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Warum Helfen so gut tut


Ein Leben ohne Ehrenamt – das kann ich mir inzwischen gar nicht mehr vorstellen. Denn Engagement wirkt sich so positiv auf unsere Welt, unsere Mitmenschen und uns selbst aus. Warum ich mich einfach gerne für andere und für meine Herzensthemen einsetze.

Das war nicht immer so. Als Jugendliche hatte ich mich nie sonderlich fürs Ehrenamt interessiert. War ich doch genug mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt. Doch das Interesse, für andere da zu sein, sie zu unterstützen, war schon gefühlt ewig da. Nur habe ich das eben nicht regelmäßig ehrenamtlich getan. Stattdessen war ich immer mal wieder Kummerkasten für meinen Stiefvater und meine Freunde, für die ich immer ein offenes Ohr hatte. Schon damals wusste ich: Das ist genau mein Ding, das ist etwas, was mir total am Herzen liegt.


Von der Sinnkrise zum Ehrenamt

Während des Studiums hatte ich eine kleine Sinnkrise: Ich fühlte mich einsam und wusste nicht so recht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Mir fehlte der Sinn im Leben. Etwas wofür es sich wirklich zu leben lohnt. Es fühlte sich an, als würden die Tage vergehen, ohne, dass ich wirklich etwas in der Welt bewirke, ohne, dass ich mich verändere und weiter entwickle.

Und da kam mir die Idee: Wie wäre es, wenn ich mich ehrenamtlich engagiere? Wenn ich mich für etwas einsetze und so meinem Leben wieder mehr Sinn gebe? Warum bin ich nicht schon viel eher darauf gekommen? Also überlegte ich, wofür ich mich einsetzen könnte. Zuerst dachte ich daran, Menschen zu helfen. Das Soziale war trotz meiner Sozialen Phobie etwas, was mich nie wirklich losgelassen hat, wofür ich gebrannt habe.

Doch ein anderes Thema drängte sich viel mehr in den Vordergrund: Der Umwelt- und Klimaschutz, der ja Grundlage auch für unser Leben und unser soziales Miteinander ist. Ich wollte also lieber an der Basis anfangen und mich dafür einsetzen, dass wir mehr Acht auf unsere Lebensgrundlage geben. Ohne diese gäbe es auch das Soziale nicht mehr.

Und so wurde ich Teil der Greenpeace-Gruppe, inzwischen bin ich auch Gruppenleiterin, worauf ich sehr stolz bin. Nie im Leben hätte ich gedacht, jemals mal so eine Rolle einzunehmen. Aber ich bin ganz happy damit. Verantwortung zu übernehmen ist etwas, was vor allem in dem Ehrenamt wichtig ist. Dank der Gruppe habe ich so viel erlebt, so viele neue Kontakte und Freundschaften geknüpft, die mir so viel geben. Es tut unheimlich gut, wenn man weiß, dass man mit anderen zusammen sich für etwas Höheres einsetzt, etwas, was für alle wichtig ist. Auch wenn es mitunter etwas frustrierend ist, wie wenig zurückkommt. Und wenn doch positives Feedback kommt oder ich merke, dass wir etwas bewirken konnten, sei es nur bei einer Person, dann hat sich die ganze Mühe definitiv gelohnt.

Inzwischen ist das gut sechs Jahre her und ich bin immer noch im Umweltschutz tätig, ein Thema das wichtiger denn je geworden ist. Doch das reichte mir damals nicht. Ich wollte es nicht nur bei einem Ehrenamt belassen.

Für eine kurze Zeit war ich Ankommenspatin für Migranten. Meine Aufgabe bestand darin, meinem „Patenkind“ beim Lernen der deutschen Sprache zu helfen. Aber auch so, Zeit mit ihm zu verbringen, ihm die deutsche Kultur näherzubringen, gemeinsam in der Freizeit etwas zu unternehmen. Um ihm schlussendlich zu helfen, sich hier besser zurechtzufinden. Das ging eine Weile lang, aber mit der Zeit merkte ich, dass es doch nicht ganz so das Ehrenamt war, was ich mir gewünscht hatte.


Wunsch nach einem Safer Space und Gleichbetroffenen

Einige Jahre später kam in mir der Wunsch auf, ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen. Ich wollte etwas ganz eigenes schaffen. Was könnte das nur sein? Da ich seit Jahren mit sozialer Phobie zu tun hatte, gründete ich meine eigene Gruppe. Es gab zwar schon eine Gruppe in der Stadt, jedoch wollte ich einen zusätzlichen Safer Space für Betroffene schaffen. Mir war es wichtig, etwas eigenes zu schaffen. Und meine Erfahrungen und Erlebnisse mit Gleichbetroffenen zu teilen. Nicht zuletzt wollte ich andere Menschen kennenlernen, die ähnliche Probleme hatten wie ich. Das war etwas, was ich mir damals in der Jugend sehr gewünscht hätte. Denn ich kämpfte allein gegen meine Ängste an, fühlte mich sonderbar und dachte, dass es sonst niemand anderen gäbe, der so leidet wie ich.

Der Anfang verlief sehr holprig. Denn zu den ersten Treffen kam einfach niemand. Enttäuscht verließ ich jedes Mal die Räumlichkeiten und doch blieb ich dran. Eine meine Stärken ist es, einfach durchzuhalten, koste es, was es wolle. Ich wollte unbedingt eine Gruppe haben und strengte mich besonders an, neue Mitglieder*innen zu gewinnen. Nach paar Monaten zahlte sich mein Durchhaltewillen aus: Die ersten Mitglieder*innen kamen und blieben. Mittlerweile sind bereits mehr als drei Jahre vergangen und es sind viele Menschen gekommen und gegangen. Inzwischen hat sich eine schöne feste Gruppe etabliert, die sich jede Woche trifft. Unsere Treffen haben inzwischen schon etwas familiäres und sehr Vertrautes. Ich bin sehr froh darüber, die anderen in der Gruppe zu haben, froh, dass wir uns haben.

Es tut gut, dass wir offen und transparent über unsere Ängste, Sorgen und Probleme reden können. Niemand wird verurteilt. Wir können nachempfinden, was die anderen durchmachen. Niemand muss sich dafür schämen, dass er diese sozialen Ängste hat. Die Gruppe schafft einen Raum, vertrauensvoll darüber zu sprechen, gemeinsam Probleme anzuschauen, Lösungen zu finden. Der Austausch untereinander hat auch mir sehr geholfen, Dinge anders zu sehen, auch wenn ich die Soziale Phobie inzwischen gut im Griff habe.


Ein digitaler Kummerkasten

Während der Corona-Krise schliefen meine Ehrenämter etwas ein. Denn Kontakte mit anderen waren nur noch begrenzt bis gar nicht möglich. Doch ich wollte mir mein Engagement nicht nehmen und suchte deswegen nach einer anderen Möglichkeit, Kontakt zu anderen aufzunehmen und ihnen zu helfen. Mittlerweile wurde mir klar, dass es mich am meisten erfüllt, wenn ich für andere da bin. Das Soziale stand mehr denn je im Vordergrund.

Durch Zufall entdeckte ich dann die Seite „Mein-Kummerkasten.de“ und war sofort Feuer und Flamme. Bei der Website geht es darum, dass Menschen mit Problemen dorthin schreiben, um eine erste Hilfe zu bekommen. Als Beraterin kann und muss ich keine Probleme lösen. Aber ich bin dafür da, die Menschen mit ihren Sorgen aufzufangen, erste Hilfe zu leisten. Das können Verweise auf andere Hilfsmöglichkeiten sein oder auch Denkanstöße und Möglichkeiten, die Probleme zu lösen. Die Hauptsache ist, dass ich mich der Person annehme, für sie da bin, ihre Probleme ernst nehme und darauf eingehe. Ein bisschen wie bei einem Erstgespräch, bei dem das Zuhören allein schon viel wert ist. Das Ehrenamt ist insofern für mich wertvoll, weil ich damit zwei Leidenschaften vereinen kann: Das Schreiben und das Helfen. Ich kann mir in Ruhe überlegen, was ich der Person antworten will und hoffe, dass ich ihr mit meiner Nachricht ein wenig weiterhelfen kann. Für mich ist es auch die Vielfalt der Personen, die schreiben sowie ihre Probleme, die mich reizen. So lerne ich auch immer wieder Neues dazu.

Dieses Jahr habe ich mich für ein weiteres Ehrenamt entschlossen und sogar eine richtige Ausbildung dafür absolviert. Lange Zeit hatte ich mit mir gehadert, ob ich wirklich ehrenamtliche Sterbebegleiterin werden will. Es ist schon eine krasse Verbindlichkeit, wenn ich dann jeweils einmal im Monat ein ganzes Wochenende verbringe, um die Ausbildung zu schaffen. Und sich dann auch noch ein weiteres Jahr zu verpflichten, dieses Ehrenamt zu leisten. Das ist das eine. Das andere ist natürlich das Ehrenamt an sich. Tod, Sterben, Trauer und Loslassen – alles Themen, die einem echt nahe gehen können. Viele Menschen, denen ich davon erzählt habe, hatten großen Respekt und sagten, dass sie so etwas niemals tun könnten. Aber wer tut es dann? Es werden Menschen gebraucht, die für Sterbende da sind, ihnen Zeit schenken und sie auf ihrem letzten Weg begleiten. Ich hatte auch Zweifel: Schaffe ich das wirklich? Bin ich dafür geeignet? Und vor allem: Bin ich emotional so stabil, dass ich das bewältigen kann? Alles Fragen, die ich mir während der Ausbildung und des Praktikums stellte. Ich bin mir aber sicher, dass es die richtige Entscheidung war. Ich hatte während des Praktikums gemerkt, wie sehr es mich erfüllt, für diese Menschen da zu sein. Ich glaube, es ist das Ehrenamt, was am meisten Sinn stiftet und mich auch am meisten prägen wird.

Seit einigen Wochen bin ich außerdem auch noch Mitglied in einem Swing-Verein. Gut, das Ehrenamt fällt etwas aus der Reihe, liegt mir aber ebenso am Herzen. Seit 2020 tanze ich bereits Lindy Hop und Swing und bin gefühlt jede Woche bei einer der vielen Tanzabende dabei. Tanzen ist für mich inzwischen einfach eine echt große Leidenschaft geworden, auf die ich nie wieder verzichten will. Tanzen ist einfach pure Lebensfreude für mich. Nach jeder Tanzsession bin ich so voller Energie und Freude, das ist einfach unfassbar! Und da ich ohnehin jede Woche mit dabei bin, dachte ich mir: Warum nicht auch Mitglied werden und den Verein unterstützen, der so etwas Tolles ermöglicht? Ich möchte schließlich auch, dass der Swing weiterhin in meiner Stadt bleibt und noch viel mehr wächst. Als Mitglied unterstütze ich den Verein einerseits finanziell, aber vor allem organisatorisch, in dem ich mich an Veranstaltungen beteilige. Das wird sicherlich die nächsten Monate auf mich zukommen und ich bin schon sehr gespannt darauf.


Das sind erst einmal alle meine Ehrenämter, was ja schon recht viel ist. Manchmal denke ich mir, dass ich auch Power für noch mehr hätte. Aber leider habe ich auch nur begrenzt Zeit, die ich auch noch gerne ganz für mich und für meine Liebsten nutzen will.


Und doch kriege ich einfach nicht genug davon, mich zu engagieren. Und dafür gibt es viele Gründe.


Engagement für andere und für Dinge

Ich bin einfach ein Mensch, der gerne für andere Menschen da ist und der sich gerne für bestimmte Themen und Werte einsetzt. Eine ziemlich große Stärke von mir. Das liegt mir einfach am Herzen und es erfüllt mich einfach sehr. Und es macht mir auch einfach viel Spaß. Punkt!


Welt verbessern und verändern

Für mich ist eine Lebensmission, in der Welt etwas zu erreichen, die Welt zum Positiven zu ändern. Ich bin ja auch ein Teil eines großen Ganzen und nicht umsonst auf der Welt. Ich möchte meine Fähigkeiten, mein Wissen nutzen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Für mich ist Ehrenamt auch einfach Selbstwirksamkeit. Ich merke, dass ich etwas erreichen und beeinflussen kann, wenn ich aktiv werde. Und das tut echt gut.


Etwas Gutes tun

Es ist einfach schön, wenn das, was ich tue, auch etwas Gutes bewirkt. Wenn ich merke, dass ich anderen helfen kann, wenn es ihnen besser geht, dann bin ich auch glücklich. Mir macht es eine Freude, andere glücklich zu sehen, ihnen zu helfen, ihr Leben zu verändern. Es ist einfach ein schönes Gefühl.


Sinn stiften

Jeder Mensch ist irgendwie auf der Suche nach etwas, was seinem Leben Sinn gibt. Und für mich wäre das das Ehrenamt. Mir hat das Ehrenamt auch erst aus der Sinnkrise geholfen. Ehrenamt ist einfach sinnstiftend. Wenn ich etwas tue, was etwas Gutes und Sinnvolles bewirkt, fühle ich mich auch gleichzeitig zufriedener. Ich will meine Zeit nicht mit Dingen verschwenden, die nichts bringen und von denen ich langfristig nichts habe. Klar, tut es gut, seine Zeit mit Dingen zu vertreiben, die nur Spaß machen, aber wenig Sinn haben. Für mich hat aber Sinn etwas Nachhaltiges, was bleibt, selbst wenn es mir nicht immer gut geht. Und trotzdem bleibt der Sinn, der Grund, wofür es sich auch zu leben lohnt.


Etwas Eigenes schaffen

Einige Ehrenämter ermöglichen es mir, auch etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, ein Stück von mir zu hinterlassen, was hoffentlich länger bleibt. Dazu gehört natürlich meine Selbsthilfegruppe, aber auch die Texte, die ich als Beraterin beim Kummerkasten schreibe.


Teil eines größeren Ganzen sein

Mir vermittelt Ehrenamt, dass ich nicht allein für mich auf der Welt bin. Ich bin nur ein kleines Teilchen einer viel größeren Sache. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass das, was ich tue, auch etwas bringt. Ich kann etwas bewirken für etwas, was viel größer ist als ich selbst. Sei es eben eine schönere Welt oder eine verständnisvollere und offenere Gesellschaft. Ich trage meinen Beitrag dazu. Und mit dem Ehrenamt finde ich auch meinen Platz in dieser Welt.


Förderung des Zusammenhalts

Ohne die ganzen Ehrenamtlichen würde die ganze Gesellschaft doch eigentlich nicht funktionieren. Und ich merke auch, dass ich als eine von vielen einfach wichtig bin, damit Menschen in Not geholfen wird, damit alles so läuft, wie es laufen sollte. Ich denke, dass ich auch ein Beispiel für andere sein kann, wie man sich solidarisch engagieren kann.


Anerkennung

Ich würde lügen, wenn ich schreiben würde, dass ich das nicht auch für mich selbst tue. Ich will ganz ehrlich sein: Es tut gut, wenn auch das eigene Engagement gewürdigt wird und wenn Menschen mich loben und als Vorbild sehen. Und es ist immer wieder schön, wenn auch etwas zurückkommt. Ich mache das natürlich nicht ausschließlich deswegen, aber es fühlt sich eben doch ganz gut an.


Gefühl gebraucht zu werden

Da ich auch ein Helfer-Syndrom habe, gibt mir das Ehrenamt auch das Gefühl, dass ich wichtig bin, dass ich von anderen gebraucht werde. So blöd wie es klingt, macht es doch auch einen Teil meines Selbstwertgefühls aus, dass ich eben nicht nur für mich, sondern auch für andere auf der Welt bin.


Aktiv sein und Energie tanken

Während andere nach der Arbeit oder mit Familie einfach kaum Energie haben, gerade mal einmal die Woche Sport zu machen, strotze ich einfach voller Energie und weiß manchmal nicht, wohin damit. Ehrenamt ist für mich auch eine große Energiequelle. Ich stecke wahnsinnig viel Energie in mein Engagement rein. Für mich ist es aber nie zu viel. Statt, dass es mir Energie nimmt, habe ich eher das Gefühl, dass mir das Ehrenamtliche einfach viel Energie zurückgibt.

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