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Die Stille im Leben

Sehnen wir uns nicht alle mal danach: Nach der Stille im Leben. Einfach mal raus aus dem hektischen Alltag, aus dem ganzen Lärm, dem ganzen Trubel. Doch viel zu selten finden wir diese Stille im Leben. Aber bedeutet sie eigentlich und wie können wir sie wieder mehr in unser Leben einladen?


Unangenehme Stille

So richtig still ist es eigentlich selten mal im Leben. Kennt ihr das vielleicht? Wenn ihr im Wartezimmer beim Arzt wartet, keiner sagt etwas, es ist so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte? Mir waren solche Momente immer sehr unangenehm. Was sicherlich auch an meiner extremen Schüchternheit gelegen hat. Ich fand es unangenehm, mich atmen zu hören, meine eigenen Körpergeräusche wahrzunehmen. Da war eine diffuse Angst, dass auch die anderen davon etwas mitbekommen. Und das war mir immer so peinlich. Aber aus dieser Situation kam ich meist nicht raus, solange ich nicht aufgerufen wurde. In solchen Momenten hasste ich Stille.


Was ist Stille?

Was genau ist denn eigentlich Stille? Eigentlich eine total simple Frage: Die Abwesenheit von Lärm. Wenn es eben ruhig ist und du sogar Dinge hören kannst, die du sonst nicht hören kannst, wie beispielsweise dein Atmen oder deinen Herzschlag. Aber wenn ich intensiver darüber nachdenke, bedeutet Stille eigentlich noch viel mehr: Es ist Ruhe, Stille bedeutet für mich auch Entspannung, kein Stress, einfach Ankommen, im Hier und Jetzt sein. Stille bedeutet für mich auch einfach Nichtstun. Einfach nur das wahrnehmen, was ist, mit all meinen Sinnen. Einfach nur einatmen und wieder ausatmen. Vollkommen bei mir sein, mich auf mich konzentrieren und hineinhören und fühlen, was in mir ist. Meine Emotionen erspüren, schauen, wie es mir geht. Das alles und noch viel mehr ist für mich Stille. Stille ist für mich auch, wenn ich merke, wie langsam die Zeit vergeht.

Also doch keine so einfache Frage, die man mal schnell beantworten kann, finde ich.


Vergebliche Stille im Alltag

Wenn ich es mir recht überlege, habe ich viel zu selten solche Momente der Stille, in der ich die Ruhe einfach genieße, einfach nur bin, nichts tue und es wirklich richtig still ist. Seien wir doch mal ehrlich: Im Alltag versinken wir im geschäftigen Trubel, da ist nichts mit Stille. Auf Arbeit sind wir meist per Auto oder Bus oder Bahn unterwegs: Und meist sind wir dann auch noch von anderen und deren Stimmen umgeben. Sind wir mal allein im Auto, wird gleich das Radio angeschaltet, an das Motorgeräusch haben wir uns gewöhnt, das ist unsere Hintergrundmusik. Und wenn wir unsere Ruhe in Bus und Bahn haben wollen, machen wir die Ohrstöpsel rein, schalten alles andere um uns herum aus und hören Musik. Kein Platz für Stille.


Homeoffice und Stille

Auf Arbeit, in der Uni oder Schule geht es weiter: Wieder viel Trubel, viele Menschen. Da, wo Menschen sind, ist es leider auch meist nicht still, ganz im Gegenteil. Es kann sehr laut und vor allem nervig sein, wenn Leute sich vielleicht sogar noch etwas zurufen, anschreien oder laut Musik hören müssen. Umgeben von Kollegen, Mitschülern und Kommilitonen ist kein Platz für Stille, was jetzt nicht unbedingt schlecht ist. Aber vor allem auf Arbeit nervt mich das manchmal auch sehr, wenn ich mich nicht auf meine Arbeiten konzentrieren kann. Ständig bimmelt das Telefon, die Leute quatschen und tratschen, wollen was von dir, der Drucker schmeißt Seiten raus. Manchmal wünschte ich mir, einfach nur meine Ruhe zu haben, dass es einfach still ist.

Diese Woche durfte ich das endlich mal erfahren: Wirkliche Stille am Arbeitsplatz. Denn ich habe von Zuhaue gearbeitet und war richtig erleichtert, mal meine Ruhe zu haben. Außer das Klackern auf der Tastatur und einige wenige Anrufe, war es wirklich fast die ganze Zeit über still. Total ungewohnt für mich, die ja sonst immer umgeben war von Kollegen. Einerseits fand ich es mal gut, ich habe gemerkt, wie konzentrierter und effektiver ich arbeiten konnte. Andererseits merkte ich doch, dass mir das Plaudern und die Stimmen der anderen gefehlt hatte. Auf Dauer wäre Homeoffice nichts für mich, mal für eine Woche oder paar wenige Tage schon. Aber ich mag dann doch die Abwechslung.

Stille kann schön und heilsam sein, doch wenn wir doch mal allein Zuhause sind und keine Musik läuft, dann können wir erst spüren, was es bedeutet, wenn es still ist. Das kann anfangs sehr beunruhigend und ungewohnt sein, wenn plötzlich keine Musik läuft, niemand spricht und auch alle anderen Geräusche weg sind. Anfangs versucht man die Stille auszuschalten, indem man Musik anmacht oder vielleicht sogar Selbstgespräche mit sich führt oder Podcasts hört. Doch mit der Zeit gewöhnt man sich daran, wie jetzt im Homeoffice.


Warum wir Stille brauchen

Ich glaube wir brauchen Stille im Alltag, um einfach mal abzuschalten, den ganzen Lärm und Trubel loszuwerden. Momente des Innehaltens sind für mich auch Stille. Einfach mal auf den Atem konzentrieren, die Gedanken schweigen lassen, im Hier und Jetzt sein. Einfach auch Momente haben, in denen ich allein bin und mich mit mir selbst befasse. Stille ist für mich Ruhe und Erholung, die wir alle in unserem hektischen Leben von Zeit zu Zeit brauchen. Erst wenn es um mich herum wirklich ruhig ist und ich nicht ständig aktiv bin, kann ich mal herunterkommen, abschalten und habe auch Zeit, mal zu reflektieren: Wie geht es mir gerade? Wie fühle ich mich? Was war heute gut, was weniger?

Stille kann so gut tun, wir besinnen uns auf uns und das, was uns umgibt. Wir sind sensibler für die Reize um uns herum und das, was sich in uns regt. Einfach mal alle Störquellen ausschalten, die Reizüberflutung ausschalten und einen Ort aufsuchen, der uns Stille bringt. Ich glaube, dass uns das unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit gut tun kann, wenn wir solche Orte der Stille suchen oder uns Momente der Stille schaffen. Wir entspannen dann automatisch, vor allem wenn wir mal nichts tun, der Stress fällt von uns ab, wir leben den Augenblick. Das ist auch Balsam für die Seele. Wir haben endlich die Ruhe, alles zu verarbeiten, uns mit uns zu befassen, mit dem, was uns wichtig ist.

Stellt euch vor, ihr seid im Weltraum, da herrscht absolute Stille: Auch super gruselig. Komplette Stille werden wir hier auf der Erde wohl nie haben, es gibt immer irgendwelche Geräusche, seien sie noch so klein.


Möglichkeiten, um Stille zu erfahren

Doch wie schaffen wir es, still zu werden oder in die Stille zu gehen?

Zunächst einmal müssen wir uns klar dafür entscheiden und entscheiden uns damit auch deutlich gegen alles andere: Reizüberflutung, Lärm, Trubel, Geschäftigkeit. Das ist heutzutage gar nicht so leicht, wollen wir doch ständig etwas erleben, uns weiter entwickeln, etwas erreichen und schaffen. Aber wir müssen uns bewusst darauf einlassen, still zu werden und Stille zu erfahren.

Die „einfachste“ Übung wäre, einfach mal nichts zu tun, nur zu atmen, die Augen zu schließen und in uns zu gehen. Ich schreibe einfach, weil es für die meisten nicht so ist. Im Gegenteil: Wir wissen gar nicht mehr, wie es ist, nichts zu tun, weil wir immer beschäftigt sind. Sich daran zu gewöhnen, kostet viel Überwindung und braucht Zeit und Ausdauer. Wir können mit 5 Minuten anfangen und uns langsam steigern. Anfangs wird unser Geist alles andere als ruhig und still sein. In solchen Meditationsmomenten wird uns bewusst, wie unruhig er ist, wie viele Gedanken durch unseren Kopf schießen und dass wir diese nur schwer lenken können. Doch es wird besser, ganz bestimmt. Je öfter wir das tun, desto ruhiger wird unser Geist und desto mehr können die Gedanken fließen, ohne, dass wir ihnen folgen müssen. Wir können uns auf unserem Atem fokussieren, fühlen uns in unseren Körper hinein und in das, was wir überhaupt in uns haben.

Viele fürchten sich vor dem Nichtstun und der Langeweile, die aufkommt. Plötzlich sind sie mit sich selbst konfrontiert, wissen nicht, was sie tun sollen, müssen sich mit sich selbst befassen. Da ist es einfacher, Serien zu schauen, Musik zu hören, irgendetwas zu unternehmen, sich berieseln zu lassen. Hauptsache Ablenkung, damit man bloß nicht merkt, dass man in sich nur Leere verspürt. Wir suchen nach Dingen und Menschen, die diese Leere und Löcher stopfen können, um uns wieder vollständig zu fühlen.

Aber gerade wenn wir uns mit uns befassen, über uns und unser Leben reflektieren, können wir auch innerlich wachsen. Nur in solchen Momenten der Stille erkennen wir, wer wir sind, wo wir im Leben stehen, was wir erreicht haben, was wir noch wollen. Erst dann sehen wir unsere Probleme und all unsere Baustellen. Klar, dass das einige verdrängen wollen. Aber in der Stille setzt erst die Entwicklung an. Erst wenn wir eine Bestandaufnahme machen, können wir an uns arbeiten und uns weiter entwickeln. Darum sind Momente der Stille für uns so wichtig. Wir können uns sammeln, neu orientieren, etwas verarbeiten, zu neuen Erkenntnissen kommen, Entscheidungen treffen. Das geht nicht im Alltagstrubel, sondern nur in der Stille.


Orte der Stille

Außerdem können wir Orte der Stille aufsuchen, in denen es entweder keine Menschen gibt oder es einfach ganz ruhig ist. Wie wäre es mal, wenn wir die Bibliothek oder eine Kirche besuchen, da ist es meist auch sehr ruhig, es wird wenig bis gar nicht geredet. Die heimische Toilette ist auch ein Ort, an dem wir meist Stille erfahren, vorausgesetzt wir nehmen keine Musik oder unser Handy zum Spielen mit.

Oder wir machen mal Urlaub im Kloster und könnte mal austesten wie es ist, nicht mehr zu sprechen. Gut, das ist mehr etwas für Hartgesottene, die gerne experimentieren. Ich stelle mir das aber schon irgendwie spannend vor, was das mit uns macht und welche Erfahrungen ich dadurch gewinne.

Ansonsten ist für mich die Natur ein Ort, an dem ich Stille und Ruhe erfahren kann. Möglichst aber irgendwo dort, wo wenig Menschen sind, am besten dort, wo niemand ist. Wenn ich mal meine Familie in Thüringen besuche ist für mich meist auch der Wald ein Ort, den ich sehr gerne besuche. Einfach weil da meist nie jemand unterwegs ist. Ich und der Wald, nur wir zwei. Ich höre die Blätter rascheln, den Wind pfeifen, Vögel zwitschern. Natürlich ist es nicht vollkommen still, für mich ist Stille auch nicht per se die Abwesenheit von Geräuschen, sondern einfach die Abwesenheit von Lärm und all den Geräuschen, die einen belasten oder ablenken können.

Wandern ist für mich auch eine Möglichkeit, wirklich still zu werden und die Stille zu erfahren. Besonders dann, wenn ich allein bin, dann rede ich auch mit niemanden, kann mich vollkommen auf das Laufen und die Landschaft konzentrieren. Das hat für mich auch etwas total Meditatives, ich entspanne, obwohl ich mich bewege. Aber es ist etwas anderes als der Alltagsstress und die Dinge, die ich sonst so mache. Da bin ich meist auch nicht bei der Sache, irgendwo anders mit den Gedanken, da springen auch meine Gedanken ständig hin und her. Nicht beim Wandern, da bin ich ähnlich wie beim Meditieren, richtig auf mein Tun konzentriert, aber auch auf das, was um mich herum ist.


Stille Hobbys

Im Alltag gibt es auch Dinge, die wir allein tun können und in denen wir Stille erfahren. Das sind für mich kreative Tätigkeiten wie das Malen, Zeichnen, etwas schreiben, handwerklich tätig sein, nähen, basteln und noch mehr. Aber auch Lesen ist für mich etwas, wo ich Stille erfahren kann und auch brauche, ansonsten kann ich mich nicht darauf konzentrieren.


Schweigen und Stille

Vielleicht kennt ihr das, man redet mit jemanden und plötzlich wird es still, keiner von beiden sagt etwas oder beide überlegen, was man als nächstes sagen kann. Momente des Schweigen sind vielen unangenehm, man will irgendetwas sagen, um die Stille zu brechen. Es ist meist ein unangenehmes Gefühl, ich kann es nicht so genau beschreiben, aber ich will jedes Mal wieder etwas sagen, nur damit es nicht still ist. Schon komisch. Sie scheint für viele unerträglich zu sein, aber warum? Ist es, weil wir sonst befürchten, dass wir befürchten, die Verbindung zum anderen zu verlieren? Dabei kann es auch sehr schön sein, mit anderen zu schweigen. Es sind eher die wenigsten Menschen, mit denen es klappt, meist sind es die, die uns am nächsten stehen. Stille kann also auch im Zwischenmenschlichen heilsam und auch bereichernd sein und die Beziehung stärken.


Was bedeutet für euch Stille und wie erlebt ihr sie im Alltag? Wie schafft ihr es, still zu werden und für Stille zu sorgen?

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