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Warum den Freundschaften Ende 20 Nähe fehlt

Best Friends forever. Sich täglich sehen. Rund um die Uhr Bescheid wissen, was die beste Freundin so macht. Stundenlang gemeinsam in Musik versunken sein, ohne ein Wort sagen zu müssen. Alles miteinander teilen. Gemeinsam Höhen und Tiefen überstehen. Sich gegenseitig ewige Freundschaft schwören. Freundschaften in der Jugend waren anders als sie es jetzt sind. Warum ist das so?

Schon länger beschäftigt mich diese eine Frage: Warum fehlt es meinen heutigen Freundschaften so sehr an Nähe? Warum sind sie nicht mehr so wie Freundschaften aus meiner Kindheit oder als ich noch Teenager war?

Ein Text, der mir genau aus dem Herzen spricht, hat mir noch mal den Anstoß gegeben, über das Thema zu philosophieren. Ein Thema, das mich schon seit Jahren irgendwie immer wieder beschäftigt. 

Die Autorin in dem besagten Blogartikel stellt fest, dass Freundschaften eben doch damals anders waren. Freundschaften, die sie heute pflegt, gehen nicht mehr so in die Tiefe. Denn: Wir verändern und und unsere Freundschaften und was uns daran wichtig ist und was wir darin brauchen ebenfalls.


Freundschaften in verschiedenen Lebensphasen

Welche Freund*innen wir haben, hängt davon ab, in welcher Lebensphase wir sind, was uns gerade wichtig ist. Waren es in der Schule vielleicht noch jene Freund*schaften, die in die Tiefe gingen, bei denen wir auch einfach nur abhingen, sind es in den 20ern jene, mit denen wir einfach eine gute Zeit haben, mit denen wir feiern gehen können.

Und vielleicht sind Freundschaften in den späten Zwanzigern und Anfang 30 auch einfach nicht mehr so eng, weil wir erwachsen geworden sind. Freundschaften in der Kindheit und Jugend waren intensiver, weil wir eine turbulente Zeit durchgemacht haben, weil wir in der Findungsphase waren, weil wir uns mehr an unseren Freund*innen orientierten. Man hat viele erste Male zusammen erlebt, das erste Mal verliebt sein, der erste Liebeskummer, erste sexuelle Erfahrungen, das erste Mal feiern gehen, den Schulabschluss. Man ist gemeinsam erwachsen geworden. Eine Achterbahn der Gefühle, die man vor allem mit seinen engsten Freund*innen durchlebte. Das schweißt ungemein zusammen. Und es war gefühlt viel mehr Zeit da, die man miteinander verbrachte.


Warum wir Freundschaften verlieren

Freundschaften kommen und gehen, das ist der Lauf der Dinge. Sie verändern sich, weil wir uns verändern, weil sich unser Leben verändert. Viele Freundschaften gehen verloren, weil man sich nicht mehr regelmäßig sehen kann. Die tägliche Nähe, die man noch hatte, wenn man sich täglich in der Schule oder Uni getroffen hat, bricht weg. Man geht getrennte Wege, zieht in eine andere Stadt, sieht sich immer seltener, der Kontakt nimmt ab. Auf Distanz Nähe aufrechtzuerhalten ist schwer, das schaffen viele nicht.

Jetzt muss man Verabredungen machen, um sich zu sehen. Schauen, dass man noch irgendwo mal Platz im Kalender bekommt. Was tatsächlich für viele sehr schwierig sein könnte, bei den Turbulenzen des Alltags. Manche mögen sich vielleicht nicht aufraffen, haben kaum mehr Energie oder sind zu sehr eingebunden im Job. Oder kapseln sich ab, weil ihnen der Partner reicht oder man genug mit der eigenen Familie zu tun hat. Kein Wunder also, wenn in Freundschaften, die sich erst spät entwickeln, so wenig Nähe entstehen kann. Es fehlt einfach die Zeit und Energie, Freundschaften so zu vertiefen, wie es früher war. Davon mal abgesehen, gewinnen meine jüngeren Freundschaften niemals die Tiefe meiner älteren Freundschaften.

Auch die Anzahl an Freund*innen, die wir haben, ändert sich. Bis Mitte 20 nimmt die Zahl zu. Doch danach schwinden unsere Freundschaften. Wir haben vielleicht nicht mehr so viel Zeit, sind in Job und Terminen eingebunden, haben einen festen Partner. Die wenige Zeit, die wir noch für Freundschaften haben, wollen wir auch sinnvoll nutzen. Darum wird auch priorisiert, ausgemistet, Freund*innen sorgfältig ausgewählt.

Das musste ich selbst schmerzhaft Anfang des Jahres erleben: Eine für mich gute Freundin wollte sich nicht mehr mit mir treffen, weil sie sich auf sich und ihren engsten Freundeskreis beschränken wolle. Sie hätte keine sozialen Kapazitäten für mehr Freundschaften. Leider gehörte ich eben zu den Freund*innen, die eben nicht zum engsten Kreis dazugehörten. Den Kontakt wollte sie nicht verlieren, sie wollte mich nur nicht mehr treffen. Das hat mich schon ziemlich hart getroffen, es fühlte sich wie ein harter Verlust an, sie hatte mir die Freundschaft gekündigt. Unerwiderte Liebe tut weh, aber Freundschaft genauso.


Liebespartner*in ersetzt beste*n Freund*in

Und noch etwas kommt dazu: Je mehr wir reifen, desto mehr rücken andere Menschen wie unser Liebespartner*in an die Stelle der damaligen besten Freundin. Das schreibt die Autorin auch.

Und da hat sie wirklich recht. Seitdem ich meine erste feste Beziehung eingegangen bin, hatte ich auch nicht mehr das Bedürfnis nach einer besten Freundin. Ich hatte auch keine Freundin, mit der ich wirklich so eng sein wollte, für die ich bereit war, sehr sehr viel Zeit zu investieren. An die Stelle der besten Freundin trat mein damaliger erster Freund. Er wurde gewissermaßen meine beste Freundin, nur in männlich. Die Intimität ging weit über die hinaus, die ich damals mit meiner damaligen besten Freundin teilte. Und das reichte mir auch. Ich wünschte mir ab und zu mal eine beste Freundin, aber richtig gefehlt hatte sie mir nicht.


Keine Zeit und Energie für mehr Nähe

Und vielleicht bin ich auch einfach nicht mehr in dem Alter, in dem ich mich so einer Freundschaft wie damals hingeben will. Ich will nicht mehr unglaublich viel Zeit und Energie in sie investieren. Das liegt auch bei mir an meinem vollen Kalender. Ich habe einen Vollzeitjob, möchte Zeit für mich haben und mit meinem Partner verbringen. Ich pflege viele Hobbys und bin ehrenamtlich aktiv. Mein Fokus hat sich durch die Jahre verändert.

Versteht mich nicht falsch: Ich liebe meine Freunde und verbringe sehr gerne Zeit mit ihnen. Aber eben nicht mehr so intensiv wie früher. Ich bin nicht mehr so fokussiert auf sehr wenige enge Freundschaften. Mittlerweile habe ich viele Freund*innen, mit denen ich mich verbunden fühle, aber denen ich mich niemals so nah fühlen werde, wie den Freund*innen von früher. Das ist einerseits schon etwas traurig, aber auch verständlich. Aber meine sozialen Akkus reichen leider nicht mehr dazu aus, so innige Freundschaften zu pflegen. Ich fühle mich in der Tat aber auch so wohl mit meinen vielen Freund*innen, auch wenn diese geschwisterliche Nähe von damals fehlt.

Vielleicht braucht es auch nicht mehr so enge Freundschaften, weil ich inzwischen einen Partner habe, der mir all die Nähe und Intimität gibt, die ich mir von einer besten Freundschaft erhoffe. Mein Fokus liegt jetzt mehr auf der Liebe als auf Freundschaften, auch wenn letztere nach wie vor eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen.

Manchmal frage ich mich: Was wäre, wenn ich nicht in einer Beziehung wäre? Würden sich dann meine Freundschaften verändern? Würde ich dann mehr Zeit mit ihnen verbringen und dann die Nähe mehr suchen? Ich weiß es nicht genau, aber ich vermute schon.

Freundschaften ändern sich, so wie ich mich ändere und auch mein Leben. Ich passe meine Freundschaften an das an, was ich will. Und es ist gut so, dass Freundschaften so sind, wie sie jetzt sind. Selbst wenn ich tief in meinem Inneren beste Freund*innen wollte, so würden sie doch gerade nicht zu mir und meinem Leben passen. Ich akzeptiere, dass es meinen Freundschaften an Nähe fehlt, deswegen sind sie nicht weniger wertvoll. Sie sind eben einfach anders. Und bedeuten mir trotzdem sehr viel, auf ihre Art und Weise.

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