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Ich bin mir selbst genug


Seit mehr als zwei Wochen bin ich der Wohnung allein. Mit mir selbst konfrontiert. Keiner da, der mich in den Arm nimmt, wenn ich nach Hause komme. Keiner da, mit dem ich mich täglich austausche. Die Wohnung ist und bleibt noch für weitere zwei Wochen leer. Doch ich wollte es so, wollte die Beziehungspause. So ungewohnt still in der großen Wohnung. Eine Stille, von der ich dachte, dass ich niemals ertragen würde. Doch es kommt doch meist anders, als man denkt.

 

Es kommt mir gerade irgendwie sehr unwirklich vor. Es sind inzwischen drei Wochen vergangen, seitdem die ganze bittere Wahrheit, die ich so sorgsam versteckt hatte, ans Licht gekommen ist. Zwei Wochen sind vergangen, als mein Mann seine Sachen packte und zu seinen Eltern zog, vorübergehend. Nur für die vier Wochen Beziehungspause, auf die wir uns geeinigt haben. Zwei Wochen, die so unglaublich schnell vergangen sind. Es ist einfach zu viel passiert, überhaupt ist in den letzten drei Wochen einfach sehr viel passiert, was mich total aus der Bahn geworfen hat. Niemals hätte ich gedacht, dass es mal soweit kommen würde. Aber nun ist es geschehen und lässt sich nicht mehr rückgängig machen.

Ich brauche die Beziehungspause, eine Pause von meinem Mann und meiner Affäre. Um endlich Klarheit zu finden. Um wirklich eine gute Entscheidung zu treffen, die mich glücklich macht. Denn vor drei Wochen konnte ich mich noch nicht entscheiden, ich war hin- und hergerissen. Wollte beide in meinem Leben behalten. Mir ist sehr bewusst, dass das nicht möglich sein wird. Und auch nicht das Beste wäre.

 

Pause, um herauszufinden, was und wen ich will

Ich wollte mit der Pause herausfinden, mit wem ich mein Leben weiter verbringen will. Doch in den letzten Wochen ist mir klargeworden, dass es nicht um die Entscheidung für den Einen oder den Anderen ging. Nein, es geht hier nur um eine Frage: Soll ich an der Ehe und Beziehung festhalten oder Schluss machen?

Und um auf diese Frage eine Antwort zu finden, um endlich meine Zweifel loszuwerden, um endlich wirklich eine Entscheidung zu treffen – dafür brauche ich einfach Zeit, Zeit für mich, Zeit ohne meinen Mann und Zeit ohne meine Affäre. Damit mich keiner von beiden in irgendeiner Weise beeinflussen kann. Die Entscheidung soll aus meinem tiefsten Inneren herauskommen. Und nicht, weil es die Umstände waren, die mich dazu verleitet haben.

Viel zu lange habe ich die Augen davor geschlossen. Immer mehr wurde mir in der letzten Zeit bewusst, wie sehr ich mich selbst eigentlich belogen und auch betrogen habe. Weil ich meine eigenen Bedürfnisse versteckt hielt, sie auf niedere Art und Weise auslebte. Ich war nicht authentisch. Ich war mir selbst nicht treu, aus Angst dieses heile schöne Leben, was ich mir mit meinem Mann aufgebaut hatte, zu zerstören. Weil ich dachte, dass es das ist, was ich will.

Doch ich habe jetzt erkannt, dass es vielleicht gar nicht wirklich stimmt. Ich wollte so sehr, dass es klappt, wollte so sehr an dieser Vorstellung festhalten: Diese eine Beziehung mit meiner ersten großen Liebe wird alles überstehen, jede Krise und wird ein Leben lang halten.


Nicht mehr die Augen verschließen

Ich habe es mir so sehr gewünscht und mir so sehr eingeredet, bis ich es irgendwann einmal selbst glaubte. Aber ich habe dabei nicht bedacht, dass das doch nicht stimmt. Dass meine Bedürfnisse eine ganz andere Sprache sprechen. Dass ich mir insgeheim etwas ganz andere wünschte.

Dabei war diese Beziehung alles für mich, das, wonach ich mich jahrelang gesehnt habe. Und jetzt habe ich sie und bin trotzdem nicht zufrieden. So ist das immer mit den Dingen, die man hat, aber dann auch nicht mehr will. Und stattdessen sehne ich mich lieber nach etwas, was definitiv unerreichbar für mich ist.

Doch so sehr die Wahrheit wehtut, ich kann die Augen nicht mehr davor verschließen: Ich stehe nicht mehr vollkommen hinter der Beziehung. Das ist mir klar. Und trotzdem will ich die Wahrheit nicht akzeptieren, dass die Beziehung gescheitert ist. Diese Erkenntnis tut verdammt weh. Weil ich mir wünschte, dass es anders wäre. Dann wäre alles auch viel einfacher. Aber wer sagt, dass das Leben einfach ist. War es nie und wird es auch nie sein. So ist es eben.

 

Die Wahrheit tut verdammt weh

Wenn ich wirklich an der Beziehung festhalten würde, hätte ich mich doch längst entschieden. Dann hätte ich keine Pause gebraucht. Es spricht so vieles dagegen, daran festzuhalten. In all der Zeit ohne meinen Mann habe ich ihn selten bis gar nicht vermisst. Es ist super erschreckend, wie wenig ich an ihn gedacht habe. Aus den Augen, aus dem Sinn. Obwohl wir zehn Jahre lang  uns jeden Tag gesehen und gesprochen haben, das Bett miteinander geteilt haben. Wie kann es sein, dass das alles keine große Rolle mehr für mich spielt? Die Vorstellung, weiter mit ihm zusammen zu bleiben, stimmt nicht wirklich glücklich. Mehr Zeit mit ihm zu verbringen als jetzt, fühlt sich für mich nicht stimmig an.

Haben wir uns vielleicht einfach zu sehr voneinander entfremdet? So schleichend und leise, dass ich es nicht gemerkt habe. Nein, ich habe etwas gemerkt, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Habe mir eingeredet, dass alles gut ist. Dass es normal ist, wenn ich ihn kaum vermisse, kaum an ihn denke. Es ist okay, wenn wir nicht viel Zeit miteinander verbringen. Wenn wir nicht mehr miteinander schlafen. Doch wenn alles andere in meinem Leben – Hobbys, Freunde und nicht zuletzt die Affäre --- wichtiger ist als der eigene Partner – wie konnte ich da nicht erkennen, dass etwas mit der Beziehung ganz deutlich etwas nicht stimmte?  

Es fühlt sich an, als wäre die Beziehung festgefahren, als ob sie schon viel zu lange von Monotonie geprägt wurde. Keine Veränderungen und Entwicklungen in Sicht. Doch stattdessen habe ich mich viel zu sehr verändert. Und das führte dazu, dass ich emotional von meinem Mann entfremdet habe. Doch das wollte ich mir nicht eingestehen.

Und das wird mir jetzt erst, mit viel Abstand bewusst.

Ich dachte immer, dass ich totunglücklich sein muss, wenn ich allein wohne. Wenn ich mir das vorstellte, ein Leben ohne meinen Mann, das tat einfach weh. Das wollte ich nicht, habe ich verdrängt. Obwohl wir doch kaum Zeit miteinander verbrachten, war ich doch irgendwie abhängig von ihm. Er war derjenige, mit dem ich meinen Alltag meisterte, der immer für mich da war, immer zu Hause war, wenn ich so oft wieder zurückkam.


Allein sein ist gar nicht so schlecht

Und jetzt sind zweieinhalb Wochen rum, von Sehnsucht kaum eine Spur. Im Gegenteil: Ich finde das allein sein, ohne einen festen Partner, gar nicht mal so schlimm. Das Alleinsein macht mir nicht so viel aus, wie gedacht. Die Stille war anfangs sehr ungewohnt. Was total normal ist, wenn man 10 Jahre lang immer jemanden hatte, der zu Hause war. Aber schon nach paar Tagen habe ich schnell daran gewöhnt.

Ich war ja auch meist nicht lange und oft zu Hause in den letzten Wochen. Schließlich gehe ich zur Arbeit, komme nach Hause und bin dann eigentlich auch gleich wieder weg. Viele Hobbys und Gruppen, um die ich mich kümmere. Da vergeht die Zeit schnell. Und schon ist wieder ein Tag vorbei.

Ich weiß, die Beziehungspause sollte nicht dazu sein, sich ständig abzulenken. Ich merke selbst, dass ich das doch gerne tue, um möglichst wenig allein zu sein. Vielleicht weil ich schon spüre, dass das lange Alleinsein, für mehrere Stunden oder mehrere Abende oder sogar Tage etwas mit mir macht. Und weil es mich dazu bringt, wirklich anzufangen, mich in meinen Gedanken zu verlieren.

Es ist nicht so, als hätte ich kaum über die Beziehung und die ganze Situation nachgedacht. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich das nicht getan habe, ob ich wollte oder nicht. Und doch wollte ich mich jetzt auch nicht einschließen und nur noch zu Hause rumhocken.

Für mich ist diese Pause aber nicht nur wichtig für die Reflexion. Klar steht die an erster Stelle. Aber gleichzeitig dient mir die Beziehungspause dazu, zu schauen, wie es mir ohne Partner geht. Wie ich ein Leben allein eben auch meistern kann. Und das geht tatsächlich.

Lange Zeit dachte ich, ich könnte nur mit Partner und jemanden, mit dem ich zusammen wohne, meistern. Ansonsten wäre ich unglücklich. Doch so ist es nicht. Ich genieße das allein wohnen und das Alleinsein, zumindest innerhalb eines bestimmten Rahmens. Das hätte ich nie für möglich gehalten.

 

Ich bin mir selbst genug

Ab und zu denke sehne ich mich nach jemanden, mit dem ich mich über den Alltag austauschen kann. Über das, was ich täglich so denke, fühle und mache. Doch die Sehnsucht ist nicht so wirklich stark. Der Gedanke daran ist schnell wieder vergangen.

Ich merke, dass ich mir selbst auch einfach genug bin. Ich habe angefangen, ein wenig mit mir selbst zu reden. Klingt total verrückt, aber es hilft ungemein, das Alleinsein als gar nicht bedrückend zu empfinden. Es macht Spaß, mit mir selbst in einen Dialog zu kommen. Ob nur in Gedanken oder mit Worten, ob schriftlich oder mündlich.

Das ist unglaublich befreiend, zu wissen, dass ich niemanden an meiner Seite brauche, um glücklich zu sein. Ich kann mich selbst glücklich machen. Ich komme auch mit dem Alleinsein klar. Denn es gibt noch viele andere Dinge außer Beziehungen, die mich erfüllen: Freunde treffen, meinen Hobbys nachgehen, mich ehrenamtlich engagieren und wahrscheinlich auch einfach neue Menschen treffen und daten. Das Single-Dasein, was ich momentan erlebe, ist gar nicht so übel. Es bringt auch jede Menge Freiheiten mit sich. Das Gefühl, unabhängig zu sein, mein Leben zu leben, ohne, dass ich mich nach jemanden richten muss – das ist super befreiend.

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr emotionalen Abstand spüre ich zu meinem Mann und meiner Affäre. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, als ich die beiden das letzte Mal gesehen habe. Sehr paradox, vergingen die Wochen dazwischen für mich rückblickend ziemlich schnell. Das ist immer ein Paradoxon mit der gefühlten Zeitwahrnehmung.

 

Ich bin von niemandem abhängig

Je mehr Zeit vergeht, desto verblassen meine Gefühle und ich kann plötzlich auch mit einem kritischen Geist alles betrachten, ohne von meinen Gefühlen benebelt zu werden. Plötzlich wird alles viel, viel klarer. Ich dachte auch, dass es ohne meine Affäre nicht mehr geht. Dass ich super leiden und ihn schrecklich vermissen werde. Es ist tatsächlich auch kein Tag vergangen, an dem ich nicht an ihn gedacht und mich gefragt habe, was er jetzt wohl macht, wo er gerade ist, wie es ihm geht. Die Sehnsucht kommt in Schüben, war zwischenzeitlich stärker, doch jetzt merke ich sie nicht mehr so sehr. Ich glaubte, dass ich ihn so sehr brauchte, um glücklich zu sein.

Doch jetzt merke ich: Nein, auch ihn brauche ich nicht, um glücklich zu sein. Denn ich war in all der Zeit jetzt ohne ihn auch glücklich, habe mein Leben trotzdem genossen und Freude gehabt. Lange habe ich mit mir gehadert und gelitten, weil ich dachte, dass ich zu abhängig von ihm war und schwer von ihm loskomme. Doch jetzt ist da sehr viel Erleichterung, weil ich weiß, dass ich doch nicht wirklich abhängig war. Ich bin frei, ich brauche keinen von den beiden, um glücklich zu sein. Es ist ein tolles Gefühl, dass ich auch allein glücklich sein kann.

Schon spannend, was der räumliche Abstand echt mit den eigenen Gefühlen und Gedanken macht. Es war vollkommen die richtige Entscheidung, mit beiden auf Abstand zu gehen. Hätte ich es so weiterlaufen gelassen, hätte ich so viele Erkenntnisse nicht gemacht.

 

Entscheidung aus freiem Willen

Wenn ich mich also dazu entscheide, dann nicht aus Abhängigkeit oder Angst vor der Einsamkeit oder dem Alleinsein. Nein, ich tue es, weil ich es will.

Und selbst wenn es mit der Affäre nicht klappen sollte – das ist kein Weltuntergang. Ich werde nicht allein bleiben. Die Sorge, danach allein zu enden, ist unbegründet. Das haben mir die Gespräche auch mit meinen Freundinnen gezeigt. Dass jeder eine zweite Chance oder sogar mehr bekommt.

Und noch eine wichtige Erkenntnis: Es gibt doch nicht nur den Einen, mit dem ich glücklich werden und eine schöne Beziehung führen kann. Es gibt immer mehrere Personen, die zu einem passen. Lange Zeit dachte ich, dass es nie wieder jemanden geben wird, der mich lieben und akzeptieren wird wie mein Mann. Doch die letzten Jahre haben mir das Gegenteil bewiesen.

 

Auch ohne Partner glücklich und nicht allein

Doch auch wenn der Passende gerade nicht bei mir ist, muss ich ja nicht einsam sein. Ich bin zwar dann ohne Partner, aber eben nicht allein. Auch das ist mir erst in letzter Zeit bewusst geworden. Ich hatte immer die Vorstellung, dass es ohne Partner doch einsam sein muss. Aber war ich auch einsam, als ich jahrelang bis ich 18 wurde, keinen Freund hatte? Nein, denn ich war ja nie allein. Familie und Freunde waren immer da. Ich sehnte mich nach Liebe, aber es war nicht so, dass ich totunglücklich war. Und das Single-Leben hat ja auch seine vielen Vorzüge und wäre für mich spannend, da ich das Single-Dasein nie wirklich ausleben konnte.

Die Option, mich für keinen von beiden zu entscheiden, scheint für mich gar nicht so schlecht zu sein. Ich sehe darin auch viele Chancen. Wenn es am Ende weder mit meinem Mann noch mit meiner Affäre klappt, dann ist es eben so. Dann hat es mit den beiden nicht gepasst. Aber das ist ja nicht das Ende. Es gibt noch andere Menschen, mit denen ich harmonieren und eine Beziehung führen konnte. Ich muss mich nicht mehr so kleinmachen, nicht mehr glauben, dass ich nicht genug und nicht liebenswert bin. Auch wenn ich Dinge getan habe, die nicht gut waren, viele Fehler begangen habe. Ich kann aus den Fehlern lernen und es beim nächsten Mal besser machen.

Und vielleicht werde ich mich auch nach einer möglichen Trennung auch gar nicht in die nächste Beziehung stürzen, sondern es locker angehen lassen. Um herauszufinden, was ich wirklich will. Ob ich Beziehungen führen will und was für Beziehungen und mit welchen Menschen. Was mir wirklich wichtig in Beziehungen und an meinem Partner ist. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem ich einfach einen Break brauche. Das hätte ich viel früher machen sollen.

Ich brauche die vollen vier Wochen, wenn nicht sogar länger, um mich zu entscheiden. Aber ich glaube tatsächlich, dass ich mir die nächsten und letzten zwei Wochen vornehmen werde, mehr Zeit allein zu verbringen, um noch intensiver zu reflektieren. Obwohl ich eigentlich weiß, in welche Richtung es gehen wird. Soviel steht fest: So wie jetzt ist, so kann es nicht bleiben. Veränderungen müssen her. Wie groß die Veränderungen werden und wie aussehen werden, werde ich dann entschieden haben.

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