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Es ist okay, wenn ich mich nicht immer schön finde

Nur wenn ich schlank und schön bin, kann ich glücklich werden. Oder: Nur wenn ich meinen Körper so liebe, wie er ist,  kann ich zufrieden im Leben sein. Alles Glaubenssätze, die wir am besten einfach alle mal vergessen sollten!


Auf Instagram räkeln sich gertenschlanke, wunderschöne Frauen halbnackt im Bett, am Strand oder sonstwo. Es sind zwar immer unterschiedliche Frauen, aber eins haben sie eben doch gemeinsam: Sie sind allesamt richtig schön, verbildlichen das Schönheitsideal der heutigen Zeit. 

Viele Mädchen und junge Frauen würden gern so aussehen wie sie. Vergleichen sich. Und sind am Ende enttäuscht mit sich selbst, weil sie nicht so aussehen wie diese Influencerinnen, die vermutlich auch gerne mal mit Photoshop nachhelfen. 

Die jungen naiven Mädchen, die ihnen nacheifern wissen nicht, wie viel Arbeit hinter solchen Fotos steckt. Und dass diese Fotos auf Social Media sehr wenig mit der Realität zu tun haben. Und dass die hübschen Frauen einen Großteil ihrer Zeit dafür verwenden, dass sie fürs Schönsein bezahlt werden. 


Zwischen Schönheitswahn und Oberflächlichkeit

Und trotzdem lässt sich nur schwer dieser Impuls unterdrücken, sich ständig mit solchen Frauen zu vergleichen. Obwohl es mehr als nur oberflächlich ist. Nicht umsonst ist das auch öfter mal Grund für Eifersuchtsattacken in Beziehungen, in denen sich die weibliche Personen darüber aufregen, dass die männlichen Partner solchen bildschönen Frauen folgen und deren Fotos liken. 

Online-Dating heizt die Oberflächlichkeits-Maschine, die unsere Zeit prägt, noch mehr an. Auf der Suche nach der großen Liebe oder dem nächsten Fuck Buddy sind in erster Linie nicht die inneren Werte entscheidend. Der erste Eindruck zählt mehr. In dem Falle: das erste Foto. Das entscheidet darüber, ob hot oder not. Oder ob nach links oder rechts gewischt wird. Potenzielle Liebespartner*innen werden primär nach ihrem Äußeren ausgesucht und Kandidat*innen danach aussortiert. Teilweise bekommt man das Gefühl, als ob man im virtuellen Einkaufsmarkt ist und sich dann die besten und vor allem attraktivsten Kandidat*innen in den Warenkorb schmeißt, um sich sie vielleicht hinterher wieder aussortieren, wenn jemand kommt, der diese in Punkto Schönheit und Attraktivität toppt.

Ja, unsere Gesellschaft ist in meinen Augen oberflächlicher denn je geworden. Nur wer schön, sportlich, schlank und attraktiv aussieht oder ist, hat es echt gut im Leben. Hat mehr Chancen auf dem Datingmarkt. Ist automatisch beliebter als die normalen oder weniger ansehnlichen Menschen.

Vor allem dem Schlankheitswahn sind viele Jugendliche verfallen. Sie machen bei unsinnigen und sogar gefährlichen Schlankheits-Challenges mit, um zu beweisen, wie sehr sie sich abhungern können. Mit gefährlichen Folgen.


Warum Body Positivity eben nicht nur gut ist

Da tut es doch gut, dass es solche neuen Bewegungen wie „Body Positivity“ gibt, die den ungesunden Schönheitsidealen entgegentreten. Die Devise: Egal, wie du aussiehst, egal wie viel Kilos du auf den Hüften hast, egal, welche körperlichen Makel du besitzt – du bist einzigartig und du bist wunderschön. Liebe deinen Körper, wie er ist und alles ist gut. Dann kann dir alles andere egal sein. Was die anderen Leute über deinen Körper denken und sagen – alles egal. Wichtig ist nur, wie du dich mit deinem Körper fühlst. Du musst nichts an dir ändern, du bist gut so wie du bist und wunderschön!

Klingt erst einmal richtig gut, oder? Es wäre großartig, wenn wir alle so denken würden. Dann würden wir uns nicht mehr vergleichen. Wir würden den Blick auf unsere Einzigartigkeit lenken, einsehen, dass jeder Körper auf seine Weise schön ist. Wir würden uns nicht mehr an den gängigen Schönheitsidealen festhalten und aufhängen. Denn Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters. Und so unterschiedlich jeder Mensch Schönheit für sich definiert, so unterschiedliche Auffassungen gibt es. Und natürlich wäre es toll, wenn es uns egal wäre, was andere über unsere Körper denken. Hauptsache wir sind mit ihm zufrieden. 

Ich finde Body Positivity als eine Gegenbewegung zu den Schönheits- und Schlankheitsidealen schon gut.

Aber wie bei vielen Dingen gibt es auch hier ein großes ABER.


Body Positivity erzeugt zu viel Druck und ist realitätsfern

Was mich an der Bewegung und auch an der Einstellung generell stört, ist die Tatsache: Da schwingt sehr viel Druck mit. Das sind sehr hohe Ansprüche, die man sich selbst stellt. Ich muss meinen Körper schön finden. Ich muss ihn so lieben, wie er ist. 

Das fällt total vielen Menschen sehr schwer. Vor allem denjenigen, die mitten in der Pubertät stecken, die sehr unsicher mit sich sind und generell einfach unzufrieden. Ihnen abzuverlangen, ihren Körper total gut zu finden und zu lieben. Das wird nicht funktionieren. Im Gegenteil: Das erzeugt nur jede Menge Druck. Eine Erwartungshaltung, die so unrealistisch ist. Eine dauerhaft positive Einstellung zum Körper klingt erst einmal richtig gut. Aber ist doch sehr realitätsfern und erzwungen.

Denn ganz ehrlich: Wer von uns, auch von den Erwachsenen, liebt sich und seinen Körper immer und bedingungslos? Die wenigsten von uns.

Doch Body Positivity suggeriert, dass wir unseren Körper, egal was passiert, lieben sollten. Und nur wenn wir ihn lieben, können wir glücklich sein. Daraus folgt: Wer nicht dazu in der Lage ist, den eigenen Körper zu lieben, hat versagt und kann gar nicht glücklich werden.

Das ist ein bisschen so mit dem naiven Optimismus. Wer immer positiv ist, der kann ja nur glücklich werden im Leben. Niemand muss jemals traurig sein. Und wer das nicht schafft, scheitert eben. Immer glücklich sein ist für viele das Lebensziel Aber so läuft das Leben nicht.

Das Leben ist gerade deswegen so schön und lebenswert und so bunt, weil wir die Bandbreite der Gefühle erleben dürfen. Nur wenn wir auch mal traurig sind, lernen wir es zu schätzen, wie es ist, glücklich zu sein. Und so ist es ein wenig mit der Selbstliebe auch. Wir müssen auch mal mit uns unzufrieden sein, vielleicht auch mal den eigenen Körper ablehnen oder ein bisschen hassen. Das gehört auch zum Leben dazu.

„Lieben“ – das ist ohnehin ein sehr starkes Wort. Lieben bedeutet, den Körper und all seine Makel zu akzeptieren und trotzdem wertzuschätzen. Es wäre schön, wenn wir das alle könnten, aber das klappt für viele eher selten oder gar nicht. 


Wenn Body Positivity toxisch und gefährlich wird

Außerdem bleibt da kaum auch Raum für eigene Veränderung und Optimierung. Letzteres ist ja nicht per se schlecht, darf nur nicht ausufern. Doch Unzufriedenheit mit sich und dem eigenen Leben kann positive Anreize schaffen, ist der Keim für die eigene Veränderung, motiviert uns, ins Tun zu kommen. Wer sich aber ausnahmslos immer liebt – ob sich oder den eigenen Körper – der wird in seiner Komfortzone bleiben. 

Sich vielleicht auch im schlimmsten Falle schönreden, dass alles toll ist, obwohl es das nicht. Gefährlich wird es bei Menschen mit krassem Übergewicht, die mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben. Und die sich selbst einreden, dass das nicht so schlimm ist, dass es egal ist, wie schwer sie sind und dass sie ihren übergewichtigen Körper dennoch so lieben. Bei aller Liebe – da sollte es bei Selbstliebe auch mal Grenzen geben.

Was mich ebenfalls an Body Positivity stört: Das Aussehen steht viel zu sehr im Fokus, ihm wird viel zu viel Bedeutung zugemessen. Viele Menschen können für ihr Aussehen auch nichts. 

Stattdessen sollte das Innere mehr im Fokus stehen, das ist doch das Entscheidende im Leben. Dass wir innerlich wachsen und nicht, dass wir schöner, attraktiver und sportlicher werden. Das sind alles nur Äußerlichkeiten, auf die es am Ende unseres Lebens nicht mehr ankommt. 


Es ist okay, wenn ich meinen Körper nicht okay finde

Ich bin eher dafür, dass wir unserem Aussehen weniger Beachtung schenken. Das bedeutet nicht, dass wir unseren Körper generell nicht wahrnehmen oder uns nicht mal schön machen und schön fühlen. Aber wir müssen unterscheiden zwischen dem Aussehen und dem Körper mit seinen Funktionen. Denn genau genommen geht es in unserer oberflächlichen Gesellschaft nicht um den Körper an sich, sondern nur um die Hülle. 

Doch sollten wir uns nicht lieber um unseren Körper kümmern, dass es ihm gut geht, dass seine Bedürfnisse gestillt werden? Stattdessen foltern wir ihn mit Diäten, Hungern, übertrieben viel Sport, unterziehen ihm Schönheitsoperationen, bringen ihn an seine Grenzen. Und wofür? Für ein bisschen Schönheit, für ein bisschen Oberflächlichkeit und Fame.

Doch was ist mit unserem Körperempfinden? Wissen wir eigentlich, wie es uns körperlich wirklich geht? Was unser Körper braucht, damit er gesund ist? Achten wir mal darauf, dass wir unseren Körper pflegen und hegen? Denn er ist so viel mehr als nur eine Hülle. 

Nur dank unserer Körpers können wir auf der Welt sein. Er trägt uns durch die Welt, mit dem Körper leben und erleben wir. Er erfüllt so viele wichtige Funktionen für uns. Mit dem Körper fühlen und empfinden wir, er schafft die Verbindung zu anderen Menschen, zur Natur, zur Welt. Unser Körper ist wertvoll und wichtig. Und dafür sollten wir unseren Körper auch wertschätzen, ihm dafür danken. Egal, wie unser Körper aussieht, jeder Körper ist auf seine Weise wichtig und wertvoll.


Vom Aussehen ins Fühlen

Anstatt also den Fokus zu sehr auf das „Wie sehe ich aus?“ zu lenken, sollten wir uns lieber fragen „Wie fühle ich mich? Was brauche ich, um mich gut zu fühlen? Was brauche ich, damit es mir körperlich und auch emotional gut geht?“ Wie schaffe ich es, wieder mehr in Verbindung zu meinem Körper zu kommen? 

Ich bin deswegen mehr Fan von der Gegenbewegung „Body Neutralitiy“. Wie der Name schon sagt: Das eigene Aussehen ist egal. Ich finde mich weder besonders schön noch hässlich. Ich bewerte nicht, sondern nehme den Körper so wie er ist. Statt Selbstliebe, einfach Akzeptanz. Das muss nicht bedeuten, dass ich alles gut an mir finde. Ich nehme wahr und akzeptiere, dass ich vielleicht nicht so schön und schlank wie andere bin. Dass ich Makel habe.

Das ist okay. Ich muss das nicht gut finden, ich kann meinen Körper auch einfach mal scheiße finden. Ich kann mich selbst auch mal hässlich finden. Dann ist das so. Aber das nimmt unglaublich viel Druck aus. Ich muss mich nicht selbst schön finden, ich muss nicht attraktiv sein. Ich muss nicht mehr Sport machen oder weniger essen, um schlanker zu werden. Ich bin, wie ich bin. Und ich darf auch mal unzufrieden mit mir selbst sein. Aber ich weiß, dass ich mehr bin als nur mein Körper und mein Aussehen. 

Body Neutrality bedeutet, dass wir Sport machen, um uns gut und gesund zu fühlen und nicht, um attraktiver, sportlicher und schlanker zu werden.


Weg von Oberflächlichkeit, hin zum Inneren

So abgedroschen wie es klingt: Wahre Schönheit kommt von innen. Es geht nicht um das Äußere, sondern um das, was in mir steckt. Das ist doch wesentlich wichtiger. Und daran kann ich auch selbst arbeiten. Schlussendlich strahlen Menschen, die ihre positiven Seiten kennen und mit sich im Reinen sind, etwas aus, was Schönheit in den Hintergrund stellt. Was bringt mir auch eine schöne Verpackung, wenn das Innere scheiße ist? 

Während bei Body Positivity der eigene Selbstwert noch immer stark vom Äußeren abhängig ist, ist es bei Body Neutrality nicht so. Und das ist etwas, was wir uns vielleicht alle mal verinnerlichen sollten: Wir sind mehr als nur unser Körper. Was uns ausmacht, ist das, was wir sind, unsere inneren Werte. Das Selbstwertgefühl hängt nicht davon ab, wie schön, schlank und sportlich ich bin. Es hängt davon ab, was ich in meinem Innersten habe. Nicht das, was ich tue, oder wie ich aussehe, ist entscheidend, sondern das, was ich bin. 

Body Neutrality bringt mehr Entspannung rein in das Verhältnis zum eigenen Körper. Es muss nicht alles super toll sein. Es reicht auch, wenn ich meinen Körper „geht so“ finde. Manchmal auch hässlich. Und manchmal finde ich meinen Körper auch gut. So geht es zumindest mir. Das wechselt immer mal wieder. Es gibt solche und solche Tage. Aber das ist auch total in Ordnung. 

Ganz ehrlich: Wer will auch nur auf sein Äußeres reduziert werden? Klar wäre es schön, attraktiv zu sein und dafür gelobt zu werden. Aber nur für so etwas? Ist das nicht irgendwie auch sehr oberflächlich und traurig? 

Unser Körper an sich ist wichtig und ein Wunderwerk, keine Frage. Doch unser Aussehen sollte uns nicht definieren, sondern das, was in unserem Körper steckt. 

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