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Von Veränderungen und Verlusten


Alles fließt. Alles ist in Bewegung. Alles verändert sich. Das ist der Lauf der Dinge. Dagegen können wir uns nicht wehren. Leben ist Veränderung. Veränderungen müssen sein. Doch oftmals fällt es mir schwer, sie zu akzeptieren. Nicht dagegen anzukämpfen. Auch wenn ich weiß, dass es ein vergeblicher Kampf sein wird.


Was wäre das Leben ohne Veränderung? Überhaupt noch Leben? Veränderungen sind schön und gut, sie sind notwendig. Veränderung ist die einzige Konstante in unserem Leben, sagte mal sicherlich ein weiser Mensch. Der Satz hat sich ins Gedächtnis gebrannt, kann nicht mehr gelöscht werden.

Dass sich alles verändert, macht mich auch traurig. Denn mir wird klar, dass jeder Moment einzigartig ist. Dass es diesen einen Moment in der Form nie wieder geben wird. Dass alles vergänglich und damit auch für immer verloren ist. Nicht alle Veränderungen nehmen wir gern an, das wissen wir alle. Und von diesen Veränderungen handelt auch dieser Text und die Trauer über das, was verloren gegangen ist. Das, was nie wieder sein wird und das, was nicht mehr zurückkommen wird.


Alles ist vergänglich

Da gibt es viele Momente oder auch Zeiten, die nie wieder zurückkommen werden. Vieles, von dem wir Abschied nehmen müssen. Ich denke an all die schönen Tage in der Vergangenheit, die bereits dann enden, wenn sie angefangen haben. Das ist mit allen schönen Momenten so. Schon bereits wenn ich mittendrin war, fühlte ich eine leichte Nostalgie. Denn ich wusste, der Augenblick wird bald wieder vorbei sein. Ich wünschte, ich könnte ihn einfangen. Doch so schnell, wie ein Schmetterling von einer Blüte zur nächsten fliegt, sind auch solche Glücksmomente schnell wieder vorbei.

Ich denke an meine unbeschwerte Kindheit zurück. Als von Sorgen keine Spur war. Immer nur in den Tag hineinleben, nicht mehr aufhören können mit lachen. Jeden Tag endlos spielen. Alles war noch so neu, so viele neue Eindrücke, so viele neue Dinge zu erleben und zu entdecken. Die Welt schien voller Möglichkeiten zu sein. Das Leben fühlte sich so leicht an. Wo ist all die Leichtigkeit und Sorglosigkeit nur hin, frage ich mich? Ich habe sie wohl irgendwie auf dem Weg zum Erwachsenen verloren.

Auch wenn die Schulzeit nicht immer die schönste war, so bleibt sie mir positiv im Gedächtnis. Denn es war die Zeit, in der ich meine eigene Clique hatte. Täglich war ich umgeben von meinen liebsten Freunden. Was haben wir für einen Spaß gehabt. Gemeinsam ließ sich der Alltagswahnsinn, der ganze Lernstress und die Prüfungsangst besser bewältigen. Wir sind gemeinsam älter geworden, haben uns gegenseitig dabei den Rücken gestärkt. Doch auch diese Zeit ist vorbei. Denn wir sind jetzt erwachsen, führen unser eigenes Leben, alle woanders. Jetzt geht jeder seinen eigenen Weg und die Gruppe gibt es heute nicht mehr. Die Zeiten zusammen sind längst vorbei. Zwar habe ich mit jedem einzelnen noch mehr oder weniger Kontakt, man sieht sich schon paar mal im Jahr. Aber die Bindungen untereinander sind zerbrochen. Ich sehne mich nach diesem Gruppengefühl. Jahre später habe ich in meiner neuen Heimat viele Freunde gefunden. Doch eine Clique wie diese habe ich danach nie wieder gefunden.


Wenn Freunde einem fremd werden

Veränderungen schmerzen am meisten, wenn eine Person, die einem nahe ist, langsam aber sicher fremd wird. Wie bei meiner damals besten Freundin. Schon allein die Vergangenheitsform schmerzt schon ein wenig. Wir waren unzertrennlich, sie war für mich die beste Freundin, die ich mir hätte vorstellen können. Durch dick und dünn sind wir gegangen, haben gefühlt alles Mögliche zusammen erlebt. Sie war lange Zeit die einzige Freundin für mich, der einzige Mensch, der mich wirklich kannte. In den schwersten Momenten waren wir füreinander da. Damals brauchte ich niemand anderen außer sie. Ich war glücklich. Bis sich unsere Freundschaft veränderte, weil sie sich veränderte. Ich gebe ihr keine Schuld, das ist eben der Lauf der Dinge. Menschen ändern sich, Freundschaften auch. Aber es tut trotzdem weh, wie ich nur langsam zusehen konnte, wie sie mir entflog, genau eben wie ein Schmetterling. Es ist nicht so, als ob wir resigniert hätten. Wir haben beide für die Freundschaft gekämpft, wollten nicht loslassen.

Doch manche Dinge kann man eben nicht aufhalten, so sehr man sich dagegen wehrt. Manche Veränderungen müssen wahrscheinlich sein. An lebenslange Freundschaften hatte ich lange geglaubt, ich dachte, unsere könnte eine solche sein und werden. Wie bitter, dass ich mich doch geirrt hatte. Manchmal soll es eben nicht sein. Seitdem vergleiche ich alle meine Freundschaften mit dieser einen, die eigentlich nicht zu vergleichen ist. Denn sie ist auch unerreichbar geworden. Sie steht da oben auf meinem imaginären Podest, unerreichbar für mich und unerreichbar für jede andere neue Freundschaft. Und auch hier bin ich sehr traurig, dass diese Freundschaft nicht gehalten hat.

Auch Liebesbeziehungen ändern sich. Aus Verliebtheit wird irgendwann Liebe. So so soll es sein und das ist eigentlich auch gut so. Und doch ist da die Sehnsucht im grauen Alltag, wenn nur noch über Kleinigkeiten gestritten wird, nach dieser anfänglichen Zeit. Als alles noch so neu war, als man nur vor Leidenschaft und Zärtlichkeit gestrotzt hat. Als man noch so liebevoll miteinander umgegangen ist. Wo ist das alles nur geblieben? Ist es für immer verloren? Wird es nie wieder zurückkommen? Die Verliebtheit von damals wird wahrscheinlich wirklich verloren sein. Denn so gut wie ich meinen Mann inzwischen kenne, so viel wie wir inzwischen zusammen erlebt haben. Da ist kein Platz mehr für diese Verliebtheit. Ich sehne mich immer wieder nach dieser Zeit, in der alles noch so lebendig war, alles so toll. Natürlich weiß ich, dass es auch eine Art Selbsttäuschung war. Nicht alles war damals super, vieles habe ich auch einfach ausgeblendet, wenn auch unbewusst.


Vorlieben verändern sich

Manchmal sind es auch die kleinen Dinge, die sich ändern und denen man nachtrauert. Früher habe ich leidenschaftlich gerne Spiele gespielt. Das war eines meiner liebsten Hobbys. Täglich habe ich damit Stunden verbracht, mich in einer fiktiven Geschichte verloren. Konnte nie genug davon bekommen. Doch das ist in den letzten Jahren immer weniger geworden. Viele neue Dinge sind dazu gekommen. Ich bin öfter unterwegs, nur wenige Stunden zu Hause. Und es bleiben bei all den Aktivitäten nur wenige Stunden, um sich überhaupt mal auf ein Spiel einzulassen. Die wenige Zeit, die ich habe, reicht anscheinend nicht aus. Die Lust auf Spiele habe ich nicht gänzlich verloren, aber sie ist definitiv viel weniger geworden. Heute fesselt mich kein Spiel mehr so sehr, dass ich es nicht aus den Händen nehmen kann. Das stimmt mich etwas nachdenklich. Interessen und Vorlieben ändern sich eben auch. Was früher mal eine Leidenschaft war, muss es heute nicht mehr sein. Ich vermisse mein altes Ich, das sich so sehr in Spiele stürzen konnte. Aber heute habe ich eben andere Leidenschaften gefunden.

Besonders schmerzhaft sind Abschiede und Trennungen von Menschen, die einem so wichtig sind. Menschen, die einfach so aus dem eigenen Leben verschwinden. Vielleicht für immer. Oder Menschen, die in eine andere Stadt ziehen. Man verspricht sich, den Kontakt zu halten, sich gegenseitig zu besuchen. Doch aus den Augen, aus dem Sinn. Der andere wird ein anderes Leben anfangen, ohne mich. Und vielleicht wird da auch kein Platz mehr für mich sein. Stück für Stück gerate ich vielleicht so in Vergessenheit. Wenn es Menschen sind, die selbst mal ein wichtiger Teil des eigenen Lebens waren. Und dann plötzlich weit weg sind. Das ist schwer zu verkraften. Auf einmal steht das ganze Leben Kopf. Ich muss alles neu ordnen, mein Leben alleine auf die Reihe bekommen. Der andere lässt mich einfach so zurück, nimmt ein Stück von mir mit und ich muss irgendwie damit klar kommen. Daran zu denken, macht mir Angst. Ich fühle mich verloren, vermisse die andere Person. Aber ich weiß, dass sie eben nicht einfach mehr zurückkommt. Sie wird nicht mehr die große Rolle in meinem Leben spielen. Es ist schmerzhaft, dann das Leben ohne diese Person zu führen. Schmerzhaft das zu akzeptieren, dass unsere gemeinsame Zeit nie wieder zurückkommen wird. Doch ich muss da durch. Es bringt nichts. Da ist erst einmal sehr viel Selbstmitleid. Aber irgendwann werde ich vielleicht genug Kraft haben, mich zusammenreißen, aufstehen und weitergehen. Meinen eigenen Weg – ohne diese Person, die ich verloren habe.

Denn in jedem Abschied und in jeder Trennung, wenn ich wirklich bereit bin, loszulassen, steckt auch ein Neuanfang. Ein Neuanfang mit so vielen Möglichkeiten. Mag sein, dass ich das in dem Moment der Trauer nicht sehe. Aber irgendwann bestimmt.

Auch ich verändere mich immer wieder. Wahrscheinlich sogar täglich. Immer ein bisschen mehr, ohne, dass ich es wirklich merke. Ich werde nie wieder so sein, wie ich mal war. Ich werde nie wieder das Kind von damals sein. Nie wieder die Jugendliche, die in Depressionen verfallen ist und an Selbstmord dachte. Nie wieder der Mensch, der für die große Liebe mit 18 von zu Hause weggezogen ist. Nie wieder der Mensch, der ich vielleicht noch vor fünf Jahren war. Ist es jetzt beruhigend oder nicht eher traurig? Es kommt wahrscheinlich darauf an.


Nichts wird wieder so sein, wie es mal war

Alles verändert sich. Nichts wird wieder so sein, wie es mal war. Veränderungen können ohnmächtig machen. Man hat keine Kontrolle darüber, es geschieht einfach, ob man nun will oder nicht. Kann man etwas dagegen tun? Sich ständig dagegen zu wehren, bringt meist nicht viel. Veränderungen nehmen keine Rücksicht darauf, ob man das nun will oder nicht.

Doch wenn man selbst keinen Einfluss auf die Umstände hat, hat man wenigstens über eins Kontrolle: über sich selbst. Wir haben es in der Hand, wie wir mit Veränderungen umgehen. Wir können versuchen, die Veränderungen zu akzeptieren, offen für sie zu sein. Und so schwierig es auch ist, auch das Positive darin zu sehen. Wenn wir uns von Dingen oder Menschen trennen, ist da plötzlich Raum für einen selbst und für andere Dinge und Menschen. Loslassen können bedeutet auch, sich für Neues zu öffnen. Für neue schöne Zeiten. Auch wenn die alten vorbei sind, es kommen wieder andere und ebenfalls schöne Zeiten.

Da gibt es diesen Spruch: „Weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lächle, weil es so schön war.“ Er klingt schön, der Inhalt so weise. Aber in passenden Momenten verfluche ich diesen Satz. Das sagt sich doch so leicht! Wenn etwas vorbei ist, was so schön war, warum soll ich mich darüber freuen? Es ist doch vorbei. Und da erkenne ich wieder: Ich denke oftmals negativer als ich es vermutet hätte. Es kommt eben darauf an, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Es gibt immer mindestens zwei Sichtweisen, zwei Seiten einer Medaille. Ich kann darüber traurig sein, weil es vorbei ist. Ich kann mich aber auch freuen, weil ich so etwas schönes erlebt habe. Ich kann meinen Fokus vom Verlust auf das Geschenk, was ich bekommen habe, lenken. Welche Sichtweise ich wähle, hängt von mir ab.

Es ist traurig und schmerzhaft, wenn manche Dinge, Menschen und Zeiten einfach nicht mehr wieder ihren Weg in mein Leben finden. Doch was gibt dann noch Halt, wenn alles vergeht und sich alles verändert? Interessanterweise genau das, von dem ich glaubte, dass ich es verloren hätte: all das Verlorene und vor allem die Erinnerungen daran. Die bleiben weiterhin. All das Geliebte ist nicht verloren, nur weil es nicht mehr in meinem aktuellen Leben ist. Es ist Teil meines Lebens geworden. Ich halte die Erinnerungen an all die schönen Zeiten lebendig. Indem ich sie in meinem Kopf und in meinem Herzen bewahre. Sie leben weiter. Sie sind das Fundament für mein Leben und für mich selbst.


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