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Du darfst! Sehnsucht nach mehr Selbstfürsorge


Eigentlich sollte ich mir mal Ruhe gönnen, auf meinen Körper hören. Doch warum fällt mir Selbstfürsorge so schwer?


Selbstfürsorge. Was ist das eigentlich? Vereinfacht gesagt bedeutet es, sich um sich selbst kümmern. Dafür zu sorgen, dass es mir gut geht – mental, emotional, körperlich. Ich kümmere mich um mein eigenes körperliches und emotionales Wohlbefinden.

Je mehr ich darüber nachdenke, was Selbstfürsorge alles umfasst, desto mehr komme ich ins Hadern. Denn das, was ich öfter mal tue, ist alles andere als Selbstfürsorge.

Nehmen wir mal meine aktuelle Situation. Ich bin seit mehr als einer Woche schon erkältet. So mit Halsschmerzen, Schnupfen und Husten. Ganz normal erkältet. Ich fühlte mich zwischenzeitlich echt ziemlich schlapp und müde. Aber meist hielt sich das in Grenzen. Es ging und geht mir ausgesprochen gut. So gut, dass ich sogar weiter arbeiten gegangen bin. Dachte ich zumindest. Als ich einen Tag im Homeoffice arbeitete, merkte ich, dass ich wirklich so müde und schlapp war, dass ich kaum weiter arbeiten konnte. Und da fragte ich mich: Geht es mir wirklich gut genug, um weiterhin zu arbeiten? Nach einem ausgiebigen Nachmittagsschlaf ging die Müdigkeit auch weg, aber das Gefühl, dass ich doch ziemlich geschwächt war, verschwand nicht.

Und trotzdem schleppte ich mich täglich zur Arbeit, fuhr trotzdem mit dem Fahrrad täglich ins Büro. Wenn man krank ist, sollte man lieber zu Hause bleiben, sich erholen, damit man wieder gesund wird. Aber ich nehme das nicht so ganz ernst. Nicht solange es mir nicht richtig schlecht geht. Meine Kollegin war schon sehr besorgt, hat mich immer wieder darauf hingewiesen, dass es doch besser wäre, mal zu Hause zu bleiben, mich zu erholen, weil sich mein Husten nicht gut anhörte und ich in ihren Augen kränklich aussehe. Aber ich habe immer wieder abgewunken, gesagt, dass alles okay ist, es mir gut genug geht, um arbeiten zu können.


Zwischen schlechtem Gewissen und falschen Glaubenssätzen

Da ist dieser Glaubenssatz „Ich bleibe nur zu Hause, wenn es mir so schlecht geht, dass ich nicht mehr arbeiten kann“. Aber muss es denn erst so weit kommen? Kann ich denn nicht einfach auch präventiv vorgehen und das verhindern, dass es mir so dreckig geht?

Ich habe mal weiter drüber nachgedacht, warum ich mich partout dagegen wehre, mich krankschreiben zu lassen. Da ist zum einen ein schlechtes Gewissen: Ich kann doch nicht krank machen, wenn ich gar nicht so wirklich krank bin. Dann bleibt doch Arbeit liegen und ich lasse meine Kollegin im Stich. So schlecht geht es mir gar nicht. So wirklich krank krank bin ich auch nicht. Ich habe mein Kranksein selbst als nicht so schlimm und ernst empfunden. Es ist doch nur eine harmlose Erkältung. Es geht mir doch noch gut genug, um was zu machen. Ich habe meine Erkältung kleingeredet, verharmlost und damit auch meine eigenen Bedürfnisse nicht wirklich ernst genommen. Mein Bedürfnis nach Ruhe und Erholung. Das gönne ich mir selbst nicht. Denn das würde ja in Konflikt geraten mit meiner Verpflichtung, arbeiten zu gehen.

Was steckt wirklich dahinter, dass ich auf jeden Fall verhindern will, zu Hause zu bleiben? Vielleicht auch die Angst, dass ich mich nutzlos fühle, wenn ich zu Hause bin und nichts tue. Nur wenn ich arbeite, bin ich auch etwas wert. Aber das stimmt ja gar nicht. Ich bin auch wertvoll, wenn ich nicht etwas leiste, nicht arbeiten gehe, wenn ich nichts tue. Das zu verinnerlichen, fällt mir nach wie vor schwer. Und aus dem Grunde scheue ich mich davor, mich krank schreiben zu lassen. Eben nur in dringendsten Notfällen.

Ein Stück weit ist es auch der Widerwille, einzugestehen, dass ich schwach bin, dass ich eine Pause brauche. Ich will allen und mir selbst beweisen, dass ich hart im nehmen bin, dass mich nichts umhaut und ich unaufhörlich weiterarbeiten kann. Ich bin zu einem ziemlichen Workaholic mutiert. Alle sollen von mir denken, dass ich Durchhaltewillen haben und mich von so etwas wie einer Erkältung nicht unterkriegen lasse. Vielleicht sehne ich mich unbewusst nach Anerkennung und Bestätigung. Trotz Erkältung macht sie dennoch weiter, Respekt! Aber was bringt mir das, wenn ich am Ende die Erkältung verschleppe und dadurch nicht wirklich gesund werde, wenn ich mir nicht mal Ruhe gönne?


Ruhe gönnen? Fehlanzeige!

Wer krank ist, sollte auch lieber auf Sport verzichten. Auch das durchzusetzen, fiel mir recht schwer, bin ich doch jemand, der sich an festen Routinen hält. Gleichermaßen hatte ich auch ein schlechtes Gewissen, so etwas Wichtiges in meinem Leben, was zu meiner eigenen Fitness beiträgt, einfach so fallen zu lassen. Sehr wahrscheinlich steckt dahinter auch die Angst, dadurch zuzunehmen. Und das will ich auf jeden Fall verhindern. Und auch hier wieder Gedanke: Solange es mir einigermaßen gut geht, kann ich weiter Sport machen. Glücklicherweise habe dann doch relativ schnell damit aufgehört und meinen Körper nicht zusätzlich belastet. Mir war klar, dass ich meine eigene Gesundheit gefährde, wenn ich mich dem Sportwahn hingebe. Aber so ganz lassen, konnte ich es nicht.

Denn wenn ich wirklich rigoros gewesen wäre, hätte ich komplett auf körperliche Belastung verzichtet. Habe ich aber nicht. Ich bin trotzdem täglich zur Arbeit geradelt, war Swing tanzen und habe mich auch zu Hause kontinuierlich bewegt. Ich scheue mich sehr davor, mich einfach mal länger einfach hinzusetzen oder hinzulegen, nichts zu tun. Da werde ich so dermaßen träge und ich mag diesen Zustand nicht. Aber gerade das ist bei einer Erkältung umso wichtiger. Das braucht der Körper einfach – ganz viel Ruhe und so wenig Belastung wie möglich.

Das alles weiß ich zu gut und trotzdem kann ich mir nur schwer zur Ruhe kommen. Es scheint, als wäre ich von einer inneren Unruhe getrieben, immer etwas zu tun, in Bewegung zu sein. Als hätte ich mir mein eigenes Hamsterrad gebaut, in dem ich jetzt gefangen bin. Und ich weiß, dass mich das immer mal wieder etwas stresst. Das sind so Mini-Stressmomente, die sich auf Dauer immer weiter häufen. Ich kann so schwer loslassen, weil mir das gleichzeitig auch so viel Halt gibt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich gönne es mir einfach nicht, einfach auch mal nichts zu tun, einen Gang runterzuschalten und mich wirklich zu entspannen. Das kommt in meinem Leben echt zu kurz. Gefährlich wird es, wenn ich immer weiter in diesem Hamsterrad laufe und laufe und dabei nicht merke, wie ich mir dadurch selbst schade.

Und das ist eben das komplette Gegenteil zu echter Selbstfürsorge.


Weg vom „People Pleasing“

Ich weiß, dass ich da einige Defizite habe. Mir fällt es grundsätzlich auch sehr schwer, Grenzen zu setzen, einfach mal „Nein“ zu Dingen zu sagen, auf die ich keinen Bock habe. Dabei ist das so wichtig, für das eigene Wohlbefinden, darauf zu hören, was ich brauche, was ich will und was nicht. Wenn alles zu viel wird, auch mal Stopp sagen, auf sich selbst achten, bevor ich total überfordert zusammenbreche. Alles Vorsichtsmaßnahmen, um mich selbst zu schützen.

Doch im Weg steht mir, dass ich es allen recht machen will. „People Pleasing“ nennt man das. Wenn man die Erwartungen anderer erfüllen will, gut da stehen will, die Bedürfnisse anderer über die eigenen stellt. Ich traue mich nicht, Nein zu sagen, aus Angst, dann andere unzufrieden zu machen, nicht mehr zu gefallen, abgelehnt zu werden. Da sage ich also lieber zu, ohne drüber nachzudenken, ob ich das auch will.

Das schleppe ich schon sehr lange mit mir herum. Als Kind habe ich alles versucht, um meine Eltern zufriedenzustellen, besonders meinen strengen Stiefvater. Aber egal, wie sehr ich mir Mühe gegeben habe – es hat nie wirklich gereicht. Er war nie zufriedenzustellen. In der Folge, dass ich mich auch abgelehnt gefühlt habe, weil ich seine Erwartungen nicht erfüllen können. Und diese Erfahrungen haben sich eingeprägt, begleiten mich fortan ein Leben lang, zusammen mit dem Glaubenssatz „Du musst andere zufriedenstellen, du darfst nicht Nein sagen“.

Und da ist auch der Glaubenssatz „Ich bin stark, ich lasse mich nicht unterkriegen, ich kämpfe weiter, solange es geht“, der auch mitschwingt. Und wegen dem ich es mir einfach nicht erlaube, mal zu Hause zu bleiben. Alles Glaubenssätze aus meiner Kindheit und Vergangenheit, die mich bis heute doch noch massiv beeinflussen.

Es ist der innere Kritiker, der mich ständig bewacht und beurteilt. Er gönnt es mir nicht, dass ich mich mal ausruhe, mal wirklich entspanne. Vielleicht will er mich insgeheim auch etwas leiden sehen. Ich gönne es mir selbst nicht, weil ich zu streng mit mir selbst umgehe.

Selbstfürsorge ist für mich wirklich schwierig, weil mir diese liebevolle Blick auf mich selbst fehlt. Manchmal glaube ich, dass ich mich selbst einfach gern quäle und an meine Grenzen bringe, um zu schauen, wie weit ich damit komme. Vielleicht glaube ich auch, dass ich Selbstfürsorge gar nicht verdient habe und dass ich um Glück und Erholung kämpfen muss. Nur dann habe ich es verdient. Aber das ist eben alles andere als ein gesunder Umgang mit mir selbst.


Sehnsucht nach Selbstfürsorge

Dabei wünsche ich es mir von Herzen, dass ich mich selbst wie eine gute Freundin betrachte, liebevoll und wertschätzend mit mir umgehe. Einfach mal diesen blöden inneren Kritiker ausschalte und mir auch Ruhe und Erholung so gönne, ohne, dass ich etwas dafür geleistet haben muss. Denn ich bin es wert, dass es mir gut geht.

Wer kümmert sich um mich, wenn es mir nicht gut geht? Wohl kaum die anderen. Das mag jetzt etwas zynisch klingen, aber im Endeffekt kümmert sich jeder doch nur um sich selbst. Und wenn ich mich nicht um mich sorge, wer tut es dann? Ich bin für mich selbst verantwortlich, dass es mir gut geht. Ich habe es in der Hand.

Selbstfürsorge bedeutet, dass ich mich frage: Was brauche ich gerade im Moment? Was will ich? Was will ich nicht? Was tut mir gerade gut? Und mir das geben, was ich brauche. Ich erlaube mir all die Gefühle, die gerade in mir sind. Ohne mich zu verurteilen. Selbstfürsorge bedeutet, dass ich mir selbst mit Geduld und Mitgefühl begegne, mir die Zeit gebe, die ich zur Genesung und Heilung brauche.

Selbstfürsorge schließt auch mit ein, dass ich eine positive Beziehung zu mir pflege, dass ich diese selbstkritischen und vernichtenden Dialoge lasse und liebevoll mit mir selbst umgehe.

Selbstfürsorge heißt auch: Einfach mal all den Scheiß, der mich belastet, loslassen. Mir selbst sagen: Es ist okay so, wie es ist. Du musst nicht ständig weiter kämpfen, du musst nicht immer stark sein, du darfst auch schwach sein. Du bist trotzdem okay, auch wenn du gerade nichts tust. Du bist trotzdem ein wertvoller und liebenswürdiger Mensch.

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