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Zwischen Schuld und Sühne: Wenn die Vergangenheit einen einholt


An sich bin ich glücklich. Doch immer wieder befällt mich eine Melancholie. Und immer wieder kommen Schuldgefühle hoch, die mich selbst ein halbes Jahr nach der Trennung noch immer in meine Träume verfolgen.

Ich fühle mich schuldig. Schuldig, weil ich mich von meinem Mann getrennt habe, meiner ersten großen Liebe. Doch das ist nicht der einzige Grund, weswegen ich mich schuldig fühle. Ich habe ihm durch meine Lügen, durch die Affäre, so viel Schmerz bereitet, habe sein Vertrauen in die Liebe zerstört. Ich habe ihm so weh getan, dass eine Entschuldigung das niemals gut machen könnte. Und ich wünschte ich könnte es wieder gutmachen. Aber ich kann es nicht, ich bin nicht befugt, das zu tun.

In letzter Zeit denke ich wieder öfter an ihn. An uns, unsere gemeinsame Zeit, das was wir mal waren, was wir mal hatten. Mal sind es die schönen Erinnerungen, als alles noch so gut war zwischen uns, als wir noch richtig glücklich waren. Und mal sind es die letzten schmerzhaften Erinnerungen, die sich in mein Gedächtnis gebrannt haben: Er, total aufgelöst, fertig mit der Welt, verzweifelt, ohnmächtig, verloren, total am Weinen und komplett zerstört. Zerstört, weil ich ihm so weh getan habe.

Diese Erinnerungen fühlen sich so lebendig an, als wäre es gestern gewesen. Sie poppen immer mal wieder auf, tauchen vor meinem inneren Auge auf. Es fällt mir schwer, sie einfach wegzuwischen, zu präsent sind sie. Dabei ist es mittlerweile mehr als ein halbes Jahr her. Ich dachte, ich hätte die Trennung überwunden. Doch ich habe falsch gedacht. Ich bin noch längst nicht damit fertig. Nicht, dass ich mich nach dieser Beziehung zurücksehne oder ihn vermisse. Im Gegenteil: Ich bin gerade sehr glücklich in einer neuen Beziehung, die mich unglaublich erfüllt.


Schuldgefühle hindern ein Loslassen

Aber es ist diese eine Sache, die ich noch hinter mir lassen muss, um mich wirklich auf mein neues Leben zu konzentrieren: diese wahnsinnigen Schuldgefühle.

Es ist schwer, diese Schuldgefühle zu ignorieren und wahrscheinlich ist es nicht der richtige Weg, das zu versuchen. Lieber annehmen, akzeptieren und gelassener damit umgehen. Ich weiß, dass das besser wäre. Sie sind eben einfach da, sie wollen gefühlt werden, ich soll mich mit ihnen auseinandersetzen. Vielleicht werde ich dadurch auch ein Stück klüger werden und dann besser die Trennung verarbeiten können. Endlich.

Manchmal überkommen mich diese Erinnerungen und diese Gedanken an ihn. Dann erwischt es mich eiskalt und ich kann die Tränen nicht mehr aufhalten. Es hält nicht lange an, aber fühlt sich so intensiv an. Eine Mischung aus Traurigkeit, Wehmut, Schmerz, schlechtes Gewissen und Schuldgefühlen. Ja, besonders die Schuldgefühle sorgen dafür, dass ich wahnsinnig traurig werde, intensiv leide. Ich kann es nicht wirklich in Worte fassen, so intensiv fühlt es sich an, dass es mich komplett aus der Bahn wirft.


Opfer und Täter

Ich habe mir bis heute nicht verziehen, was ich damals getan habe. Ich habe ihn belogen, betrogen und dann einfach so verlassen. Ich habe ihm so weh getan, dass er jetzt so leiden muss. Ich bin schuld, dass er sich jetzt so fühlt, wie er sich fühlt. Ich kann es mir selbst nicht verzeihen, was ich ihm angetan habe. Das steht meinem inneren Frieden im Weg. Und da liegt vielleicht mein Denkfehler: Ich verfalle selbst wieder in eine Opfer-Täter-Dynamik.

Ich sehe mich selbst als die „Täterin“ an, ich habe ihm wehgetan, ich habe ihn belogen und betrogen, ich habe mich von ihm getrennt und ihn dadurch verletzt. Dabei gehören bei einer Trennung immer zwei Menschen dazu. Ich habe viel schlimmes getan und es mag unverzeihlich sein. Aber er hat auch seinen Teil zu der Krise beigetragen. Wir beide haben Fehler in der Beziehung gemacht, wodurch es zur Trennung kam. Ich will mein Verhalten auf keinen Fall entschuldigen, ich bin dafür verantwortlich. Aber er hat auch etwas dafür getan, dass ich mich so verhalten und entschieden habe. Ich habe ihn betrogen, weil es wichtige Bedürfnisse gab, die in der Beziehung nicht erfüllt wurden, weil ich nicht gesehen wurde. Und weil es einfach nicht mehr zwischen uns gepasst hatte, weil wir uns auseinandergelebt haben. So vieles lag davor schon in der Beziehung im Argen. Die Affäre war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, ein Symptom des eigentlichen Problems in der Beziehung.

Aber es bringt nichts, in dieses Opfer-Täter-Denken zu verfallen, weil wir beide unseren Anteil hatten. Von Schuld zu sprechen ist vielleicht auch nicht gerade zielführend. Und es bringt auch nicht wirklich weiter. Was bringen mir diese Schuldgefühle wirklich? Ich verfalle in ein Loch und fühle mich schlecht. Da kommt nichts Positives bei raus. Was hat er davon, wenn ich mich schlecht fühle? Auch nicht wirklich viel.


Nicht verantwortlich für das Glück des anderen

Die Schuldgefühle verfolgen mich, weil ich, auch wenn es seltsam klingt, doch noch immer sehr mit ihm mitfühle. Für mich ist und bleibt er eben ein wichtiger Mensch in meinem Leben. Und ihn so leiden zu wissen, tut auch mir wahnsinnig weh. Darum fiel mir die Trennung auch so schwer. Ich wollte ihm nicht wehtun, ihm zuliebe bleiben, auch wenn es sonst nichts gab, was mir wirklich in der Beziehung hielt. Ich wollte nicht, dass er unglücklich ist. Ich war bereit, mein Glück dafür aufzugeben, damit er glücklich bleibt.

Es ist gut, mitfühlend zu sein. Aber nicht so mitfühlend, dass man dabei sich selbst vergisst. Und das ist eben das, was ich vor allem während der Trennung tat. Ich hatte den Fokus so sehr auf ihn und sein mögliches Unglück, dass ich mich selbst dabei nicht mehr gesehen habe. Immer wenn ich über die Trennung nachdachte, fühlte ich mich wahnsinnig traurig und schlecht – seinetwegen. Nicht, weil ich so sehr darunter leiden würde, sondern wusste, wie sehr ihm das wehtun würde, wenn ich ihn verlassen würde. Das tat mir mehr weh als alles andere.

Um die Trennung wirklich zu verarbeiten, brauche ich aber emotionalen Abstand. Das ist für mich ein Problem, da ich generell ein sehr mitfühlender Mensch bin. Aber es ist wichtig, dass ich da eine Grenze ziehe und mich nicht zu sehr von seinen Gefühlen vereinnahmen lasse. Seine Gefühlen gehören ihm und ich sollte sie nicht zu sehr teilen.

Ich bin nicht für sein Glück verantwortlich. Es fällt schwer, mir das einzugehen und das anzunehmen. Anscheinend war ich emotional doch so sehr mit ihm verbunden, dass es mir so wehtut, wie es ihm wehtut. Als ob ich mit ihm verschmolzen wäre. Doch wir sind zwei verschiedene Menschen und für uns selbst verantwortlich. Ich bin nicht dazu da, für sein Glück zu sorgen, seine Bedürfnisse zu erfüllen. Und wenn einer von uns in der Beziehung unglücklich ist, hat er ein gutes Recht darauf, zu gehen.

Empathie ist gut, aber wie steht es mit meinem Selbstmitgefühl? Anscheinend habe ich für mich selbst den Blick verloren, wie ich mich all die Zeit gefühlt habe, dass ich auch gelitten habe, dass ich auch unglücklich war.

Da ist immer noch dieser Glaubenssatz da, dass ich nicht egoistisch sein darf. Aus meiner Sicht war die Trennung ein Akt des Egoismus. Es ging nur um mich, genauso während meiner Affäre. Es war egoistisch, so zu handeln und mich von ihm zu trennen.

Aber es ist nicht egoistisch, das zu tun. Von diesem Denken wegzukommen, stellt für mich eine große Herausforderung dar. Es ist nicht egoistisch, mich von einer Beziehung loszulösen, die mir nicht mehr gut tut. Es ist eine Form der Selbstliebe, Selbstfürsorge. Schon lange hätte ich das tun sollen, aber ich bin geblieben, weil ich sein Glück über mein eigenes gestellt habe. Ein vermeintliches Glück, das eigentlich keins war. Ich habe mich selbst belogen. Die ganze Zeit nur zu mir selbst „Nein“ gesagt. Doch damit ist jetzt Schluss.


Ich verdiene es nicht, glücklich zu sein

Hinzu kommt, dass ich jetzt glücklich bin. Und vielleicht kommen daher auch die Schuldgefühle: Ich denke, dass ich dieses Glück nicht verdient habe. Ich habe dafür ein anderes Glück zerstört, ihn unglücklich gemacht, um mich glücklich zu machen. Es ist nicht fair, dass ich jetzt glücklich bin und er nicht. Das habe ich nicht verdient, nachdem, was ich ihm angetan habe. Es ist so als würde ich mich selbst bestrafen, mir mein eigenes Glück nicht gönnen, um Buße zu leisten. Weil ich Schuld auf mich geladen habe und mir am wenigsten vergeben kann. Wieder die Opfer-Täter-Dynamik. Und wieder dieser Glaubenssatz, dass ich sein Glück bestimme.

Ich fühle mich schuldig, weil ich manchmal doch an meiner Entscheidung für die Trennung zweifle: War es wirklich richtig? Hätte ich unserer Beziehung vielleicht nicht doch eine zweite Chance geben sollen? Hätte ich mich anders verhalten sollen, damit es nicht so weit kommt? So viele „Was-wäre-wenn“-Gedanken in meinem Kopf. Und die größte Frage: Was wäre gewesen, wenn ich ihm das alles nicht angetan hätte und mich früher von ihm getrennt hätte? Dann wäre ihm so viel mehr Leid erspart geblieben. Dann hätte ich ihn nicht so traumatisch, vollkommen zerstört zurückgelassen. Wegen mir wird er vielleicht nie mehr so richtig glücklich, nie mehr so richtig vertrauen und lieben können. Ich habe ihm sozusagen die Unschuld genommen.

Aber es bringt nichts, sich in solchen Szenarien zu verlieren. Es ist jetzt so, wie es ist. Und es gibt einen Grund, warum es so gekommen ist. Statt darüber zu grübeln, was ich hätte besser machen können, sollte ich die Wahrheit eben einfach akzeptieren. Ich habe damals so gehandelt, wie ich es für richtig hielt. Punkt. Und jetzt sollte ich lernen, mit den Konsequenzen zu leben.

Was wäre Alternative gewesen? Weiterhin in einer Beziehung zu bleiben, in der ich mich unglücklich fühle? In der ich ihn eventuell noch mehr wehgetan hätte, wenn es wieder passiert wäre. Wenn ich wieder die Trennung in den Raum geworfen hätte und er dadurch noch mehr gelitten hätte.

Es ist besser, einen endgültigen Cut zu setzen, als uns beide auf eine Geduldsprobe zu stellen, immer zu zweifeln, wankelmütig zu sein, mal Ja, mal Nein zu der Beziehung zu sagen. Am Ende ist es wahrscheinlich so das Beste für uns beide, dass es so passiert ist.


Ich vergebe mir selbst

Ich glaube, dass ich mich vor allem schuldig fühle, weil ich Fehler begangen habe, ihm Leid zugefügt habe, die ich mir einfach selbst nicht verzeihen kann. Ich fühle mich schlecht, weil ich jetzt von mir selbst denke, dass ich ein schlimmer Mensch bin. Aber die Wahrheit ist: Ich bin kein schlechter Mensch. Ja, ich habe schlimme Dinge getan, Fehler, die ich hätte nicht tun sollen. Aber sie gehören jetzt zu meinem Lebensweg, haben mich geprägt, mich zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin. Ich sollte diese Fehler begehen, um etwas daraus zu lernen.

Sich in Selbstmitleid zu suhlen, mich selbst zu verurteilen, für etwas, was ich nicht mehr rückgängig machen kann, bringt mich nicht weiter. Was nützt es mir, wenn ich mich selbst schlecht mache und mir mein eigenes Glück am Ende vielleicht wieder verbaue?

Fehler sind da, um daraus zu lernen. Ich entscheide, wie ich damit jetzt umgehe. Ich kann mich weiter bemitleiden, weiter verurteilen, weiter Buße leisten und schlecht fühlen.

Ich kann aber auch mit mir selbst mitfühlend sein, mir sagen, dass es okay ist, dass ich Fehler gemacht habe. Dass ich trotzdem kein schlechter Mensch bin, sondern, dass ich trotzdem wertvoll und liebenswert bin. Und vor allem kann ich mir selbst verzeihen, für das, was ich getan habe. Ich bin trotzdem okay, gut so wie ich bin. Ich bin nicht das, was ich getan habe. Und ich habe trotzdem Glück und Liebe verdient.

Ich kann aus meinen Fehlern lernen, kann über diese und das Ende meiner ersten Beziehung reflektieren und herausfinden, was schief gelaufen ist und was ich jetzt künftig besser machen kann. Damit diese Fehler nicht noch einmal passieren.

Auch wenn er mir niemals verzeihen wird. Dann ist das okay und auch total verständlich. Aber wenigstens ich sollte lernen, mir selbst zu vergeben. Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient und das ist für mich nicht nur ein abgedroschener Spruch.

Die Schuldgefühle sind präsent, sie wollen gefühlt und nicht verdrängt werden. Ich nehme sie an, bewerte sie nicht. Sie werden mit der Zeit hoffentlich weniger werden. Ich versuche, sie irgendwie umzuwandeln, aus ihnen zu lernen – um sie am Ende loszulassen.


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