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Warum ich nicht mehr an die eine große Liebe fürs Leben glaube

 

Lebensgefährte“ ist ein gängiger Begriff, mit dem Erwachsene ihre Partner*innen bezeichnen. Aber sollte es nicht doch eher „Lebensabschnittsgefährte“ heißen?


Wie nennt man den Menschen an seiner Seite, den man liebt und mit dem man sich eine Zukunft aufbauen will, wenn man schon erwachsen ist? Dazu gibt es viele Meinungen, die weit auseinander gehen.

Viele würden sagen, dass „Freund“ oder „Freundin“ zu sehr nach Teenager-Zeit klingt, zu unreif. Man verbindet mit den Worten eher oberflächliche, nicht so ernste Beziehungen, die kaum Bedeutung und Zukunft haben. Man wechselt eben alle paar Monate oder Jahre die Freundin oder den Freund. Sie kommen und gehen wieder. Alle irgendwie schon austauschbar.

Lebensgefährte“ wird da viel lieber von erwachsenen Personen gewählt. Das klingt schon wesentlich erwachsener, ernster und vor allem viel verbindlicher. Das ist eine Person, mit der ich mir eine Zukunft vorstellen kann und aufbauen will. Eine besondere Person in meinem Leben, mit der ich noch sehr lange glücklich zusammen sein will. Lebensgefährte klingt so nach – die eine Person für hoffentlich immer.

Aber ich finde, dass dieses Wort mit zu vielen hohen Erwartungen aufgeladen ist. Und mit einer zu großen Verbindlichkeit, der nicht jeder Beziehungspartner gerecht wird. Ich würde damit wirklich nur jemanden bezeichnen, bei dem ich mir ganz sicher bin, dass das noch ganz ganz lange halten wird. Aber ganz ehrlich: Ich glaube nicht mehr daran, dass wir nur einen „Lebensgefährten“ haben. Wir haben genau genommen mehrere Lebensgefährten. Und das wiederum bedeutet für mich, dass ich lieber einen anderen Begriff wählen würde.

Treffender finde ich dann doch den Begriff „Lebensabschnittsgefährte“. Auch wenn das Wort alles andere als positiv aufgefasst wird.


Warum das Wort „Lebensgefährte“ problematisch ist

Aber warum wird das Wort so selten wirklich verwendet und ruft so negative Assoziationen hervor? Weil darin mitschwingt, dass der „Lebensabschnittgefährte“ eine Person ist, mit der ich eben nur über einen bestimmten Lebensabschnitt zusammen bin. In dem Wort selbst spiegelt sich die Annahme wider, dass die Beziehung nicht für immer ist, sie ist zeitlich begrenzt, das Ende ist schon vorprogrammiert. Und man will sehr ungern mit der Annahme in eine Beziehung gehen, dass sie auch wieder endet. Aber seien wir ganz ehrlich: Damit muss man eben rechnen. Zu glauben, dass eine Liebe ewig hält, ist alles andere als realistisch.

Lebensgefährte dagegen klingt viel romantischer, weil dahinter die Vorstellung steckt, dass es eine Person ist, mit der ich mein Leben verbringen will. In den meisten Fällen erfüllt sich dieser Wunsch aber nicht. Die meisten Beziehungen haben einen Anfang und ein Ende. Sehr selten halten Beziehungen wirklich für ein Leben lang. Auch wenn viele von uns von lebenslanger Monogamie träumen, leben wir doch eher eine serielle Monogamie. Wir sind immer nur mit einer Person zusammen, lieben diese, sind ihr treu. Aber wir wechseln die Partner*innen, mit denen wir jeweils monogam zusammen sind.

Und so wird aus den meisten Lebensgefährten eben doch Lebensabschnittsgefährten. Die meisten von uns haben im Laufe unseres Lebens nacheinander mehrere Partner*innen. Und das ist doch auch vollkommen okay. Doch viele träumen davon, diese Eine oder diesen Einen zu finden. Diese eine große Liebe, die für immer hält. Und sind jedes Mal aufs Neue enttäuscht und verletzt, wenn die Beziehung endet und sich die große ewig haltende Liebe als Illusion herausstellt.

Und darum tendiere ich auch zum „Lebenabschnittsgefährten“. Weil das einfach ehrlicher und authentischer ist, weil es realistischer ist, davon auszugehen, dass wir einen Partner an unserer Seite haben, der uns einen größeren oder auch kleineren Abschnitt unseres Lebens begleitet. Weil es den Druck raus nimmt, nach der einen großen Liebe zu suchen, die ein Leben ausreicht. Weil wir uns dann vor anderen potenziellen Partner*innen verschließen, mit denen wir zumindest für eine bestimmte Zeit glücklich sein können. Klar wäre es schön, jemanden zu finden, mit dem man alt werden kann. Aber die meisten finden solch einen Partner nicht. Sind sie deswegen unglücklicher? Ich glaube nicht.


Der richtige Partner zu einem bestimmten Zeitpunkt

Vor Kurzem habe ich mit einer Freundin genau über dieses Thema gesprochen. Sie erzählte mir von der Mutter einer Freundin, die genau drei Lebensabschnittspartner*innen in ihrem Leben hatte. Und sich auch bewusst für diese Partner*innen entschieden hatte und wusste, wofür diese Beziehungen bestimmt waren. Sie sagte ungefähr so etwas: „Es gab einen Partner in meiner Jugend, mit dem ich viel Spaß hatte und die Jugend genießen konnte. Dann gab es einen Partner und nur diesen einen, mit dem ich mir vorstellen konnte, Kinder zu bekommen. Mit ihm habe ich eine Familie gegründet. Und jetzt habe ich einen Partner an meiner Seite, mit dem ich alt werden will.“

Was dahinter steckt: Sie hat immer ganz genau gewusst, was sie an diesen Partnern hatte und dass diese Beziehungen für bestimmte Zwecke da waren, dass sie zeitlich begrenzt waren. Das klingt jetzt sehr rational und alles andere als romantisch. Aber sie hat sich nicht die Illusion gemacht, zu glauben, dass ihre Jugendliebe für immer andauern wird. Sie wusste, dass ihr erster Freund nicht die Person sein wird, mit der sie mal eine Familie haben wird. Ihre jeweiligen Partner waren vielleicht nicht die eine große Liebe, aber sie waren genau die richtigen Menschen zu einer bestimmten Zeit in ihrem Leben.

Menschen verändern sich im Laufe des Lebens. Unsere Vorlieben, Interessen, Bedürfnisse, Wünsche, Werte und Ansichten und unsere Persönlichkeit sind einem steten Wandel unterworfen. Wie können wir dann jemals davon ausgehen, dass wir einen Menschen finden, der immer das ganze Leben lang der Richtige für uns ist, wenn wir doch nicht immer ein und dieselbe Person bleiben? Davon mal abgesehen macht es doch enorm Druck, wenn wir von einer Person erwarten, dass sie alle unsere Bedürfnisse befriedigt.


Keine Happy End in Sicht

Vor zwei Jahren hatte ich mich bereits mit dem Thema „Gibt es denRichtigen“ beschäftigt:  Seitdem ist doch vieles passiert, was meine Ansicht darüber geändert hat.

Ich selbst war lange Zeit der Illusion erlegen, dass meine Jugendliebe die eine große Liebe fürs Leben ist. So geht es uns allen vermutlich mit der ersten Liebe. Anfangs sind wir alle naiv, gehen vom Besten aus, sind jung und unerfahren und wissen nicht, welch Herausforderungen und Krisen das Leben bereithält.

Als ich mich von meinem Mann trennte, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich zu lange an eine Illusion geglaubt hatte und mich deswegen so schwer von ihm lösen konnte. Ich wollte unbedingt, dass das mit uns klappt. Ich hing so sehr an unserer so perfekten Geschichte, die so märchenhaft begann, dass ich nicht erkannte, wie sehr ich mich damit belogen hatte. Ich sehnte mich unbedingt nach einem Happy End, obwohl klar war, dass es einfach kein Happy End mehr geben würde.

Lange Zeit dachte ich, dass ich so glücklich war, gleich den Richtigen gefunden zu haben. Während andere viele Beziehungen durchleben musste, um den Richtigen zu finden, hatte ich ihn sofort.

Doch mit den Jahren veränderten wir uns beide, ich mich mehr als er sich. Irgendwann passte es einfach nicht mehr. Es war schmerzhaft, das zu erkennen und daraus auch Konsequenzen zu ziehen. Ich glaubte, ich käme mit unseren Unterschieden klar. Doch ich hatte mich sehr getäuscht. Er war vielleicht in meiner Jugend und Studienzeit der Richtige oder Passende für mich. Aber jetzt nicht mehr.

Das dachte ich mir bei meiner ersten großen Liebe, bei der ich so sicher war, den Richtigen gefunden zu haben. Aber inzwischen vermute ich auch, dass es den Richtigen nicht gibt. Zumindest nicht fürs Leben. Vielleicht eher den Richtigen für eine bestimmte Zeit. Besser wäre es davon auszugehen, dass wir passende Partner*innen finden. Davon gibt es so einige.


Glaube an die große Liebe verloren

Seit meiner ersten Trennung glaube ich nicht mehr an die eine große Liebe. Mit jeder neuen Beziehung wünsche ich mir natürlich, dass die Liebe lange hält, man lange zusammen bleibt. Aber ich bin nicht mehr so naiv, zu glauben, dass es für immer hält. Ich gehe nicht mehr mit der Erwartung rein, dass das bis ans Lebensende halten muss. Das macht mich gelassener, führt zu weniger Erwartungsdruck auf beiden Seiten. Wenn es nicht klappt, ist das traurig, keine Frage, aber es ist kein Weltuntergang. Trennungen passieren. Denn ich weiß, dass ich das durchstehen werde und es noch andere Partner*innen gibt, die zu mir passen.

Trennungen sind hart und es tut weh, wenn eine Beziehung mal wieder endet. Aber es gibt auch immer Gründe dafür. Etwas Schönes muss enden, damit etwas noch Besseres entstehen kann. Damit will ich nicht sagen, dass wir künftig nicht mehr um eine Beziehung kämpfen sollen. Wenn wir an ihr und dem Partner hängen, ihn noch lieben, uns mit der Person verbunden fühlen und eine Zukunft wollen – dann go for it!

Aber wenn man doch mehr zweifelt, nicht zufrieden oder gar unglücklich ist und öfter an Trennung denkt, dann wäre es vielleicht doch an der Zeit, die Beziehung zu beenden. In jeder Trennung, in jedem Ende steckt auch ein Anfang und viel Potenzial für etwas Neues und Besseres.


Warum wir an die große Liebe fürs Leben glauben wollen

Und darum denke ich, ist es falsch anzunehmen, dass wir uns unbedingt nach dieser großen Liebe, die für immer hält, suchen sollten. Gegen Sehnsucht kann man schlecht etwas tun. Aber es gibt so viele Menschen, die für uns passend zu einer bestimmten Zeit sein können. Statt uns immer nur auf das Ziel zu konzentrieren, sollten wir auch den Weg genießen. Vielleicht gibt es den Richtigen, die Richtige, aber vielleicht auch nicht. Aber das ist doch auch nicht schlimm, wenn wir sie oder ihn nicht finden. All die anderen Beziehungen, die wir führen, sind auch unglaublich wertvoll und können uns auch glücklich machen.

Und nur weil eine Beziehung eben nicht ein ganzes Leben hält, ist sie deswegen nicht gescheitert oder schlecht oder sinnlos gewesen. Wir haben so ein negatives Bild von Trennungen. Natürlich sind sie mit Abschied, Trauer, Schmerz, Verletzungen und viel Kummer verbunden. Aber aus jeder Trennung gehen wir auch gestärkt hervor.

Mit jeder neuen Beziehung und mit jeder Trennung nehmen wir so viel mit, wir lernen so viel über uns, unsere Muster, was wir wollen und wie wir lieben wollen. Wir wachsen mit jeder neuen Beziehung und den Erfahrungen mit dem neuen Partner. Jede Beziehung trägt zu unserer Weiterentwicklung bei. Darum wäre es doch eigentlich schade, wenn wir nur diesen einen Partner im Leben haben würde. Wir wüssten gar nicht, wie sich Liebeskummer und Trennungsschmerz anfühlt. Denn auch das gehört zur Liebe dazu.


Trennungen sind schmerzhaft, aber notwendig

Beziehungen können meiner Meinung nach nicht wirklich scheitern. Sie gehen zu Ende, weil das auch einfach der natürliche Lauf ist. Vielleicht wünschen wir uns so sehr eine lebenslange Liebe, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass alles endlich ist. Auch unser eigenes Leben. Wir suchen Halt in einem Leben, das von Veränderungen, von Abschied, Loslassen und Verlusten geprägt ist. Diese eine große Liebe soll uns Halt geben, ist unser sicherer Hafen in Zeiten der Veränderungen. Auch wenn sich alles ändert, die Liebe bleibt dieselbe. Wir sehnen uns nach einem Menschen, der unsere Konstante im Leben ist, der sich mit uns zusammen weiter entwickelt, einen gemeinsamen Weg mit uns geht. Da ist die Sehnsucht nach einer Person, bei der wir uns angekommen fühlen. Vielleicht haben wir auch Angst davor, am Lebensende allein zu sein und vielleicht auch allein zu sterben. Um diese Angst zu mindern, suchen wir nach diesem einen Partner, mit dem wir unser Leben teilen können.

Das ist eine sehr schöne Vorstellung, aber verschließt uns die Augen vor der Realität. Auch Beziehungen sind von Wandel, von Anfängen und Abschieden geprägt. Warum sonst gehen wir immer wieder neue Beziehungen ein und trennen uns wieder, weil die Liebe weg ist, weil wir uns auseinander gelebt haben, weil es einfach nicht mehr gepasst hat? Vielleicht auch, weil wir uns erst einmal selbst finden müssen. Selbstfindung und Lieben hängen meiner Ansicht nach eng zusammen. Vielleicht finden wir den Richtigen erst viel später als gedacht, wenn wir wissen, wer wir sind und was wir wirklich wollen.

Ja, es ist traurig, wenn eine Beziehung endet, wenn man sich trennt. Aber es bleibt trotzdem etwas übrig. All die schönen Erinnerungen, die Gefühle, Erlebnisse, all das hat uns geprägt und macht uns zu dem Menschen, der wir sind.

Zurück zum Anfang: „Lebensabschnittsgefährte“ ist für mich alles andere als ein abwertender Begriff. Denn er sagt doch eigentlich nur die Wahrheit. Wir wissen nicht, ob die Person uns wirklich bis ans Lebensende begleitet. Aber eins ist sicher: Einen Abschnitt unseres Lebens wird sie uns definitiv begleiten.

Es ist okay, wenn wir eben mehrere Partner*innen in unserem Leben haben, mit denen wir unterschiedliche Erfahrungen sammeln konnten. Ich finde es sogar richtig wichtig. Statt mit der Erwartung durchs Leben zu gehen, einfach die Richtige oder den Richtigen zu finden, lasst uns doch unvoreingenommener an Beziehungen rangehen. Mal schauen, was daraus wird. Vielleicht ist es nur ein Partner auf Zeit, aber vielleicht ist es doch die große Liebe. Wer weiß? Lassen wir uns überraschen, was das Leben so bereithält.

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