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Darum lohnt sich das Alleinleben


Obwohl ich bald 29 werde, habe ich in meinem bisherigen Leben noch nie allein gewohnt. Wie ist es nach so einer langen Beziehung und überhaupt allein in einer Wohnung zu sein?

Bisschen Bammel hatte ich ja schon, als ich mich dazu entschloss, wirklich aus unserer gemeinsamen Wohnung auszuziehen und mein neues Leben in meiner ersten eigenen Wohnung zu beginnen. Ich wusste: Trotz aller Sorgen wird das ein großer Schritt sein, ein Schritt in Richtung Wachstum!


Ich habe bisher noch nie allein gelebt. Bis ich 19 wurde, habe ich bei meiner Mutter gewohnt. Direkt nach dem Abi zog ich mit meinem ersten Freund und Noch-Ehemann zusammen. Während meine Mutter bis dato all den Haushalt übernahm und sich um alles kümmerte, musste ich schon ein Stück weit selbstständiger werden, als ich mit meinem Freund unsere erste Wohnung bezog. Einkaufen, kochen, Wäsche waschen, putzen, sich ums Geld kümmern, Rechnungen bezahlen – das war für mich kein Ding.

Ich fühlte mich damals schon viel erwachsener als zuvor und dachte, dass ich jetzt weiß, wie es ist, auf eigenen Beinen zu stehen. Aber weit gefehlt. Denn wenn es wirklich mal brenzlig wurde, war es mein Freund und Mann, der sich um alles kümmerte. Ich verließ mich immer auf ihn, dass er für jedes Problem schon irgendwie eine Lösung finden würde. Und gab ein Stück Selbstständigkeit auch ab.


Kein anderer macht es mehr

Irgendwie hatte ich das schon immer gewusst, aber so richtig deutlich wurde mir das erst jetzt – jetzt, wo ich das erste Mal wirklich allein wohne. Und wirklich für alles selbst verantwortlich bin. Da gibt es nicht mehr jemanden, mit dem ich den Alltag gemeinsam meistern kann. Jetzt bin ich wirklich komplett auf mich allein gestellt.

Bisschen Sorgen machte ich mir davor schon: Kriege ich das wirklich hin? Werde ich nicht zu einsam werden? Ist das wirklich eine gute Idee, allein zu wohnen oder sollte ich nicht lieber in eine WG ziehen?

Trotz aller Zweifel entschied ich mich doch für die eigene Wohnung. Das Geld war ja da. Aber noch viel wichtiger war ein Gefühl: Ich spürte tief in mir den Wunsch, wirklich allein zu leben. Ich spürte den Drang, die Neugier, diese neue Lebensform für mich zu entdecken. Ich war regelrecht heiß darauf, zu erfahren, was das mit mir und meinem Leben macht.

Eine erste Kostprobe bekam ich eigentlich schon während der Beziehungspause und danach. Seit Juni wohne ich eigentlich schon allein, bis auf wenige Tage. Und schon damals war es für mich kein großes Problem. Ich kam zurecht, fühlte mich nicht einsam, im Gegenteil: Ich genoss die Stille und Ruhe und vor allem all die Freiheiten. Und so ist es mit meiner eigenen Wohnung auch.

Auch wenn es etwas verspätet kommt, ist es gut, dass ich jetzt wirklich mal alleine wohne und lebe. Ich finde, dass jeder das mal einmal im Leben durchmachen sollte. Es ist ein wichtiger Schritt in Richtung Erwachsenwerden. Und bringt auch einige positive Aspekte mit sich:

Selbstständiger werden

Der für mich mit wichtigste Punkt: Du lernst, für dich selbst die vollkommene Verantwortung zu tragen. Sicherlich habe ich das auch bereits im Zusammenleben mit meinem Mann gelernt. Aber nicht in einem solchen Ausmaße. Da konnte ich mich ja noch auf ihn verlassen, Aufgaben an ihn delegieren. Jetzt bin ich aber wirklich für alles zuständig. Keiner mehr da, der unliebsame Sachen für mich übernimmt. Das erste Mal selbst Rechnungen für Strom und Internet und die Miete bezahlen (das hat bisher mein Mann übernommen). Wenn was in der Wohnung kaputt ist, muss ich mich darum kümmern. Und und und.

Für mich war es sogar eine Herausforderung, umzuziehen. Ich bin schon einige Male umgezogen, aber nie allein, immer mit meinem Mann. Und der hatte sonst immer den Hut auf. Das erste Mal in meinem Leben habe ich meinen Umzug selbst organisiert. Ich hatte glücklicherweise Hilfe, alleine ist so etwas nicht so leicht zu bewältigen. Aber zumindest habe ich meinen Kram eingepackt, transportiert, getragen und in die neue Wohnung gebracht.

Wenn du mal krank bist, ist da auch keiner mehr, der für dich was erledigt oder dich pflegt. Ich bin für mich verantwortlich. Habe ich dann auch mitbekommen, als ich eine Woche lang wegen Corona in Quarantäne war und ich wirklich allein zu Hause war. So schlimm war es gar nicht.

Ich weiß, dass es gar nicht so schlimm ist, alles zu erledigen. Da funkt wenigstens keiner dazwischen und ich kann mein Ding machen. Außerdem fühle ich mich schon stolz, dass ich das alles allein gut hinbekomme. Ich brauche niemanden an meiner Seite, der mir im Alltag hilft. Ich bin mir gut genug. Und die Erkenntnis tut gut.

Klar ist es doch Mehraufwand, weil ich jetzt wirklich alles im Haushalt erledigen muss. Aber es ist ja doch bisschen weniger, weil ich das nur für mich tun muss.


Lernen, allein zu sein und es zu genießen

Ehrlich gesagt konnte ich mir das Alleinleben nie wirklich vorstellen. Wie auch? Da war immer jemand zu Hause. Auch wenn ich nicht immer Zeit mit meiner Mutter oder meinem Mann verbracht habe – das Gefühl, dass da jemand ist und du nicht allein bist, war schon irgendwie beruhigend. Immer jemand da, den du fragen und mit dem du quatschen und was machen kannst. Das fällt jetzt total weg. Ich habe meine Mutter, die allein wohnt, bemitleidet, weil sie niemanden zu Hause hatte und konnte mir das bei mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Wenn ich jetzt soziale Interaktionen haben will, muss ich mich darum bemühen. Schluss mit Bequemlichkeit. Dann muss ich dafür sorgen, dass ich mich mit Freunden treffen oder mit ihnen telefonieren kann. Aber das ist kaum eine Herausforderung für mich, war ich bisher immer diejenige, die aktiv auf andere zugeht.

Das ist eine Strategie, mit der ich derzeit gut fahren kann. Gerade wenn man allein wohnt, ist es ja umso wichtiger, nicht zu vereinsamen, sondern seine Beziehungen zu pflegen und zu intensivieren. Und da bin ich gut dabei.

Doch gleichzeitig ist es auch eine wahnsinnig große Chance, wirklich mal allein zu wohnen. Für mich geselligen Menschen schon eine kleine Herausforderung, blühe ich doch immer total auf, wenn ich mit anderen zusammen bin.

Und ich war es ja auch immer gewohnt, dass da jemand war. Nun muss ich mich daran gewöhnen, dass niemand zum quatschen da ist, wenn ich nach Hause komme. Niemand bei dem ich mich über den Arbeitstag auskotzen kann. Keiner mit dem ich spazieren gehen oder kochen kann. Mit dem ich kuscheln kann, wenn mir danach ist. Keiner da, mit dem ich lustige Videos schauen und mich dabei totlachen kann. Keiner da, mit dem ich entspannt auf meinem Sofa rumgammeln und Serien schauen kann. Keiner da, der neben mir liegt und mit dem ich zusammen einschlafen kann.

Ja, anfangs war es schon komisch, sich an diese Veränderungen zu gewöhnen. Vielleicht war ich auch etwas wehmütig, dass das alles nicht mehr.

Aber gleichzeitig muss ich gestehen, fühle ich mich jetzt nicht schlimm dabei. Genug Interaktionen mit anderen habe ich während der Arbeit und wenn ich abends später wieder losziehe, um meinen Hobbys und Ehrenämtern nachzugehen. Dazwischen und kurz vorm Schlafengehen habe ich wenige und kurze Slots, in denen ich wirklich mal nur für mich bin. Und das genieße ich tatsächlich, nur dann komme ich wirklich zur Ruhe, komme bei mir an. Es hat etwas total entspannendes dann abends allein auf dem Sofa zu sitzen und dann einfach nur zu sein. Und da ist niemand, der dich vollquatscht, niemand, der dich zu einer Sache bewegen will. Ich bin dann vollkommen bei mir und genieße diese Ruhe. Genieße es einfach, nur für mich zu sein. Nicht reden zu müssen, mich in meine Gedanken- und Traumwelt zurückzuziehen.

Bei vielen Dingen, wie dem Schreiben oder Musik hören und Tanzen und Singen, tut mir die Ruhe und das Alleinsein echt gut. Ich bin total auf mich fokussiert, werde nicht gestört und muss mich auch nicht zurücknehmen. Das ist unglaublich befreiend. Diese Dinge könnte ich ganz sicher nicht entspannt tun, wenn da die ganze Zeit jemand da ist, der sich darüber beschwert oder meine Aufmerksamkeit sucht.

Mit dem Alleinwohnen lerne ich, wieder unabhängiger zu werden, dass ich nicht ständig jemanden brauche, der etwas mit mir macht. Nein, ich kann auch gut allein sein. Viele können nicht allein sein, langweilen sich zu Tode oder klammern zu sehr an ihren Freund:innen, weil sie sich selbst nicht genug sein können. Ich merke jedoch, dass das Alleinleben einfach so viel Potenzial hat, an dem ich wachsen kann. Außerdem stärke ich gleichzeitig auch meine Beziehung zu mir selbst, die eigentlich die wichtigste überhaupt im Leben ist.

Von Einsamkeit keine Spur, denn soziale Interaktionen habe ich täglich, also genug. Und wenn ich mich doch mehr danach sehne, kann ich immer noch mit meinem Freund oder meinen anderen Freund:innen telefonieren.


Wie viel Nähe brauchst du?

Erst wenn du ausprobierst, allein zu leben, kannst du wirklich sagen, wie viel soziale Interaktionen du wirklich brauchst. Wenn wir ständig umgeben von Menschen sind, ist es schwer, das zu sagen. Brauche ich jetzt wirklich Kontakt? Oder will ich lieber allein sein? In der Situation selbst wird dir das vielleicht klar sein. Aber um es generell herauszufinden, solltest du alleine gewohnt haben.

Denn erst im Alleinsein merkst du, was dir fehlt – oder vielleicht auch nicht. Vielleicht merkst du, dass es dir gar nichts ausmacht, mehrere Abende einfach nur zu Hause für dich zu sein? Du musst nicht mehr jeden Abend feiern gehen, sondern willst dir öfter mal Me-Time gönnen und dir Gutes tun.

Im Zusammenleben mit anderen ist es schwierig, sich abzugrenzen und mal Nein zu sagen. Wie sagt man anderen wie der Familie oder dem Partner oder Freunden, dass man Zeit für sich braucht, ohne, dass es blöd rüberkommt? Man will ja niemanden verletzen oder enttäuschen. Aber es ist vor allem da auch wichtig, auf seine Bedürfnisse zu achten und sich abzugrenzen.

Wer allein wohnt, hat da eindeutig mehr Freiheiten. Man selbst entscheidet, wann man Besuch bekommt und wann nicht, wann man Gespräche will und wann man lieber Schweigen möchte. Keiner, der einen nach der Uni oder Arbeit mit Gequatsche nervt. Es tut auch so gut, dass da niemand mehr ist, der mich ständig ablenkt und etwas von mir will. Wenn ich zuhören und reden will, dann verabrede ich mich oder telefoniere. Außerdem lernt man dadurch auch einfach die Nähe der anderen mehr zu schätzen.


Zeit für Reflexion: Sich selbst besser kennenlernen

Nur bei Stille und im Alleinsein haben wir die Chance, wirklich mal zu reflektieren – über uns, das Leben und das, was wir wollen. Wenn ich mit anderen zusammen bin, bin ich zu sehr auf sie fokussiert und auf das Gespräch. Das ist insofern gut, dass es einen auch gut von Problemen ablenkt und von sich selbst.

Aber gerade jetzt nach der Trennung, die ja noch irgendwie in mir arbeitet, brauche ich immer wieder mal Stille, um in mich hineinzuhorchen, mich mit aufkommenden Gefühlen und Gedanken auseinanderzusetzen. Und manchmal kommt dann etwas hoch, von dem ich dachte, dass es nicht mehr existent ist. Das alles wird mir aber nur klar, wenn ich eben zu Hause und allein bin. Nicht, wenn ich unterwegs und mit anderen zusammen bin. Das ist dann eindeutig Ablenkung. Doch zu Hause fällt es mir schwer, mich mit etwas abzulenken. Da kommen die Gedanken automatisch wieder auf das, was mich im Herzen bewegt.

Jetzt kann ich mich ganz auf mich konzentrieren, mal reinhorchen, was ich brauche, was nicht, was ich überhaupt will. Ich konzentriere mich auf mich selbst und lerne mich dadurch auch noch einmal intensiver kennen.

Das Gute am Alleinsein ist vor allem: Du brauchst dich nicht zurückzunehmen. Du musst dich nicht mehr verstellen, um Erwartungen zu erfüllen, anderen zu gefallen, musst keine Rücksicht auf Mitbewohner nehmen. Denn in deinem eigenen Reich kannst du ganz du selbst sein. Wenn du Bock hast, laut Musik zu hören, dabei wild zu tanzen und zu singen – go for it! Wenn du einfach nur losheulen willst oder vor Wut in die Kissen boxen willst, dann tue es! Wann sind wir wirklich wir selbst? Ich denke, nur wenn wir allein sind, wenn kein anderer Mensch da ist. Und darum ist das Alleinsein eben so eine große Chance, sich selbst zu entdecken, neue Seiten an sich zu finden, einfach nur man selbst zu sein, das eigene Ich voll zu entfalten.

Keiner da, der einen bewertet, verurteilt oder anderweitig einschränkt. Du kannst du sein, wie du bist. Und das ist so wundervoll. Darum allein lohnt es sich schon, eine eigene Wohnung zu haben.


Jede Menge Freiräume

Es gibt noch jede Menge weitere tolle Möglichkeiten, die das Alleinsein mit sich bringen. Du kannst nackt herumlaufen und es stört niemanden. Du kannst also sowohl innerlich als auch äußerlich total frei sein. ;)

Für mich war total cool, dass ich jetzt einfach einkaufen und kochen kann, was ich will. Davor musste ich mich immer mit meinem Mann abstimmen und der wollte so vieles nicht essen. Das ist jetzt Schnee von gestern, jetzt wird das gekocht, worauf ich Bock habe. Und wenn ich Bock habe, ganz viel Süßes zu kaufen, dann mache ich das, ohne, dass ich am Ende dafür kritisiert werde. Ich kann ins Bett gehen und aufstehen, wann ich will, ohne, dass ich Rücksicht nehmen muss.

Ich muss niemandem mehr Bescheid geben, wohin ich gehe und wie lange ich wegbleibe. Und wenn ich eben woanders penne, dann ist das so.

Ich kann meine Wohnung so gestalten und einrichten, wie ich das will. Und wenn ich eben total viel Kitschiges drin haben will, dann soll es so sein. Wie schön, dass mir niemand mehr da reinquatscht.

Ich bin die Herrin über mein eigenes Reich. Und das ist toll, so viele Möglichkeiten zu haben, über alles selbst zu bestimmen. Ich muss mich nicht mehr mit jemandem abstimmen, Kompromisse schließen. Der Fokus liegt jetzt viel mehr auf mir selbst als auf anderen und das ist auch mal ganz schön. Auch da lerne ich wieder einiges über mich kennen. Im Alleinsein entdecke ich mich wieder neu. Ich kann das tun, was ich will und mich komplett entfalten. Ich habe das Gefühl, dass ich so auch mehr Kontrolle über mein eigenes Leben gewinne. Klar hat Freiheit auch immer viel mit Verantwortung zu tun. Aber damit gewinne ich auch selbst mehr Macht über mein Leben. Ich werde sicherlich noch einiges Spannendes lernen und weiter wachsen.

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