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Einfach nur Wut

Ich bin immer wieder so schnell wütend und scheine darüber kaum eine Kontrolle zu haben. Doch was steckt nur dahinter, dass mich jede Kleinigkeit zum inneren Ausrasten bringt?


Kann keinen klaren Gedanken fassen. Immer wieder und wieder gehe ich diese eine Sache durch den Kopf. Sie hält mich gefangen, lässt mich einfach nicht mehr los. Es ist eine Spirale, die sich unendlich dreht. Es sind die Dinge, die er gesagt hat. Oder vielleicht auch gerade die Dinge, die er nicht gesagt hat. Keine Antwort ist eben auch eine Antwort. Eigentlich eine Kleinigkeit, nicht der Rede wert. Wieso aber regt es mich dann so sehr auf? Wieso spüre ich immer wieder diese Wut in mir aufkommen? Sie kocht, sie läuft über, ich weiß nicht mehr, wohin damit.

Ich weiß, es hatte nichts zu bedeuten. Ich weiß, dass ich wieder einmal nur über reagiere. Er hat sich nichts Böses dabei gedacht. Er wollte mich nicht verletzen, mich verärgern. Man steckt eben nicht in der Haut des anderen, hat keine Ahnung, wie es beim anderen ankommt.

Und trotzdem kann ich meiner Wut nicht entkommen. Obwohl ich ganz genau weiß, dass sie doch mehr zerstört als wirklich hilft. Am Ende sage ich Dinge, die verletzen und die ich bereue. Es ist wie als wäre ich fremdgesteuert, als könnte ich nichts dagegen tun. Vielleicht ist das aber auch nur eine Ausrede und mir fehlt einfach die Stärke, dagegen anzukämpfen.

Er kann es nicht verstehen, wird er nie. Ich verstehe mich selbst manchmal nicht mehr. Alles an ihm triggert mich ungemein, alles, was er sagt und was tut – im guten wie im schlechten. Er ist mein wunder Punkt, dachte ich die ganze Zeit. Irgendwie bin ich abhängig von ihm, das will ich nicht. Doch es dreht sich wieder alles nur um ihn. Er ist überall, in meinem Kopf und in meinem Herzen. Ich werde noch verrückt.

Warum regen mich solche Kleinigkeiten nur so auf? Wieso mache ich ständig aus einer Mücke einen Elefanten? Ich weiß: Es bringt nichts, mich deswegen fertig zu machen. Damit fühle ich mich nur schlechter. Ich möchte mich ja verstehen, möchte verstehen, warum ich so bin, wie ich bin.

Aber wenn ich genau darüber nachdenke, wird mir klar: Es geht gar nicht um ihn. Nein, eigentlich geht es nur um mich. Und dass ich mich nach Antwort sehne, nach Kontakt, nach Nähe. Ich suche Bestätigung, die ich nur in der Kommunikation finde. Keine Kommunikation, kein Kontakt. Das verletzt mich ungemein.

Ich sehne mich nach Liebe, suche sie ständig im Außen, statt sie mir selbst zu geben. So töricht, so naiv. Ich öffne mein Herz, schütte es aus und was kommt zurück? Nichts. Ich lege jedes kleine Detail auf eine Goldwaage, als ob es das wichtigste auf der Welt wäre. Und bin erschüttert, wenn es nicht das ist, was ich mir erhofft habe. Enttäuschung über Enttäuschung. Weil ich selbst zu viel erwarte. Wer nichts erwartet, kann auch nicht enttäuscht werden, wird gesagt. Und doch sind da immer diese großen Erwartungen, die ich nicht abstellen kann und will. Doch sie werden nicht immer erfüllt.

Und dann kommt sie wieder ins Spiel, diese unglaubliche Wut. Sie ist mein ewiger Begleiter. Sie macht mich rasend, lässt mich blind werden. Sie gibt mir Energie, sie lässt mich wieder stark werden. Sie holt mich wieder aus diesem schwarzen Loch, hilft mir aus meiner Depression. Sie löst etwas in mir aus: Ich will dann Abstand nehmen, ihm die kalte Schulter zeigen, es ihm gleich machen. Ich brauche ihn nicht. Ich komme gut alleine klar, bin unabhängig. Zumindest rede ich mir in das ein.

Aber eigentlich ist das nur Fassade, eigentlich sehne ich mich nach Nähe, ganz viel Nähe, die ich nicht bekomme. Aber Distanz schafft eben nur Distanz und keine Nähe. Das ist mir klar und doch mache ich es immer wieder. Eine Art Selbstschutz, um nicht an meiner Sehnsucht nach Nähe zu zerbrechen. Um noch das letzte Stück Würde zu erhalten, was da noch übrig geblieben ist. Ich muss mich selbst davor bewahren, mich komplett zu verlieren.

Wie leicht es sich anfühlen würde, stattdessen die Wut loszulassen. Aber es ist alles andere als leicht. Ich konnte sie bisher nur so selten zeigen. Wütend zu sein, das schickt sich nicht als Mädchen. Du musst deine Gefühle unter Kontrolle haben, sagen sie. Aggressionen stehen Mädchen nicht, das ist doch eher etwas für Jungs. Mädchen und Frauen müssen brav und lieb sein, gehorchen, sich anpassen. Bloß nicht rebellieren, bloß nicht wütend werden. Das sieht doch hässlich aus.

Als ruhiger Mensch zeige ich ohnehin selten negative Gefühle. Alles unter Verschluss, alles hinter einer Maske versteckt. Zeige ich meine Gefühle, stelle ich mich selbst bloß, mache mich verletzlich. Aber das will und kann ich nicht, ich würde mein Gesicht verlieren. Was sollen bloß die anderen von mir denken? Also mache ich einfach alles mit mir selbst aus. Oder ich lasse all die negativen Gefühle an den Menschen aus, die ich am meisten liebe. Und das ist oftmals einfach zu viel. Kein Wunder, dass die Wut dann so viel Zerstörung anrichtet.

Vielleicht habe ich deswegen auch so ein gestörtes Verhältnis zu meiner Wut. Sie wird immer so oft von mir gezähmt, kann sich nur so selten frei entfalten. Ich stehe auch nicht wirklich zu ihr. Stattdessen drücke ich sie immer wieder weg.

Sie kann nichts dafür. Aber wer ist dann Schuld? Ich, die Gesellschaft, wer? Nie konnte ich meine Wut wirklich ausleben. Es soll ja sowieso nie gut sein, sie rauszulassen. Das schadet ja einem selbst und vor allem Beziehungen. Es gibt allerdings gesündere Wege, Wut rauszulassen. So etwas wie Sport und Bewegung. Manchmal hilft mir auch Musik, so etwas wie Metal oder Rock, um mich ordentlich abzureagieren. Doch nicht immer reicht das aus. Nicht solange meine Gedanken immer wieder darum kreisen.

Und dann wird mir klar, was meine Wut entstehen lässt: Es sind die Gedanken, die Gefühle erzeugen. Und für meine Gedanken bin ich verantwortlich. Es sind auch nicht die Dinge und Menschen, die in uns Gefühle erzeugen. Sondern wie wir etwas sehen und bewerten. Ich stehe mir also wie so oft selbst im Weg. Das ist doch mal eine Erkenntnis.

Auch wenn ich das weiß, fällt es mir so schwer, die Wut loszulassen. Sie ist zu einem wichtigen Teil von mir geworden. Meine Wut will mich nur schützen. Sie will mich ablenken. Ablenken von meiner Verletztheit, von meiner Traurigkeit. Immer wenn meine Bedürfnisse nicht gestillt, meine Erwartungen nicht erfüllt sind, wenn ich verletzt bin – dann kommt meine Wut, will mich trösten, will die Traurigkeit vertreiben. Sie sagt zu mir: „Die Traurigkeit tut dir nicht gut, lass sie los, nimm meine Hand und folge mir!“ Sie meint es nur gut, meine Wut. Sie erträgt es nicht, wenn ich innerlich zerrissen bin. Sie will die Kämpfernatur in mir wecken.

Es würde sich falsch anfühlen, die Wut nicht zuzulassen, wieder zu verdrängen. Aber auch wenn sie es nicht böse meint: Sie tut mir nicht gut, das merke ich immer wieder. Was bringt es mir, sie zu fühlen? Ich fühle mich danach immer nur schlecht, sie hält mich auf Abstand zu anderen, zu ihm. Sie erzeugt Stress, Konflikte, Streitigkeiten. Ich weiß, ich muss daran arbeiten, besser mit meiner Wut umzugehen. Ich habe in der Hand, nicht wahr?

Liebe Wut, ich weiß, dass du nur mein Bestes willst. Ich danke dir, dass du für mich da bist, wenn ich niemanden habe. Du verstehst mich besser als jeder andere. Du bist meine Verbündete, nur wie zwei gegen den Rest der Welt. Ich bin froh, dass es dich gibt. Und doch wünschte ich mir, ich könnte dich öfter mal loslassen, dich nicht zu nah an mich ranlassen. Es ist nicht deine Schuld, dass du so bist, wie du bist. Ich habe dich zu dem gemacht, was du jetzt bist. Es ist total in Ordnung, dass es dich gibt. Ich weiß, du willst nur gefühlt werden. Aber lass uns an unserer Beziehung arbeiten, damit etwas Besseres daraus entsteht. Vielleicht sollten wir doch einmal darüber nachdenken, ein wenig Abstand voneinander zu nehmen. Das täte uns beiden vielleicht mal ganz gut...

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