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Trost spenden: Manchmal braucht es keine großen Worte

Wenn Menschen traurig sind, großen Kummer haben, in Depressionen verfallen oder sogar einen Schicksalsschlag erlebt haben: Dann will man unbedingt und sofort helfen. Und dann ist man schnell dabei, nach Lösungen zu suchen, damit es besser wird. Man wirft mit Ratschlägen um sich. Aber ist das wirklich das, was Betroffene dann brauchen?

Richtig trösten, will gelernt sein. Und es ist für viele von uns nicht leicht, wirklich Trost zu spenden. Wir sind es vielleicht auch im Alltag nicht mehr gewöhnt, mit Trauer, Leid und Kummer anderer konfrontiert zu werden. Viel zu oft fressen wir Negatives in uns hinein, machen Probleme mit uns selbst aus. Kein Wunder, dass viele von uns dann überfordert sind, wenn ein anderer Mensch ganz offensichtlich zeigt, dass es ihm nicht gut geht. Was also tun?

Es geht mir da tatsächlich wie vielen anderen auch: Ich bin emotional berührt und wünsche mir sehr, dem anderen helfen zu können. Ich will den anderen nicht leiden sehen, will, dass es ihm wieder gut geht. Das ist ein ganz normaler Impuls, der aber nicht immer zielführend ist. Da ist zum einen Sorge um das Wohlbefinden des anderen. Zum anderen ist da aber auch die eigene Unsicherheit da. Wie gehe ich mit diesem Menschen um? Wie gehe ich mit den negativen Empfindungen um? Was kann ich sagen? Sollte ich etwas sagen oder lieber nicht?


Kein Zugang mehr zu den eigenen negativen Gefühlen

Oftmals sind wir es nicht gewohnt, uns mit den negativen Gefühlen zu beschäftigen – weder mit den eigenen noch mit denen anderer Menschen. Haben wir den Zugang zu unseren Gefühlen verloren? Wir wollen negative Gefühle wie Trauer, Angst und Wut nicht spüren. Wir wollen lieber glücklich sein, wollen die negativen Gefühle so gut wie es geht verdrängen. Und dann lenken wir uns ab, um wieder besser drauf zu sein. Damit wir uns ja nicht mit dem, was hinter diesen Gefühlen steckt, befassen.

Dabei wollen uns Gefühle etwas sagen: Da gibt es etwas, womit ich nicht zufrieden bin, bestimmte Bedürfnisse werden nicht erfüllt. Gefühle wollen gefühlt werden. Doch viel zu selten lassen wir Raum dafür. Weil es in der Gesellschaft eben nicht gern gesehen wird. Wir haben Angst, unser Gesicht zu verlieren. Wir haben auch alle irgendwie gelernt, keine intensiven Gefühle so leicht und offen zu zeigen, weil uns das verletzlich macht.

Und so ähnlich sieht es auch aus, wenn wir mit negativ empfundenen Gefühlen wie Trauer bei anderen Menschen konfrontiert werden. Da ist zum einen eben eine große Unsicherheit da. Wir sind es nicht mehr gewohnt, diese Gefühle an uns heranzulassen. Es lässt einen auch sehr unwohl werden, wenn man jemanden weinen, leiden und trauern sieht. Vielleicht triggert das uns auch selbst, wir werden von eigenen Gefühlen überrollt und haben Angst, uns auch darin zu verlieren.

Um das alles auch nicht so nah an einen ranzulassen, schaffen wir Distanz und versuchen, das Leid irgendwie zu minimieren – sowohl für den anderen als auch für einen selbst. Dann versucht man, den Betroffenen aufzumuntern. Man versucht, positive Dinge und Lösungen für das vermeintliche Problem zu finden. Weil man dann hofft, dass es dem anderen wieder gut geht. Damit man sich selbst auch nicht mehr so betroffen und unwohl fühlt.


Ratschläge sind auch Schläge

Und dann sagt man so Dinge, die man ja eigentlich gut meint, Ratschläge, von denen man sich erhofft, dass sie dem anderen weiterhelfen:

Kopf hoch!“

Das wird schon wieder!“

Das ist doch nur eine Phase, das geht wieder vorbei!“

Jetzt wein doch nicht so viel, lächle lieber.“

Auf Regen folgt auch Sonnenschein!“

Anderen geht es viel schlechter!“

Reiß dich mal zusammen!“

Schau mal, so schlimm ist es gar nicht...“

Denk doch auch mal an das Positive!“

Die Liste ließe sich fast endlos fortführen. Ihr kennt solche Ratschläge ganz sicher. Mit solchen Ratschlägen wollen wir dem anderen Mut geben, ihn stärken. Wir wollen Wege aufzeigen, wie er aus dem Leid entkommen kann. Er soll wieder lachen und glücklich werden. Alles liebt gemeint, doch das heißt nicht, dass es auch gut gemacht ist.

Oftmals versuchen wir mit den Ratschlägen unsere eigene Unsicherheit zu kaschieren. Es fehlen uns die Worte, wir wissen nicht, was wir tun können, damit es dem anderen besser geht. Und dann sagen wir einfach irgendwelche Floskeln, damit es nicht komisch und unangenehm zwischen mir und dem anderen. Wir wollen irgendetwas sagen und etwas für den anderen tun, damit er nicht mehr traurig ist.

Derjenige, der gerade traurig ist und leidet, will so etwas nicht hören, sei es noch so nett gemeint gewesen. Er fühlt sich in dem Moment vielleicht noch schlechter, weil er sich unfähig fühlt, eben wieder aus diesem tiefen Loch zu kommen. Das erzeugt noch mehr Druck.


Zwang, immer happy zu sein

Und irgendwo steckt hinter solchen Ratschlägen ja auch immer die Forderung, Traurigkeit nicht zuzulassen, sondern gefälligst alles daran zu setzen, wieder happy zu sein. Und das ist leider in unserer heutigen Gesellschaft sehr präsent. Viele Coaches oder auch Selbsthilfebücher suggerieren uns, dass jeder jederzeit glücklich werden kann. Jeder ist für sich und seine Gefühle verantwortlich. Und wenn man es nicht schafft, glücklich zu sein, hat man eben versagt, denn es liegt ja an einem selbst. Man kann ja auch aus allem Schlechtem etwas Positives sehen, selbst aus Schicksalsschlägen und Krisen. Die machen uns ja nur stärker und am Ende sind wir vielleicht sogar dankbar dafür.

Leider ist es eben auch so, dass viele in unserer Gesellschaft dahingehend geprägt sind, von einem Glücksmoment zum nächsten zu kommen. Diese Momente sind aber leider flüchtig und so schnell wie sie kommen, vergehen sie wieder. Und wenn man mal eben schlecht drauf oder traurig ist, dann muss man halt einfach etwas tun, um schnell wieder glücklich zu werden. Die Traurigkeit mal auszuhalten, haben wir verlernt. Was ich natürlich auch verstehen kann, wer will schon wirklich lange traurig bleiben? Doch wie schon geschrieben, ist es wichtig, auch die negativen Gefühle mal zuzulassen, sie zu akzeptieren und sich mit ihnen zu befassen. Gerade sie gehören eben auch zum Leben dazu. Es ist nicht immer eitel Sonnenschein.

Jedenfalls sind Ratschläge eben auch nur Schläge. Derjenige, der sie gibt, stellt sich über denjenigen, der leidet. Tut so, als würde er es besser wissen, obwohl er gar nicht weiß, wie sich der andere fühlt und was er da gerade durchmacht. Es ist immer leichter, von außen irgendwelche Ratschläge zu geben. Doch man steckt eben nicht drin. Oftmals ist es auch so, dass Betroffene weiß, was er tun müsste, damit es besser wird oder es ihm besser geht. Aber er ist so gefangen in seinem Leid und Kummer, ihm fehlt es an emotionalen Ressourcen, um etwas zu verändern, um etwas zu tun. Und das sehen die meisten nicht, die nur außen stehen.

Außerdem fühlt sich der Betroffene mit seiner Traurigkeit nicht wirklich verstanden und ernst genommen. Mein Gegenüber versteht nicht, in was für einer Situation ich stecke. Deswegen kann er auch so leichtfertig Ratschläge geben, als ob er es besser wüsste.

Einfach nur da sein

Doch wenn Ratschläge nicht wirklich viel weiterbringen und sogar den anderen verletzen und trauriger machen. Was dann tun? Oftmals braucht es keine großen Worte, um für den anderen da zu sein. Und oftmals müssen wir nicht viel machen. Das Wichtigste ist: für den anderen da sein.

Ja, einfach nur da sein, dem anderen Zeit schenken. Und man muss nicht mal unbedingt etwas sagen. Oftmals braucht der Betroffene keine Worte, sondern einfach die Nähe, das Gefühl, nicht allein zu sein. Und dann ist es auch okay, wenn man zusammen schweigt. Auch etwas, was viele unangenehm finden. Aber das kann auch unglaublich heilsam sein. Einfach den Gefühlen freien Raum lassen und sie auch aushalten, indem man sie einfach so stehen lässt.

Es braucht keine Worte, viel wichtiger sind andere Dinge: eine Schulter zum Ausweinen. Umarmungen, den anderen fest im Arm haben, streicheln, die Hand auf die Schulter legen, die Hand halten. Körperliche Nähe ist vielleicht auch das, was der andere am meisten braucht.

Und wenn man wirklich gerade nicht weiß, was man sagen soll: Dann einfach ehrlich sein und sagen „Ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll. Das trifft mich sehr, dich so traurig zu sehen. Ich würde gerne etwas tun, um dir zu helfen. Ich will für dich da sein. “ Das ist wunderbar ehrlich und hilft dem anderen bestimmt tausend mal mehr als jede dieser oben genannten Floskeln.

Um zu verhindern, dass wir dem anderen ein schlechtes Gefühl geben oder dass wir etwas tun, was der andere nicht will, kann man ja auch einfach fragen: Was brauchst du gerade? Was kann ich für dich tun? Gibt es etwas, was du gerade brauchst, was ich dir geben kann? Wie kann ich für dich da sein? Statt also eigenmächtig zu handeln, einfach mal beim anderen erkundigen, was er denn gerade will und braucht.

Oftmals wollen Betroffene nicht, dass alles wieder schnell besser wird. Sie wollen keine Lösungen für ihre Probleme. Sie wollen einfach nur, dass da jemand ist, der für sie da ist und sie versucht, zu verstehen. Und das kann für diejenigen, die trösten, unglaublich entlastend und befreiend sein. Kein Druck mehr, irgendwie zu handeln, damit es dem anderen gut geht. Wir sind auch nicht verantwortlich dafür, davon mal abgesehen. Wir müssen keine großen Reden schwingen, wir müssen keine großen Lösungen finden. Es kann so „leicht“ sein, zu trösten, wenn man sich dafür auch öffnet.

Mit Ratschlägen allerdings gehen wir auf denjenigen nicht ein, wir distanzieren uns von seinem Leid, wollen es sozusagen verdrängen. Und gleichzeitig geben wir demjenigen das Gefühl: Du bist so, wie du jetzt bist, nicht in Ordnung. Werde wieder glücklicher, das steht dir besser.

Empathie und Zuhören

Stattdessen sehnt sich der Betroffene, so akzeptiert zu werden wie er ist. Den anderen und seinen Kummer auszuhalten. Er will, dass man sich in ihn hineinversetzt, ihn sieht und ernst nimmt. Mit all seiner Traurigkeit und seinem Kummer. Empathie ist also das ganz wichtig. Sich in den anderen hineinversetzen und verstehen zu lernen. Das fällt vielen nicht leicht, haben wir nicht mal eine wirkliche Verbindung zu unseren eigenen Gefühlen. Außerdem müssten wir dann auch die Traurigkeit an uns ranlassen, was viele abschreckt. Aber gerade das ist für den anderen gerade so heilsam. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Den anderen zu fragen, wie es ihm geht, warum er so fühlt und was er gerade fühlt: Das ist gerade das, was der Betroffene braucht.

Und dann auch wirklich Zeit nehmen und zuhören. Sich komplett auf das, was er sagt und welche Gefühle er damit transportiert, einlassen. Vielen haben ein Problem damit, aktiv zuzuhören, sie können das gar nicht mehr, hören sich selbst lieber reden, wollen im Gespräch immer sofort das Rederecht an sich reißen. Doch wer hört heutzutage wirklich richtig hin? Dabei kann das ein so großes Geschenk sein, der auch die Beziehung zu anderen Menschen intensivieren kann. Das lässt viel mehr emotionale Tiefe entstehen und stärkt die Verbundenheit.

Und so ist es eben auch, wenn der andere gerade Trauer erlebt. Indem wir ihm aufrichtig und aktiv zuhören, fühlt er sich wirklich angenommen, wertgeschätzt. Da ist jemand, der ein offenes Ohr für mich hat, sich wirklich für mich und meine Gefühle interessiert. Das kann ungemein stärken und vielleicht auch etwas Kummer nehmen.

Den anderen, so wie er jetzt ist, akzeptieren

Wir können dem anderen zeigen oder auch sagen: Du bist so wie du bist okay. Ich mag dich trotzdem und ich bin trotzdem für dich da. Du musst für mich nicht stark sein oder spielen. Du kannst dich so zeigen wie du bist. Es ist auch total in Ordnung, wenn du traurig bist und nicht immer gut gelaunt bist.

Wir akzeptieren den anderen und seine Traurigkeit, versuchen nicht, das alles schnell zu verändern. Es geht vor allem darum, diesen Drang, die Traurigkeit und den Kummer, loszulassen. Wir müssen dem anderen nicht dabei helfen, das alles zu lindern. Vielleicht will der Betroffene gerade auch einfach nur weinen, traurig sein, seinem Kummer freien Lauf lassen. Und ihm das nicht zu gewähren, das alles schnell wegmachen zu wollen, kann den anderen verletzen.

Vielleicht will der andere nicht darüber reden, was ihn belastet oder einfach auch nur seine Ruhe haben. Auch dann sollten wir das respektieren, akzeptieren und die Grenzen nicht überschreiten. Aber wir können dem anderen sagen: „Wenn du mich brauchst, melde dich. Wenn du reden willst, bin ich für dich da.“

Wichtig beim Trost spenden ist auch, dass wir auf uns und unser Wohlbefinden achten. So gern wir andere trösten wollen: Wenn wir uns selbst nicht gut fühlen, können wir auch nicht für andere da sein. Darum lasst uns auch immer darauf achten, dass es uns dabei gut geht. Sollten wir uns überfordert fühlen, weil das vielleicht alles zu viel ist, ist es total okay, Abstand zu gewinnen oder sich von anderen Hilfe zu holen. Wir müssen nicht für alles eine Lösung haben und alles schaffen können. Es ist auch total in Ordnung, wenn uns andere dabei helfen.

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