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Was du liebst, lass frei. Kommt es zu dir zurück, gehört es dir – für immer


Dieses Zitat geht mir seit einiger Zeit nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht weil es gerade auch zu meiner Situation passt. Das Zitat handelt von Liebe, Loslassen und Verlust. So vieles kann man darin hineininterpretieren. Da schwingt eine romantische Vorstellung von Liebe mit mit, aber wenn man den Spruch genauer analysiert, stößt man auch auf kritische Sachen.

Zum einen wäre da die Ansicht, dass Liebe mit Besitzansprüchen zu tun hat. Vor allem in monogamen Beziehungen glaubt man, dass man einen Anspruch auf den Partner hat. Man nennt es auch Exklusivität. Der Partner gehört zu mir, er gehört mir, vor allem emotional und auch sexuell. Er darf mit anderen nicht schlafen. Das wäre ein Treuebruch. Als ob der Körper des anderen mir selbst gehören würde. Aber das ist falsch. Mein Körper gehört nur mir selbst, nie jemand anderem. Ich bin doch kein Sklave. Es wird suggeriert, dass Liebe mit Gefangennahme gleichgesetzt wird. Denn wenn du etwas liebst, warum solltest du es frei lassen, wenn es das sowieso nicht war? Es muss also bedeuten, dass jemand oder etwas nicht frei ist und war, was man selbst liebt.

Man hält daran fest, klammert daran. Das klingt für mich sehr besitzergreifend. Heutzutage glauben viele, dass das so schon in Ordnung ist, vor allem in monogamen Beziehungen. Dass man den anderen besitzt. Aber wie gesagt, niemand gehört irgendwem. Wir sind eigentlich alle freie Menschen. Wobei man darüber sicherlich philosophieren kann, inwieweit der Mensch wirklich frei ist. Aber das ist eine andere Debatte.


Statt klammern loslassen lernen

Was der Spruch eigentlich vermitteln will: Wenn du etwas liebst, dann solltest du es loslassen, Dann solltest du nicht zu sehr daran klammern. Lieben geht nur ohne Zwang. Niemand kann gezwungen werden, jemanden zu lieben. Nur wenn jemand aus freien Stücken bei dir bleibt oder auch wieder zurückkommt, nur dann ist es auch die wahre Liebe.

Problematisch ist daran, dass das Bild von Liebe = Besitz weiter bestehen bleibt. Selbst wenn man jemanden loslässt, sich von ihm trennt, nicht mehr so klammert. Dann wird der andere dann aus freiwilligen Stücken zurückkommen und sich wieder zum Besitz machen. Dann ist der andere wieder in meinem Besitz. Er gibt seine Freiheit auf und will freiwillig mir gehören.

Es mag romantisch klingen, wenn wir uns gegenseitig sagen: Ich gehöre dir und du gehörst mir. Damit will man bloß die Exklusivität nochmal verstärken. Noch mal bestätigen, dass es außer der einen Person niemand anderen gibt. Aber ganz ehrlich: Soll das wirklich Liebe sein? Wenn man sich selbst aufgibt, seine Freiheiten, sich ganz dem anderen verschreibt? Zum Besitz eines anderen zu werden, klingt für mich alles andere als verlockend und romantisch.

Was du liebst, lass frei“ – das hat allerdings auch etwas befreiendes. Es ist Aufforderung, sich von dem anderen frei zu machen, nicht länger abhängig zu machen. Diese ständige Abhängigkeit, das ist eben keine Liebe, das kann toxisch und zerstörerisch werden. Irgendwann wird es auch für beide sehr anstrengend, wenn beide versuchen, sich mit aller Kraft aneinander festzuhalten. Da vergeht jegliche Leichtigkeit.

Wenn man aber genau darüber nachdenkt, schließt sich mit dem Spruch der Kreis, eigentlich bleibt dabei alles beim Alten. Am Anfang gehört mir der andere schon, ich lasse ihn frei, er kommt wieder zurück und damit gehört er wieder mir. Doch was haben wir daraus gelernt? Dass man Loslassen muss, damit der anderen einen wieder gehört? Haben wir daraus nicht gelernt? Dass Liebe eben nicht Besitz bedeutet?


Manchmal muss man etwas verlieren, bevor man es wieder gewinnt

Man könnte natürlich auch anders an den Spruch rangehen und sich etwas vom Besitzdenken entfernen: Liebe lässt sich nicht erzwingen. Man kann noch so sehr an jemanden festhalten. Wenn derjenige sich nicht binden lässt, immer wieder ausbricht, immer wieder flüchtet. Dann ist alles vergebliche Mühe.

Manchmal muss man erst einmal etwas loslassen und verlieren, bevor man es wieder bekommt. Das kennt man aus so vielen kitschigen Liebesgeschichten: Man lässt jemanden gehen, nicht weil man den anderen nicht mehr oder genug liebt. Nein, weil man weiß, dass es anderen glücklicher macht. Wenn ich jemanden wirklich liebe, dann lasse ich ihn gehen, dann soll er auch ohne mich glücklich werden. Auch wenn das bedeutet, dass ich selbst vielleicht nicht an diesem Glück teilhaben kann. Die Freude für den anderen ist größer als das Bedürfnis, den anderen für sich zu haben. Ein Konzept, das vor allem in offenen und polyamouren Beziehung eine Rolle spielt.


Vertrauen haben, statt Angst vor dem Verlust

Den Geliebten loszulassen, in welcher Form auch immer – sei es durch eine Trennung oder indem man dem anderen mehr Freiheiten zugesteht – das ist oftmals nicht so leicht. Da spielt die Verlustangst eine große Rolle. Aber es ist ja so: Je mehr man sich an den anderen klammert, desto mehr löst man vielleicht bei ihm eher den Fluchtreflex aus. Das ist vor allem bei den Menschen der Fall, die einen eher unsicheren Bindungsstil haben. Die sich vielleicht auch nicht mal gern binden lassen und Angst vor zu viel Nähe haben.

Der Spruch will Mut machen: Habe Vertrauen, dass dein Geliebter wieder zu dir kommt. Ist es nicht so, dass wir meist viel zu viel am dem anderen hängen, vielleicht abhängig voneinander werden und verlernt haben, zu vertrauen? Viele klammern doch gerade deswegen, weil sie Angst davor haben, dass sich der andere fremdverliebt oder einen betrügt. Vielleicht ist da nicht genug Vertrauen in dem anderen. Vielleicht kann man es selbst nicht glauben, dass der andere einen wirklich liebt und muss sich ständig Bestätigung holen.

Denjenigen einfach loszulassen, sich einfach nicht der Angst vor dem Verlust hinzugeben, das könnte den Teufelskreis vielleicht unterbrechen.

Und für denjenigen, der in die Freiheit gelassen wird, gilt: Man soll nicht bleiben, wenn da nichts ist, was einen noch in der Beziehung hält. Liebe aus Verpflichtung, das ist keine wahre Liebe.

Manchmal müssen wir auch erstmal etwas verlieren, bevor wir merken, wie wichtig es für uns ist. Das gilt auch für denjenigen, der vielleicht geht. Vielleicht merkt er selbst, dass es doch viel schöner mit dem Partner war als alleine oder mit anderen. Er hat sich dann genug ausgetobt, seine Freiheiten genug genossen. Am Ende will man dann doch wieder zurück, doch wieder die feste Bindung eingehen.


Liebe ist eine freiwillige Entscheidung

Das „gehört dir“ muss nicht zwangsläufig wörtlich genommen werden. Vielleicht wäre die Formulierung „gehört zu dir“ oder „bleibt bei dir“ besser. Jemand, der erst geht, aber auch freiwillig wieder kommt, der muss ja auch einen Grund haben. Dann muss derjenige, der loslässt, wichtig genug sein oder die Liebe ihm gegenüber ist so groß, dass ein Leben ohne ihn nicht vorstellbar wäre.

Aber „für immer“ ist schon Bullshit. Es gibt keine Garantie. Nichts hält für immer. Und das ist nicht einmal negativ gemeint, es ist einfach realistisch. Auch für die Liebe gibt es keine Garantie, selbst die Ehe bedeutet heutzutage niemals, dass man wirklich bis ans Lebensende zusammen ist. Darum wäre ich dafür, egal wie romantisch es auch klingt, das „für immer“ zu streichen. Gefühle können sich ändern, die Liebe auch. Aber wenn einem wirklich etwas an dem Partner liegt, kann man an der Beziehung arbeiten, Liebe ist auch irgendwo eine Entscheidung und nicht nur von Hormonen bestimmt.

Vielleicht will uns der Spruch auch dafür sensibilisieren: Es gibt auch ein schönes Leben, ohne den Partner. Man kann auch ohne glücklich sein. Der Partner sollte nicht mein Ein und Alles sein. Ich kann auch alleine glücklich sein. So sehr Trennungen auch weh tun, es ist nicht das Ende. Sie gehören zum Leben dazu. Klar sind sie schmerzhaft, aber Loslassen ist eben für uns auch wichtig, im Leben wie in der Liebe. Aber wir werden darüber hinwegkommen, wir werden es überleben. Und es wird uns auf jeden Fall stärker machen.


Ich würde für mich folgendes Fazit zum Spruch ziehen: Liebe ist relativ, Liebe kommt, Liebe geht. Festhalten ist nicht gut. Liebe ist nicht Besitz oder vielleicht doch? So ganz sicher bin ich mir nach der Analyse auch nicht. Fest steht aber: Wir haben es nicht in der Macht, ob der andere einen liebt und für immer bleibt. Zur Liebe gehören zwei dazu. Durch Zwang und Festhalten können wir den anderen nicht an uns binden. Der Partner entscheidet über KOMMEN und GEHEN. Doch wir können an uns selbst arbeiten, an unserer Einstellung zur Liebe. Gelassener damit umgehen, mehr Vertrauen in die Beziehung und in den anderen haben. Weniger Verlustängste schüren, sich weniger davon kontrollieren lassen. Wahre Liebe ist, wenn man den anderen loslassen und ihm sein Glück gönnen kann, auch wenn es bedeutet, dass man selbst nicht der Grund dafür ist.



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