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Wenn nichts mehr ist, wie es mal war

 


Es ist passiert. Meine Welt steht Kopf. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Moment mal kommen wird. Dass meine ganze Welt zerbricht. Mein Leben liegt in Scherbenhaufen. Mühsam versuche ich jede einzelne Scherbe zusammenzusuchen, alles wieder zusammenzufügen, doch es gelingt nicht. Es wird nie wieder so werden, wie es früher mal war. 

 

Doch ich habe keinen Grund für Traurigkeit oder Mitleid. Beides habe ich nicht verdient. Von Anfang an hätte ich es wissen müssen, dass es nicht klappt.

Ich bin selbst schuld an der ganzen Misere. Die letzten anderthalb Jahre waren alles nur Lüge. Ein Doppelleben habe ich geführt, in der Hoffnung, dass alles gut werden wird, die Wahrheit nicht rauskommt. Doch die Wahrheit findet immer ihren Weg. Keine Lüge bleibt jemals verborgen. Am Ende kommt alles raus. Erste Lektion gelernt -- eine bittere Lektion, die sich in mein Gedächtnis gebrannt hat.

Was hatte ich mir erhofft? Wie konnte ich nur so naiv sein, zu glauben, dass er es nicht merken wird? Wie dumm habe ich ihn gehalten und wie dumm war ich selbst, das alles zu glauben: Es wird schon werden.

Geschieht mir alles recht: Ich habe den Menschen, der mir am wichtigsten ist, den ich am meisten liebe, weh getan, sehr weh getan. Ich habe ihn und sein Leben zerstört. Ihm die letzten anderthalb Jahre gestohlen. Und er hatte keine Wahl, ich habe ihm keine Wahl gelassen. Er konnte es nicht wissen.

 

Was wäre gewesen wenn…

Ich verliere mich in Was-wäre-wenn-Gedankenspiele. Ich frage mich: Wie wäre es gelaufen, wenn ich damals, bevor alles begann, einfach ehrlich gewesen wäre? Wenn ich ihm damals gesagt hätte, dass es da jemand anderen gibt, für den ich Gefühle habe? Mit dem ich intim werden will? Was hätte er gesagt? Wie hätte er reagiert? Was wäre geschehen? Doch es ist zu spät, darüber nachzudenken. Es ist geschehen und die Vergangenheit lässt sich nicht ungeschehen machen.

Es waren für mich mit die glücklichsten anderthalb Jahre in meinem Leben gewesen. Als ich beide an meiner Seite habe. Ich habe das alles nicht getan, weil ich böse bin. Nicht, weil ich ihn verletzen wollte, das wollte ich nie. Ich wollte ihn nicht verlieren. Auch wenn es stimmt, dass ich ihn schützen wollte. Noch mehr wollte ich mich schützen. Weil ich Angst hatte, allein zu sein. Vielleicht habe ich deswegen nie etwas gesagt, immer nur alles verheimlicht. Eine Lüge gelebt, viele Lügen erzählt. Mir eingeredet, dass es so besser für uns alle wäre. Aber woher nehme ich das Recht, für alle zu sprechen? Ich weiß, dass all das falsch war und dass es dafür keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung gibt.

Doch die Wahrheit ist: Ich habe es getan, weil ich egoistisch war, nur an mich gedacht habe. Weil ich nur an mein eigenes Glück gedacht habe. Und so weh es auch tut, das zu gestehen: Vielleicht habe ich ihn einfach nicht genug geliebt? Vielleicht war mir die Beziehung nicht wichtig genug, dafür zu kämpfen, etwas daran zu ändern, weil es mühsam war. Vielleicht war er mir ja doch nicht so wichtig, wie ich dachte. Es ging die ganze Zeit nur darum, dass ich mein Glück finde und nicht wir unser beider Glück. Sonst hätte ich anders gewählt. Ich hatte eine Wahl und habe mich gegen ihn und gegen uns entschieden. Auch wenn ich dachte, dass ich mich damals nicht entscheiden konnte zwischen diesen beiden Menschen. Ich habe mich am Ende doch entschieden. Und das tut weh.

 

Eine zweite Chance – für wen?

In den letzten Tagen ist so viel passiert. Kein Tag verging, an dem ich nicht weinte. An dem wir beide nicht weinten. Es ist hart, sehr hart. Für uns beide. Wir haben lange Gespräche geführt, die uns verletzt haben. Aber es waren offene und ehrliche Gespräche, die wir noch hätten viel früher führen sollen. Darüber, wie wir uns fühlen, was wir uns wünschen, was wir wollen, wie es weitergehen soll.

Ich war mir so sicher, dass er sich von mir trennen wird. Das war sein Standpunkt, wenn wir übers Fremdgehen sprachen. Für ihn war sicher: Es gibt keine zweite Chance. Obwohl ich das wusste, tat ich es trotzdem, setzte unsere langjährige Beziehung aufs Spiel. Für was eigentlich?

 

Anderthalb Jahre reines Glück – alles eine Lüge

Es ging nicht nur um Sex, es war mehr als das. Ich fühlte mich gesehen, angenommen, wertgeschätzt. Ich fühlte mich wieder lebendig. Ich war total verliebt, süchtig nach ihm. Ich genoss das Leben, es war so schön, ich war so glücklich. Und dieser Mensch war und ist mir wichtig, ich ließ ihn ganz nah an mich ran, so nah, dass es schmerzte. Ich sehnte mich nach ihm, wollte ihn so sehr. Und ich liebte ihn für all das, was er ist. Oder verwechsle ich gerade Liebe mit Verliebtheit? Denn es fühlte sich ganz anders an als das, was ich für meinen Mann empfand. Ich war lange nicht mehr so glücklich und dieses Glück wollte ich unbedingt festhalten, nie wieder loslassen.

Jetzt muss ich mich entscheiden, ich kann nicht beide haben, auch wenn ich es noch so sehr wöllte. Ich muss mich für einen von beiden entscheiden. Und das tut verdammt weh, weil es immer ein schlimmer Verlust sein wird, egal, für wen ich mich entscheide. Deswegen habe ich auch diesen feigen Weg gewählt, betrogen und belogen, um mich nicht entscheiden zu müssen.

Obwohl ich ihn so zerstört habe, will er trotzdem mit mir zusammenbleiben, weil er mich so sehr liebt. Er kann sich ein Leben ohne mich nicht vorstellen. Der Schmerz, ohne mich zu sein, überwiegt den Schmerz, den ich ihm zugefügt habe. Er will alles ändern, sich selbst und unsere Beziehung. Diese Krise als Chance sehen und einen Neustart wagen. Ich bin froh darüber, dass er trotz aller Bedenken mir eine zweite Chance geben will.

 

Zu viele Unsicherheiten

Doch statt mich zu freuen, fühle ich mich auch schuldig und schlecht. Denn: Ich muss es mit dem anderen Mann beenden. Und das tut wahnsinnig weh.

Obwohl er noch nicht so lange in meinem Leben ist, ist er mir so schnell so wichtig geworden, dass ich mir ein Leben ohne ihn auch nicht vorstellen kann. In den anderthalb Jahren bin ich sein Mittelpunkt im Leben geworden und er meiner. Alles drehte sich in der Zeit um ihn, mein Mann wurde zum Nebenschauplatz.

Doch würde ich mich für ihn entscheiden, gäbe es so viele Unsicherheiten. Eine feste Beziehung will er nicht – auch weil er mir nicht vertrauen kann. Er zieht bald weg und wird nicht mehr zurückkommen. Wir beide könnten eine Fernbeziehung versuchen, aber zweifeln beide daran, dass es lange halten wird. Wir wissen beide nicht, wohin uns das führen würde. Wenn die Verliebtheit vergeht – was bleibt dann am Ende? Was hält uns dann zusammen? Trennen sich dann unsere Wege? Das können wir nicht wissen. Und dann wäre ich wirklich allein, hätte nichts gewonnen. Will ich diese stabile Beziehung für etwas aufgeben, was so unsicher ist?

Aber vielleicht habe ich das auch verdient, allein zu sein?  Ich wollte alles und habe nichts gewonnen. Sich lieber entscheiden, als alles zu wollen – noch so eine verdammt harte und wichtige Lektion fürs Leben.

 

Sich entscheiden müssen

Doch gerade fällt es mir sehr schwer, mich zu entscheiden. Und ich will nicht aus Halbherzigkeit mit ihm einen Neustart wagen, wenn ich nicht voll dahinterstehe. Wenn ich nicht wirklich überzeugt davon bin. Wenn ich nicht weiß, ob es das ist, was ich wirklich will. Ich kann und will mich noch nicht entscheiden. Es wäre nicht fair, mich für einen von beiden zu entscheiden, wenn ich nicht weiß, was und wen ich will.

Darum heißt es jetzt: einen Monat lang Kontaktpause zu beiden. Er ist aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen, kommt bei den Eltern unter. Und ich bin in der Wohnung geblieben. Das erste Mal, dass ich für eine längere Zeit alleine bin.

 Und ich merke, dass mich das mehr trifft als gedacht. Ich hielt seine Anwesenheit für so selbstverständlich. Doch jetzt merke ich, wie wichtig es mir ist, mit jemandem zusammen zu wohnen, der mich gut kennt, bei dem ich mich angekommen fühle, mit dem ich über alles reden kann. Dieser Mensch fehlt jetzt.

Es sind nur paar Tage vergangen und ich fühle mich gerade leer, traurig, einsam und hoffnungslos. Mein Kopf arbeitet gerade so auf Hochtouren, mein Herz ist so schwer, eine Achterbahn der Gefühle. Der Monat fühlt sich momentan für mich so schwer und lang an. So allein zu wohnen ist eine harte Umstellung. Ich bin mit mir selbst konfrontiert, kann nicht mehr vor mir selbst und meinen Gedanken und Gefühlen weglaufen, wenn ich allein in der Wohnung bin. Wie halte ich das nur aus, ohne die beiden? Ein Leben ohne sie macht mich nicht glücklich. Diese Erkenntnis haut mich um, ich hätte nie gedacht, dass ich mal so abhängig von jemandem sein werde.

Es tut einerseits gut, einfach mal Abstand von beiden zu haben, mich nicht von ihnen zu beeinflussen. Zeit, endlich in mich reinzuhören, zu schauen, was will ich für ein Leben? Was für eine Beziehung? Wer macht mich glücklicher? Wen liebe ich werde? Wen will ich wirklich nicht mehr in meinem Leben missen? Nach wem sehne ich mich mehr?

Andererseits ist es wahnsinnig schwer. Es fehlt mir so sehr, mit den beiden Kontakt zu haben, sie zu sehen, mit ihnen zu reden, sie zu berühren. Ich möchte ihnen so viel mitteilen, sie an meinen Gefühlen, Gedanken, an meinem Alltag teilhaben lassen. Niemand da, der mir zuhört, mit dem ich mich austauschen kann. Klar, habe ich Freunde, aber es ist nicht dasselbe. Ich kann versuchen, mich abzulenken, indem ich jeden Abend nach Feierabend unterwegs bin und am Wochenende viel mit Freunden mache. Aber am Ende ist es nicht Sinn und Zweck der Sache, sich nur abzulenken und zu hoffen, dass dieser Monat schnell vorbeigeht.

Ich weiß, wie sinnvoll und wichtig es ist, diesen Monat des Alleinseins zu nutzen. Wirklich viel Zeit mit mir zu verbringen und mich reinzuhorchen. Über mein Leben und meine Beziehung zu beiden zu reflektieren. Ich weiß, dass wir alle drei diesen Monat Abstand voneinander einfach brauchen, um alles sacken zu lassen, das zu verarbeiten, was gerade so schiefgelaufen ist. Um uns klar werden zu lassen, was wir wirklich wollen. Um endlich eine Wahl zu treffen.

Am Ende werde ich froh darüber sein, das getan zu haben, auch wenn es Tage geben wird, an denen ich schwach werde und am liebsten alles hinschmeißen würde. Und am Ende hoffe ich, dass ich endlich weiß, was und wen will. Ich hoffe, dass ich mich dann endlich entscheiden werde.

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