch mit neuen, digitalen Medien befasst, war ich neugierig, was ich alles an dunklen Seiten finden werde. Und wurde nicht enttäuscht, ich habe so einige spannende Erkenntnisse ziehen können. Manche davon waren mir zwar auch schon vorher bewusst, aber diese Aspekte hatte ich bisher noch nicht in so einer strukturierten, wissenschaftlich fundierten und umfangreichen Form gelesen.

In dem Buch geht es also darum, dass die digitalen Medien nicht nur unseren Alltag verändern, sondern auch unsere Wahrnehmung, unser Denken, Fühlen, Handeln und vor allem unsere Beziehung zu anderen Menschen und wie wir mit ihnen kommunizieren und das nun nicht immer im positiven Sinne. Ich habe hier einige wesentliche für mich relevante Aspekte herausgesucht und möchte dazu neben den Erkenntnissen im Buch meine eigene Meinung dazu kundtun.


Verluste der Wahrnehmung – Dokumentieren statt erleben

Heutzutage haben wir meist immer unser Handy oder vielleicht auch die Kamera dabei. Ohne geht es fast nicht. Besonders wenn wir im Urlaub, auf Reisen sind, ist das Handy eigentlich immer dabei, damit wir die schönsten und spannendsten Momente eben auch gleich festhalten können. Wir knipsen diverse Sehenswürdigkeiten ab, laufen eigentlich immer nur mit dem Handy oder der Kamera vor der Nase herum, ohne die schöne Landschaft, den wunderbaren Ausblick von den Bergen oder auf das Meer genießen zu können. Nein, sofort kommt der Impuls auf, das alles fotografisch oder per Video festzuhalten. Damit wir bloß nichts vergessen und uns dann per Fotos und Videos auch Jahre später wieder daran erinnern können.

Alles schön und gut, aber wir vergessen dabei, den Moment zu genießen, etwas wirklich auf uns wirken zu lassen, den Anblick in unser Gedächtnis zu speichern. Es geht nicht mehr darum, wirklich etwas zu erleben und eine eigene Erinnerung zu schaffen, es geht nur noch um das reine Dokumentieren, entweder für uns selbst oder damit wir dann bei Freunden oder der Familie angeben können, wie schön es doch war. In dem Buch wird auch erwähnt, dass man so vertieft im Fotografieren ist, dass man nicht einmal wirklich mitbekommt, was man da eigentlich vor der Linse hat. Als ob man sozusagen im Autopiloten wäre und einfach wahllos Schnappschüsse macht, aber nicht richtig achtsam wahrnimmt. Das ist mit dem Verlust der Wahrnehmung gemeint. Wir gehen nicht mehr achtsam und bewusst durch die Welt, machen uns nicht mehr selbst ein Bild. Das übernehmen unsere Geräte wie Smartphones oder Kameras. Wir müssen das nicht mehr machen. Es ist wichtiger etwas schnell mal zu knipsen und gleich weiter auf Foto-Safari zu gehen. Man kann sich die Fotos ja später immer noch in Ruhe anschauen. Jetzt wird erst einmal so viel es geht gesammelt und später aussortiert. Erlebt wird nicht mehr, sondern nur dokumentiert. Der Blick richtet sich immer gen Zukunft, doch der Augenblick ist nichts mehr wert, das Erlebnis bedeutet nicht mehr so viel wie die Dokumentation.

Aber mal ernsthaft: Wer von uns hat sich später nach 1000 geschossenen Fotos wirklich die Mühe gemacht und dann auch noch die Besten aussortiert? Eigentlich viel zu zeitaufwendig und anstrengend. Noch paradoxer ist es, wenn jemand beispielsweise Momente wie eine Mond- oder Sonnenfinsternis mit Kamera aufnehmen will und die Technik streikt. Dann wird geflucht, dass man das nicht festhalten kann. Dabei könnte man sich doch glücklich schätzen, dass man das überhaupt erleben kann und den Moment genießen, anstatt sich über die Technik zu ärgern.


Verluste sozialer Interaktion

Schon seit längerem kennt man diesen Anblick, egal wo man hingeht, ob im Bus, in der Bahn, an der Haltestelle, im Wartezimmer, beim Essen oder sogar bei Treffen mit Freunden: Alle Leute starren eigentlich nur auf ihre Smartphones, selbst wenn sie mit anderen zusammen sind, es wird immer auf diesen Bildschirm geschaut. Alles drumherum wird ausgeblendet. Was ich daran aber am schlimmsten finde ist, dass wir dann unsere Zeit mit so etwas verschwenden, anstatt mal miteinander zu reden. Stattdessen schickt man sich ständig Nachrichten.

Und noch ungeheuer finde ich es, wenn ich mich mit einem Freund treffe und der die ganze Zeit auf dem Handy herumtippt und anderen Leuten schreibt. Das finde ich äußerst unhöflich, da ich mich in dem Moment einfach nicht wichtig genug und wertgeschätzt fühle. Mir wird keine Aufmerksamkeit geschenkt. Der digitale Kontakt ist wichtiger als der echte persönliche Kontakt. Das ist leider inzwischen bei so vielen so. Kaum einer geht mal ohne Handy aus dem Haus und kaum einer lässt mal sein Handy in der Tasche, wenn er sich mit anderen trifft. Ständig kommt eine Nachricht rein und die muss natürlich gelesen und gleich beantwortet werden. Der Freund, mit dem man zusammen ist, kann ruhig mal warten, ist ja nicht so schlimm, wenn man mal schnell auf dem Handy schreibt. Das führt übrigens auch dazu, dass wir uns einfach auch nicht auf unser Gegenüber und das Gespräch konzentrieren können, da wir ständig mit dem Fokus hin- und her wechseln, so richtig Blickkontakt haben wir dadurch auch nicht, wir sind dann nur abgelenkt und nicht beim Gesprächspartner.

Oder das Pärchen, das nachts im Bett liegt, Rücken an Rücken, im eigenen Smartphone vertieft. Anstatt also wirklich miteinander zu reden, surft man im Internet oder unterhält sich digital mit anderen. Und so geht eben auch die schöne Quality Time flöten. Oder es kommt dem Pärchen geradezu recht, weil es sich so nicht mit sich und seinen Problemen auseinandersetzen braucht, man hat sich vielleicht auch nichts mehr zu sagen und versucht es so besser zu verdrängen.

Es ist nicht so, dass ich alles verteufel, ich bin froh, dass wir über Smartphone und Internet mit anderen verbunden bleiben können, wenn wir sie nicht so oft sehen können, weil sie vielleicht auch woanders wohnen. Um so den Kontakt trotzdem aufrechtzuerhalten, finde ich es gut. Aber ich fände es gar nicht gut, wenn wir die persönliche Begegnung durch das unpersönliche digitale Treffen oder den Austausch einfach ersetzen würde. Es wäre einfach nicht richtig, kein guter Ersatz und würde auch unserer Beziehung nicht gut tun. Beziehungen leben nun einmal von Nähe, von direktem Kontakt, von Treffen, gemeinsamen Unternehmungen, die einen zusammenschweißen. Digitales kann helfen, dass wir mehr in Kontakt bleiben, dass wir uns öfter zu Treffen verabreden, aber mehr sollte es auch nicht sein.


Verluste der Leeräume

Wie schon erwähnt, hängen sehr viele Menschen inzwischen in jeder erdenklichen Situation an ihrem Handy: Ob auf Arbeit, beim Warten, in Bus und Bahn, bei Treffen mit Freunden und anderen Unternehmungen. Kaum einer hält es mal wirklich fünf Minuten ohne Handy aus. Es könnte ja gefährlich sein, wenn man sich langweilt! Und das ist das Problem: Das Smartphone beraubt uns unserer Langeweile und unserer Leerräume, es gibt gar nicht mehr die Möglichkeit, nichts zu tun. Das klingt erst einmal sehr gut, wer will sich schon absichtlich langweilen, wenn er doch stattdessen schnell mal schreiben, etwas lesen, lustige Katzenvideos oder sich in sozialen Medien durchscrollen kann.

Langeweile ist vielleicht nicht das richtige Wort, weil es sehr negativ geprägt ist. Ich bevorzuge das Wort „Nichtstun“, das ist für mich noch relativ neutral. Wir haben das verlernt, mal einfach nichts zu tun, durch die Gegend zu schauen, unsere Gedanken schweifen zu lassen, Menschen und unsere Umgebung zu beobachten. Gerade in solchen Momenten, in denen wir einfach nur sind, im Moment leben, können wir wirklich abschalten, wir fühlen in uns hinein, wir denken mal wirklich nach, wir haben die Möglichkeit, mal zur Ruhe zu kommen und einfach nur zu sein, ohne etwas zu tun. Nur in solchen Momenten fallen uns plötzlich wundersame Dinge ein, wir bekommen plötzlich tolle Ideen oder kommen zu erstaunlichen Erkenntnissen.

Das geht aber nur, wenn wir nicht ständig auf das Smartphone schauen. Denn sobald wir das tun, ist nichts mehr mit Muße, wir werden von Reizen überflutet, sind nicht mehr bei uns, sondern werden in die digitale Welt eingezogen, lenken uns ab und müssen uns nicht mehr mit uns selbst befassen. Dabei ist es aber so wichtig im Alltag auch mal Leerräume zu schaffen. Nur wenn wir mal ruhig sind, nichts tun, können wir über uns selbst und unser Leben nachdenken. Ich befürchte, dass das einigen von uns Angst macht, wenn wir mit uns allein sind, uns mit unserer Person und unserem Leben auseinandersetzen müssen. Deswegen suchen wir die Zerstreuung und Ablenkung mit den digitalen Medien. Sie lenken uns auch von möglichen Baustellen ab. Sich mal berieseln lassen, ist okay, aber leider ist es für viele der Dauerzustand.


Abhängigkeit – Fear of missing out

Viele von uns haben auch mobiles Internet, was sie dementsprechend auch überall und jederzeit nutzen können und auch tun. Das führt dazu, dass wir natürlich immer mit der digitalen Welt und mit allen Menschen verbunden sind. Das denken wir zumindest. Es hat Vorteile, weil wir auch schnell mal etwas nachschauen und uns erkundigen können. Wir fühlen uns sicher, können immer am Leben anderer teilhaben, solange wir das Internet haben. Doch wehe, wir haben kein Internet und auch kein Wlan, dann geht für viele die Welt unter, sie bekommen Entzugserscheinungen, werden ganz hibbelig und können sich kaum mehr konzentrieren. Sie kriegen Angst, dass sie etwas verpassen könnten, schließlich kriegen sie keine Nachrichten mehr, können ihre sozialen Medien nicht mehr abchecken, kriegen keine Updates mehr. Man fühlt sich ohne Internet und digitale Medien wie von der Welt abgeschnitten. Und das ist für viele ein unerträgliches Gefühl.

Ich bin da vermutlich ein Sonderfall, weil ich kein mobiles Internet habe, sondern nur auf Arbeit Internet und Zuhause Wlan habe. Ich schaue jedes mal in verdutzte Gesichter, wenn ich das erwähne: „Wie du hast kein mobiles Internet??! Wie kommst du damit nur klar??“ Ganz einfach, ich komme super damit klar, ich habe nicht das Gefühl etwas zu verpassen. Und ich freue mich, wenn ich länger nicht mehr im Internet war und dann meine Nachrichten lesen kann, die in meiner Abwesenheit reingekommen sind. Wobei manchmal fühle ich mich doch überfordert, wenn plötzlich 100 Nachrichten ungelesen sind. Dann muss ich alle erstmal abarbeiten, keine so tolle Beschäftigung. Jedenfalls kann ich es nicht verstehen, wie man ständig mit dem Internet verbunden sein muss. Wenn es wirklich Notfälle geben sollte, bin ich trotzdem über Handy erreichbar, dann kann man mich immer noch anrufen oder mit eine SMS schreiben. Und was kein Notfall ist, kann ruhig auch warten. Manchmal merke ich aber auch, dass ich dann einiges verpasse, weil sich bestimmte Gruppen über Whatsapp absprechen, ob sie sich treffen oder nicht. Und dann ärgere ich mich, wenn ich dann unterwegs bin und schon am Treffpunkt stehe und alle anderen bereits über Internet abgesagt haben. Nur ich Blöde habe davon natürlich nichts mitbekommen. Weil ich eben unterwegs kein Internet habe.

In der heutigen Zeit wird von vielen erwartet, dass man einfach immer und überall erreichbar ist. Nicht nur über Internet, sondern auch einfach über das Handy. Es besteht sozusagen eine Art Gruppenzwang, das Handy immer mitzunehmen, damit man jederzeit in Notfällen Anrufe entgegennehmen kann. Auch im Job ist das so, dass man auch nach dem Feierabend immer noch für die Kollegen da sein muss, wenn die von einen etwas wissen wollen oder einen informieren, wenn es Notfälle gibt. Das führt dazu, dass wir einfach nicht mehr entspannen können, wir sind in ständiger Alarmbereitschaft, jederzeit könnte jemand wieder anrufen und von einem etwas wollen. Wie befreiend es aber auch mal sein kann, das Handy nicht dabei zu haben, endlich mal Zeit für sich zu haben und nicht immerzu irgendetwas bimmeln, vibrieren und klingeln zu hören.


Überforderung Reizüberflutung

Mit den digitalen Medien haben wir eine Fülle und Vielfalt an Möglichkeiten, unsere Zeit auch digital zu gestalten. Wir können ständig neue Informationen finden, es werden immer wieder neue Inhalte geschaffen. Es gibt immer wieder neue Videos, Serien, Filme, Artikel und Fotos, die erstellt werden. Immer wieder Abwechslung, immer wieder Neues. Aber auf Dauer tut uns das nicht gut, wenn wir von allen Seiten mit neuen Reizen zugeballert werden. Klar, wir brauchen auch mal Zerstreuung und Ablenkung, aber nicht ständig. Das führt dazu, dass wir eigentlich immer nur mehr und mehr aufnehmen, aber nicht so schnell darin sind, das alles auch zu verarbeiten. Und auch das führt dazu, dass unser Gehirn und Geist einfach nicht zur Ruhe kommt. Es gibt wie schön erwähnt, so vieles im Netz zu entdecken, dass wir uns nur schwer entscheiden können, was wir nun tun sollen. Und das überfordert manche von uns sehr.


Multitasking verringert die Aufmerksamkeit

Wer kennt es nicht: Auf Arbeit haben wir dutzende von Internet-Tabs an und wechseln immer wieder zwischen Arbeit und sozialen Medien. Das hält uns von der Arbeit ab und wir können uns nicht so wirklich in eine Aufgabe vertiefen, weil wir uns ständig selbst ablenken. Und da mal schnell auf Facebook geschaut, da mal kurz die E-Mail gelesen und beantwortet und dort mal durch Instagram gescrollt. Überall warten wieder neue Reize auf uns, die uns dann ein Gefühl von Belohnung vermitteln. Darum klicken wir auch allzu gerne irgendwo drauf und schauen uns etwas an. Das macht auch richtig süchtig. Aber mit dem Wechseln verlieren wir mehr Aufmerksamkeit und Konzentration, die wir für unsere Arbeit beispielsweise brauchen. Und richtig in ein Buch vertiefen können manche auch nicht, weil sie es im Internet gewohnt sind, einfach mal quer zu lesen und Artikel und Texte nur noch kurz zu scannen. Man hat ja nicht mehr so viel Zeit und es gibt noch so viel zu entdecken und zu lesen. Die Zeit bleibt ja trotzdem begrenzt.


Im nächsten Teil geht es dann um Überkonsum, das Verlernen des Lernens, Selbstoptimierung, soziale Medien als falsche Glücksdarstellung, das Übertreiben von Urteilen und die Dramen bei Beziehungen und beim Online-Dating.

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