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Home is where your heart is

Heimat ist da, wo du dich wie Zuhause und wohl fühlst. Stimmt dieser Spruch? Was bedeutet Heimat denn eigentlich wirklich? Und kann man in seinem Leben auch mehr als nur eine Heimat haben? Diesen und weiteren Fragen gehe ich in meinem Text auf die Spur.


Was ist eigentlich Heimat?

Ich finde es gar nicht so leicht, zu sagen, was Heimat ist. Das ist bestimmt für jeden etwas anderes. Ist die Heimat der Ort, an dem ich geboren wurde? Ist es der Ort, an dem ich viele Jahre gelebt habe? Ist Heimat gleichzusetzen mit meiner Herkunft? Oder kann auch ein neuer Ort, an dem man einige Zeit gelebt hat, zu einer weiteren Heimat werden. Was ist denn das nur, Heimat? Und kann man mehr als nur eine Heimat haben?

Also ich kann da natürlich nur von meinen Erfahrungen sprechen. Wenn ich anderen erzähle, dass ich nach Thüringen fahre, sage ich eigentlich immer, ich fahre zurück in meine „Heimat“. Für mich ist Heimat im klassischen Sinne der Ort, an dem ich meine Kindheit und Jugend verbracht habe und in dem ich einfach viele Jahre gelebt habe. Heimat ist also der Ort, an dem ich aufgewachsen und groß geworden bin. Heimat hat für mich etwas Nostalgisches. Es ist ein Ort, an dem ich nicht mehr bin, sondern immer mal wieder alle paar Male im Jahr zurückkehre. Man kann also Heimat eng verbunden mit der eigenen Biographie sehen.

Ein anderer Ansatz wäre, dass Heimat der Ort ist, in dem meine Familie noch lebt und an dem ich meine alten Schulfreunde wiedersehe, wenn sie beispielsweise zu Weihnachten mal wieder nach Hause kommen. Heimat ist für mich der Ort, an dem ich tiefe Freundschaften geschlossen habe, die vielleicht sogar ein Leben lang halten werden.


Heimat ist mein Zuhause

Und da hätten wir den nächsten Punkt: Heimat hat für mich etwas von Zuhause. Inzwischen wohne ich nun nicht mehr in meiner Heimat, in Thüringen, sondern in einem anderen Bundesland. Das ist mein neues Zuhause geworden, in dem ich bereits seit 2012 lebe, also auch schon eine ganze Weile. Doch den Großteil meines bisherigen Lebens habe ich in meiner Heimat verbracht, ganze 19 Jahre. Doch irgendwann werde ich vielleicht viel mehr Jahre in meinem aktuellen Wohnort verbracht haben.

Und trotzdem wird mein früheres Zuhause immer noch meine Heimat bleiben. Und trotzdem ich nur so selten in die Heimat komme, fühlt es sich nie irgendwie fremd an, im Gegenteil: Dort fühlt sich alles so vertraut an, als wäre die Zeit seit dem letzten Besuch nie vergangen. Auch wenn sich immer mal wieder etwas ändern sollte, Geschäfte schließen, neue öffnen, es wird wieder mal an etwas gebaut, andere Gebäude stehen plötzlich da – es ist und bleibt meine vertraute Heimat. Dieses Gefühl und diese Verbundenheit wird nicht vergehen. Heimat bringt so viel Vertrautheit, die ich nie vergessen oder verlieren würde, selbst wenn ich noch viel viel länger weg bleiben würde.

Meine Heimat ist der Ort, an dem ich so ziemlich die wichtigsten und prägenden Jahre verbracht habe. Gerade in der Jugend erlebt man doch so einiges, findet sich selbst, macht gravierende Erfahrungen, die einen ein Leben lang begleiten. Darum ist Heimat auch ein Ort der Erinnerungen für mich. Heimat gibt mir das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, hier fühle ich mich wohl, hier komme ich gerne zurück. Heimat ist der Ort, den ich eigentlich am besten kenne. Ich kenne die tollsten Ecken, könnte Außenstehende durch den Ort führen und einiges dazu erzählen.


Umzug als Chance Heimat wiederzuentdecken

Seltsamerweise wurde mir erst bewusst, wie wichtig mir meine Heimat ist, als ich sie verlassen habe. So ist es ja meist: Man lernt erst etwas schätzen, wenn man es nicht mehr hat. Und dann hat man plötzlich einen ganz anderen Blick darauf, sieht auf einmal die positiven Seiten mehr, die negativen werden verdrängt. Ich habe das selbst gemerkt, dass ich meine Heimat mit ganz anderen Augen gesehen habe, dass ich sie vermisst habe.

Als ich damals noch dort gelebt habe, konnte ich es eigentlich kaum abwarten, woanders hinzuziehen. Ich war so aufgeregt, endlich mal in eine Großstadt zu kommen, dort zu leben, und meine Kleinstadt hinter mir zu lassen, die auf mich einfach super langweilig wirkte im Vergleich zu meinem jetzigen Wohnort.


Heimweh

Doch als ich dann in der Großstadt lebte, fehlte mir etwas. Ich fühlte mich trotz meinem Freund isoliert, alles war neu, aufregend und auch gleichzeitig beängstigend. Ich kannte hier nichts und niemanden, ich musste mir alles wieder aufbauen. Und das fiel mir verdammt schwer, es dauerte drei Jahre bis ich mich hier wirklich wohlfühlte.

In der Zwischenzeit war es mit dem Heimweh wirklich sehr schlimm. So schlimm, dass ich sogar noch einen Monat nach dem Umzug für ein Wochenende nach Hause fahren musste, weil ich es einfach nicht hier aushalten konnte. Ich sehnte mich so sehr nach meiner Heimat, meinem Zuhause. Damals war meine Heimat identisch mit meinem Zuhause, der Ort an dem ich Familie und Freunde hat, an dem ich aufgewachsen war, dort waren meine ganzen Erinnerungen und Wurzeln. Heimat war für mich der Ort, an dem ich emotional einfach auch sehr gebunden war.

Doch hier hatte ich diese Wurzeln nicht, hier gab es außer meinem Freund nichts, was mich hielt. Es gab noch keine Erinnerungen und Erlebnisse und Menschen, die ich mit meinem zweiten Zuhause verband. Nur mein Freund hielt mich hier. Und als ich dann auch einfach keine Freunde fand, wurde ich richtig unglücklich, ich war nur Zuhause, versank in Computerspielen und verbrachte viel Zeit allein oder mit meinem Freund.

Ich wollte nichts von der Stadt wissen, in der ich lebte. Alleine machte es ohnehin keinen Spaß, sie zu erkunden oder etwas zu unternehmen. Und mein Freund war damals auch Stubenhocker. Also bleiben wir in unserer Komfortzone, wir hatten uns, das reichte. Aber irgendwann merkte ich, dass es einfach nicht reicht und ich mehr brauche, als nur ihn. Ich brauche so ein soziales Netz wie in meiner Heimat. Ich wollte mich integrieren, richtig einleben und diesen Ort zu meinem neuen Zuhause machen. Ich wollte nicht mehr diese Stadt ablehnen. Schließlich ist das der Ort, an dem ich noch viele Jahre leben würde. Ich wollte mich wohlfühlen und eine Bindung schaffen.


Was tun gegen Heimatweh?

Natürlich verspürte ich immer mal wieder Sehnsucht nach meiner Heimat. Und ich besuchte meine Familie und Freunde damals auch öfter als vielleicht jetzt. Das konnte mein Heimatweh etwas lindern. Aber es löste eben nicht das Problem: Ich fühlte Heimweh, weil ich mich einfach an meinem aktuellen Wohnort nicht wohl fühlte, nichts damit verband. Es war mir einfach zu fremd.

Der logische Schluss war also, dass ich eine Bindung schaffen wollte, ich wollte die Stadt besser kennenlernen, mich einleben, Menschen treffen, Freundschaften schließen, mir ein soziales Netz aufbauen. Dazu musste ich aus meiner Komfortzone raus, was alles andere als leicht war für eine introvertierte Person wie mich. Aber ich fing an, mir etwas für die Freizeit zu suchen. Ich engagierte mich ehrenamtlich, ging zum Sport, gründete eine eigene Selbsthilfegruppe, ich meldete mich auf einem Freundschaftsportal an, lernte so noch mehr Leute kennen. Und nach ein paar wenigen Jahren baute ich mir endlich das soziale Netz auf, wonach ich mich sehnte.

Mit den neuen Bekannten und Freunden lernte ich meine neue Heimat kennen. Ich nahm mir vor, jede Woche etwas draußen in der Stadt zu erleben, zu entdecken, irgendetwas Neues. Und ich lernte das Potenzial meines Wohnortes kennen, sah plötzlich, dass es so viel zu entdecken und zu erleben gab. Ich fand die schönsten Ecken kennen, besuchte verschiedene Stadtviertel und kannte mich allmählich besser aus. Ich fand meine Lieblingsorte in der Stadt, Orte, an denen ich mich gerne mit anderen treffen konnte. Und dieses Jahr schaffte ich mir dann auch ein Fahrrad an und fuhr seitdem immer durch die Stadt. Auch so bekam ich dann noch mal einen anderen Blick auf meinen Wohnort.


Eine neue Heimat?

Je besser ich meinen Wohnort kennenlernte und mich wohlfühlte, desto mehr nahm auch das Heimweh ab. Inzwischen spüre ich diese Sehnsucht nur noch selten, ich freue mich natürlich immer wieder, in die Heimat zu kommen. Aber inzwischen fühle ich mich einfach in meiner „neuen“ Stadt so wohl, dass ich sie als meine zweite Heimat ansehe.

Ich habe in den inzwischen acht Jahren hier so viel erlebt, so viel entdeckt, viele Erinnerungen geschaffen, Menschen kennengelernt, Freundschaften geschlossen, ich habe mich inzwischen so eine Bindung zu meinem Wohnort geschaffen, dass er für mich Heimat geworden ist. Allerdings wird dieser Ort wohl immer eher die zweite oder neue Heimat sein und niemals meine „alte“ Heimat verdrängen. Die werde ich immer in besonderen Ehren halten und in meinem Herz tragen.

Für mich ist dieser Ort auch zu meiner Heimat geworden, weil hier mein Freund und jetziger Mann lebt, es unsere Heimat geworden. Insofern kann man vielleicht auch sagen, dass mein Zuhause da ist, wo mein Mann ist. Für ihn habe ich meine Heimat verlassen und bin hierher gezogen.

Dieser Ort ist für mich so ans Herz gewachsen, ich habe mich so gut eingelebt, mir so viel aufgebaut, habe Orte und Menschen und Aktivitäten für mich entdeckt, die ich nicht mehr missen will. Mein Wohnort ist ein Ort für mich geworden, an dem ich mich wohlfühle, ich lebe sehr gern hier, obwohl ich auch die nicht schönen Seiten und Ecken kenne. Doch ich habe einfach nicht mehr das Verlangen, woanders hinzuziehen. Ich bin hier sehr zufrieden, hier ist alles, was ich brauche. Mehr will ich nicht.

Und inzwischen schätze ich auch die Seiten der Großstadt vielmehr auch wenn ich manchmal das Kleinstadt-Feeling in meiner Heimat auch gut finde. Aber inzwischen möchte ich nicht mehr in meine eigentliche Heimat zurück, ich möchte hier bleiben.

Man könnte also sagen, dass ich jetzt zwei Heimaten habe, meine alte Kindheits-Jugend-Heimat und meine neue Heimat. Das geht also schon und trotzdem würde ich keine von beiden als besser einstufen oder miteinander vergleichen wollen. Sie sind beide einfach anders und haben beide einen besonderen Platz in meinem Herzen. Ich möchte beide nicht missen.

Mein Wohnort ist der, an dem ich auch künftig wohnen bleiben will. Ich möchte hier mit meinem Mann leben, eine Familie gründen, mein eigenes Heim einrichten. Hier möchte ich bleiben, meine Kinder großziehen und auch gerne alt werden. Ich weiß nicht, ob das klappt, vielleicht bekomme ich irgendwann doch Lust, woanders hinzuziehen, aber für den Moment bin ich hier zufrieden und will nicht mehr fortgehen.

Meine alte Heimat ist für mich der Ort, an dem ich mehrmals im Jahr zurückkehre. Ich muss gestehen, dass es der Ort ist, an dem ich abschalten kann. Es ist für mich fast wie Urlaub, wenn ich nach Hause fahre. Ich lasse meinen Alltag hier zurück und darf in der Heimat wieder Kind sein. Immer wenn ich dort bin, verfalle ich in Nostalgie, ich erinnere mich an meine Kindheit und Jugend zurück und finde das so schön. Vor allem zu Weihnachten ist es am schönsten, in die Heimat zu kommen.


Besondere Fälle von Heimat

Doch was ist mit den Menschen, die immer wieder umziehen musste, alle paar Jahre ihren Wohnort wechseln mussten, weil es wegen dem Beruf der Eltern nicht anders ging? Haben die auch eine Heimat? Vielleicht finden sie ihre Heimat erst, wenn sie sich an einem Ort länger niederlassen, ihn kennenlernen, Freundschaften schließen, ihre Liebe finden, eine Familie gründen. Das hoffe ich doch sehr. Menschen, die wegen Krieg oder finanziellen Problemen ihre eigentliche Heimat verlieren und nach Deutschland kommen wären auch ein besonderer Fall. Ich glaube, dass ihre Heimat immer ihre Heimat bleiben wird, auch wenn sie lange in Deutschland bleiben. Es hängt vor allem davon ab, wie gut man sich integrieren kann, wie gut man Deutsch lernt, ob man eine Arbeit findet, Freunde und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.

Meine Mutter wurde in Vietnam geboren, ging dort zur Schule und kam als junge Erwachsene nach Deutschland. Inzwischen lebt sie aber schon mehr als die Hälfte ihres bisherigen Lebens in Deutschland: Deutschland ist zu ihrer zweiten Heimat geworden. Und sie will gar nicht mehr weg, sie will nicht in ihre eigentliche „Heimat“ Vietnam zurück. Sie hat sich anders als andere Vietnamesen viel mehr in Deutschland integriert, arbeitet in einem deutschen Unternehmen, hat einen deutschen Mann als Partner und spricht auch wesentlich besser Deutsch als andere. Wir beide sprechen auch vorwiegend Deutsch und das stärkt natürlich ihre Bindung zu Deutschland. Weil sie das Leben hier einfach viel schöner und besser findet, hier ihre neue Wurzeln geschlagen hat, ist Deutschland ihre neue Heimat. Trotzdem behält sie ihre vietnamesischen Wurzeln bei, sie spricht immer noch Vietnamesisch mit Bekannten und Verwandten, sie hält Kontakt nach Vietnam und reist auch alle paar Jahre dorthin. Sie hält ihre frühere Heimat in Ehren und lebt trotzdem schön in ihrer neuen Heimat.

Oder was ist mit Menschen, die einfach super gerne reisen und die es doch nicht länger an einem Ort hält? Was ist für sie Heimat? Ich denke, dass solche Reiseliebhaber dennoch immer wieder einen Ort haben, an dem sie zuückkehren. Der Ort, wo ihre Liebsten leben oder wo sie eben ihr Zuhause haben.

Heimat ist tatsächlich für mich ein Ort, an dem ich mich wie Zuhause fühlte, die Heimat ist vertraut, bringt mir Geborgenheit und Sicherheit. Aber ich habe inzwischen gelernt, dass man mehr als nur eine Heimat haben kann und dass man auch den neuen Wohnort zu seiner neuen Heimat machen kann

Was bedeutet für euch Heimat? Habt ihr mehrere Heimaten? Was tut ihr gegen Heimweh?

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