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Warum mir Singen so viel gibt



Es beginnt mit einem leisen Summen. Eine innere Bewegung rhythmisch zum Takt der Melodie. Ich öffne die Lippen, meine Stimme erklingt. Erst leise, dann immer lauter und lauter. Und plötzlich ist er da: der Flow, auf den ich die ganze Zeit gewartet habe. Gepaart mit einer Gefühlsexplosion. Das ist Singen für mich. Ich liebe es. Es ist eine Leidenschaft, die ich so lange vernachlässigt und endlich wieder für mich entdeckt habe.


Ich habe schon immer gesungen, seit ich denken kann. Als Kind, als Jugendliche und auch jetzt noch als junge Erwachsene. Ähnlich wie Musik hat mich das Singen immer begleitet. Beides geht Hand in Hand, lässt sich nicht trennen.


Singen als Lebensbegleiter

Schon in der Grundschule habe ich gern gesungen, selbst im Unterricht. Obwohl ich damals noch viel schüchterner war als heute. Es war eine Hürde, die ich doch jedes mal mit Bravour überwunden habe. Wenn ich vorne stand und dann endlich zu singen begann. Es fühlte sich an als ob die Zeit stillen stehen. Singen ist mein Element. Etwas, worin ich förmlich aufgehe. Vielleicht fiel es mir deswegen nicht so schwer, vor anderen zu singen. Weil ich in meinen Gesang glaubte und vollkommen mit mir im Reinen war. Meine Stimme hat mir damals wie heute Kraft gegeben.

Flashback. Paar Jahre später: Ich sitze mit meiner damals besten Freundin auf einer Schaukel, jede für sich. Wenig später steht jede vor der anderen und singt voller Inbrunst. Egal, was die anderen Leute von uns dachten. Wir sangen all das heraus, was in uns steckte. Wenn es magische Momente im Leben gibt, dann waren es genau diese, in denen ich keine Angst hatte. In denen ich so laut sang, um mit meiner besten Freundin in Verbindung zu sein, stärker als zuvor.

Schon von klein auf, habe ich regelmäßig Ohrwürmer gehabt von Liedern, die mich einfach total gepackt hatten. Das fing erst mit Songs aus Anime an und ging weiter bis zu Songs, die ich im Radio regelmäßig hörte. Vielleicht habe ich ja auch ein gutes Textgedächtnis, aber die einzelnen Phrasen und Liedtexte haben sich seit damals eingebrannt. Noch heute kann ich viele der damaligen Lieder aus Kinder- und Jugendzeiten nahezu in- und auswendig. Die Texte und die Musik haben sich so eingeprägt und mitten in mein Herz getroffen. Gerade weil Musik so viele Gefühle auslösen kann und auch mit Erinnerungen eng verknüpft wird, fällt es mir so leicht, mir die Songtexte zu merken, Besonders wenn es schöne sind.

Ganz besonders schön fand ich damals in der Jugend das gemeinsame Singen mit Freunden. Mein bester Freund hat das Spiel „Singstar“ für die Playstation, was wir immer wieder zusammen bei gemeinsamen Treffen oder Geburtstagen spielten. Das hat so einen wahnsinnigen Spaß gemacht! Ob gegeneinander oder miteinander, ich bin da förmlich aufgeblüht. Singen allein ist schon toll, aber Singen in der Gemeinschaft umso mehr. Nicht nur die eigene Stimme zu vernehmen, sondern auch die der anderen, schweißt Freunde noch mehr zusammen.


Singen im Wandel der Zeit

In den letzten Jahren habe ich zwar auch immer wieder gesungen, aber es war nicht mehr dieser Flow, den ich früher spürte. Ab und an packte es mich doch und ich wollte unbedingt singen. Und dann konnte es auch mal passieren, dass ich gut eine halbe bis ganze Stunde damit nicht mehr aufhören konnte.

Diese Flowmomente stellten sich leider eher nicht ein, wenn ich mir feste Zeiten dafür suchte, um zu singen. Singen auf Kommando ist nicht das, wonach ich mich gesehnt habe, nicht das, was mir so viel gibt. Es war eher so ein halbherziges Singen, nur um gesungen zu haben. So ist das mit vielen Dingen, die man eigentlich leidenschaftlich gern macht, aber dann eher als Pflicht sieht. Außerdem behagte es mir ehrlich gesagt nicht so sehr, dass im Nebenraum noch jemand war und das ganze hörte. Und sich über meinen Gesang auch noch lustig machte und kritisierte. So richtig befreiend war das mit dem Singen dann auch nicht.


Endlich gehört mein Gesang nur mir allein

Doch seit ungefähr einem dreiviertel Jahr ist das anders geworden. Ich wohne inzwischen allein, hab die Wohnung ganz für mich. Und das Schöne: Ich kann jederzeit singen und es hört mir keiner zu und macht Witze darüber. Das ist so herrlich! Ich habe an sich kein zu großes Problem damit, wenn man mir zuhört. Aber wenn ich weiß, dass derjenige es nicht wertschätzt, sondern das auch noch kritisiert, macht das eben weniger Spaß.

Seitdem ich allein wohne, singe ich wesentlich mehr. Ich gehe nicht mehr nach festen Zeiten, sondern nach Lust und Laune. So wie es eben sein sollte. Und singe dadurch auch viel lebendiger und öfter, als ich es davor tat. Es macht wahnsinnig viel aus, wenn man wirklich nur für sich singt.

Okay, vielleicht hören meine Nachbarn über und neben mir unfreiwillig zu, aber die kann ich geschickt ausblenden.

Vielleicht mag es daran liegen, dass ich gerne die Stille brechen und nicht nur die ganze Zeit mit mir selbst reden will, um eine Stimme zu hören. Sozusagen als Ersatz für all die Gespräche, die ich früher im gemeinschaftlichen Leben geführt habe.


Warum mir Singen so wichtig ist

Aber es ist mehr als das. Singen ist für mich in letzter Zeit noch wichtiger geworden, als eine Art Ventil, um all die Gefühle, positiver oder negativer Art, einfach herauszulassen. Denn ich weiß: Nach jedem Singen, egal, wie lang, fühle ich mich einfach viel besser als zuvor. Es ist für mich mein Wundermittel gegen schlechte Laune oder zu viele Grübeleien.

In dem Moment, in dem ich singe, fühle ich meine Emotionen sehr intensiv. Es ist eine Art und Weise, Gefühle auszudrücken, die Worte allein niemals schaffen würden. Und ja, ich spüre ganz genau nach, was da tief in mir drinnen ist. Teilweise ist es so, dass mit dem Singen Gefühle aufkommen, von denen ich nicht wusste, dass sie tief in mir drinnen sind. Es ist fast so als würde das Singen gewisse innere Fesseln lösen, damit alles rauskann.

Und ich halte diese Gefühle aus, während ich singe. Erlebe eine emotionale Achterbahn. Und das ist genau richtig so. Denn das wollen Gefühle: einfach nur mal gefühlt werden. Und dann wird es leichter. Das weiß ich. Wenn ich traurig bin, singe ich einfach. Auch wenn ich vielleicht nicht so in der tollen Stimmung dafür bin. Doch sobald ich angefangen habe, bin ich voll drin und kann beinahe nicht mehr damit aufhören. Singen macht einfach süchtig.

Wenn einfach alles zu viel wird, wenn mich die Trauer zerfrisst, wenn der Ärger mich packt oder ich einfach Sorgen habe – dann singe ich. Singen hilft mir, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Es ist fast so, als würde ich all den emotionalen Ballast einfach so beim Singen loswerden. Als ob er sich in Luft auflösen würde – auch wenn es nur ein kurzer Moment ist.


Gedanklich nur im Hier und Jetzt

Während ich singe, vergesse ich alles um mich herum. Mögen noch tausend Gedanken davor in meinem Kopf gewesen sein – sie sind dann einfach weggeblasen. Für mich ist Singen auch eine Art von Achtsamkeit und Meditation. Das Denken hört einfach auf. Denn ich bin während des Singens komplett bei mir. Ich spüre in mich hinein, fühle meinen Körper und das, was ich im Moment in mir habe. Die ganze Konzentration liegt nur auf meiner Stimme, auf den Text und die Töne, die ich singe. Das geht auch einfach gar nicht, an etwas anderes zu denken, ohne raus zu sein. Um komplett im Singen aufzugehen, braucht es absolute Konzentration.

Ich denke nicht mehr an die Vergangenheit oder das was noch kommt. Das zählt alles nicht mehr. Was allein zählt, ist der Moment im Hier und Jetzt. Es gibt für mich kaum eine andere Methode, um wirklich mal herunterzukommen, zu entschleunigen und inneren Frieden zu finden.


Singen für die eigene Selbstentfaltung

Das hat ganz sicher auch etwas mit dem zu tun, was im Körper passiert. Es ist schön, den Klang der eigenen Stimme zu hören. Die Vibrationen, die damit einher gehen, sowohl innerlich als auch äußerlich. Ich spüre meinen Körper dadurch noch viel intensiver, bin mit mir selbst viel mehr in Verbindung. Das ist unglaublich heilsam.

Meine Stimme ist für mich mein liebstes Instrument. Ich habe sie immer dabei, ich kann sie jederzeit, ganz ohne Probleme, nutzen. Immer und überall, wenn ich es will.

Zu singen ist für mich ein Ausdruck meines Ichs, meiner ganz individuellen Persönlichkeit. Jede Stimme ist einfach einzigartig, nicht vergleichbar, gibt es nur einmal auf der Welt. Und diese besondere Stimme gehört mir. Ich bin diejenige, die der Stimme zur Entfaltung hilft. Und schlussendlich bedeutet Singen für mich auch die Entfaltung meines Inneren. Ich trage das, was in mir ist, nach außen. Ich teile mein Inneres mit der Welt.

Mit meinem Gesang erschaffe ich etwas, auch wenn es nicht von Dauer ist. Es sei denn, ich nehme es irgendwie auf. Vielleicht ist es auch die Vergänglichkeit dahinter, die dem ganzen eine bittersüße Note verpassen. Meine Stimme, das Lied, was ich singe, das ist nur für diesen einen Augenblick. Und den genieße ich in vollen Zügen.

Es bereitet mir Spaß, mich selbst beim Singen zu hören. Ich mag vielleicht kein Talent haben aber es reicht, wenn es in meinen Ohren einfach schön klingt. Jeder kann singen, nicht alle gut, aber jeder kann es. Es ist für jeden eine Möglichkeit, sich selbst noch mehr zu spüren, mit sich Frieden zu schließen.


Wenn Gefühle und Erinnerungen beim Singen hochkommen

Es gibt Momente, in denen dann auch traurige Erinnerungen hochkommen. Das ist total normal. Aber das liebe ich eben am Singen. Es ist so eng mit der eigenen Gefühlswelt gekoppelt, dass ich vom Gesang selbst berührt und ergriffen bin. Viele Lieder, die ich singe, haben eine persönliche Bedeutung für mich. Sie sind nicht nur ausschließlich schön, sie tragen auch ein Stück meiner eigenen Lebensgeschichte. Und da ist es normal, dass auch Erinnerungen auftauchen, die mich kurz einmal wehmütig machen. Und wenn ich dann weine, dann ist das vollkommen normal und okay. Das ist dann auch ein Teil der Verarbeitung, um das Schmerzhafte loszulassen, Stück für Stück.

Doch ich weiß: Am Ende wird es mir wieder gut gehen. Es fühlt sich richtig und gut an. Singen ist eben eine tolle Therapie, danach stellt sich Entspannung ein, wo vorher vielleicht noch Anspannung war.

Singen kann so wahnsinnig befreiend sein. All das, was ich sonst so behutsam vor anderen und vielleicht auch vor mir verstecke oder verdränge – das kommt spätestens beim Singen einfach wieder hoch. Singen ist für mich einfach Freiheit und ein über mich selbst hinaus wachsen. Singen ist Loslassen. Denn nur, wenn ich mich dem hingebe, kann ich meine Erfüllung finden.


Mehr Selbstvertrauen und Mut

Und schlussendlich stärkt das Singen auch mein Selbstbewusstsein, lässt mich mutiger und stärker werden. Ich erinnere mich noch an den einen Karaokeabend mit meinem Freund. Ich wollte unbedingt einmal Karaoke in einer Bar ausprobieren. Gleichzeitig war ich auch total aufgeregt und hatte Angst, vor den ganzen Leuten und im Mittelpunkt zu stehen. Aber wisst ihr was?

Scheiß drauf, habe ich gedacht, ich habe es trotzdem getan! Obwohl ich Angst hatte! Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Gleichzeitig hatte ich auch einfach vom Singen so viel Selbstvertrauen. Ich wusste, dass ich es schaffen würde und dass mein Gesang auch gut genug klingen würde. Ich war von meinen eigenen Gesangsfähigkeiten einfach überzeugt. Die Angst und Aufregung waren dann, als ich vorne stand und gesungen habe, wie weggeflogen. Das kann Singen auch. Einfach unglaublich pushen, Stärke und Selbstvertrauen geben.

Dass Singen auch gut für die eigene Gesundheit ist, muss ich nicht ausführlicher beschreiben, dazu gibt es genügend Studien. Für mich besonders entscheidend ist, dass Singen mir einfach viel Spaß bereitet, ich mehr Lebensfreude und Glück empfinde. Allein deswegen lohnt es sich, öfter mal zu singen.

Und deswegen meine Bitte an euch alle: Singt auch und viel mehr! Egal, ob ihr jetzt gut singen könnt oder nicht. Tut es einfach, schaltet den Kopf aus und singt. Dann wären wir alle ein wenig glücklicher und mutiger.

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