Direkt zum Hauptbereich

Gehen oder Bleiben?


Die ersten paar Tage der Beziehungspause sind rum. Noch viele weitere Tagen werden noch folgen. Tage, an denen ich mich quälen werde. Immer wieder diese Frage in meinem Kopf, die nicht mehr verschwinden wird, bis ich endlich meine Antwort gefunden habe: Soll ich mich trennen oder doch einen Neustart versuchen?


Gehen oder Bleiben – was ist das Richtige? Keiner kann mir darauf eine Antwort geben. Nur ich selbst kann herausfinden, was ich eigentlich will. Für mich war eigentlich klar, dass es jetzt in der Beziehungspause darum ging, mich zwischen zwei Männern zu entscheiden. Beziehung und Ehe oder die Affäre.

Hätte es die Affäre nicht gegeben, würde ich doch ganz klar bei meinem Mann bleiben. Dachte ich. Aber ist das wirklich so? Worum geht es eigentlich wirklich? Geht es wirklich um diese zwei Menschen? Vielleicht geht es gar nicht um sie. Nein, ich denke, dass es hier vor allem um mich geht. Das hat wenig mit den beiden zu tun, was hier gerade abgeht. Das hat ganz viel mit mir selbst zu tun.

Mir ist das erst jetzt richtig klargeworden, als ich mit einer guten Freundin darüber gesprochen hatte. Es gibt da zwei Seelen in meiner Brust. Und sie kommen einfach nicht miteinander klar. Ich kann sie nicht zusammenbringen, weil sie sich einfach gegenseitig ausschließen.

 

Zwei Seelen in meiner Brust

Zum einen ist da das Bedürfnis nach Sicherheit, Angekommen sein, Geborgenheit, Vertrautheit – die Sehnsucht nach einer stabilen sicheren Beziehung, nach einem sicheren Beziehungshafen. Die Sehnsucht nach jemanden, der immer für mich da ist, der meine Konstante im Leben ist, wenn sich alles verändert, auch ich selbst.

Zum anderen gibt es auch die Sehnsucht nach Autonomie, nach Freiheit, mich zu entfalten, mich meinen Bedürfnissen und Gefühlen hinzugeben. Die Sehnsucht nach dem Neuen, nach dem Abenteuer, nach einem aufregenden und abwechslungsreichen Leben. Und das schließt eben die Affäre mit ein.

Die Frage ist auch: Warum fällt es mir so schwer, mich von der Affäre zu lösen? Und warum ist es so verdammt hart, mich wirklich für meine Beziehung und Ehe zu entscheiden? Jetzt wird mir alles klar: Weil ich an beiden Bedürfnissen, Sicherheit und Freiheit, hänge und mich nicht entscheiden kann oder will. Weil mir beides wichtig ist.

Ich kann nicht beides haben, ich muss mich entscheiden. Und das ist etwas, wovor ich mich all die Zeit gedrückt habe. Ich wollte mich nicht entscheiden, es war so schwer. Also habe ich mich beidem hingegeben, in der Hoffnung, dass ich alles haben kann und glücklich werde. War ich auch. Ich habe mich einfach treiben lassen, ohne über die Folgen nachzudenken, habe mich nicht entschieden. Bis mein sorgsam aufgebautes Lügengerüst in sich zusammenbrach.

 

Nur die Augen zugemacht

Die letzten Jahre habe ich mich diesen Bedürfnissen nicht gestellt, keinen ordentlichen Umgang gehabt, habe nichts getan, um eine wirkliche Lösung zu finden. Ich habe die Augen zugemacht und mir alles schöngeredet. Das wird schon alles werden, ich werde irgendwie glücklich werden.

Ich habe die Probleme in meiner Beziehung gesehen, aber wollte da nicht dran arbeiten. Beziehungsweise ich habe es versucht, aber bin gescheitert. Was bringt es, wenn sich nur einer dafür einsetzt? Und so habe ich resigniert, aufgehört, das Gespräch zu suchen und über meine Gefühle und Bedürfnisse mit ihm zu reden. Ich wusste, dass es nichts bringt, keine Veränderungen kommen werden. Ich dachte, das wird schon irgendwie okay sind. Ich bin doch eigentlich an sich ganz zufrieden. Mit einem anderen Mann gäbe es andere Probleme. Und aus Angst, die Sicherheit zu verlieren, habe ich mich damit abgefunden, meinen Weg gefunden, damit klarzukommen. Statt die Probleme offen zu legen und zu sagen, was ich will und was nicht, habe ich Ablenkung gesucht und sie in der Affäre gefunden.

Ich dachte, dass es diese eine Lösung wäre, mit der alle glücklich sein könnten. Aber es war nie eine Lösung und hat eigentlich nur noch mehr gezeigt, dass nichts in Ordnung ist. Und jetzt stehe ich da, mein Leben als Scherbenhaufen vor mir und die eigentliche Arbeit beginnt. Jetzt gibt es kein Entkommen mehr.

 

Zwischen Sicherheit und Freiheit

Lange Zeit war das Bedürfnis nach Sicherheit sehr stark und mich geleitet. Obwohl ich in den letzten Jahren merkte, dass da das Bedürfnis nach Freiheit immer mehr wurde. Ich bin vielleicht wirklich aus Sicherheit geblieben. Oder: Aus Angst vor dem Alleinsein. Oder weil ich mir keine bessere Beziehung vorstellen konnte. Wir hatten uns all die Jahre so viel aufgebaut, er und die Beziehung gaben mir so viel Halt. Unsere Biografien waren viel zu stark miteinander verwoben, als das ich das hätte aufgeben können. Das alles gab mir Halt und Sicherheit im Leben, das sich doch so schnell wandeln konnte. Auch wenn sich alles andere total verändert und ich alles verliere – die Beziehung bleibt, er bleibt.

Vor einigen Jahren habe ich mein Leben umgekrempelt, bin sozialer geworden, habe so viel ausprobiert und erlebt, habe immer wieder meine Komfortzone verlassen, viel Neues gemacht. Ich bin unabhängiger geworden, war und bin viel unterwegs, kaum noch zu Hause. Vielleicht hat uns das auch ein Stück weit voneinander entfremdet. Doch im Herzen war ich mit ihm stets verbunden. Und obwohl ich immer so unabhängig getan habe, war das ja nur das Oberflächliche. Emotional hänge ich zu sehr an ihm, bin ich abhängig. So sehr, dass ich mir ein Leben ohne ihn kaum vorstellen kann.

Ich bin feige in der Hinsicht, darum habe ich nicht mit ihm geredet und mich von ihm getrennt. Aus Angst, niemals wieder jemanden zu finden, der zu mir passt und mich so liebt, wie ich bin.

Dabei gab es in den letzten Jahren immer wieder Ausbrüche aus dieser sicheren Beziehung. Sei es aus Sehnsucht nach sexuellen Erfahrungen oder weil ich wieder verliebt sein wollte. Dinge und Gefühle, die er mir niemals geben kann. Ich bin immer wieder aus der Beziehung ausgebrochen, habe mein Ding durchgezogen, wollte wieder lebendig sein. Ich habe dabei nicht an ihn gedacht, nur an mich.

Doch gleichzeitig brauchte ich die Sicherheit, die er mir gab. Vielleicht habe ich aus dem Bedürfnis nach Sicherheit heraus, seinen Heiratsantrag angenommen. Und ihn am Ende geheiratet. Oder gab es noch andere Gründe? Ich dachte, dass ich es aus Liebe tat. Doch heute zweifle ich daran. War es die Gewohnheit? War es einfach die logische Konsequenz, wenn man so lange schon miteinander zusammen war? Oder war es wirklich der Wunsch, mit ihm den Rest meines Lebens zu verbringen? So ganz sicher bin ich mir nicht mehr. Das werde ich wohl jetzt in den nächsten Wochen ohne ihn ergründen müssen.

Ich möchte für mich gerne einen Grund finden, warum ich mit ihm zusammenbleiben will. Unabhängig davon, dass wir schon so lange zusammen sind und so viel erlebt haben. Das soll kein Grund sein, um zu bleiben. Ich will jetzt für mich etwas finden, um mich erneut wieder für ihn zu entscheiden. Denn Liebe ist eine Entscheidung, die immer wieder getroffen werden muss, jeden Tag aufs Neue.

 

Angst vor dem Alleinsein

Mein Alltag besteht jetzt zum Großteil daraus, viel ohne ihn zu unternehmen. Damit komme ich eigentlich sehr gut klar. Da wir uns täglich gesehen haben, war das okay. Es war nicht viel Zeit, die wir miteinander verbracht haben, aber genug für mich, damit die Zeit wertvoll für mich war. Obwohl ich doch so unabhängig geworden bin, viel Freiraum genießen konnte und wollte, frage ich mich: Warum hänge ich so sehr an ihm? Warum fällt es mir so schwer, mir ein Leben ohne ihn vorzustellen? Vielleicht einfach, weil wir zu sehr aneinander gewöhnt sind. Wir haben jetzt so viele Jahre miteinander verbracht, es ist meine persönliche Komfortzone geworden, meine wichtige Ruheoase.

Ich weiß gar nicht, wie es ist, allein zu sein. Obwohl ich es 17 Jahre davor ohne ihn auch war. Aber was mich wahrscheinlich am meisten ängstigt, ist dieses Alleine wohnen. Niemand da, wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme. Niemand da, mit dem ich täglich reden kann, mit dem ich meinen Alltag teilen kann. Auch wenn es nur wenig Zeit wäre. Ich habe nie allein gewohnt, bin von zu Hause weg und direkt mit ihm zusammengezogen. Und es scheint so, als hätte ich auch gar keine Erinnerung mehr daran, wie es vor ihm war. Wie kann ich, nachdem ich das alles so liebgewonnen habe, jemals wieder allein sein? Schaffe ich das überhaupt, wieder allein zu sein, ohne einsam zu werden? Ich stelle mir das unglaublich hart vor.

Warum finde ich es so unerträglich, allein zu sein? Weil da niemand ist, mit dem ich mein Leben teilen kann. Klar habe ich Familie und Freunde, ich hätte noch ein soziales Umfeld und andere Beziehungen. Aber Liebe ist für mich etwas total Wichtiges, was ich daneben auch brauche, um glücklich zu sein. Ich glaube, dass ich unbedingt jemanden brauche, den ich liebe, der mich liebt, bei dem ich so sein kann wie ich bin, bei dem ich mich angekommen fühle. Eben all das, was ich in einer Beziehung suche.

Das Alleinsein macht mich nicht glücklich. Aber woher soll ich das alles wissen, wenn ich es noch nie gelebt habe? Es war schon öfter mal so, dass ich mir etwas nicht vorstellen konnte und am Ende war es doch irgendwie möglich und gar nicht so schlimm. Genau dafür ist dieser Monat Beziehungspause da. Um herauszufinden, ob ich mit dem Alleinsein klarkomme oder auch nicht. Ob ich dann, wenn ich damit zurechtkomme, einen von beiden mehr vermissen werden.

 

Etwas Neues wagen, auch wenn es ungewiss ist

Der Gedanke, ohne meinen Mann zu sein, schmerzt sehr. Und gleichzeitig merke ich aber auch: Die Sehnsucht nach der Freiheit, nach einem anderen Neuanfang fesselt mich einfach. In der letzten Zeit scheint sich das Bedürfnis nach Abwechslung, Neuem und Freiheit mehr und mehr in mir und meinem Leben breitzumachen.

Mit dem neuen Job hat es angefangen. Ich war vor zwei Monaten auch hin- und her gerissen, ob ich meine Komfortzone mit dem mittelmäßig tollen, routinierten Job aufgebe und dafür einen neuen, der Abwechslung und Selbstentfaltung verspricht. Ich kann noch nicht sagen, ob ich froh drüber bin oder es bereue, mich so entschieden zu haben. Auf jeden Fall waren die Erfahrungen wertvoll, mich auf einen neuen Job, mit neuen Kollegen und Aufgaben einzulassen. Es ist stellenweise echt anstrengend, doch ich bin dankbar für diese wertvollen Erfahrungen, auch wenn es am Ende vielleicht doch nicht klappen sollte.

Doch zurück zum eigentlichen Thema: In den ersten Tagen der Beziehungspause merke ich, wie es mich immer noch zu sehr in Richtung der Affäre zieht, gedanklich wie emotional. Ihr könnt mich gern für verblendet und naiv halten, das bin ich wohl. Aber ich stelle mir gleichzeitig die Zukunft mit dem anderen so viel schöner und glücklicher vor. Auch wenn wir nicht in einer Stadt wohnen werden und die Möglichkeit, zusammen zu leben, gerade auch nicht präsent ist.

Auch wenn alle Alarmglocken schrillen, die mir sagen: Mach das nicht, es gibt keine Garantie für eine bessere Zukunft, geh das Risiko nicht ein! Trotzdem merke ich, wie es mich mehr zu ihm zieht und die Distanz zu meinem Mann größer wird. Obwohl ich weiß, dass damit mein Bedürfnis nach Sicherheit ganz stark ins Schwanken kommt und vielleicht gar nicht gestillt wird. Das Bedürfnis nach Freiheit und etwas Neuem ist gerade präsenter wie noch nie.

 Ich weiß, ich kann vermutlich nicht klar denken, weil ich noch zu verliebt in ihn bin und das Ganze idealisiere. Wahrscheinlich wird es eine Weile lang toll sein, aber irgendwie vergeht auch die Verliebtheit und dann kommt die harte Realität. Und dann werde ich wohl merken, dass doch nicht alles Gold ist, was glänzt. Und wahrscheinlich wird dann das schlechte Gewissen kommen, die Selbstvorwürfe und die Reue, etwas so Wichtiges verloren zu haben für etwas, was sich am Ende vielleicht doch als so toll herausgestellt hat.

Aber vielleicht brauche ich das auch einfach. Diese harte Lektion. Denn ich weiß gar nicht, wie es ist jemanden so wichtiges zu verlieren. Nicht, dass ich das unbedingt erleben will. Aber diese Erfahrung zu machen, gehört im Leben dazu. Ich habe ja bisher noch nie eine andere Beziehung geführt, weiß also nicht, ob diese Beziehung wirklich das ist, was ich will. Ob es wirklich es wirklich die eine wahre Liebe ist.

 

Gedankenspiele

Ich gehe im Kopf immer wieder verschiedene Szenarien durch, sowohl das bestmöglichste und das schlechteste, was möglich wäre. Im besten Falle entscheide ich mich für einen von beiden und werde glücklich.

Bleibe ich bei meinem Mann wird es eine harte Zeit werden, in der wir an uns und unserer Ehe arbeiten müssen. Da gibt es vieles aufzuarbeiten. Doch wenn das gelingt, wird es wohl kaum etwas geben, was diese Beziehung erschüttern wird.

Sich für die Beziehung zu entscheiden, garantiert aber nicht, dass es ein Happy End geben wird. Vielleicht stellt sich mit der Zeit heraus, dass er mir doch nicht mehr vertrauen kann, dass der Schmerz so tief sitzt, dass er nicht weitermachen kann. Dann wäre ich sehr wahrscheinlich allein.

Würde ich mich für die Affäre entscheiden, wäre vielleicht alles erstmal schön. Es kann sein, dass er sich vielleicht doch irgendwann für eine Beziehung entscheidet.

Aber genauso kann es auch ganz anders verlaufen. Entweder führen wir keine Beziehung und ich werde irgendwann unglücklich. Oder wir führen eine und merken, dass es uns beide oder vor allem ihn nicht glücklich macht. Am Ende bin ich dann wieder allein.

In beiden schlechtesten Szenarien habe ich alles verloren. Das ist etwas, was ich auf keinen Fall will.

Oder ich entscheide mich für keinen von beiden, was glatter Selbstmord wäre. Denn dann wäre ich auch wieder allein. Die Angst, so zu enden und niemanden wieder zu haben, würde mich tieftraurig machen. Aber wer sagt das, dass ich niemals wieder jemanden finde, den ich liebe und mit dem ich glücklich sein werde? Das Leben geht ja immer weiter, auch wenn das Alleinsein immer hart ist.

Wenn es bei der Entscheidung nur darum geht, ob ich mit meinem Mann zusammen bleiben will oder nicht, die Affäre mal außen vor gelassen. Dann ist die Entscheidung klar: Ich will auf jeden Fall bleiben. Aber ich weiß gerade im Moment nicht, ob es nicht eher die Gewohnheit und das starke Bedürfnis nach Sicherheit ist, was mich dann an ihn bindet.  

Ich wollte mich nie entscheiden, aber jetzt muss ich es wohl. Jede Entscheidung wird wehtun. Weil es immer auch eine Entscheidung gegen etwas ist, was mir etwas bedeutet. Verluste gehören zum Leben dazu und ich werde wohl oder übel damit klarkommen müssen.

Es werden noch viele Tage folgen, an denen mein Gedankenkarussell rumspinnen wird. Tage, an denen ich innerlich so zerrissen bin und alles aufgeben will. An denen ich mich totunglücklich fühlen werde. Am liebsten nur raus aus der ganzen Misere. Aber das geht nicht mehr. Die einzige Möglichkeit, um dieses Gefühl der ewigen Schwebe zu verlassen, ist, mich zu entscheiden. Und das werde ich auch tun.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von der Seele geschrieben: Ich will mehr Sex als mein Partner

Eigentlich ist es ja meist so: Man(n) will immer mehr als die Frau. Doch viel häufiger als man denkt, ist das Gegenteil der Fall. So wie bei mir und meinem Freund. Dass das auch für mich als Frau nicht leicht ist, glauben die wenigsten. Doch was steckt dahinter?

In Erinnerungen versunken – wie mich die Nostalgie immer wieder fesselt

Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder: Meine Gedanken driften in die Vergangenheit ab. Für nur einige Momente scheint die Welt still zu stehen. Mein Körper in der Gegenwart existent, aber meine Gedanken befinden sich auf Zeitreise mit meinen Gefühlen. Es sind Momente, in denen ich aus der Gegenwart flüchten kann, in jene Zeiten, nach denen ich mich manchmal sehne. Obwohl ich weiß, dass es nicht unbedingt bessere Zeiten waren. Warum nur?

Von der alten zur neuen Liebe: Wird jetzt alles besser?

Neue Liebe, neues Glück? Warum bei einer neuen Liebe nicht unbedingt alles ganz anders und besser wird als bei der letzten, doch so viel Chancen mit sich bringt.