Direkt zum Hauptbereich

Sind wir eigentlich zusammen?


In Zeiten von Freundschaft Plus, Affären, Mingles und parallelem Online-Dating stellen sich viele die Frage: Ab wann ist man eigentlich zusammen? War es früher bei regelmäßigen Treffen, dem ersten Kuss oder der ersten gemeinsamen Nacht klar, kann man das heute nicht mehr so genau sagen. Ab wann wird aus dem Dating eigentlich eine Beziehung?


Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einer guten Freundin. Sie erzählte mir von einem Mann, mit dem sie sich schon seit vielen Monaten trifft und mit dem sie sich gut versteht. Die beiden sehen sich mehrmals die Woche, gehen natürlich auch regelmäßig miteinander ins Bett. Doch es ist keine reine Sex-Geschichte. Sie kuscheln auch einfach miteinander, genießen die gemeinsamen Zärtlichkeiten, führen intensive Gespräche, unternehmen auch viel außerhalb des Schlafzimmers. Sie laufen händchenhaltend durch die Stadt und knutschen auch zwischendurch und zum Abschied miteinander. Zwischen ihren Treffen schreiben sie sich regelmäßig, lassen den anderen an ihrem Leben teilhaben. Während ich ihr zuhöre, merke ich deutlich, wie verliebt sie ist. Und er scheint es auch zu sein, meint meine Freundin.

Doch ich merke auch, dass sie etwas unsicher ist, weil sie nicht genau weiß, was das eigentlich zwischen ihnen ist: Sind wir eigentlich jetzt zusammen oder nicht? So richtig darüber geredet haben die beiden wohl nicht miteinander. Es blieb bei Andeutungen wie, es ist schon mehr als nur eine Affäre oder keine reine Freundschaft Plus. Er meinte, er wolle das, was sie haben, nicht in Schubladen stecken. Solange es sich gut anfühlt, die beiden es genießen, bräuchte es doch keine Definition, oder? Doch meine Freundin spürte, dass sie dieses Ungewisse nicht länger wollte. Sie wollte Gewissheit: Was war das zwischen den beiden dann eigentlich?

Auch mich machte das in letzter Zeit nachdenklich und ich fragte mich auch: Ab wann ist es denn eine Beziehung? Und was macht eigentlich eine Beziehung aus?


Selbstverwirklichung schlägt die große Liebe

In heutigen Zeiten, wo man sich auch einfach online zum Sex verabredet oder eben über Tinder und Co. einfach ganz schnell potenzielle Liebhaber und Partner finden kann, scheint das immer schwerer zu fallen, den genauen Beziehungsstatus zu definieren. Und viele, die nicht mal Bindungen eingehen wollen oder auch gerade aus einer Beziehung kommen und nicht die nächste Enttäuschung erleben wollen – die wollen das auch gar nicht genau klären. Das scheint so ein Ding unserer jüngeren Generation zu sein. Nicht unbedingt Generation Beziehungsunfähig, sondern eher Generation Unentschlossen oder Generation „Ich will nichts genau festlegen, sondern ein bisschen Spaß haben und schauen, was sich daraus entwickelt“.

Es haben sich alternative Beziehungsformen entwickelt wie Freundschaft Plus oder auch Mingle-Beziehungen, die genau so eine Flexibilität bei maximaler Unverbindlichkeit ermöglichen. Nicht unbedingt die große Liebe steht da so im Fokus, sondern mehr die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, die eigene Selbstverwirklichung. Bloß nicht zu viel Verantwortung und Einschränkungen der eigenen Freiheiten. Und trotzdem will man nicht auf Nähe, Intimität, Sex und Zärtlichkeiten verzichten. Und da kommen einem solche Spielarten von Beziehungen gerade recht. Die lassen sich wunderbar in das eigene Lebenskonzept einfügen, ohne, dass man Kompromisse eingehen und auf etwas verzichten muss.

Und da das alles nicht so verbindlich ist, muss man sich auch nicht festlegen, man muss sich nicht trennen, wenn dann doch der Mister Right vorbei kommt. Und dann ist man entweder weg oder sagt dem anderen: „Du, ich habe jemanden kennengelernt, wir müssen damit jetzt aufhören.“ Und der andere sollte im Idealfall total entspannt sein und zustimmen. Es war ja nie eine Beziehung, nie etwas Ernstes, es waren keine Gefühle im Spiel. In der Theorie. Doch wir wissen doch eigentlich alle, dass diese Beziehungsformen alles anderes als unkompliziert sind. Mag sein, dass sie funktionieren, wenn es beide wirklich nur locker sehen. Bis sich einer von beiden eben doch verliebt. Dann ist es vorbei mit der lockeren Geschichte. Dann wird es eben ernst. So wie bei meiner Freundin eben auch, die endlich Verbindlichkeit will.


Nichts halbes, aber auch nichts Ganzes

Doch zurück zur Ausgangsfrage: Ab wann ist es denn eine Beziehung? Ich glaube, je nachdem, wen man fragt, wird man gefühlt tausende Erklärungen finden. Und wenn jeder irgendwie etwas anderes darunter versteht und ab wann es wirklich ernst wird, kann es ja nur zu Verwirrungen kommen.

Das, was meine Freundin mit diesem Mann hat, könnte man von außen betrachtet schon als eine Art Beziehung bezeichnen. Aber es ist eben eine Beziehung in der Schwebe, weil keiner von beiden jetzt wirklich deutlich gemacht hat: Ja, wir sind jetzt zusammen. Insofern würde ich sagen: Die beiden hängen irgendwo zwischen Dating und Beziehung.

Vielleicht trifft es die Bezeichnung Mingle-Beziehung auch. Mingle ist ja ein Modewort bestehend aus „mixed“ und „single“. Damit ist man weder richtig Single, noch wirklich in einer Beziehung. Man trifft jemanden, mit dem einen ein beziehungsähnlicher Zustand verbindet. Aber so richtig zusammen ist man nicht. Denn man nimmt sich einfach das Beste aus zwei Welten: Sex, Zärtlichkeiten, emotionale Nähe, aber ohne den ganzen Stress, die Konflikte, die Verantwortung, die Alltagsroutine, die eine gewöhnliche Beziehung mit sich bringen würde. Und eben ganz viel Freiheiten, andere Leute zu daten, zu tun, was man will, Freiheiten, die man als Single genießt. Irgendwie steckt man also dazwischen, es ist nichts halbes, aber auch nichts Ganzes. Für viele eine echte Alternative, denn sie genießen eben die Vorzüge des Single-Daseins, aber auch die einer Beziehung, ohne wirklich in einer zu sein.

Darum ist es ja heute auch so schwierig geworden, genau zu sagen, ob es eine Beziehung ist, oder nicht. Die Grenzen zwischen dem Kennenlernen, dem Dating und der wirklich festen Beziehung sind verschwommen. Es gibt einfach so viel dazwischen. Zärtlichkeiten, Sex, Kuscheln, gemeinsame Dates, Übernachtung – all das muss nichts mehr Ernstes heißen. Das muss nicht heißen, dass man ein Paar ist. Es fühlt sich vielleicht wie eine Beziehung an. Muss aber eben doch keine sein. Für den einen mag es eine Beziehung sein, für den anderen ist es eben aber doch nur eine Affäre. Auch das ist wieder Ansichtssache.


Was sind Hinweise auf eine Beziehung?

Kann man also heute überhaupt noch klar sagen, ja, das ist eine Beziehung oder eben nicht? Schwierig. Es gibt sicherlich ein paar Hinweise, die sehr nach Beziehung schreien.

Spätestens dann, wenn beide eben ihre Tinder-Accounts gelöscht haben und sich klar gemacht haben, dass sie niemand anderen treffen, wird es schon etwas ernster. Wobei das jetzt nicht heißen muss, dass man automatisch zusammen ist. Man hat eben einfach kein Interesse an anderen, weil da jemand ist, mit dem man sehr gern Zeit verbringt. Aber es ist schon mal ein gutes Zeichen, dass es in die ernste Richtung gehen könnte.

In Freundschaft Plus Geschichten oder bei Mingle-Beziehungen kann es eben auch schon mal vorkommen, dass man parallel auch andere datet. Muss nicht sein, kann aber passieren. Und da darf man eben auch nicht eifersüchtig sein, weil man offiziell nicht wirklich zusammen ist.

Oder wenn man sich eben wirklich regelmäßig sieht, aber nicht nur, um Sex-Dates zu haben. Man verbringt auch einfach gern Zeit zusammen, unternimmt etwas, kuschelt vielleicht auch nur. Es muss nicht immer in Sex enden. Man führt innige Gespräche, ist wirklich an dem anderen auch persönlich interessiert.

Man lässt den anderen auch am eigenen Alltag teilhaben, im besten Falle sieht man sich vielleicht auch täglich. Oder schreibt oder telefoniert öfter miteinander.

Für mich ist es auch ein Zeichen, wenn Händchenhalten ins Spiel kommt. Das machen meiner Ansicht nach nur Paare. Händchenhalten bedeutet für mich: Du gehörst zu mir, für gehören zueinander, ich stehe zu uns beiden. Ein ganz deutliches Signal an alle anderen. Würde ich im übrigen auch niemals mit einer reinen Affäre machen, sondern eben nur mit dem Mann, den ich liebe und mit dem ich zusammen sein will. Aber da kann ich natürlich nur für mich sprechen.

Wichtig ist, finde ich, dass man auch Gefühle füreinander hat und sich diese auch zeigt. Also nicht nur freundschaftliche oder einfach nur Sympathie. Nein, das geht noch tiefer. Im besten Falle hegt man für den anderen romantische Gefühle, ist auf dem Wege sich zu verlieben. Oder man ist bereits im siebten Himmel und zeigt das auch. Zärtlichkeiten auch abseits des Bettes sind für mich auch so ein Signal, dass der andere die Finger nicht von mir lassen kann. Weil er immer wieder meine Nähe sucht und mir zeigen will, wie sehr er mich gern hat.

Für mich wäre es auch eine Beziehung, wenn man auch die Familie und die Freunde des anderen kennenlernt. Um zu zeigen: Hier, das ist jetzt mein neuer Partner. Man will ja auch, dass der eigene Partner die Menschen kennenlernt, die einem am wichtigsten sind. Und besonders wenn man denjenigen auch den Eltern vorstellt, ist es schon etwas richtig ernstes.

Ganz klar wird es für mich auch, wenn über eine gemeinsame Zukunft gesprochen wird. Wenn man beispielsweise einen gemeinsamen Urlaub oder Ausflug plant. Wenn man dann wie automatisch auch den anderen mit einbezieht und sich gemeinsam in der Zukunft sieht. Der andere ist an meiner Seite, ohne den geht es gar nicht. Das ist für mich auch noch mal ein starkes Kriterium für eine Beziehung. Wäre es nur etwas lockeres, würde man den anderen sicherlich nicht unbedingt einplanen, sondern schauen, was dann noch so kommt. Man würde eher damit rechnen, dass es früher oder später einfach vorbei ist. Das nenne ich dann auch Verbindlichkeit. Ein starkes Wort, was automatisch in Beziehungen mitschwingt.

Für mich bedeutet es in einer Beziehung zu sein, dass man sich aufeinander verlassen kann. Man sorgt sich um den anderen, ist füreinander da, wenn man sich braucht. Man kümmert sich um den anderen, wenn er Probleme hat, hört zu, hilft aus, so gut wie es geht. Und rennt eben nicht gleich weg, wenn es eben ernst wird. Man sieht eben nicht nur sich selbst, sondern den anderen mit seinen Bedürfnissen, berücksichtigt sie.

Ist man schon länger irgendwie zusammen, kommen auch mal Zeiten, in denen es eben nicht so rosig ist. Konflikte und Probleme gehören auch in den besten Beziehungen dazu. Meinungsunterschiede kommen immer mal vor und dann streitet man sich auch mal, manche mehr, manche weniger. Aber das ist für mich beispielsweise auch ein starker Hinweis, dass man eben ein Paar ist: Man streitet miteinander, aber rennt eben nicht davor weg oder macht Schluss. Nein, man versucht Lösungen zu finden, versöhnt sich wieder.


Reden ist eben immer wieder das A und O

Das alles sind Hinweise, aber sie können eben nicht 100 Prozent Sicherheit geben, dass man wirklich zusammen ist. Der sicherste Weg, Gewissheit zu bekommen, ist und bleibt: Darüber reden und nachfragen. Ich weiß, das fällt vielen wirklich schwer. Sie haben Angst, dass sie den anderen damit abschrecken. Sie haben Angst vor einer Zurückweisung, vor der Verletzung der eigenen Gefühle. Sobald sie den Beziehungsstatus ansprechen, wird es vielleicht doch problematisch. Dann doch lieber schweigen und weiter genießen, aber im Stillen leiden sie eben doch unter dieser Ungewissheit. Doch ist das der richtige Weg? Ist das Selbstliebe, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse so sehr nach hinten stellen? Wenn wir eigentlich am liebsten eine Beziehung führen wollen, aber uns aus Angst vor einem Verlust mit so einem Zwischending zufrieden geben? Auf Dauer macht das doch schrecklich unglücklich.

Es nützt nichts. Wenn man eben nicht länger damit leben kann und will, dann muss man mutig sein und nachfragen: Was ist das eigentlich zwischen uns? Ist es mehr als nur eine Affäre oder eine Freundschaft Plus? Was läuft da zwischen uns? Sind wir eigentlich zusammen?

Schließlich gehören zu einer Beziehung auch zwei Menschen. Erst dann habe ich Klarheit, was da zwischen uns läuft. Wenn der andere dann noch unsicher ist, es lieber nicht definieren will, gewinnen wir auch schon Klarheit. Nämlich, dass der andere es eben doch nicht als Beziehung ansieht. Aber das ist trotzdem immer noch besser, als gar keinen Plan zu haben.

Also lasst uns mutig sein und über unsere Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche reden. Meine Freundin hat sich nach unserem Gespräch übrigens auch fest vorgenommen, ihn zu fragen, ob sie zusammen sind. Auch wenn sie sich vor seiner Antwort fürchtet. Sie will nicht mehr länger mit der Ungewissheit leben.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von der Seele geschrieben: Ich will mehr Sex als mein Partner

Eigentlich ist es ja meist so: Man(n) will immer mehr als die Frau. Doch viel häufiger als man denkt, ist das Gegenteil der Fall. So wie bei mir und meinem Freund. Dass das auch für mich als Frau nicht leicht ist, glauben die wenigsten. Doch was steckt dahinter?

In Erinnerungen versunken – wie mich die Nostalgie immer wieder fesselt

Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder: Meine Gedanken driften in die Vergangenheit ab. Für nur einige Momente scheint die Welt still zu stehen. Mein Körper in der Gegenwart existent, aber meine Gedanken befinden sich auf Zeitreise mit meinen Gefühlen. Es sind Momente, in denen ich aus der Gegenwart flüchten kann, in jene Zeiten, nach denen ich mich manchmal sehne. Obwohl ich weiß, dass es nicht unbedingt bessere Zeiten waren. Warum nur?

Von der alten zur neuen Liebe: Wird jetzt alles besser?

Neue Liebe, neues Glück? Warum bei einer neuen Liebe nicht unbedingt alles ganz anders und besser wird als bei der letzten, doch so viel Chancen mit sich bringt.