Direkt zum Hauptbereich

Selbstoptimierung – wie sie uns daran hindert, zufrieden zu sein


Selbstoptimierung – das ist etwas, was mich schon seit Jahren antreibt. An sich ist es schon eine gute Sache, dass ich mich verbessern will. Das Bedürfnis nach Wachstum steckt in uns allen. Doch zu viel davon, kann uns auch schaden. Und schlussendlich auch unserem eigenen Glück im Wege stehen.


Immer weiter, schneller, höher, besser – das scheint das Motto unserer schnelllebigen Gesellschaft zu sein. Dass das nicht unbedingt immer gut ist und auch kaputt machen kann, das weiß ich. Und trotzdem bin ich selbst ein Opfer unser Leistungsgesellschaft geworden.

Vor etwa sechs Jahren habe ich mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Ich habe angefangen, mir Ziele zu setzen. An mir und meinem Leben zu arbeiten. Ein richtiger Wandel hat sich vollzogen, für den ich wirklich sehr dankbar und auf den ich auch sehr stolz bin. Hätte ich mich damals nicht selbst aus meinem tiefen Loch gezogen, wer weiß, was jetzt aus mir geworden wäre. Ich will es mir gar nicht ausmalen. Es war damals wirklich notwendig, dass ich an meinem Leben und an mir etwas ändere. Seitdem ist Selbstoptimierung ein fester Bestandteil meines Lebens. Ohne geht es nicht mehr.

Seitdem bin ich immer nur am Planen. Täglich sogar. Und einmal die Woche folgt das große Resümee: Was hast du diese Woche geschafft? Was nicht? Und warum nicht? Ganz detailliert ziehe ich dann zu jedem meiner Lebensbereiche ein Fazit: Job, soziale Kontakte, meine Ehe, Gesundheit, Bewegung, Wohlbefinden, finanzielle Lage, meine Hobbys – und nicht zu vergessen meine Persönlichkeitsentwicklung.

Ich mache mir zu viel Druck

Oft genug war danach eine Unzufriedenheit zu spüren. Schon wieder nicht das geschafft, was ich erreichen wollte. Irgendwie bin ich doch nicht weitergekommen. Natürlich lassen sich bestimmte Sachen nicht innerhalb einer Woche oder gar von heute auf morgen umsetzen. Das wäre ja auch total utopisch. Aber ich bin ehrgeizig, nehme mir stets viel vor. Meine Liste an Zielen gleicht einer einzigen langen To-Do-Liste. Das Schlimme daran: Es wird nicht weniger, im Gegenteil, die Liste wird immer länger.

Anfangs fand ich es motivierend, mir am Jahresanfang ganz viele Dinge vorzunehmen, die ich dieses Jahr anders und besser machen will. Doch inzwischen merke ich: Das überfordert mich doch. Ziehe ich am Jahresende mein Fazit, bin ich doch von mir enttäuscht, weil ich vielleicht maximal die Hälfte der Dinge geschafft habe, die ich erreichen wollte. Und dann nehme ich mir für das nächste Jahr wieder viel vor. Und das ganze Spiel geht dann wieder von vorne los, ein einziger Teufelskreis. Ein Jahr, ohne meine Ziele zu erreichen, kommt mir manchmal wie eine Verschwendung vor. Die Erkenntnis tut schon weh.

Scheinbar lerne ich nicht daraus, bürde mir einfach immer wieder zu viel auf. Dann darf ich mich nicht wundern, wenn ich überfordert bin. So viele Ziele kann doch kaum ein Mensch stemmen. Anscheinend denke ich von mir, dass ich immer zu funktionieren habe. Eben wie eine Maschine, die alles genau so macht, wie sie es tun sollte. Dabei vergesse ich aber: Ich bin auch nur ein Mensch, weit weg von Perfektion entfernt, die es ja nicht einmal wirklich gibt.

Anfangs tat es mir gut, Ziele zu erfolgen. Ich wurde proaktiv, nahm mein Leben selbst in die Hand. Doch in all den Jahren habe ich selbst nicht gemerkt, dass das alles ein wenig aus dem Ruder läuft. Dass es mir am Ende vielleicht mehr schadet, als gut tut.


Nie zufrieden sein

Wenn ich wöchentlich zurückblicke, denke ich mir: Ja, es lief ganz gut, ABER es muss noch in dem Bereich x und in dem Bereich Y besser werden. Da geht noch was!

An sich wäre das ja okay, wenn man auf die Stellen schaut, die man noch verbessern kann. Aber es scheint so, als würde ich nur auf meine eigenen Baustellen schauen. Als ob ich nur nach dem Negativen in meinem Leben schaue, was zu beseitigen gilt.

Da schwingt auch mit: So wie es jetzt ist, so reicht es mir nicht. Das ist nicht genug, da muss noch mehr kommen. Das muss noch besser werden. Mein Leben ist noch nicht gut genug, ich bin noch nicht gut genug. Erst wenn ich schlanker, sportlicher, produktiver und was weiß ich alles bin – erst dann habe ich mein Ziel erreicht. Aber was ist denn das Ziel hinter all dem?

Ist es das große Glück, was ich mir dabei erhoffe, wenn ich mich und mein Leben optimiert habe? Warum kann ich nicht einfach jetzt schon zufrieden sein, ohne wieder an ein ABER zu denken?

Wann wird es jemals diesen Punkt geben, an dem ich sagen kann: Ja, das reicht, ich muss nichts mehr verändern oder verbessern, das ist genug. Wird es diesen Punkt jemals geben? Ich fürchte nicht. Die Ansprüche an mich selbst steigen immer mehr. Bin ich mit einer Baustelle fertig, tut sich die nächste auf. Wieder ein Teufelskreis, ein Ende ist nicht in Sicht.

Selbstoptimierung ist ja auch ein Prozess, ein lebenslanger. Es ist ja toll, dass wir nach einem besseren Ich streben. Wir wollen die beste Version unserer selbst werden. Daran ist ja nichts falsch. Aber wie so oft im Leben, kann es auch nicht gut werden, wenn wir uns zu sehr darauf versteifen, nichts anderes mehr sehen.


Spurensuche in der Kindheit

Ich frage mich, woher dieser Drang kommt, mich zu verbessern. Es hat damals harmlos angefangen, weil ich wirklich total unzufrieden mit meinem Leben war. Und seit ich angefangen habe, etwas aktiv zu tun, hat mich der Ehrgeiz geweckt.

Doch ich glaube, dass da noch mehr dahinter steckt. Ich muss nur ganz tief in mir selbst, in meiner Vergangenheit graben. Und siehe da: Vieles liegt in meiner Kindheit begründet. Da ist die Wurzel allen Übels. Als Kind konnte ich es meinen Eltern, vor allem meinem Stiefvater, nie recht machen. Er hatte immer etwas an mir zu kritisieren. Gelobt wurde ich selten. Ich habe darauf schon ziemliche Minderwertigkeitskomplexe entwickelt, hatte kaum Selbstvertrauen, von Selbstwertgefühl ganz zu schweigen. Das war richtig im Keller. Ich hatte damals immer wieder das Gefühl, dass etwas nicht mit mir stimmt. So wie ich bin, bin ich nie genug. Und wenn ich nicht noch bessere Noten mit nach Hause bringe, werden mich meine Eltern nicht lieben. Hatte ich dann mal schlechte Noten, schämte ich mich so sehr, dass ich sie meinen Eltern nicht zeigen wollte. Ich gab mir wirklich Mühe, besser zu werden, eine bessere Schülerin und Tochter zu sein. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass es nie ausreichte. So wie ich war, war ich einfach nicht liebenswert.

Obwohl mein Stiefvater längst verstorben ist und meine Beziehung zu meiner Mutter wesentlich besser geworden ist – dieser Glaubenssatz „Ich bin nicht genug und nicht liebenswert“ hat mich immer noch fest im Griff. Ich versuche schon daran zu arbeiten, es wird langsam besser, aber ganz komme ich davon immer noch nicht los.

Ich glaube, dass das auch der Grund ist, weswegen ich so tief in der Selbstoptimierung stecke: Ich kann mich immer noch nicht wirklich akzeptieren. Ich kann mir selbst nicht glauben, dass ich einfach wertvoll und liebenswert bin, ohne etwas dafür zu tun. Mein Selbstwertgefühl hängt immer noch von Dingen ab, die ich erstmal leisten muss. Erst wenn ich das Ziel a oder Ziel b erreicht habe, dann erst bin ich ein wertvoller und liebenswerter Mensch. Ich kann mich, so wie ich bin, immer noch nicht wirklich voll akzeptieren. Selbstliebe fällt mir immer noch schwer.

Mein Mantra ist: Du musst immer an dir arbeiten, noch mehr schaffen, noch mehr Ziele erreichen. Es ist ja an sich nicht verkehrt, Ziele und Ambitionen zu haben. Doch wenn das die einzigen Dinge sind, die mein Selbstwertgefühl ausmachen, dann kann das auch nicht das Wahre sein.

Ich versuche mir immer wieder einzureden, dass ich ein guter Mensch mit vielen positiven Seiten bin. Manchmal kann ich es glauben, aber oftmals auch nicht. Dann muss ich erst einmal anderen Menschen helfen oder produktiv sein, damit ich es für mich akzeptieren kann. Mein Selbstwertgefühl hängt ganz stark von dem ab, was ich tue. Nicht von dem, was ich eigentlich bin. Und das ist der große Knackpunkt.

Ich mache mir ellenlange To-Do-Listen, hake die Punkte ab, sammle Erfolge. Für was? Damit ich am Ende des Tages in den Spiegel schauen und mir auf die Schulter klopfen kann. Doch es ist ein endloses Spiel. Und wenn ich all die Punkte nicht abhaken konnte, was bin ich dann? Dann fühle ich mich wie ein Versager, mache mich selbst fertig. Höre dann schon die Stimme meines inneren Kritikers, der versucht, mich kleinzuhalten.

Solange ich diese negativen Glaubenssätze von mir habe, solange werde ich wahrscheinlich unzufrieden mit mir selbst sein. Da kann ich noch so viel machen und verändern, ich werde nie da ankommen, wo ich hinwill. Veränderung fängt nicht im außen an, sondern in mir drinnen. Dazu muss ich aber auch bereit sein, mich meinen inneren Dämonen zu stellen.


Ein Perspektivwechsel muss her!

Selbstoptimierung hin oder her – man fokussiert sich leider wirklich nur auf das, was nicht gut ist und was besser laufen sollte. Und ich verliere leider auch öfter mal den Blick auf das Wesentliche. Statt auf das stolz zu sein, was gut läuft, halte ich es für selbstverständlich. Dann schaue ich nur auf das, was nicht so gut lief und fühle mich schlecht.

Ganz besonders schaue ich nur auf das Negative, wenn ich über meine Ehe reflektiere und mit meinem Mann darüber spreche. Ich zähle dann auf, was alles nicht so toll ist, welche Unterschiede uns trennen, wie schlecht wir manchmal harmonieren, dass wir uns nur noch streiten. Und dann sagte mein Mann eines Tages: „Du schaust immer nur auf das Schlechte. Ich finde nicht, dass wir immer nur streiten, es gibt auch viele positive Dinge. Schau doch auch mal da drauf!“ Und was soll ich sagen: Er hat recht. Diesen Perspektivwechsel habe ich gebraucht. Von alleine wäre ich nie darauf gekommen. An sich ist mir klar, dass nicht alles schlecht läuft, aber ich habe mich so sehr darauf fixiert, dass ich all das Positive einfach ausgeblendet habe.

Eigentlich hielt ich mich immer für einen positiven Menschen. Zumindest dann, wenn es um andere ging. Doch bei mir selbst schaue ich fast nur auf das Negative. Wir sind uns selbst ja die größten Kritiker.


Wir haben es in der Hand

Manchmal fühle ich mich selbst einfach nur gestresst von all meinen eigenen Ansprüchen. Wie in einem Hamsterrad bin ich gefangen und zwinge mich selbst, immer weiter zu rennen, immer schneller zu werden. Doch irgendwann werde ich nicht mehr können, werde vielleicht zusammenbrechen. Muss es denn soweit kommen? Kann ich nicht vorher einfach langsamer machen und einfach mal innehalten, stehenbleiben? Mich umsehen und nicht immer nur stur nach vorne schauen. Vielleicht werde ich merke, dass ich mir dieses Hamsterrad selbst aufgezwängt habe. Genauso habe ich auch die Wahl, aus dem Hamsterrad auszubrechen.

Die Selbstoptimierung ist es, mit der ich mir selbst immer den Stress mache. Kein Wunder, dass ich daher nie wirklich ausgeglichen und immer gestresst bin. Ich mache mir selbst den Stress. Und um den zu mindern, muss ich bei mir selbst anfangen, mit einem ganz anderen Mindset.

Zufriedenheit und Glück werde ich wahrscheinlich niemals nur im Außen finden. Wo ich wirklich suchen sollte, ist tief in mir drinnen. Nicht immer mehr wollen.

Stattdessen wäre es vielleicht mal angebracht, inne zu halten, zur Ruhe zu kommen, zu entschleunigen. Nicht immer nur nach vorne zu schauen, sondern auch mal nach links und rechts zu blicken. Das Hier und Jetzt wahrzunehmen und sich zu sagen: Ich bin gut so wie ich bin. Mein Leben hat positive und negative Seiten, aber das ist vollkommen in Ordnung. Akzeptanz ist das Schlüsselwort. Die Dinge, egal wie sie laufen, zu akzeptieren, den inneren Frieden zu finden.

Dankbarkeit üben, die Dinge wertschätzen, die ich habe, die gut sind, die ich bereits erreicht habe. Ich könnte mir mehr Raum geben, meine Erfolge zu feiern. Und liebevoller sein, wenn ich mal Fehler mache, etwas nicht schaffe und scheitere.

Ich bin gut genug, auch wenn ich nicht ständig an mir arbeite. Ich habe schon alles, was ich brauche, um ein guter und wertvoller Mensch zu sein. Mir das zu sagen, fällt schwer. Weil ich es nicht glauben kann. Die alte Glaubenssätze haben sich leider sehr in mein Gehirn gebrannt, sind alte Muster, die immer wieder automatisch abgespult werden. Sie sofort zu ändern, wird nicht funktionieren. Aber vielleicht Schritt für Schritt, in meinem eigenen Tempo. Überhaupt zu erkennen, welche Glaubenssätze da eigentlich sind, sie wahrzunehmen, ist schon mal ein wichtiger Schritt.

Was mir wirklich fehlt, ist der liebevolle Umgang mit mir selbst. Ich müsste mir selbst ein guter Freund sein und mir sagen: „Hey, es ist okay, wenn du das alles nicht schaffst. Dann bist du trotzdem ein wertvoller und liebevoller Mensch. Du bist für das, was du bist, ein toller Mensch. Und dafür liebe ich dich.“

Weniger in blinden Aktionismus verfallen, weniger tun, Ziele zu priorisieren und auch mal einfach nur zu sein, statt zu machen. Das wäre auch mal eine gute und sicher fordernde Übung für mich.

Es ist ja so, dass die ständige Suche nach Glück uns selbst unglücklich macht. Und wahrscheinlich ist das bei der Selbstoptimierung auch so. Wir kommen dabei niemals wirklich an. Solange wir uns nicht auch so akzeptieren und lieben können, wie wir nun mal sind. Wir können uns jederzeit entscheiden, auch mit dem, was wir sind und was wir haben, zufrieden zu sein. Wir haben es eben in der Hand.

Wie oft im Leben brauchen wir einfach eine gesunde Balance. Selbstoptimierung kann gut sein, aber eben nur in Maßen. Genauso ist es wichtig, dass wir uns nicht ständig vergleichen, kritisieren und nur das Negative an uns sehen. Es gibt immer auch etwas Positives. Es wird immer etwas geben, wofür wir dankbar sind, was wir an uns selbst mögen, was wir wertschätzen können. Statt Selbstkritik auch mal in Selbstakzeptanz und Selbstliebe üben. Wir müssen eben nur die Perspektive ändern.

Es ist okay, wenn ich nicht ständig etwas tue. Wenn ich nicht meine zig Ziele erreiche. Wenn ich mal keinen Bock habe und nicht produktiv bin. Wenn ich mal eben unfreundlich und egoistisch bin. Das ist auch okay, ich bin auch nur ein Mensch. Ein Mensch mit vielen Macken und Fehler, ein Mensch mit einem Leben, das aus Höhen und Tiefen besteht. Aber das ist total okay. Ich bin trotzdem liebevoll, wertvoll und mein Leben ist auch trotzdem lebenswert. Es ist mein Leben, so besonders und unvergleichlich wie ich selbst.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von der Seele geschrieben: Ich will mehr Sex als mein Partner

Eigentlich ist es ja meist so: Man(n) will immer mehr als die Frau. Doch viel häufiger als man denkt, ist das Gegenteil der Fall. So wie bei mir und meinem Freund. Dass das auch für mich als Frau nicht leicht ist, glauben die wenigsten. Doch was steckt dahinter?

In Erinnerungen versunken – wie mich die Nostalgie immer wieder fesselt

Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder: Meine Gedanken driften in die Vergangenheit ab. Für nur einige Momente scheint die Welt still zu stehen. Mein Körper in der Gegenwart existent, aber meine Gedanken befinden sich auf Zeitreise mit meinen Gefühlen. Es sind Momente, in denen ich aus der Gegenwart flüchten kann, in jene Zeiten, nach denen ich mich manchmal sehne. Obwohl ich weiß, dass es nicht unbedingt bessere Zeiten waren. Warum nur?

Von der alten zur neuen Liebe: Wird jetzt alles besser?

Neue Liebe, neues Glück? Warum bei einer neuen Liebe nicht unbedingt alles ganz anders und besser wird als bei der letzten, doch so viel Chancen mit sich bringt.