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Gibt es noch einen Unterschied zwischen „online“ und „offline?“

 

Was ist online? Was ist offline? Gibt es da überhaupt noch Grenzen?


Jugendliche unterscheiden nicht mehr zwischen online und offline.“ Eine Aussage, die ich vor Kurzem sinngemäß aufgeschnappt habe. Als Jugendbildungsreferentin befasse ich mich viel mit den digitalen Lebenswelten junger Menschen, versuche, mich da hineinzuversetzen, zu verstehen, wie diese Generation tickt.

Für Jugendliche ist es tatsächlich so, dass sie nicht mehr zwischen online und offline unterscheiden. Weil sie seit ihrer Kindheit mit digitalen Medien und dem Internet aufgewachsen sind. Weil sie eigentlich nie ohne ihr Smartphone unterwegs sind und dadurch immer online sind. Auch wenn sie nicht unbedingt in Social Media oder auf Messengern aktiv sind. Sie sind trotzdem irgendwie verbunden mit der digitalen Außenwelt. Ein Leben ohne Internet, Smartphone und Social Media kennen sie gar nicht. Für sie ist das selbstverständlich, digital und immer connected unterwegs zu sein. Für sie gibt es kein „Offline“-Leben mehr in dem Sinne, weil sie eben immer (auch passiv) online sind.


Es gibt noch eine analoge und digitale Welt

Für mich, als jemand, der zur Generation Y gehört, ist diese Denkweise schon merkwürdig. Denn ich gehöre zu einer Generation, die miterlebt hat, wie das Internet und Smartphones die Welt erobert haben. Ich bin noch Zeugin einer Zeit, in der es das noch alles nicht gab, ich bin mit „traditionellen“ Medien aufgewachsen – dem Fernseher, Radio, den Büchern. Erst nach und nach fand auch das Internet und später auch Handys Einzug in mein Leben. Doch davor erlebte ich eine lange Zeit, in der ich nicht mal im Ansatz wusste, was es bedeutet, „online“ zu sein.

Online-Zeitalter bedeutet für mich die Ära des Internets, in der alle mit der digitalen Welt dank ihres Handys verbunden sind. Und daran sieht man auch: Anders als die meisten Kinder und Jugendlichen heutzutage unterscheide ich eindeutig zwischen online und offline.

Meine gesamte Kindheit habe ich analog also offline verbracht. Ich habe mit Freunden auf dem Spielplatz getollt, wir haben uns getroffen, gelegentlich mal zusammen was im Fernsehen geschaut oder CDs gehört. Doch hauptsächlich waren wir einfach draußen, hatten jede Menge Spaß, ohne jegliche digitale Medien oder das Internet. Und was soll ich sagen? Es hat mir an nichts gefehlt. Ich bin froh, so eine Art von Kindheit erfahren zu haben.

Für mich war es damals eine Sensation, ein Handy zu haben. Das war etwas Außergewöhnliches, etwas Neues. Wohlgemerkt ein einfaches Handy ohne Internet, ohne Farbe, auf die wenigsten Funktionen reduziert. Nicht mal Fotos konnte man damit schießen, geschweige denn Videos drehen. Es diente vor allem dazu, in Kontakt mit anderen zu sein. Und für meine Eltern schaffte es mehr Sicherheit, da sie mich jederzeit in Notfällen erreichen konnten.


Als alles noch nicht so schnell und reizüberflutet war

Als das Internet noch nicht massentauglich war – für viele junge Menschen unvorstellbar – schrieb man noch SMS. Eine Kommunikationsform, die heutzutage ausgestorben scheint. Braucht auch keiner, denn alle haben ja Internet, können sich Nachrichten über Whatsapp & Co oder Sprachnachrichten schicken. Und es kommt noch besser: Ich habe als Kind auch noch gerne Briefe geschrieben. Oh mein Gott! Wer macht denn bitte so etwas noch? Briefe wirken auf viele Teens wie Relikte aus einer längst vergessenen und vergangenen Zeit.

Damals habe ich auch sogar noch mit dem Handy telefoniert. Auch eine Sache, die die meisten Jugendlichen heutzutage nicht machen. Ich frage mich, warum. Okay in Anbetracht der schnelllebigen Zeit und weil man auch nicht viel Zeit hat, muss eben eine kurze Nachricht her. Die ist schnell getippt, schnell gelesen und auch schnell beantwortet. Für Telefonate braucht man ja schon etwas mehr Zeit und Ruhe. Dann wechselt man lieber tausend Nachrichten miteinander, die dann auch noch viel Platz für Interpretationen und Missverständnisse lassen, anstatt einfach mal miteinander zu telefonieren.

Als Kind und Jugendliche habe ich sogar noch Radio gehört und mir CDs meiner Lieblingsbands gekauft. Ich hatte sogar noch ein so altes Radio, das Kassetten abspielen konnte. Während ich Radio hörte, kamen immer mal wieder meine Lieblingslieder, die ich dann auf leere Kassetten spielte, um mir daraus meine „Playlist“ zu erstellen, die ich jederzeit abspielen konnte. Heutzutage loggt man sich einfach in Spotify ein und kann jederzeit seine Lieblingsmusik streamen wie oft und wie viel man will.

Mit Medien jeglicher Art, auch digitalen, bin ich also auch schon früh in Berührung gekommen. Doch das Internet kam bei mir erst später, irgendwann in der fünften oder sechsten Klasse. Damals musste man sich noch aufwendig und langwierig ins Internet „einwählen“. Die Töne, die das Modem dabei ausspuckte, sorgen noch heute für ein Schmunzeln, wenn ich daran denke. Und nicht immer war klar, ob das Internet wirklich stabil war. Langsam war es ohnehin, alles dauerte viel länger. Ins Internet zu gehen hatte etwas von Entschleunigung, ganz anders als jetzt. Ein Klick und schon ist man online, schon ist man drin.

Ich kannte eine Zeit vor dem Internet, in der andere Medien noch eine größere Rolle spielten, selbst für Kinder und Jugendliche. Und ich habe den Wechsel zur digitalen Welt hautnah mitverlebt. Das hat beides etwas total Wertvolles für mich. Und damit habe ich auch eine ganz andere Denkweise und einen anderen Umgang, was online und offline betrifft. Für mich ist klar: Das sind zwei verschiedene Dinge.


Ausschalten und Anschalten

Für mich bedeutet offline, wenn ich eben gerade nicht im Internet und auf Social Media oder auf Messengern aktiv sind. Wenn ich ein Buch lese, einen Film schaue, Freunde treffe, auf Veranstaltungen gehe, Sport machen und und und – dann bin ich definitiv offline, denn ich habe mein Internet nicht angeschaltet. Auch so ein Ding, das vermutlich nur meine Generation und ältere kennen. Das Internet ausschalten, zumindest auf dem Handy oder auf dem Computer oder Tablet.

Das ist für mich immer der Moment, bei dem ich von online auf offline oder andersherum schalte. Eine klare Grenzziehung. Die heutige Jugend dagegen kennt so etwas nicht. Da gibt es kein „Ausschalten“ oder „Ausloggen“, man bleibt dauer-online, selbst im Schlaf. Egal, wo man ist, was man tut, man ist immer online.

Ich habe nicht das Bedürfnis, ständig online zu sein. Deswegen habe ich mir auch kein mobiles Internet angeschafft, bin nur online, wenn ich auf Arbeit oder Zuhause im WLAN bin. Unterwegs brauche ich das Internet nicht, wozu denn auch? Ich will im „real Life“ etwas erleben und nicht von tausenden Benachrichtigungen, Posts und Nachrichten überschwemmt werden. Das könne tatsächlich viele meiner Mitmenschen gar nicht verstehen. Fassungslos schauen sie mich an, als wäre ich ein Alien. Nur weil ich nicht ständig online bin. Heutzutage wird es überhaupt erwartet immer online zu sein, immer erreichbar zu sein. Wer dem nicht folgt, fällt aus der Reihe.

Und da haben wir es wieder mit der Unterscheidung: Digital life versus Real Life. Inzwischen weiß ich, dass die Grenzen zwischen beiden arg verschwimmen, nicht nur bei den Digital Natives. Das Internet gehört schließlich zum Leben und Alltag dazu. Da gibt es kein Real Life mehr ohne Internet, weil es Teil davon ist. Ich sehe es eher als eine Art Erweiterung und Bereicherung an, allerdings auch mit einigen Tücken. Jugendliche dagegen kennen so etwas wie ein Real Life ohne Internet nicht, weil es einfach dazu gehört, zum echten Leben.


Auch mal einfach nicht online sein

Für mich war und ist es eine bewusste Entscheidung, offline zu bleiben, auch auf die Gefahr hin, etwas zu verpassen. Stichwort: Fear of missing out. Dadurch habe ich öfter mal Nachrichten von Freund*innen verpasst, die mir Bescheid gegeben haben, dass sie zu spät zum Treffen kommen. Es hat durchaus Nachteile, wenn man nicht ständig online ist. Immer dann, wenn man dadurch den Anschluss zu den anderen verliert. Bisher war es für mich aber nie so schlimm, weswegen ich weiterhin auch gerne offline bin. Da überwiegen für mich andere Vorteile.

Solche Offline-Pausen sind für mich wichtig, um mich wirklich auf etwas zu konzentrieren. Ständig online zu sein, führt zu Konzentrationsstörungen, ich werde ständig abgelenkt und bin alles andere als produktiv. Das merke ich, wenn ich lese oder am Computer arbeite und währenddessen ständig neue Mails oder Nachrichten eintrudeln. Der Impuls, gleich mal nachzuschauen, ist enorm groß, sodass ich gerne mal hin und her wechsel. Multitasking nennt man das, was es gar nicht gibt, weil wir selten mal parallel mehrere Sachen tun können. Wir beenden eine Sache, beginnen eine neue und nehmen die alte Tätigkeit später wieder auf. Das kostet Zeit, Nerven und Produktivität.

Darum auch diese Offline-Pausen. Endlich mal konzentrieren, mal entspannen, richtig runterkommen. Das geht nicht, wenn ich von allen Seiten ständig neue digitale Reize bekomme, denen ich wie ein hechelnder Hund hinterherrenne.

Und wenn ich mich mit Freund*innen treffe, will ich nicht ständig aufs Handy starren und abgelenkt, sondern wirklich präsent sein und zuhören. Mich voll und ganz auf das Treffen und Gespräche fokussieren. Darum bleibt mein Handy auch grundsätzlich in der Tasche. In Notfällen kann man nicht ja anrufen. Alles andere kann dann auch warten.

Ich finde nichts schlimmer, als wenn ich mit Freunden unterwegs bin und die immerzu nur auf ihr Handy schauen und dann auch noch wiederholt hin und her schreiben, obwohl sie Zeit mit mir verbringen. Ich gebe dem „echten“ Leben und den Menschen, mit denen ich mich treffe, den Vorzug. Für mich total selbstverständlich. Das Digitale muss mal warten können. Aber leider sehen das viele andere nicht so. Zu ihrem real Life gehört das Digitale automatisch dazu.


Games und Real Life

Man kennt die Bezeichnung „real Life“ eher aus einem anderen Bereich, dem Gaming-Bereich. Wenn man beispielsweise mit anderen zusammen zockt, dann trifft man sich virtuell, erkundet gemeinsam neue Welten und Geschichten, besteht Abenteuer, gewinnt oder verliert. Man nimmt andere Persona ein, kann dem Alltag für eine Weile entfliehen. Und irgendwann endet das Game und man kehrt ins „real Life“ wieder zurück. Das, was sich in Games abspielt, ist folglich nicht echt, nicht real. Klingt logisch, oder? Das sind alles fiktive Welten, Charaktere und Geschichten, haben wenig mit unserem Leben zu tun, was wir führen.

Die Grenzen zum realen Leben verwischen aber auch da, wo wir uns mit Freunden digital über Teamspeak treffen, dann gemeinsam zocken und miteinander reden. Oder wenn wir uns bei Freunden treffen, um gemeinsam Spiele zu spielen. Dann ist das doch auch eindeutig „real Life“ oder etwa nicht?

Der große Unterschied zwischen Games und dem Internet, Social Media und Messengern ist: Letztere sind viel alltags- und massentauglicher, werden von nahezu allen Menschen genutzt, sind fest in deren Leben integriert. Zocken dagegen ist nur eine Art Freizeitbeschäftigung, bisschen Eskapismus, reine Unterhaltung.

Doch im Gegensatz zum Gaming sind Internet, Social Media und Messenger-Dienste elementare Bestandteile unserer heutigen digitalen Welt. Sie sind so elementar wichtig, dass es ohne sie einfach nicht mehr geht. Sie prägen unsere heutige Kommunikation, prägen die Lebenswelten junger Menschen. Bei diesen Internetphänomen verwischen die Grenzen zwischen digitaler Welt mit echter Welt so sehr, dass man beide Welten kaum mehr voneinander unterscheiden kann.

Ich denke mir, dass dieses Online-Sein viele Vorteile haben kann. Man ist mit seinen liebsten Menschen immer im Austausch, kann an ihrem Leben teilhaben. Man kann sich selbst immer informieren, was gerade in der Welt los ist, kann schnell mal etwas googeln oder findet den richtigen Weg über Google Maps, wenn man sich verlaufen hat. Das Smartphone und das Internet sind wirklich tolle Erfindungen und haben vieles in unserem Leben leichter gemacht.

Aber ich finde es tatsächlich etwas bedenklich, wenn Jugendliche oder auch Erwachsene eigentlich nur noch in der Online-Welt sind, aber kaum mehr in der analogen Welt ansprechbar sind. Wenn sie tatsächlich vieles, was im Leben wichtig ist, vernachlässigen und sich mehr um das Digitale kümmern.

Es ist nicht das Internet und auch nicht das Handy, was Gefahren bergen kann. Nein, es sind die Nutzer*innen, die auch eine Gefahr für sich und andere darstellen können. Ein Medium ist per se nie gut oder schlecht, es kommt immer darauf an, wie man es verwendet. Solange also eine Balance zwischen online und offline herrscht, nichts vernachlässigt oder gefährdet wird, spricht auch nichts gegen das Digitale.

Für mich ist klar, dass es noch immer eine Grenze zwischen „online“ und „offline“ gibt, solange ich diese auch selbst ziehe. Mag sein, dass es bei Jugendlichen und vielen anderen Menschen nicht so ist. Ich gebe zu, dass die Grenzen sehr verwischen und es auch immer schwieriger wird. Aber ich persönlich brauche diese Grenze einfach, um nicht komplett von Reizüberflutung überfordert zu werden.

Was macht diese zunehmende Verschmelzung des Digitalen mit dem Analogen mit uns und unserer Gesellschaft? Wir werden künftig immer abhängiger davon sein. Das kann Nachteile bringen, wenn wir ohne nicht mehr leben können. Gäbe es dann noch einen Plan B? Die Zukunft wird die Antworten bringen.

Schlussendlich bin ich sehr dankbar dafür, beide Welten – analog wie digital – zu kennen. Eine Welt, in der das Digitale kaum eine Rolle spielte. Und eine, in der das ganze Leben davon geprägt ist. So weiß ich schlussendlich beides zu schätzen, das Beste aus zwei Welten für mich zu finden.

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