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Darum ist es okay, allein und melancholisch zu sein

 


In Momenten der Stille und Einsamkeit ist sie meine Begleiterin: die Melancholie. Der Schwermut. Eine bittersüße Traurigkeit, ein lieblicher Schmerz, der ruhig bleiben darf.


Das Alleinsein hat viele Vorteile für mich. Schneller und besser als gedacht, habe ich mich mich damit abgefunden. Wobei „abgefunden“ nicht das richtige Worte ist. Eher angefreundet, vielleicht sogar lieben gelernt. Es ist nie das Gefühl, dass ich nach Hause komme und traurig darüber bin, dass ich allein bin. Dass keiner da ist, der mich herzlich begrüßt, mich in den Arm nimmt, liebevoll küsst und mich danach fragt, wie mein Tag war.

Ich hatte nie das Gefühl, mich nach Menschen zu sehnen, seit dem ich alleine wohne. Es ist vielmehr so, das Ruhe in mir einkehrt, sobald die Tür ins Schloss fällt und ich mein Reich betrete, meine Ruheoase, der Ort, an dem ich endlich alles fallen lassen kann. An dem ich ich selbst sein kann. Ohne Hemmungen, ohne Einschränkungen, einfach nur ich sein.

Für viele mag diese Stille, allein zu leben, unheimlich sein. Sonst sind wir von Menschen umgeben, ständig schnattert jemand, ständig irgendwelche Geräusche von außen. Ständig diese Ablenkungen. Mich nervt das vor allem auf Arbeit, da mein Büro ein Durchgangszimmer ist. Ständig huschen Leute rein und raus, werde ich unbewusst aus meinem Flow rausgezogen, falls ich denn überhaupt mal drin war. Ständig Leute, die mich aus meinen Gedanken bringen, mich ansprechen, mich mit ihren Worten belästigen, wenn ich mich doch eigentlich in meine Arbeit vertiefen wollte. So ist das im Arbeitsleben, wenn man nicht gerade Homeoffice hat. Manchmal richtig nervtötend. Am liebsten würde ich mich manchmal verkriechen, einfach irgendwo zurückziehen und für paar Minuten für mich sein. Die einzigen Momente für mich allein in der Stille sind die wenigen Momente auf Toilette. Auch ein Ort der absoluten Ruhe. Aber alles anderes als entspannend. Und immer dieser Druck im Hinterkopf: Du solltest nicht zu lange auf der Toilette abhängen, musst wieder raus, ran an die Arbeit, wann sollen die anderen denken, was du da treibst?!

So sehr uns manchmal die Leute um uns herum auch nerven, so gruselig und unheimlich wird es, wenn wir wirklich mal ganz allein für uns sind. Wenn alles total still ist, ich meinen eigenen Herzschlag und Atem hören kann. Das ist dann auch wieder zu viel des Guten. Dann wird Musik angemacht, dann fangen die Selbstgespräche an, ein Video, eine Serie, ein Film oder ein Podcast werden angeschmissen. Hauptsache dieser unerträglichen Stille entkommen. Wir sind es einfach nicht mehr gewöhnt, bei uns selbst zu sein, ohne jemand anderen, ohne jegliche Geräuschkulisse. So liegt der Fokus plötzlich ganz bei einem selbst.


Die Vielseitigkeit der Stille

Und das ist es, was ich gerade am Alleinleben unerwartet lieben und schätzen gelernt habe. Und ich genieße die Stille tatsächlich, diese Ruhe, die mein Zuhause verbreitet. Ich merke sofort, dass ich herunter runterfahren kann, dass ich meine Hüllen, meine Masken, alles, fallen lassen kann. Niemand da, der einen vollquatscht, der von einem etwas will, der die eigene Ruhe stört. Nur ich und die Stille, mehr nicht.

Und nur in dieser Ruhe und Stille komme ich wirklich bei mir an. Nur dann kann ich meinen Gedanken nachgehen, erspüren, was gerade in mir arbeitet, was ich fühle, was mich beschäftigt. Ich kann ungestört Ideen entwickeln, Pläne schmieden. Im Trubel des Alltags mit so vielen Menschen und Ablenkungen bleibt kaum Zeit für solche Augenblicke des Innehaltens. Und wenn währen sie nur kurz, viel zu kurz, um wirklich in die Tiefen meiner Seele einzutauchen. Viel zu schnell werde ich sonst wieder herausgerissen.

Doch alleine zu Hause gelingt es mir immer wieder, in meine eigene gedankliche Welt abzutauchen. Sie zu ergründen, nachzuspüren, was da ist, über mein Leben zu reflektieren, über das, was passiert ist, nachzudenken und meine Schlüsse zu ziehen. So manch kluger Gedanke ist dabei auch entsprungen. Dann nehme ich mir Zeit gedanklich, aber auch schriftlich über mich und mein Leben zu reflektieren. Und das hilft mir ungemein, zu sehen, was gerade ist, was ich will, was nicht, was gut läuft und was eher nicht.


Eine Form der Lebensbewältigung

Seitdem ich ganz für mich allein bin, kommen immer wieder Phasen, in denen ich wehmütig werde. In denen ich in Melancholie versinke. Das ist so eine Art sanfter, leichter Schmerz, eine leichte Traurigkeit, ein wenig Wehmut. Melancholie ist natürlich nicht mit richtiger Trauer oder Depressionen zu verwechseln. Es ist durchaus ein Zustand, indem ich leicht traurig, nachdenklich werde. Vor allem wenn ich in an vergangene Zeiten denke. Ein Stück Nostalgie schwimmt da immer mit. Ein bisschen Sehnsucht nach der Vergangenheit, die nie wieder zurückkommt. Vielleicht auch ein bisschen Traurigkeit darüber, dass Dinge eben vorbei sind. Dass jeder Moment einmal vergeht und nicht bleibt. Traurigkeit über die Vergänglichkeit der Dinge und des Lebens.

Diese Traurigkeit lasse ich zu. Früher hätte ich dagegen gearbeitet, mir Vorwürfe gemacht, warum ich denn plötzlich so drauf bin, obwohl es mir so gut geht. Ich hätte daran gezweifelt, dass mit mir alles stimmt. Doch heute habe ich ein anderes Verhältnis zu meinen Gefühlen entwickelt. Ich habe in den letzten Monaten seit der Trennung so viel geweint wie noch nie. Das mag jetzt besorgniserregend klingen. Aber das ist es nicht. Im Gegenteil: Es tat so unglaublich gut, mich meinen Gefühlen hinzugeben. Der Traurigkeit Platz zu lassen, sie anzunehmen und sie rauszulassen. Ich habe meine Gefühle nicht immer verstanden, aber ich habe sie ernst genommen und mich ihnen hingegeben. Sie sind aus einem bestimmten Grund da. Und Gefühle sind da, um gefühlt zu werden.

Es hat nicht mal unbedingt etwas mit Einsamkeit zu tun. Einsam fühlte ich mich nicht. Im Gegenteil: Ich genieße es, für mich zu sein. Nur so, kann ich mich meinen Gefühlen komplett hingeben, muss niemandem erklären, warum ich plötzlich weine, mich nicht dafür rechtfertigen oder schämen. Ich kann einfach weinen, wie und wie oft ich will.

Weinen ist für mich nichts schlechtes, ich weiß inzwischen, dass da etwas in mir ist, was unbedingt raus will. Es muss raus aus meinem Körper. Das Weinen hat eine befreiende Funktion. Es mag wehtun, während ich weine. Aber ich fühle mich danach immer besser, in jedem Fall. Als ob ich damit auch ein Stück meines Schmerzes und meiner Traurigkeit raus spülen würde. Es ist so wahnsinnig entlastend. Und darum weine ich vielleicht auch so gern. Auch ohne Grund. Wenn mich etwas sehr berührt, wenn ich jemanden weinen sehe – dann weine ich auch und es tut mir gut. Weinen ist für mich ein Teil von Selbstfürsorge, es gehört dazu.

Wie viele andere war ich lange Zeit so drauf, dass ich mich gezwungen habe, negative Gefühle zu verdrängen, mich abzulenken, alles zu tun, damit ich mich besser fühle. Ich könnte das auch noch heute tun, die Melancholie verdrängen. Aber es fühlt sich einfach nicht richtig an. Wer sagt, dass wir ständig guter Laune sein sollten, glücklich sind und immer lächeln? Das ist ein enormer Zwang, der uns ein Teil unserer Lebensqualität nimmt. Denn wir können nur die Fülle an Glück erleben, wenn wir auch wissen, wie es ist, nicht glücklich zu sein. Wir brauchen auch immer die nicht so schönen Gefühle, müssen lernen, diese zu akzeptieren und zu fühlen. Das gibt dem Leben erst wirklich Tiefe.


Es ist okay, traurig zu sein

Und so ist es mit der Melancholie auch. Es ist ein Zustand, der absolut okay und auch wichtig ist. Es ist in Ordnung, wenn ich mich mal nicht happy und zufrieden fühle. Auch wenn alles in meinem Leben gut läuft. Ich kann mir trotzdem erlauben, melancholisch zu sein. Ich muss mich dem Zwang nicht hingeben, so zu tun, als wäre ich dauerhappy Ich muss mich nicht zwingen, mich abzulenken, Dinge zu tun, damit es mir wieder gut geht.

Es ist auch mal okay, dass ich mich nicht okay fühle. Dass ich einfach mal down, traurig, pessimistisch, lustlos, wehmütig bin. Wir dürfen alle mal so fühlen, schwach und verletzlich sein. Über Dinge, die wir nicht ändern können, trauern, über das trauern, was wir auf unserem Lebensweg hinter uns gelassen, aufgegeben und verloren haben. Wir dürfen auch mal mehr festhalten, uns vor Augen führen, dass nicht alles toll auf der Welt läuft. In Maßen ist es okay. Jeder braucht da individuell viel Zeit, um die Melancholie zu spüren. Danach wird es wieder besser werden, ganz bestimmt.

Übrigens sehen viele Psychologen die Melancholie auch als eine Art der Lebensbewältigung. Und dazu auch noch eine gesunde. Es gibt Menschen, die die rosarote Brille aufhaben, die absoluten Optimisten, die nur das Positive sehen. Dann noch Menschen, die einfach alles unangenehme verdrängen. Und zuletzt die Menschen, die einfach ohnmächtig werden, nichts tun, in Depressionen verfallen. Doch die Menschen, die melancholisch werden, nehmen die Dinge, wie sie sind, akzeptieren sie und versuchen trotzdem auch das Positive zu sehen.

Es ist also mehr als okay und auch gesund, von Zeit zu Zeit melancholisch zu werden.

Wenn ich weinen will, weil ich gerade irgendwie aus welchen Gründen auch immer traurig bin – dann darf ich das, ohne mich schlecht zu fühlen, ohne gleich zu denken, dass etwas mit mir nicht stimmt.

Ich will nicht um jeden Preis, dass es mir wieder gut geht und ich lächeln kann. Nein, ich will mich dieser Traurigkeit hemmungslos hingeben, einfach nur heulen und gut ist. Ich will nicht, dass mir der Schmerz, der Wehmut genommen wird. Ich will mich darin baden, das auskosten. Auch wenn es seltsam klingt.

Und ich will auch nicht darüber reden, ich will die Melancholie mit niemandem teilen, will sie für mich behalten. Sie gehört nur mir allein, ich will, dass es nur uns beide gibt, mich und meine Melancholie. Nur uns gehört dieser Moment der Stille, der Traurigkeit, der Tränen.

Seit dem ich alleine lebe, kommt die Melancholie öfter zu mir. Und sie bleibt, sie ist meine Begleiterin. Aber ich freue mich, dass sie da ist, heiße sie willkommen. Sie bringt mich zum Nachdenken, zum Reflektieren, durch sie beschäftige ich mich auch mit den schmerzhaften Dingen in mir und meinem Leben. Sie ist für mich der Impuls, mich mit meinen nicht so schönen Gefühlen auseinanderzusetzen.

Es mag paradox klingen, aber ich genieße diese traurigen Momente irgendwie. Ein bisschen Herzschmerz schadet nicht. Denn nur durch den Kontrast von Glück und Leid wird das Leben erst so tief, vielfältig, so bereichernd.

Es ist nicht so, dass ich der Melancholie ewig hinterherhänge. Sie bleibt nur kurz, schaut aber immer mal vorbei. Aber ich bin offen für sie, sie ist bei mir willkommen und bereichert mein Leben. Nach jedem Besuch von ihr fühle ich mich befreiter und gestärkter und habe das Gefühl, wieder glücklicher zu sein, vielleicht auch dankbar für das, was ich habe.

Darum plädiere ich dazu: Lasst uns öfter mal Melancholie und Traurigkeit zulassen, solange sie uns nicht im Leben einschränkt und psychisch belasten. Sie sind wichtig für uns und unser Leben. Wir brauchen diese Momente der Stille, des Rückzugs in uns selbst, der Reflexion und auch der Wehmut, um die Dinge ein wenig klarer zu sehen.

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