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Da wo die Angst ist, da geht es lang!


Ängste und Sorgen haben mich ein Leben lang begleitet, tun es heute noch. Doch inzwischen lasse ich mich nicht mehr von ihnen unterkriegen.


Einer meiner Lieblingssprüche ist: „Da, wo die Angst ist, da geht es lang.“

Doch was genau meint dieser Spruch eigentlich?

Ängste geben uns die Richtung an, in die wir gehen sollten. Klingt erst einmal seltsam. Warum sollte ich denn genau das tun, wovor ich Angst habe? Die meisten von uns wollen genau das Gegenteil: Am liebsten alles vermeiden, was Angst und andere ungute Gefühle verursacht. Lieber alles, was ängstigt, vermeiden, lieber ignorieren, vielleicht geht es auch von alleine weg. Am besten vermeiden und fliehen. Das ist das, was die meisten von uns tun, wenn wir mit unseren Ängsten konfrontiert werden.

Das sind alles ganz normale menschliche Reaktionen, sie haben alle einen Sinn. Die Angst ist ein wichtiger Hinweisgeber. Sie will uns nur beschützen, uns vor negativen Erfahrungen bewahren, sie will, dass wir uns nicht in Gefahr begeben, dass wir sicher sind.


Angst ist nicht per se schlecht

Angst ist an sich also ein wichtiges nützliches Gefühl, auf das wir hören sollten, vor allem, wenn es wirklich um Situationen geht, in denen wir oder andere in Gefahr sind.

Früher war die Angst besonders wichtig, um das eigene Überleben zu sichern, da der Körper in Alarmbereitschaft gesetzt wurde, um jederzeit fliehen zu können.

Doch heutzutage sind wir selten in Notsituationen oder Gefahren ausgesetzt, die die Angst triggern. Meistens geht es eher um harmlose Situationen. Und damit einher gehen Ängste, die nicht auf wirkliche Gefahren abzielen, sondern eher irrational sind. Die einfach unnötig sind, weil uns eigentlich nichts passieren kann, wenn wir uns diesen Ängsten stellen.

Damit vermeiden wir Situationen und Dinge, die uns nicht schaden, sondern eher helfen, uns weiterzuentwickeln. Angst ist immer ein zweischneidiges Schwert, sie bewahrt uns einerseits vor Verletzung und negativen Erfahrungen. Andererseits schränken wir uns damit selbst in unseren Möglichkeiten ein, weil wir gewisse Dinge, Situationen und Erlebnisse oder gar Menschen meiden. Artet Angst aus, kontrolliert sie uns, nimmt uns ein Stück Freiheit und Lebensqualität weg. Wir können uns unter Kontrolle der Angst nicht mehr frei entfalten.

Und Ängste werden nicht weniger, wenn wir die Situationen, die sie auslösen vermeiden und fliehen. Im Gegenteil: Ängste werden größer und wir lernen nicht, damit umzugehen.


Ängste zeigen Entwicklungspotenziale auf

Zurück zum Anfang. Was will uns der Spruch „Da wo die Angst ist, da geht es lang“ sagen. Dass genau eben die Dinge und Situationen, die Angst verursachen, die sind, die wir eben nicht meiden sollten. Gerade wenn es Dinge sind, bei denen wir große innere Widerstände fühlen – das sind Dinge, an denen wir arbeiten sollten, da gibt es Entwicklungspotenzial. Die Angst zeigt uns, wo unsere Reserven liegen, woran wir arbeiten sollten. Und genau deswegen ist es wichtig, auf unsere Widerstände und Ängste zu hören, in uns reinzuhorchen, woher sie kommen und was eben die Angst auslöst.

Was will mir die Angst sagen? Wovor habe ich genau Angst? Was steckt dahinter?

Ich habe in meinem bisherigen Leben mit vielen Ängsten zu kämpfen gehabt. Und vermutlich jeder von uns hat so seine speziellen Ängste, die ihn geprägt haben. Hinter jeder Angst steckte auch eine Baustelle, an der ich zu arbeiten hatte.

Angst sich zu blamieren – Angst vor Kritik

Angst vor Ablehnung – wenig Selbstwertgefühl

Angst vor Einsamkeit – fehlendes Gefühl von Verbundenheit

Angst, ausgeschlossen zu werden

Verlustängste – auch wieder Minderwertigkeitskomplexe

Angst, sich verletzlich zu machen – Fehlende Authentizität

Angst, nicht genug zu sein – wenig Selbstwertgefühl

Angst, Fehler zu machen

Angst vor dem Scheitern

Angst vor Veränderung – zu viel Sicherheit, Fokussierung auf Komfortzone

Angst vor Menschen

Angst vor dem Sterben und dem Tod


Noch heute gibt es immer wieder Situationen, in denen ich die eine oder andere Angst noch spüre. Meine sozialen Ängste sind beispielsweise immer irgendwie da. Ich habe meine Ängste nie besiegt. Das ist ohnehin eine seltsame und irreführende Formulierung. Man kann Ängste nie wirklich besiegen. Und sie wollen uns ja auch nichts Böses. Statt gegen Ängste zu kämpfen, habe ich gelernt, sie anzunehmen und versuche, mit ihnen zu leben, besser mit ihnen umzugehen.

In meinem Leben habe ich lange Zeit auch versucht, meinen Ängsten aus dem Weg zu gehen, sie zu verdrängen oder auch einfach Situationen zu vermeiden, die Angst in mir ausgelöst haben.

Doch ich wusste: So kann es nicht weitergehen. Das ist kein schönes Leben, ich habe unter meinen Ängsten gelitten, wollte so nicht mehr weiterleben. Meine Ängste haben mich fest unter Kontrolle gehabt.


Konfrontation ist die beste Therapie gegen Ängste

Noch bevor ich wusste, was überhaupt Konfrontationstherapie ist, habe ich mich meinen Ängsten gestellt. Und über die Jahre habe ich ganz eigene Strategien entwickelt, mit meinen Ängsten umzugehen.

Lange Zeit hatte ich Angst davor, mich anderen Menschen zu öffnen. Ich fürchtete mich davor, was andere von mir denken würden, wenn sie mich wirklich kennen würden. Das führte dazu, dass ich in der Schule kaum Freunde hatte, viel allein war. Ich weiß nicht, was es war, aber irgendwann hatte ich den Gedankenblitz: Du musst dich selbst ändern, damit sich etwas ändert. Nur wenn du dich öffnest, öffnen sich auch andere dir gegenüber. Also fing ich an, mein Mindset zu ändern. Andere Menschen nicht mehr als Bedrohung zu sehen, nicht mehr nur von oben herab zu beurteilen. Ich wurde entspannter und offener. Und wie durch Zauberhand knüpfte ich tatsächlich neue Freundschaften.

Während der Schulzeit blieb ich trotzdem lange Zeit sehr schüchtern, vor allem Jungs gegenüber, in die ich verliebt war. Doch ich wusste, dass das zu nichts führte, dass sie wohl kaum auf mich zukommen würden. Davon mal abgesehen, wussten viele von denen nicht mal, dass es mich gibt. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und machte den ersten Schritt. Einen habe ich sogar direkt nach seiner Handynummer gefragt. Das hat mich enorm viel Überwindung gekostet. Bis heute bin ich super stolz auf mich, dass ich das tatsächlich getan habe. Der Moment, in dem ich die Entscheidung treffe und der Moment, in dem ich es tue – dazwischen darf nicht zu viel Zeit vergehen. Je länger ich zögerte, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass ich meinen Mut zusammen nehme. Und ich erkannte, dass das alles halb so schlimm war. Die Vorstellung selbst machte mir mehr Angst als die eigentliche Situation. Nur der allererste Schritt ist am schwierigsten. Am besten gar nicht zu viel drüber nachdenken, sondern einfach tun. Zu viel Nachdenken blockiert einfach nur. Das war für mich das wichtigste Learning aus diesen ganzen Annäherungsversuchen. Auch wenn am Ende nichts bei rumkam und ich mit keinem von den Jungs anbandelte und auch jede Menge Körbe bekommen habe – es hat sich trotzdem gelohnt. Allein für mich selbst und mein Selbstbewusstsein.

Dasselbe Spiel auch paar Jahre später, bevor ich mit meinem ersten Freund zusammenkam. Wir lernten uns übers Internet kennen und schrieben viel miteinander. Ich wusste, dass etwas zwischen uns ist und genau das war es, was ich ansprechen wollte. Ich wollte wissen, ob wir nur Freunde oder doch mehr sind, wie er mir gegenüber fühlte. Über Gefühle und Liebe zu reden, war für mich etwas total Neues, auch das kostete mich viel Überwindung. Immer schwang die Angst mit, dass er diese Gefühle nicht teilte, gar nicht wirklich an mir interessiert war. Und darunter verborgen war die Angst vor Verletzungen, Angst davor nicht genug zu sein, Angst vor Ablehnung. Doch ich gab mir selbst einen Schubs, weil ich das nicht länger ertragen wollte. Ich dachte mir: Irgendwer muss mal den ersten Schritt machen. Dann bin ich es eben. Gesagt, getan und es hat sich am Ende gelohnt.

Die dutzende Male, bei denen ich in der Schule oder in der Uni Vorträge gehalten habe, haben mir auch gezeigt, dass es sich lohnt, sich seinen Ängsten zu stellen. Ich hatte selbstverständlich keine andere Wahl. Jedes Mal hatte ich große Angst davor, vorne zu stehen, während alle nur auf mich schauen. Ich fühlte mich wie auf der Bühne, auf dem Präsentierteller. Alle beobachteten genau, was ich tat und sagte und es fühlte sich immer unangenehm an. Doch je jedes Mal, wenn ich einen Vortrag gehalten habe, war ich so unglaublich erleichtert und fühlte mich stark. Es war jedes Mal ein überragendes Gefühl, mich überwunden und geöffnet zu haben. Auch wenn es davor immer ganz schlimm für mich war. Währenddessen war die Situation selbst gar nicht so schlimm. Auch hier wieder die Erkenntnis: Mein Kopf stellt sich vieles so viel schlimmer vor als es ist. Die irrationale Angst, sich zu blamieren, weil man Fehler macht, ist total unbegründet.

Mittlerweile bin ich da auch viel entspannter geworden, weil ich weiß, dass da nichts schlimmes passiert, wenn ich vorne stehe oder auch Fehler mache. Ich bin so entspannt geworden, dass ich mich nicht mehr so aufwendig auf Vorträge vorbereite, sondern mir denke: Wird schon irgendwie werden. Ich mache mich deswegen nicht mehr verrückt. Das bringt mich nicht weiter. Ich vertraue mir selbst, dass ich das schon gut machen werde, auch spontan.

Bevor ich mich auf meinen neuen Job beworben hatte, beschäftigte mich die Angst, nicht gut genug dafür zu sein. Ich fragte mich: Kriege ich das wirklich hin? Was ist, wenn der Job doch nicht zu dir passt? Was ist, wenn du überfordert bist? Was ist, wenn du es bereust, den alten Job gekündigt zu haben? Alles Fragen, die ich nur beantworten konnte, wenn ich es ausprobierte. Das ist das Problem mit der Angst. Sie will einen zwar schützen, aber verhindert auch, dass wir mal auf die Fresse fallen und unsere eigenen Erfahrungen machen.

Das ist ein bisschen so wie mit Helikopter-Eltern, die alles tun, damit es ihrem Kind gut geht und ihm nie etwas passiert. Doch das Leben ist dazu da, dass wir eben auch mal nicht so schöne Erfahrungen machen. Daraus lernen wir ja. Und woher soll ich wissen, dass es vielleicht doch klappt? Nur durch Ausprobieren. Auch negative Erfahrungen sind wichtige Erfahrungen fürs Leben. Meistens sogar noch tiefgreifender und wichtiger als positive, weil wir aus ihnen lernen.

Ich hätte auf meine Angst hören können, die mir sagt, dass ich das lieber lassen sollte. Aber das habe ich nicht getan. Auch wenn ich zeitweise ein nicht so schönes Gefühl hatte. Das ist einfach normal, weil man ja nicht weiß, was auf einen zukommt. Heute bin ich sehr froh darüber, dass ich nicht auf meine Angst eingegangen bin, sondern genau in die Richtung gegangen bin, die sie verhindern wollte.

Als ich mich entscheiden musste, ob ich mich von meinem Mann trennen sollte oder nicht, ob ich ausziehen sollte oder nicht – auch da war meine Angst wieder sehr groß. Die Angst vor Veränderung, vor dem Alleinsein, vor dem Scheitern – sie alle waren omnipräsent. Ich entschied mich, mich diesen Ängsten zu stellen, auch wenn ich immer wieder an meiner Entscheidung zweifelte.


Darum lohnt es sich, sich seiner Angst zu stellen

Auch wenn es damals keine leichte Zeit für mich war, bin ich unglaublich froh und dankbar, dass ich mich für die Veränderung entschieden habe. Die Ängste waren wirklich überwältigend, so sehr, dass ich mich beinahe für die Sicherheit und Komfortzone entschieden hätte. Es ist für die meisten von uns leichter, beim Alten zu bleiben, auch wenn es uns nicht glücklich macht. Aber das Neue, die Veränderung, die bringt so viele Unwägbarkeiten und Risiken mit sich, die viele nicht bereit sind, einzugehen.

Doch ich habe dem Impuls widerstanden, mich meiner Angst hinzugeben. Stattdessen bin ich weitergezogen, auch mit Angst. Und habe gelernt, dass alles viel weniger schlimm ist, als ich es mir vorgestellt habe. Heute bin ich einfach unglaublich glücklich mit dem Leben, was ich jetzt führe. Es war genau die richtige Entscheidung.

Die Momente, in denen meine Ängste groß waren und in denen ich mich für Mut entschied, waren die, die mein Leben am meisten geprägt haben. Je öfter ich die Erfahrung gemacht habe, dass alles viel weniger schlimm ist als gedacht, desto entspannter wurde ich auch.

Meistens malen wir uns Dinge und Situationen viel schlimmer aus als sie sind. Unser Kopf spinnt Horrorfantasien zusammen, die sich am Ende nicht bewahrheiten. Sich das bewusst zu machen, immer wieder den Realitätscheck zu machen und sich zu fragen: Was könnte das Schlimmste sein, was passieren könnte – das kann helfen. Sich auch zu verdeutlichen – was gewinne ich, was verliere ich, kann auch unterstützen, sich der Angst zu stellen. Denn es ist schlimmer, weiter in der Angst zu bleiben, anstatt auch mal was auszuprobieren, auf die Schnauze zu fallen und dadurch stärker zu werden.

Sich der Angst zu stellen, bedeutet ein Stück Kontrollverlust. Aber wenn ich mich der Angst hingebe, überlasse ich auf lange Sicht auch ihr die Kontrolle über mein Leben. Wir müssen lernen, uns zu vertrauen, dass wir eben die Situationen bewältigen können, die uns Angst machen. In uns steckt so viel Potenzial, was durch Angst unnötig eingeschränkt wird.

Es wird niemals ein angstfreies Leben geben, davon mal abgesehen spielt Angst auch eine wichtige Rolle im Leben von uns allen und ist nützlich. Um ein angstfreies Leben geht es auch nicht. Es geht nicht darum, nie wieder Angst zu haben, immer nur mutig und stark zu sein. Die wirklich starken Menschen gestehen sich ein, dass sie Angst haben, aber dass sie sich davon nicht unterkriegen lassen. Sie stellen sich ihren Ängsten, überwinden sie, machen trotzdem weiter. Sie tun Dinge, obwohl sie Angst haben. Das ist für mich wahre innere Stärke.

Ich habe gelernt: Jedes Mal, wenn ich mich meiner Angst gestellt habe, hat es sich gelohnt. Jedes Mal bin ich gestärkter aus den Situationen herausgegangen, die die Angst in mir ausgelöst haben. Denn ich habe erfahren, dass angstauslösende Dinge und Situationen gar nicht so schlimm sind, wie gedacht. Dass ich damit klarkomme, besser als gedacht. Dass ich das überleben werde.

Mit jedem weiteren Male, bei dem ich mich überwunden habe, ist die Angst kleiner geworden. Ich habe mit der Zeit immer mehr Selbstbewusstsein entwickelt, gemerkt, dass ich stark und mutig sein kann, auch mit Angst. Dass mich Ängste nicht klein halten können und wollen. Dass sie dazu da sind, dass ich dank ihnen stärker werde. „Da, wo die Angst ist, da geht es lang“. Ängste sind Challenges, die wir annehmen sollten, an denen wir wachsen können. Ich kann mich meinen Ängsten stellen, die Kontrolle über mein Leben zurückgewinnen. Weg vom angstgeprägten Leben hin zu mehr Selbstbestimmtheit.

Es mag nicht immer leicht sein und es gibt Momente, da überwältigt uns die Angst. Das ist total okay, darf sein. Aber am Ende lohnt es sich, eben auch das unangenehme Gefühl auszuhalten, durchzuhalten und weiterzumachen. Es ist auch mal okay, zu scheitern und auch mal nicht so tolle Erfahrungen zu machen. Dann habe ich es aber wenigstens probiert, mein Bestes gegeben.

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