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Mehr Mut zu Selbstgesprächen!


Alleine wohnen kann sich schon seltsam anfühlen. Besonders, wenn man eigentlich noch nie zuvor wirklich allein gelebt hat. Wenn man es gewohnt war, dass immer jemand da war, mit dem man reden konnte. Statt viel Geschnatter macht sich eine ungeahnte Stille breit. Doch nur weil man niemanden zum reden hat, muss man deswegen noch lange nicht still bleiben. Warum Selbstgespräche gerade in Zeiten des Alleinelebens gar nicht komisch, sondern sehr wichtig sind.

Selbstgespräche – das ist doch etwas, was nur seltsame Menschen tun. Menschen, die nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Mit denen kann doch etwas nicht stimmen. Die sind einfach einsam, haben keine Freunde. Und bevor sie total verstummen und vereinsamen, sprechen sie eben mit sich selbst.

Vorurteile, die ich bis einiger Zeit selbst noch in meinem Kopf hatte. Irgendwie habe ich mit Selbstgesprächen bisher eher Negatives verbunden. Mit sich selbst reden, wo gibt es denn so etwas? Es klingt irgendwie erbärmlich, mitleiderregend, wenn ich mitbekomme, wie jemand mit sich selbst redet.

Wer kennt es nicht? Irgendwelche besoffenen Männer, vielleicht auch noch solche, die bisschen runtergekommen aussehen, torkeln durch die Gegend und reden mit sich selbst. Und dann meist auch nur unverständliches Zeug, dass ich unweigerlich anfange, die Augen zu verdrehen, den Kopf zu schütteln und mich wegzudrehen. Doch öfter schaue ich solchen Leuten einfach verständnislos nach, starre sie an und bin fassungslos. Mega peinlich! Kriegen die das überhaupt mit, dass die sich total blamieren?

Obwohl ich die Leute nicht mal kenne, tobt sich mein innerer Kritiker aus. Sofort werden Schubladen aufgetan, die Leute dort reingesteckt. Wir sind wirklich schnell darin, ein Urteil über Menschen zu fällen, ohne, dass wir sie kennen. Ohne, dass wir ihre Geschichte kennen. Wir sehen nur das, was an der Oberfläche zu uns dringt und denken nicht drüber nach. Statt also zu hinterfragen, urteilen wir lieber. Das geht natürlich schneller, ist einfacher. Und scheiß drauf, wenn wir daneben liegen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe Menschen, die besoffen oder auch nicht, in der Öffentlichkeit laut mit sich selbst reden, immer gleich belächelt, mich witzig über sie gemacht, sie abgewertet. Einfach, weil es für mich ein No-Go war. Mit sich selbst reden und dann auch noch öffentlich, und so laut, dass es jeder mitbekommt? Und dann auch noch Geblubber von sich geben, der einfach null Sinn macht? Das geht ja einfach mal gar nicht!

Selbstgespräche in der Öffentlichkeit haben keinen so guten Ruf. Man wird sofort als total weird und cringe abgestempelt, fällt auf, gilt nicht mehr als normal. Im schlimmsten Falle wird man als Psycho wahrgenommen, um den lieber ein großer Bogen gemacht werden sollte.


Warum Selbstgespräche einfach weird rüberkommen

Doch auch wenn es nicht mal um die peinlichen lauten Selbstgespräche im betrunkenen Zustand geht: Selbstgespräche kommen immer irgendwie komisch rüber. Wenn man mal anderen davon erzählt, dass man gerne Selbstgespräche führt, wird man gleich komisch angesehen. Man sieht in die erschrockenen Gesichter mit großen Fragezeichen: Ist bei dir alles okay? Muss ich mir Sorgen machen?

Eben, weil wir gleich seltsame, negative Assoziationen haben. Das ist doch nicht normal, mit sich zu reden! Das machen nur einsame Menschen. Oder Menschen mit einem Dachschaden. Solche Menschen haben keine Freunde. Sind total seltsam. Haben irgendwelche Probleme.

Gespräche zu zweit oder mit mehreren Menschen sind total okay. Aber wehe, du sprichst mit dir selbst. Das geht gar nicht! Gespräche führt man nicht allein. Das sind dann Monologe. Da kann man doch gleich einfach die Klappe halten. Wozu gibt es das Denken? Reicht doch auch.

Genau genommen sind Gedanken, Träumereien oder auch das Schreiben dieses Textes alles irgendwie Selbstgespräche. Ja, Monologe, Dialoge mit sich selbst. Alles total okay, daran ist nichts komisch.

Doch bei Selbstgesprächen sieht das ganz anders aus. Eben weil wir Gespräche eben nicht mit uns selbst führen. Weil wir es nicht gewöhnt sind. Weil es die Gesellschaft vielleicht nicht gern sieht. Weil es komisch auf andere wirkt. Darum lassen wir das. Oder tun so, als würden wir es nicht machen. Dabei hat bestimmt jeder mal von uns einmal mit sich selbst gesprochen. Sogar noch viel öfter, wette ich. Keiner würde es gern zugeben. Aus Angst davor, sich zu blamieren, peinlich zu wirken.

Aber wenn wir im Endeffekt eh nur mit uns selbst reden, wenn keiner da ist: Wen interessiert das dann? Niemanden! Es geht auch gar keinen was an. Wir müssen das ja nicht an die große Glocke hängen. Und wenn wir es doch jemandem erzählen: Dann ist das trotzdem nicht peinlich, schlimm oder verwerflich. Sondern eher ein Zeichen von Mut, dass wir eben dazu stehen. Das ist so ein bisschen wie mit Gefühle zeigen, sich verletzlich und schwach machen. Wir vermeiden es tunlichst, aus Angst, abgelehnt zu werden. Aber das ist menschlich, genauso wie Selbstgespräche führen.


Es kommt auf das Wie an

Selbstgespräche führen hat für mich nichts mit Blödheit oder Wahnsinn zu tun. Es kommt nämlich ganz darauf an, worüber wir reden. Das ist wie mit Fernsehen. Das macht nicht unbedingt dumm. Wir sind diejenigen, die entscheiden, was wir schauen. Und so ist es mit Selbstgesprächen auch. Wenn es nur über belanglose Dinge geht, okay, aber auch das hat seine Berechtigung. Und ja, manchmal möchte ich die Stille durchbrechen, nicht mehr schweigen, und fange an, mit mir zu reden.

Solange es mir hilft, es mir guttut, kann ich es machen. Es spielt keine Rolle, ob es andere seltsam finden, ob sie mich deswegen seltsam finden. Keiner muss es wissen. Und es ist absolut nicht komisch, mit sich zu reden. Denn jeder tut es immer mal wieder. Es ist so normal und so menschlich.

Und wenn ich Bock habe, stundenlang Monologe zu halten. Dann tue ich das eben. Oder wenn ich mir ausmale, dass ich mit jemand anderen rede und immer wieder zwischen den einzelnen Rollen wechsel. Dann ist das eben wie Theaterspielen. Ja, mein Gott, das klingt schon bisschen verrückt. Aber was solls? Es macht Spaß!

Ich stelle mir vor, ich würde mit meiner fiktiven besten Freundin sprechen. Klingt vielleicht bisschen schizophren, als ob ich mehrere Persönlichkeiten in mir habe. Und wer weiß, vielleicht ist das so. Aber haben wir nicht sowieso alle mehrere Rollen und mehrere kleine Persönlichkeiten?


Selbstgespräche helfen auf vielen Ebenen

Ich finde Selbstgespräche spannend und das aus verschiedenen Gründen. Es tut gut, Gedanken einfach mal auszusprechen. Einfach so, unzensiert, ohne, dass ich mich einschränken muss. Jetzt wo ich allein bin, könnte ich das den ganzen Tag machen. Etwas, was ich davor nicht kannte. Selbstgespräche sind lautes Denken. Und das macht mehr mit einem als viele denken.

Lautes Sprechen hilft mir bei der Reflexion. Ich finde, dass es mir hilft, das Chaos, was manchmal in meinem Kopf ist, zu entwirren. Ordnung zu schaffen, Klarheit zu finden. Besonders dann, wenn ich sozusagen im Dialog mit mir selbst bin. Wenn ich mir vorstelle, ich würde mit jemand anderem sprechen. Dann ist das tatsächlich viel besser, als wenn ich gedanklich einen Monolog halte. Außerdem macht es tatsächlich auch mehr Spaß, als nur leise zu denken.


Beziehung zu sich selbst stärken

Und ja, es tröstet ein wenig darüber hinweg, wenn ich mich doch etwas einsam fühlen sollte. Meine eigene Stimme zu hören und mir vorzustellen, dass ich mir selbst eine Freundin bin, hilft über die Einsamkeit hinweg.

Ja, ich weiß, das liest sich gerade total verrückt. Aber im Endeffekt bin ich mir ja selbst eigentlich der wichtigste Mensch. Und was ist dann also verkehrt daran, sich selbst als besten Freund oder als beste Freundin zu betrachten?

Die Beziehung zu mir selbst ist eine lebenslange. Liebespartner, Freunde, Familie – sie alle gehen irgendwann einmal. Vielleicht begleiten sie mich aber auch bis ans Lebensende, doch gewiss ist es nicht. Was aber gewiss ist, dass ich mir selbst bis zum Tod erhalten bleibe. Eine Beziehung, die nie endet.

Warum also nicht auch in diese Beziehung investieren? Oder anders gesagt: Gerade diese Beziehung ist doch eigentlich die allerwichtigste im Leben. Die kannst du nie beenden, es sei denn, du wählst den Tod. Ein Leben lang müssen wir mit uns klarkommen. Wir können gegen uns ankämpfen, aber verlieren dabei. Wir machen es uns damit unnötig schwer. Wie viel schöner wäre das Leben, wenn wir uns selbst als Freund sehen und behandeln würden?

Selbstgespräche und das Aushalten des Alleinseins sind wichtige Basics, um sich selbst ein guter Freund zu sein. Um sich selbst zu finden, sich anzunehmen und vielleicht lieben zu lernen. Damit aus der Freundschaft auch hoffentlich Liebe werden kann.

Die Beziehung zu sich zu stärken, hilft, sich zu finden, sich zu entfalten, herauszufinden, was man will. Nur, wenn wir in uns hineinhorchen, können wir erfahren, was wir brauchen. Gedanken sind flüchtig, aber Worte hallen nach. Einen Dialog mit sich selbst zu führen, bringt meiner Ansicht nach laut mehr als leise. Das ist so ein bisschen wie mit Gesprächen mit anderen Menschen. Während wir mit unseren Gedanken im Kreis laufen, wird in der Konversation einiges viel klarer. Und so kann es auch im Selbstgespräch sein.

Behandeln wir uns also wie beste Freunde und fragen uns öfter mal: Wie geht es dir? Was bewegt dich gerade? Was fehlt dir? Was brauchst du? Wie glücklich bist du? Was willst du? Was kann ich dir geben? In Freundschaften und Liebesbeziehungen tun wir das doch auch, warum also nicht auch in Beziehung mit uns selbst? Wir können nicht darauf hoffen und warten, dass andere für uns da sind und sich um uns kümmern. Damit machen wir uns nur abhängig von anderen. Alles, was wir brauchen, können wir uns auch selbst geben. Eine Stärkung meiner Beziehung zu mir selbst hilft, unabhängiger zu werden. Ich bin mir selbst genug und brauche niemanden. Und dann merke ich, dass das Alleinsein sehr viele Vorzüge hat.

Ich denke, dass Selbstgespräche helfen, mich in mich selbst hineinzuversetzen. Indem ich sozusagen die Sicht von außen auf mich nehme, erkenne ich vielleicht Dinge, die ich von mir vielleicht nicht kannte. Der Selbstdialog erinnert mich auch an den Sokratischen Dialog, der durch gezielte Fragen sein Gegenüber dazu brachte, neue Erkenntnisse zu finden. Und so tue ich das auch. Ich frage mich selbst und gehe auf meine Antworten ein, hinterfrage sie, bis ich an den Kern des Ganzen gelange. Das hilft mir, mich noch besser kennenzulernen und noch zu verstehen. Es schärft auch mein eigenes Selbstbewusstsein.

Selbstgespräche schärfen auch das Bewusstsein dafür, wie wir eigentlich mit uns selbst reden, welche Gedanken wir haben, ob positiv oder negativ. Vielleicht wird uns bewusst, dass wir uns ständig schlecht machen. Dann können wir bewusst die Rolle der fürsorglichen Freundin annehmen und uns daran erinnern, dass wir uns gut behandeln und uns nicht so abwerten sollten.

Egal, was andere von Selbstgesprächen halten und egal, ob das alles verrückt wirkt: Wenn Selbstgespräche uns gut tun, dann sollten wir sie auch führen. Wenn es niemanden stört und niemanden benachteiligt, dann sehe ich keinen Grund, warum wir das nicht tun sollten.

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