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Ein Brief an mich: Du bist gut so, wie du bist

Liebes Ich,

das, was ich dir jetzt schreibe, das hätte ich dir schon viel früher sagen sollen. Und viel, viel öfter. Doch besser spät als nie, oder? Du bist ein toller Mensch! Du magst es vielleicht nicht glauben, denkst dir, das sage ich doch nur, um dir zu schmeicheln. Das sind doch nur leere Worte. Aber glaub mir: Wer, wenn nicht ich, würde denn sonst ganz ehrlich zu dir sein? Das ist nicht aus Höflichkeit oder um dir zu gefallen. Du kannst es mir also ruhig glauben, wenn ich dir sage: Du bist gut so wie du bist.

Ich weiß, es ist schwer zu glauben. Du ringst schon dein ganzes Leben mit dir. Kannst kaum in den Spiegel schauen, weil das, was du siehst, dir nicht gefällt. Sowohl innerlich als auch äußerlich. Wie sollte ich dir auch einen Vorwurf machen? Hast du doch nie das Gefühl gehabt, wirklich so zu reichen, wie du bist. Ständig hast du zu hören bekommen, dass du zu ruhig bist. Aber glaube mir, wenn ich dir sage: Du bist nicht zu ruhig. Du bist genau so richtig, wie du bist. Denn das bist du, ein einzigartiger Mensch, mit niemandem zu vergleichen.


Du bist nicht zu leise

Lange Zeit bist du vor deinem wahren Ich weggerannt oder zumindest von einem Teil von dir. Weil du das Gefühl hattest, so nicht auszureichen. Du hast diesen Teil von dir weggedrückt, konntest ihn nicht akzeptieren, wolltest anders sein. Du hast dich so nie wirklich akzeptiert und geliebt gefühlt. All diese verletzenden Worte, Blicke und Taten der anderen – sie haben sich in dein Gedächtnis eingebrannt. Und immer dieser Gedanke: Ich bin nicht gut so, wie ich bin. Wie ein Mantra hast du es unbewusst immer und immer wieder vor dir her gesagt. Bis du es irgendwann für dich wahr wurde.

Du bist geflohen, vor dir und vor den anderen. Einen dicken Panzer hast du dir zugelegt, nur um dich von anderen abzugrenzen und ja nicht verletzt zu werden. Dein wahres Ich blieb verborgen. Gleichzeitig verstummtest du, wolltest dich unsichtbar machen, nicht mehr von anderen gesehen und bewertet werden. Du wurdest wie ein Geist, Luft für die anderen. Einerseits fühlte es sich so sicher an, andererseits tat es auch weh, von niemandem beachtet zu werden.

Du hast dich nie verstanden gefühlt, alle anderen waren normal, doch du warst so anders, dachtest du. Irgendwie konntest du keine Connection zu den anderen aufbauen. Liegt es an mir oder den anderen, fragtest du dich immer wieder. Aus Traurigkeit wurde Wut und aus Wut wurde Hass – auf die anderen und auf dich selbst.

Du hast dich gehasst, für das, was du nicht bist und für das, was du bist. Dieser Hass hat dich verschlungen, dich in die Tiefe stürzen lassen. Immer weiter bist du in ein schwarzes Loch gesunken. Und da war niemand, der dich retten konnte. Die Dunkelheit hat dich komplett eingenommen. Deine Gedanken wurden düsterer, dein Körper schwerer und gleichzeitig breitete sich eine Leere in dir aus. Wofür noch leben, wenn das alles keinen Sinn mehr macht?

Und dann kamen die roten Linien. Eine nach der anderen. Es wurde zu einer Sucht, das einzige, was dich noch spüren ließ, dass du lebst. Da war so viel Selbsthass. So viel Aggressionen gegen die anderen und gegen dich selbst. Du brauchtest ein Ventil, um das alles herauszulassen. Schreien konntest du nicht, geweint hattest du schon genug. Es war wie ein stummer Hilfeschrei, in der Hoffnung, dass dich jemand aus allem retten kann.


Du bist wertvoll und dein Körper auch

Da war so viel in dir drin, so viel, was sich da angestaut hatte. Doch du konntest es nicht aussprechen, du musstest einen anderen Weg finden. Und schriebst alles auf Papier nieder. Noch heute habe ich die Texte und wenn ich sie lese, erinnere mich daran, was du alles durchmachen musstest.

Es tut mir leid. Ich wünschte, ich wäre stärker gewesen. Ich wünschte, ich hätte dich daran hindern können, dir so viel Leid anzutun. Ich wünschte, ich hätte dir sagen können: „Hör auf mit dem Scheiß! Tu dir nicht mehr selbst weh. Du bist so wertvoll und dein Körper auch!“ Doch ich war selbst zu schwach und habe dich machen lassen. Es tut mir so leid.

Doch das soll jetzt anders werden. Liebes Ich, ich will für dich stark sein. Ich will für dich da sein, wenn du jemanden brauchst. Ich will nicht mehr weglaufen, sondern mich den Problemen, der Vergangenheit stellen. Und ich will, dass du weißt, dass ich dich liebe. Auf meine ganz besondere Weise. Ich habe es dich leider zu selten wissen lassen.

Schließe Frieden mit dem, was vergangen ist. Es hat Narben hinterlassen, die nicht mehr weggehen. Aber auch das ist okay. Das alles, das Positive und Negative, das war nicht umsonst, das hat dich geprägt und zu dem wundervollen Menschen gemacht, der du jetzt bist.


Du kannst schwach sein

Du setzt immer wieder ein Lächeln auf, um anderen zu gefallen. Doch bist das wirklich du? Was ist mir dir? Bist du dir dabei selbst treu? Du bist immer diejenige, die so strahlt wie die Sonne. Das liebe ich an dir.

Aber wenn es dir nicht gut geht, versteckst du es. Du scheust dich davor, anderen deine Schattenseiten zu zeigen. Du willst immer alles schaffen, stark sein, ein Vorbild für andere. Und bringst dich selbst immer wieder an deine Grenzen. Warum? Wovor hast du Angst, wenn du dich verletzlich zeigst? Warum kannst du keine Hilfe annehmen?

Doch es ist in Ordnung, wenn du nicht immer lächeln kannst. Nicht alle Tage sind gut und an den schlechten Tag darfst du dich ruhig mal schlecht fühlen, in Selbstmitleid vergehen. Diese Tage vergehen wieder, es kommen wieder bessere Tage. Du darfst auch mal schwach sein, mal etwas nicht schaffen. Du bist doch keine Maschine, die nur funktioniert, auch wenn du denkst, du könntest es sein. Nein, lass los von diesem Gedanken. Du bist ein Mensch, der nicht immer funktionieren kann und vor allem nicht muss.


Du bist liebenswert

Manchmal kannst du gar nicht glauben, dass es einen Menschen gibt, der dich kennt und so liebt wie du bist. Warum zweifelst du so sehr daran? Warum glaubst du, diesen Menschen festhalten zu müssen? Warum glaubst du, dass du nie wieder jemanden finden wirst, der dich so liebt wie er dich? Tief in dir schlummert noch immer dieser Angstgedanke: Ich bin so nicht liebenswert, wie ich bin. Wenn die anderen wüssten, wie ich wirklich bin, würde mich garantiert niemand akzeptieren und lieben. Warum bist du nur so streng mit dir selbst?

Dein Stiefvater war irgendwie am meisten schuld. Er hat dir das Gefühl gegeben, nie auszureichen. Du musstest immer besser sein, immer mehr können. Und am Ende hat es nie gereicht. Auch wenn er längst nicht mehr lebt, verfolgt dich deine Vergangenheit noch immer. Immer dieser Gedanke: Ich muss noch mehr leisten. Doch wofür und für wen?

Ich will dir sagen: Du musst nicht noch besser werden, du musst nicht noch mehr schaffen. Du bist so gut, wie du bist. Du musst nicht mehr haben oder tun, damit du geliebt wirst. Ich liebe dich für das, was du bist, ohne dein Tun und Haben. Löse dich von der Vergangenheit, lasse sie ruhen. Du hast dich verändert, du kannst jetzt lernen, dich selbst mehr zu lieben.


Niemand ist perfekt

Du wolltest eigentlich nie wirklich anecken, suchtest die Sympathie und Wertschätzung der anderen. Darum auch immer dieses Lächeln, um anderen zu gefallen, damit sie ja nichts schlechtes von dir denken. Doch damit setzt du doch eigentlich nur eine Maske auf. Das bist nicht 100 Prozent du. Du lässt kaum jemanden hinter diese Maske schauen. Aus Angst, es könnte den anderen nicht gefallen – dein wahres Ich. Aus Angst, dass man dich für das, was du wirklich bist, verurteilt und verachtet.

Auch andere Menschen haben ihre Schattenseiten. Niemand ist perfekt. Und das muss auch nicht sein. Wir alle haben doch Ecken und Kanten. Doch du denkst dir: Ich habe noch viel mehr Ecken und Kanten, ich bin zu schwierig, mit mir würde es kein anderer Mensch in der Beziehung aushalten. Doch woher willst du das wissen? Hast du mal in die Herzen und in die Psyche anderer Menschen hineingesehen?

Du bist nicht immer das Sonnenscheinchen, für das dich viele halten. Stille Wasser sind tief, sehr tief – und dreckig. Es stimmt, dass einiges, was du getan hast, nicht in Ordnung ist. Du hast Dinge getan, die du bereust. Du hast belogen und betrogen, das Vertrauen eines geliebten Menschen missbraucht. Das war und ist nicht in Ordnung, ich will das Verhalten nicht gutheißen.

Doch ich kann dich auch verstehen, mehr als jeder andere. Du hattest deine Gründe. Du bist schwach geworden. Damit wolltest du niemanden verletzen, schon gar nicht deinem geliebten Menschen Böses antun. Das kam dir nie in den Sinn. Was du wolltest, war, einfach nur glücklich sein. Du hast Fehler gemacht, doch ich will dir trotzdem verzeihen. Weil wir alle Fehler machen. Ich hoffe, du hast eines Tages den Mut, dich deinen Fehlern und der Wahrheit zu stellen. Und vergib dir selbst für deine Sünden.

Manchmal kannst du sehr egoistisch, sehr verletzend sein. Vor allem den Menschen gegenüber, die du am meisten liebst. Dann fallen zu harte Worte, über die du nicht nachgedacht hast und die du sofort bereust. Du steigerst dich in deine Wut und denkst nicht darüber nach, welche Folgen das haben könnte. Dann bist du wie ein Kind, das tobt und unbedingt das haben will, was es nicht kriegen kann. Das ist immer wieder schmerzhaft für dich und deine Mitmenschen. Das ist die Schattenseite an dir, die dich denken lässt, dass du nicht liebenswert bist. Doch du bist so viel mehr als das. Ja, diese Seite gehört zu dir und die solltest du akzeptieren, so schwer es dir auch fällt. Denn sie ist ein Teil von dir, so wie du aber aus so vielen anderen wundervollen Teilen bestehst. Du übersiehst das Gesamtbild. Du kannst auch anders sein. Wir alle tragen Anteile in uns, die uns nicht gefallen, die eher destruktiv sind. Und das ist in Ordnung.


Sei für dich da und liebe dich selbst

Du bist immer für andere da, willst anderen helfen, von ihnen gebraucht werden. Das ist toll, dafür bewundere ich dich. Aber was ist mit dir? Kannst du dir auch mal zuhören? Kannst du dir auch mal liebe Worte sagen? Kannst du auch für dich da sein, wenn du Zeit für dich brauchst? Kannst du dir auch mal ein guter Freund sein?

Ich weiß, dass du insgeheim immer nach Wertschätzung und Bestätigung suchst. Wenn du anderen hilfst, für sie da bist, dann ist das immer ein Stück weit auch egoistisch. Es tut dir gut, gebraucht zu werden. Du hast das Gefühl, wertvoll zu sein, weil du anderen von Nutzen bist. Das stärkt dein Selbstwertgefühl. Aber du machst dich gleichzeitig wieder von den anderen abhängig, du suchst wieder nur Bestätigung im außen. Und wenn da niemand ist, der gerade deine Hilfe braucht, was dann? Fühlst du dich dann nutzlos?

Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass du nicht mehr für andere da sein solltest. Du tust damit dir und auch anderen gut. Doch das darf es nicht allein sein. Suche nicht immer nur im außen, suche vor allem in deinem Inneren, nach Liebe, nach Wertschätzung und Bestätigung.

Ich glaube, das hast du sehr lange vernachlässigt. Du bist aber gerade dabei, dich besser kennenzulernen, herauszufinden, wer du bist. Das ist wunderbar, mach weiter so. Ich will dir abschließend sagen: Suche die Liebe nicht mehr nur im Außen, sondern vor allem in dir selbst. Nur wer sich selbst lieben kann, der kann auch Liebe geben. Das klingt nach einem abgedroschenen Spruch, aber es ist doch so wahr. Du stehst dir selbst näher als jeder andere Mensch. Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben, du darfst auch mal egoistisch sein, du darfst dich für das lieben, was du bist, ohne etwas tun oder leisten zu müssen. Deine Schattenseiten dürfen auch mal sein Du bist gut so, wie du bist. Wiederhole das immer und immer wieder, bis es für dich wahr wird.

In Liebe,

dein Ich

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